Lehnwortadaption im Zazaki


Hausarbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Soziolinguistische Aspekte

3. Verfahren

4. Konsonantenadaption
4.1. Adaption von / / und /ð/
4.2. Reparatur von Konsonantenclustern

5. Vokaladaption
5.1. Adaption von /ø/
5.2. Adaption von /y/

6. OT-Analyse
6.1. Kern-Peripherie-Struktur
6.2. OT-Analyse im Zazaki

7. Schlussfolgerung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Arbeit geht es um phonologische Prozesse, die bei der Entlehnung vom Türkischen ins Zazaki stattfinden. Grundlage dieser Arbeit ist der Aufsatz ‚Loan Adaptation in Zazaki’ von Walter (2004a) zur Lehnwortadaption im Zazaki. Am Beispiel der Lehnwortadaption vom Englischen und Türkischen ins Zazaki soll folgenden Fragen nachgegangen werden:

- Gibt es abstrakte Repräsentationen in der Phonologie?
- Nehmen Sprecher nicht-native Kontraste wahr und beachten sie diese in ihrer eigenen Sprache?
- Wird beim Entlehnen das Wissen über die Gebersprache genutzt?
- Bestimmt die Struktur einer Sprache mehr als die soziolinguistische Geschichte der Sprecher das linguistische Resultat eines Sprachkontaktes?

Walter (2004b:1f.) beantwortet diese Fragen mit ‚Ja’. Evidenz erhält sie in ihrer Studie über die Adaption vom Türkischen ins Zazaki. Als Grund wird der strukturelle Unterschied sowie der hohe Grad der Entlehnung zwischen der Phonologie der entlehnenden Sprache Zazaki und der Gebersprache Türkisch angeführt, der bewirkt, dass es Phoneme gibt, die bei der Entlehnung einerseits repariert andererseits aber entlehnt werden.

Ziel dieser Arbeit ist es, neben der Herausarbeitung des strukturellen Unterschieds zwischen Türkisch und Zazaki zu zeigen, in wie weit neben strukturellen auch etymologische Gründe bei der Untersuchung der Entlehnung zu berücksichtigen sind. Des Weiteren soll gezeigt werden, ob Entlehner eine zugrunde liegende Struktur in der Gebersprache erkennen und sie auf ihre Muttersprache anwenden.

Zuerst werden die soziolinguistischen Aspekte erläutert, die die Entlehnung ins Zazaki beeinflusst haben. Dabei wird auf die Entwicklung und die Stellung des Zazaki im indo- iranischen Sprachraum eingegangen. Anschließend wird die Studie von Walter (2004a) vorgestellt und erläutert. Im folgenden Kapitel wird die Konsonantenadaption in Bezug auf die oben genannten Fragestellungen und anschließend die Vokaladaption unter Berücksichtigung des türkischen und zazakischen Vokalinventars dargestellt. Anschließend werden Beschränkungen, die der Phonologie des Zazaki zugrunde liegen, im Rahmen der Optimalitätstheorie analysiert unter Berücksichtigung des Ansatzes von Ito und Mester (1999) zur Kern/Peripherie-Unterscheidung im Japanischen. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob diese These auf die Lehnwortadaption im Zazaki angewandt werden kann.

2. Soziolinguistische Aspekte

Der traditionelle Sprachraum des Zazaki liegt in Ostanatolien1. In diesem Gebiet treffen drei große Sprachfamilien aufeinander, die arabische, die türkische und die indo-iranische Sprachgruppe. Zazaki gehört zu den indo-iranischen Sprachen, die einen Zweig der indo- europäischen Sprachfamilie bilden und rund 40 Sprachen umfassen. Zazaki ist in seinem Kerngebiet Zentral-Ostanatolien dominierend neben Türkisch und den kurdischen Sprachen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob man Zazaki als eine eigene Sprache betrachten kann oder ob es zu den kurdischen Dialekten gezählt werden kann. Während Walter (2004b:1) davon ausgeht, dass Zazaki ein kurdischer Dialekt ist, charakterisiert Selcan (1998:1ff.) Zazaki wie folgt: Er betrachtet sie als eine eigenständige Sprache. Nach seinen Schätzungen gibt es etwa 3 Millionen Sprecher. Nach der Machtergreifung Mustafa Kemals im Jahre 1921 war der öffentliche Gebrauch des Zazaki in der Türkei bis in die jüngste Zeit verboten. Staatliche türkische Institutionen bezeichneten Zazaki und Kurmandji (eine kurdische Sprache) bis 1992 als türkischen Dialekt. Die Mitglieder des Volkes der Zaza wurden somit zu bilingualen Sprechern, da sie in der Schule und dem öffentlichen Leben spätestens ab dem fünften Lebensjahr intensiv mit Türkisch in Kontakt kamen. Die schriftliche Kommunikation fand bis 1928 in Osmanisch-Türkisch, Persisch und Arabisch statt.

Damit war die Voraussetzung für extreme Entlehnung vor allem aus dem Türkischen ins Zazaki geschaffen. Durch den Sprachverbund, der das Zazaki umgibt, wurde die Grundlage für das Eindringen in das phonologische Inventar des Zazaki geschaffen (vgl. u. a. Kahn 1976). Die folgende Graphik zeigt die Einflüsse des Arabischen, Türkischen und anderer indo-iranischer Sprachen auf das Zazaki, die über Jahrhunderte in sein Vokabular und sein grammatisches System eingedrungen sind:

(1) Einflüsse auf das Zazaki (nach Walter 2004a:1)

Türkisch Armenisch

Arabisch Zazaki Neo-Aramaisch

Persisch Proto-Indo-Iranisch

In dieser Darstellung aus Walter (2004a:1) ist ‚Kurdisch’ durch ‚Zazaki’ ersetzt worden.

3. Verfahren

Etymologisch ist der Weg der Entlehnung nicht genau zurückzuverfolgen, denn ein großer Teil des Wortschatzes im Türkischen wurde wiederum aus dem Arabischen und dem Persischen entlehnt. (2) zeigt die Häufigkeit der Entlehnungen. Das ausgewählte Vokabular wurde zufällig aus einer Seite eines Wörterbuchs Zazaki-Türkisch ausgewählt (vgl. Turgut 2001 und Hony 1947):

(2) Häufigkeit der Lehnwörter (nach Walter 2004a:2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In dieser kleinen Auswahl von 22 Wortstämmen wurde sowohl im Zazaki als auch im Türkischen die Hälfte des Wortschatzes entlehnt. Um untersuchen zu können, auf welche Weise das Vokabular beim Entlehnen in die Muttersprache angepasst wurde, ist die genaue Kenntnis der phonetischen Form sowie der Phonologie der Quellsprache notwendig. Damit nur Wörter untersucht werden, deren Herkunft unzweifelhaft ist, hat Walter (2004a:2f.) in ihrer Untersuchung zwei Verfahren angewandt.

Gegenstand der Untersuchung im ersten Verfahren waren Wörter des Englischen oder solche Formen, die wie englische aussahen. Diese wurden einem Muttersprachler des Zazaki präsentiert, der sie so aussprechen sollte, als wären es Wörter aus dem Zazaki. Es wurden

Segmente ausgewählt, die Konsonantencluster enthielten, die im Englischen üblich aber im Zazaki nicht erlaubt sind und deshalb von einem Muttersprachler repariert werden müssen. Zu untersuchen war die Frage, in welcher Form diese Phoneme von den Versuchspersonen ins Zazaki übernommen wurden. Dieses Verfahren wurde online durchgeführt.

Im zweiten Verfahren verwendete Walter solche Wörter des Zazaki aus o. g. Wörterbuch, die ihren türkischen Formen am ehesten entsprachen. Um auszuschließen, dass Wörter vorher aus dem Persischen oder dem Arabischen ins Türkische entlehnt wurden, wurden Wörter mit persischen oder arabischen Entsprechungen aus dem zu untersuchenden Korpus entfernt. So sollte sichergestellt werden, dass es sich zweifelsfrei um Strukturen der Gebersprache und nicht um wiederum entlehnte Formen handelt.

4. Konsonantenadaption

Das Konsonanteninventar unterscheidet sich vom Englischen u. a. durch das Fehlen der Phoneme / / und / /, wie in (3) rot markiert zu sehen ist. Zu erkennen ist auch, dass das Zazaki generell nicht über dentale Laute verfügt:

(3) Konsonanteninventar des Zazaki (nach Walter 2004a:3)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.1. Adaption von / / und /ð/

Um dennoch / / und /ð/ ins Zazaki übertragen zu können, wird / / als [t ] entlehnt. /ð/ wird typischerweise als [d] entlehnt, da sich diese Laute nur im Merkmal [+kontinuierlich, +apikal] unterscheiden. /'/ wird manchmal auch als [l] oder [v] entlehnt, so dass die Merkmale [+ stimmhaft, + kontinuierlich] erhalten bleiben (vgl. Walter 2004a:3f.). Durch das Fehlen der interdentalen Phoneme fehlt hier die Struktur, um / / und /ð/ übernehmen zu können. Daher findet eine Reparatur wie oben beschrieben statt. Beispiele zur Adaption von /ð/sind in (4) zu sehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(4) Entlehnung von /ð/ (nach Walter 2004a:3)

Im letzten Beispiel in dieser Tabelle tritt / / vor /k/ auf. Hier ist die Palatalisierung von /k/, das zu [k ] wird, zu erkennen, die bei folgendem vorderem Vokal auftritt. Das englische /k/ kann im Zazaki als /k/, /q/ selten als /g/ realisiert werden. Die Vielfalt an uvularen Konsonanten ist im Zazaki also wesentlich größer als im Englischen. Wenn im Englischen /k/ nach hinterem Vokal auftritt, kann es von einem Sprecher des Zazaki als /q/ wahrgenommen und adaptiert werden, was auch häufig der Fall ist. /q/ kann jedoch auch vor /i/, also einem vorderem Vokal auftreten, da Sprecher des Zazaki z. B. in einer /ki/-Sequenz /k/ nicht als palatalisiert wahrnehmen und deshalb in diesem Fall /q/ entlehnen. Hier erkennen Sprecher des Zazaki nicht, dass im Englischen /k/ zugrunde liegt und entlehnen deshalb als /q/.

4.2. Reparatur von Konsonantenclustern

Das Zazaki erlaubt als maximale Silbe CVCC, d. h. im Onset ist nicht mehr als ein, in der Koda sind nicht mehr als zwei aufeinander folgende Konsonanten erlaubt. Cluster, die aus mehr Konsonanten bestehen, müssen vom Sprecher des Zazaki repariert werden, was durch Vokalepenthese geschieht. Entlehnungen enthalten keine Information über die Form der Reparatur. Es gibt keine zugrunde liegende Form, an der man erkennen kann, welcher Vokal eingefügt werden muss. Ein bestimmender Faktor bei der Epenthese ist zum einen die Vokalharmonie. Stammvokale werden kopiert und in das Konsonantencluster eingefügt. Shademan (2002) hat bei der Epenthese fürs Persische, das mit Zazaki verwandt ist und auch über Vokalharmonie verfügt, festgestellt, dass Vokale kopiert werden können. Wie in (5) zu sehen ist, kann aber im Zazaki nur /u/ kopiert werden, /o/ (vgl. (6)) und /i/ im Gegensatz zum Persischen nicht.

(5) Epenthese von /u/ im wortinitialen Cluster (nach Walter 2004a:4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(6) Keine Kopie von und /o/ (nach Walter 2004a:4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In (6) ist zu sehen, dass /÷/ mit /u/ alternieren kann, da im Zazaki der mittlere Vokal /÷/, nach Tabelle (7) der kürzeste Vokal, als Defaultvokal eingefügt werden kann (zur Generalisierung epenthetisierter Vokale vgl. Lombardi 2003). Der zweite bestimmende Faktor bei der Epenthese ist also die Dauer der Vokale.

(7) Vokaldauer (nach Walter 2004a:5)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 zur näheren Beschreibung der Geographie vgl. Selcan (1998:1f.), zur Verbreitung, Grammatik und Dialektologie des Zazaki vgl. Paul (1998)

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Lehnwortadaption im Zazaki
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Institut für Sprache und Information)
Veranstaltung
Morphophonologie der Lehnwörter
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V78456
ISBN (eBook)
9783638830423
ISBN (Buch)
9783638832557
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sie zeigen Verständnis für die sprachwissenschaftliche Argumentation in der von Ihnen zitierten Literatur und sind in der Lage, diese sinnvoll wiederzugeben und aufeinander zu beziehen. Als Belege wählen Sie geeignete Beispiele aus. Sie sind außerdem in der Lage, selbständig zusätzliche Literatur zu zitieren. Ihr Stil ist wissenschaftlich angemessen und Ihre Argumentation gut nachvollziehbar.
Schlagworte
Lehnwortadaption, Zazaki, Morphophonologie, Lehnwörter
Arbeit zitieren
Tanja Malottke (Autor:in), 2006, Lehnwortadaption im Zazaki, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78456

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