Der Geschwisterinzest im Gregorius von Hartmann von Aue


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Einordnung in den historischen Kontext

III. Entstehungsgeschichte des Gregorius

IV. Das Gesetz von Sünde und Buße
IV.1. Prolog
IV.2. Der Geschwisterinzest
IV.2.1. Bedeutung des Geschwisterinzests
IV.2.2. Verlauf des Geschwisterinzests
IV.3 Buße der Geschwister
IV.4. Buße des Gregorius

V. Fazit

VI. Literaturangaben

Der Geschwister-Inzest im Gregorius

von Hartmann von Aue

I. Einleitung

Der Roman „Gregorius – der gute Sünder“ von Hartmann von Aue behandelt verschiedene Thematiken. Angefangen beim Zwillingsinzest, über das Leben des Gregorius im Kloster, seinen Abenteuern als Ritter, dem Inzest mit seiner Mutter, bis zu seinem Leben als Büßer und letzten Endes als Papst.

Der Schwerpunkt dieser Hausarbeit liegt auf dem Inzest der Zwillingsgeschwister. Ein besonderes Augenmerk liegt hinsichtlich bei der Interpretation auf dem theologischen Ansatz, vor allem hinsichtlich der Bedeutung der Buße. Bezüglich der anderen Aspekte des Romans erfolgt eine Auseinandersetzung nur, soweit sie für die Interpretation des Geschwisterinzest wichtig sind, anderenfalls würde der Rahmen dieser Arbeit gesprengt.

Um zu einer fundierten Interpretation zu gelangen, befasse ich mich zuerst mit dem historischen Kontext, in den das Werk einzuordnen ist.

II. Einordnung in den historischen Kontext

In einer christlich geprägten Welt schrieb man gern und oft über Sünder, die sich dem Verderben auslieferten, sofern sie nicht bereuten. Oder aber über Sünder, die sich in Gottes Hände gaben und nach christlichen Maßstäben doch noch ihren Platz im Himmel sichern konnten.

Inzest als literarisches Thema war im mittelalterlichen Roman durchaus beliebt. Ab welchem Verwandtschaftsgrad man von Inzest sprach war lange schon genau festgelegt. Und zwar in der Bibel. In dem Buch, auf das man sich das gesamte Mittelalter hindurch in allen Fragen und Problemen berief. Im dritten Buch Mose (Leviticus) 18-20 wird aufgelistet, zwischen welchen Verwandten sexuelle Beziehungen verboten und bis zu welchem Grad der Verwandtschaft Beziehungen erlaubt sind. Verboten waren natürlich sexuelle Beziehungen zu der Mutter. Dies galt sogar für die nicht blutsverwandte Stiefmutter. Geschwister und Halbgeschwister, die Großeltern und Tanten, Schwager und Schwägerin sowie die Geschwister der Ehegatten der eigenen Geschwister galten bezüglich sexuellen Beziehungen als Tabu. Ebenfalls fiel es unter Inzest, wenn man mit einer Frau schlief und anschließend mit ihrer Tochter oder Enkelin. Allgemein waren alle näheren Verwandten sowie Seelenverwandte als Sexualpartner untersagt. Erstaunlicherweise wurden weder Töchter, noch Nichten bei dieser Auflistung genannt. Als Erklärung könnte dienen, dass Inzest in der Kernfamilie nicht so häufig vorkam, wie in der weiter verzweigten Familie, da die natürliche Scham davon abhielt.[1] In den anderen Fällen musste man noch einmal besonders darauf hinweisen und harte Strafen für Vergehen verkünden.

Im Leviticus wurden etliche Strafen für verschiedenste sexuelle Sünden genannt. Während zum Beispiel auf Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau des Vaters die Todesstrafe stand, so drohte bei Geschwisterinzest nur Verbannung.

Nicht nur im Buch Mose 18-20, sondern auch in anderen Passagen des Alten Testaments wurden Fälle von Inzest genannt. Die mittelalterlichen Theologen sahen ihr Problem vor allem darin, dass die meisten vermerkten Fälle von Inzest nicht bestraft wurden und dies negativ auf die Menschen einwirken könnte. Augustin beschrieb in einer Passage in De civitate Dei die Diskrepanz zwischen biblischen Beispielen und der damaligen christlichen Lehre, die Inzest strengstens verbot. Er erklärte, beim Aufbau eines Volkes, sei Inzest erlaubt, wenn unweigerlich nötig. Doch wenn man mehrere Partner zur Verfügung habe, müsse es verboten werden. Als Argumente wurde beispielsweise von Thomas von Aquin gegen den Inzest genannt, dass man dem Ehepartner in erster Linie Respekt entgegen bringen sollte. Die copula carnalis, die fleischliche Vereinigung, gehöre nur als „Beigabe“ zur Ehe. Die Ehe sollte nicht von reiner Lust bestimmt werden; in erster Linie sei sie zur Zeugung von Kindern gedacht. Diese reine Lust entstünde am ehesten bei endogamen Beziehungen und müsse verhindert werden[2].

An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass im Mittelalter manche Dörfer oder auch Burgen so klein waren, dass man keine wirkliche Wahl an potentiellen Ehepartnern hatte. Oft waren die Menschen dazu gezwungen, innerhalb der Familie zu heiraten. Vor allem bei Adeligen kam es, um die eigene Familie zu stärken, indem der Besitz in der Familie blieb, häufig zu Ehen zwischen Cousin und Cousine. Daher wird der Inzest zwischen Cousin und Cousine in der Literatur häufiger behandelt als der Inzest in der Kernfamilie. Die neuere Literatur behandelt diese Beziehungen zwischen Verwandten zweiten Grades, sowie Liebesbeziehungen zwischen weiter verzweigten Verwandten, wie dies oft in Austen-Romanen zu sehen ist.

Einerseits war zwar damals eine starke Tendenz zur Exogamie vorhanden, was bedeutete, dass nur außerhalb des eigenen Stamms, der eigenen Sippe geheiratet wurde. Andererseits war man, vor allem in Priesterfamilien, auch auf die Reinheit des Blutes bedacht, die man versuchte durch Endogamie zu erhalten. Diese Tendenz der Reinhaltung des Blutes gab dem Inzest den Namen „Blutschande“, der jedoch heute nicht mehr im Gebrauch ist, da er zu sehr an die nationalsozialistischen Gedanken im Dritten Reich erinnert und somit negative Konnotationen wach ruft.

In jedem Falle war Inzest im Mittelalter sowohl in der Literatur als auch der Realität ein stark präsentes Thema. Man findet es in der Bibel, Romanen und in Dorf- und Stadt-Rechtsverordnungen, in denen legitime Ehen geregelt wurden. Der Grad an Verwandtschaft, ab dem geehelicht werden durfte, war hier als „der Siebte“[3] festgelegt. An diese hielt man sich nicht immer, so dass strenge Strafen angedroht werden mussten. In Herrscherfamilien oder dem Adel allgemein war es üblich, dass, wenn die Verwandtschaft des gewünschten Ehepartners zu nah war, man eine gewisse Summe an die Kirche abtrat und sich die Ehe legitimieren ließ.

Die Präsenz der Inzestproblematik ist in vielen Quellen festgehalten. Im frühen Mittelalter wurden beispielsweise 538 auf dem Dritten Konzil von Orléans auf Geheiß König Chlodwigs Inzestgesetzgebungen behandelt. Seit 511 wurde schon auf sechs Synoden im Königreich Burgund und im fränkischen Reich über eine Gesetzgebung betreffend des Inzest diskutiert. Dies weist auf die Aktualität der Thematik zu dieser Zeit hin, ebenso die Problematik kirchlicher Akzeptanz bezüglich Eheverbote zwischen Schwägern und Blutsverwandten.[4]

Man könnte die Freikaufung der Ehe parallel zu einem der Bußgesetze sehen, indem Almosen von der Sünde befreien. In diesem Fall konnte man durch die Gabe an die Kirche den Erlass der Sünde erkaufen.

[...]


[1] Archibald, Elisabeth. Incest in the medieval imagination. Oxford 2001, Seite 22.

[2] Ebenda, Seite 33.

[3] Ebenda, Seite 35.

[4] Mikat, Paul. Die Inzestverbote des Dritten Konzils von Orléans (538). Ein Beitrag zur Geschichte des Fränkischen Eherechts. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaft. Opladen 1993, Seite 5f.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Geschwisterinzest im Gregorius von Hartmann von Aue
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V78397
ISBN (eBook)
9783638830140
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschwisterinzest, Gregorius, Hartmann, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Morgana Perkow (Autor:in), 2006, Der Geschwisterinzest im Gregorius von Hartmann von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78397

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