Kultur und Standort - Eine empirische Untersuchung zu der Sonderausstellung "Der Blaue Reiter" in Bremen


Diplomarbeit, 2001

89 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wettbewerb der Standorte
2.1 Neue wirtschaftliche Strukturen
2.1.1 Wirtschaftliche Veränderungen
2.1.2 Politische Veränderungen
2.1.3 Soziale Veränderungen
2.2 Standortmarketing als Instrument des Wettbewerbsvorteils
2.3 Kriterien der Vergleichbarkeit von Standorten
2.3.1 Standortfaktoren aus der Sicht von Unternehmen
2.3.2 Standortfaktor aus Sicht der Touristen
2.3.3 Standortfaktor aus Sicht der Einwohner
2.4 Image – Ergebnis der Marketingmaßnahmen

3 Bedeutung der Kultur im Standortwettbewerb
3.1 Kultur als weicher Standortfaktor
3.2 Kulturelle Handlungsansätze
3.3 Stellenwert der Kultur im wirtschaftspolitischen Gefüge
3.3.1 Die externen Wirkungen der hochkulturellen Angebote
3.3.2 Politische Bedeutung
3.3.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung
3.3.4 Kultur als ein weicher Standortfaktor
3.3.4.1 Einfluss der Kultur auf das Image eines Standortes
3.3.4.2 Kultur und Attraktivität
3.3.4.3 Kultur und Lebensqualität
3.3.4.4 Kultur und Image
3.3.5 Soziale Bedeutung der Kultur

4 Bremen im Wettbewerb der Metropole
4.1 Wirtschaftliches und politisches Umfeld in Bremen
4.2 Ziele zur Etablierung Bremens als Wirtschaftsstandort
4.3 Integriertes Standortmarketing
4.4 Integration der Kultur in die Wirtschaftspolitik Bremens
4.4.1 Politik für Kultur
4.4.2 Wirtschaft für Kultur
4.4.3 Bürger für Kultur
4.5 Bremens Kulturelle Infrastruktur
4.6 Integration der Kulturevents in die Wirtschaftspolitik Bremens
4.6.1 Durchführung der Kulturereignisse
4.7 Positive Effekte der Kulturereignisse für Bremen Die empirische Untersuchung

5 Der Blaue Reiter als Kulturevent
5.1 Die Entstehungsgeschichte der Sonderausstellung
5.2 Gliederung der Ausstellung
5.3 Wissenschaftliche Bedeutung der Ausstellung
5.4 Beteiligte an der Vermarktung der Ausstellung
5.5 Neuartige Vorgehensweise bei der Vermarktung der Ausstellung

6 Methodik der Besucherbefragung
6.1 Entwicklung des Fragebogens
6.2 Pretest
6.3 Erhebungsmodus
6.4 Auswahlverfahren

7 Ergebnisse der Befragung
7.1 Grundlegendes
7.1.1 Netto Besucher
7.1.2 Erfassungsgrad
7.1.3 Rücklaufquote
7.2 Soziodemographische Merkmale der Besucher
7.2.1 Herkunft der Besucher
7.2.2 Bildungsabschluss der Besucher
7.2.3 Berufliche Stellung der Besucher
7.2.4 Geschlechtstruktur
7.3 Besucherverhalten und dessen wirtschaftliche Aspekte
7.3.1 Grund der Anreise
7.3.2 Aufenthalt in Bremen
7.3.3 Motive des Besuches
7.3.4 Andere Aktivitäten der Besucher in Bremen
7.4 Bremen aus Sicht der Sonderausstellungsbesucher
7.4.1 Bremen - Kulturzentrum
7.4.2 Bremen - Provinz
7.4.3 Bremen - Industriestandort
7.4.4 Bremen - Außenhandelszentrum
7.4.5 Bremen – attraktives Reiseziel
7.5 Der Blaue Reiter aus Sicht der Besucher
7.5.1 Gesamteindruck
7.5.2 Serviceleistungen
7.5.3 Weiterempfehlung
7.6 Bremen again?
7.7 Zusammenfassung

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis:

10 Anhang - Fragenkatalog

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Standortmarketing – Begriffsabgrenzung

Abbildung 2: Die Ebenen des Standort-Marketing

Abbildung 3: Imagetypen des Standortsmarketing,

Abbildung 4: Ziele und Wirkungen der Kulturevents

Abbildung 5: Integriertes Marketing für Bremen

Abbildung 6: Räumliche Gliederung der Ausstellung

Abbildung 7: Bremen und Der Blaue Reiter

Abbildung 8: Zeitplan der Besucherbefragung

Abbildung 9: Kontrolliste der Stichproben, nach Klein

Abbildung 10: Postleitzahlenkarte Deutschlands

Abbildung 11: Herkunft der Besucher, eigene Darstellung

Abbildung 12: Bildungsniveau der Besucher

Abbildung 13: Stellung der Besucher im Erwerbsleben

Abbildung 14: Geschlecht der Besucher

Abbildung 15: Übernachtungsart der Besucher

Abbildung 16: Aufenthaltsdauer

Abbildung 17: Motive des Besuches

Abbildung 18: Aktivitäten der Besucher

Abbildung 19: Aktivitäten der Besucher

Abbildung 20: Aktivitäten der Besucher

Abbildung 21: Bremen - Kulturzentrum

Abbildung 22: Bremen als Provinz

Abbildung 23: Bremen - Industriestandort

Abbildung 24: Bremen - Aussenhandelszentrum

Abbildung 25: Bremen – attraktives Reiseziel

Abbildung 26: Stadttouristik – Führungen

Abbildung 27: Gesamteindruck

Abbildung 28: Weiterempfehlung der Ausstellung

Abbildung 29: Rückkehr nach Bremen

1 Einleitung

In der heutigen Zeit misst man den kulturellen Werten einer Region oder einer Stadt mehr Bedeutung zu als früher. Insbesondere durch die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen zur Jahrtausendwende gewinnt der Standort an Bedeutung. Die vorliegende Arbeit geht auf die positiven Auswirkungen der Kulturereignisse mit überregionaler Reichweite in ökonomischer und imagebildender Hinsicht ein.

Sie gliedert sich in einen theoretischen Teil und in die Untersuchung selbst. Ausgehend von den Veränderungen in der Wirtschaft wird auf die damit in Zusammenhang stehenden politischen und sozialen Veränderungen der Gesellschaft eingegangen. Der erste Teil besteht aus drei Abschnitten:

- Die wirtschaftlichen Veränderungen, die die Politik und das soziale Leben beeinflussen, werden skizziert, das Instrumentarium vorgestellt, das eingesetzt wird, um die Standorte in Zeiten der Globalisierung attraktiv und wettbewerbsfähig zu machen.
- Im Anschluss werden die sog. weichen Faktoren, die die Attraktivität eines Standortes bestimmen, erläutert. Weiter wird der Begriff Kultur erläutert und dessen Bedeutung untersucht.
- Bremen, derer Bemühungen, die eigene Attraktivität zu steigern, sowie der Versuch, das Image zu verbessern, werden anschließend beschrieben. Dabei findet der kulturelle Aspekt eine besondere Berücksichtigung.

Im zweiten empirischen Teil dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Besucherbefragung zu der Sonderausstellung Der Blaue Reiter vorgestellt. Es wird beschrieben, wie die Ausstellung Der Blaue Reiter nach Bremen gekommen ist und welche Marketingmaßnahmen eingesetzt wurden, um möglichst viele Besucher nach Bremen zu ziehen. Ausgehend von der Besucherstruktur wird untersucht ob und welche ökonomischen und imagebildenden Effekte eingetreten sind. Mit dieser Arbeit wird am Beispiel der Sonderausstellung Der Blaue Reiter in Bremen untersucht, ob ein solch kulturelles Ereignis Einfluss auf Attraktivität, Ansehen und Image eines Standortes hat. Außerdem werden die wirtschaftlichen Effekte untersucht.

2 Wettbewerb der Standorte

Die Globalisierung der Weltwirtschaft, Veränderungen in Kommunikations,- Finanz,- und Transportwesen aufgrund der revolutionären, technischen Veränderungen, hat unsere Welt zu einem globalen Dorf werden lassen. Die Städte, Gemeinden, Regionen – Standorte eben - müssen in einen Wettbewerb gegeneinander antreten, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. In diesem Kapitel wird der Versuch unternommen, den Begriff Standort zu definieren und den sich vollziehenden Wandel zu erklären.

Standorte stehen aufgrund des tiefen gesellschaftlichen Wandels und der großen strukturellen Veränderungen, die in diesem Kapitel kurz skizziert werden, im Wettbewerb gegeneinander. Sie befinden sich in einer Auseinandersetzung um die Zukunft. Die Zukunft bedeutet wohlhabende Einwohner, qualifizierte, junge Arbeitskräfte, gesunde, innovative Unternehmen, Bevölkerungszuwachs, Touristen. Um nicht stehen zu bleiben sind die Standorte gefordert mit der Zeit zu gehen, attraktiv zu sein, ein eigenes Image zu pflegen und eine Infrastruktur zu entwickeln.

2.1 Neue wirtschaftliche Strukturen

Pantha rei[1] - unsere Welt befindet sich im permanenten Wandel, der vor allem von der Wirtschaft ausgeht. Nach dem technologisch-statistisch ausgerichteten Ansatz von Kondratieff aus dem Jahre 1926 werden vier Entwicklungsstufen der Gesellschaft, die seit der Industriellen Revolution aufeinander gefolgt sind, unterschieden. Die erste Stufe der modernen Gesellschaft war die durch die erste Industrielle Revolution ausgelöste Industriegesellschaft. Durch verhaltenwissenschaftliche und soziologische Erkenntnisse initiiert folgte danach die postmoderne Gesellschaft, die wiederum seit der Installation der technischen Intelligenz am Arbeitsplatz durch die Informationsgesellschaft abgelöst worden ist. Wir befinden uns am Ende der Informations- und am Anfang der Wissensgesellschaft, die durch Cyberspace, Inter- und Intranet, multimediale Kommunikation etc. geprägt ist.[2]

2.1.1 Wirtschaftliche Veränderungen

Die tiefgreifenden Veränderungen der Organisationsstruktur der Betriebe gehen mit wirtschaftlichen strukturellen Veränderungen zusammen. Es vollzieht sich ein struktureller Wandel, der durch die Verschiebung vom sekundären Sektor – Industrie - zum tertiären Sektor – Dienstleistungen - allgemein als Tertiärisierung der Wirtschaft bezeichnet wird.[3] Die Fertigungsprozesse und einfache, standardisierte Tätigkeiten nehmen ab, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten nehmen zu. Damit steigen die Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte.[4] Folgerichtig hat man zunehmend mit sog. wissensbasierten Volkswirtschaften[5] zu tun.

Schon Jean Fourastie prognostizierte vor ca. 50 Jahren, dass bis zum Jahre 2000 in den wirtschaftlich hochentwickelten Ländern der primäre Sektor d.h. die Landwirtschaft bedeutungslos wird, die Industriebeschäftigung nach einem Aufstieg schrittweise – insbesondere wegen der enormen Produktivitätssteigerungen – zurückfällt und der Dienstleistungssektor beschäftigungsmäßig anwachsen wird.[6]

Die technologischen Veränderungen führen zur Beeinflussung der Konjunktur- und Marktveränderungen, was zum Teil in der Aufhebung der klassischen Standortkriterien bzw. Standortvorteile endet. Die neuen virtuellen d.h. asynchronen und vernetzten Produktionsverfahren generieren einen globalen Arbeitsmarkt, ohne Raum- und Zeitgrenzen, mit hochqualifizierten und gleichzeitig niedrig entlohnten Menschen. Neue selbständige, dynamische unternehmensbezogene Aufbau- und Ablaufstrukturen entstehen, die sich an geänderte Umwelt- und Aufgabenbedingungen anpassen.[7] Der klassische Betrieb und die klassische Arbeitsorganisation werden aufgelöst. Es entstehen neue Organisationsstrukturen innerhalb kleiner und mittelgroßer virtueller Betriebe.[8] Das führt zur Verquickung zwischen Arbeitszeit und Freizeit, zwischen Arbeitsplatz und Wohnort.[9]

Die virtuelle Gesellschaft gewinnt zunehmend die Überhand, die sich im wirtschaftlichen Aspekt durch die Entstehung von Datenautobahnen, multime­dialen Dienstleistungen, verteilten Arbeitens und nicht mehr ortsgebundener Arbeit charakterisiert.[10] Durch die neuen Informations- und Kommunikation­stechnologien wird die Mobilität der dienstleistungsanbietenden Unternehmen verstärkt. Dieser Trend wird durch eine bundesweit durchgeführte Umfrage bestätigt, wonach 32% der Befragten Absichten für eine Standortveränderung äußerten.[11] Diese werden unter anderen durch den - Trend des Outsourcings begünstigt. Die Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe müssen nicht am Traditionsstandort verbleiben. Regional gesehen können davon vor allem Oberzentren profitieren und mit gezielten Strategien neue Dienstleistungsperspektiven zu erarbeiten.[12] Die unternehmensorientierten Dienstleistungen sind nicht nur wichtig, weil sie zur Sicherung der ortsansässigen Industrie beitragen, sondern auch, weil sie standortbildend wirken und einen Imageeffekt besitzen. Dies sogar bei einem geringen quantitativen Volumen und einer hohen Entwicklungsdynamik. Zusätzlich wirkt der hohe Qualifikationsgrad der Beschäftigten sich positiv auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Regionen aus.[13]

Ein rapider, technologischer Wandel findet in der Produktion, Kommunikation und dem Verkehrswesen statt. Das impliziert die Entstehung neuer Arbeitsplätze, überhaupt neuer Berufe im Dienstleistungssektor, im Thoughtware, wie es Kotler nennt: Computer, Software Branche, Finanzwesen, Erziehungs- und Ausbildungssektor, Medizin, Telekommunikation, Ingenieurwesen, Entwicklung und Verbreitung von Datenbanken, Innovationen des Vertriebssystems, Innovationen im Versicherungswesen.[14] Das hat zur Folge, dass gut ausgebildete, neue Arbeitskräfte benötigt werden. Die Zeit der Produktionsarbeiter gehört der Vergangenheit an.

2.1.2 Politische Veränderungen

Die oben geschilderten wirtschaftlichen Veränderungen beeinflussen die raumpolitischen Dimensionen. Die Informations- und Wissensgesellschaft ist nicht nur durch verbesserte Informations- und Kommunikationsstrukturen sondern auch durch neue politische Ordnungsrahmen ausgezeichnet.[15] Die Europäische Gemeinschaft dient als gutes Beispiel.

Der klassische Standort der Industriegesellschaft spielt bei virtuellen Unternehmen keine Rolle mehr. Die physikalische Anwesenheit an einem Ort ist nicht mehr wichtig. Dadurch verliert auch der Nationalstaat an Bedeutung.[16] Andererseits wird beobachtet und erwartet, dass zunehmend die Regionen im zusammenwachsenden Europa und angesichts der Globalisierungstendenz der Wirtschaft an Bedeutung gewinnen werden. Eine Region wird nicht nur von den dort wohnenden und arbeitenden Menschen als ihr ureigenster Lebensraum begriffen und gestaltet. Mit der Einteilung in Regionen werden auch überschaubare und handhabbare Größen geschaffen.[17] Die Kooperationen der Städte mit dem Umland sollen an Dynamik gewinnen, da die Gemeinden und Kommunen ohne Zusammenarbeit im weltweiten Wettbewerb auf der Verliererstrecke bleiben werden. Die Veränderungen tangieren insbesondere Städte und derer Umland bezüglich der Flächen-, Ansiedlungs-, Kultur-, und Umweltpolitik.[18]

2.1.3 Soziale Veränderungen

Der gravierende wirtschaftliche Wandel hat natürlich auch Auswirkungen auf das soziale Leben der Gesellschaft. Breite Bevölkerungskreise erfahren eine Steigerung im Bildungsniveau, im Einkommenswachstum und in der Zunahme an frei verfügbarer Zeit. Gleichzeitig findet ein Wertewandel statt, der sich in einer stärkeren Betonung von Selbstentfaltungswerten wie Selbstverwirklichung, Spontaneität, Genuss, Kreativität äußert. Es wird nach spirituellem, kulturellem Ausgleich in einer andererseits zunehmend am Rationalen orientierten Welt gesucht.[19] Die Informationsgesellschaft charakterisiert sich durch entkernte Lebensformen, was bedeutet, dass die Kleinfamilie keine Modellfunktion mehr besitzt;[20] Individualisierung, Vereinzelung findet statt, das Individuum wird aus traditionellen Sinnzusammenhängen herausgelöst.[21] Yetties heißt der neue Menschentypus. Es sind zukunftsorientierte, flexible, gut verdienende, bis zum Umfallen arbeitende Singles, die die soziale Isolation dafür in Kauf nehmen und ihre Freizeit auf After-work-parties, beim Shopping oder in edlen Restaurants verbringen. Sie sind akut durch den physischen und psychischen Zusammenbruch gefährdet, der nur durch eine langfristige Therapie zu bewältigen ist, in der sie lernen, sich sozial zu integrieren und die Umwelt bewusst wahrzunehmen.[22]

Ein anderer Aspekt des gesellschaftlichen Lebens ist die Anfang der 80er Jahre in der Freizeitforschung prognostizierte und beobachtete Erlebnisorientierung im Leben. Der passiven Konsumorientierung der 60er und 70er Jahre stehen aktiv erlebnisorientierte Formen in den 80er und 90er Jahren gegenüber. Der Arbeitsgesellschaft steht die Erlebnisgesellschaft gegenüber. Die Freizeitindustrie ist zur Erlebnisindustrie geworden vor allem in den Bereichen Tourismus, Kultur und Unterhaltung. Das durch Freizeit, Wohlstand, Wertewandel, Massenmobilität, Marktsättigung veränderte Verbraucherverhalten führt zur Angebotsveränderungen seitens der Produkt- und Dienstleistungsunternehmen.[23]

Die von der Wirtschaft ausgehende Globalisierung, die tiefgreifenden strukturellen und wirtschaftlichen Veränderungen haben nicht nur Einfluss auf die Wirtschaft selbst sondern auch auf alle Bereiche des politischen und sozialen Lebens der Gesellschaft. Die Globalisierung lässt eine sog. geistig-dispositive Distanz zwischen kultureller Identität und wirtschaftlichem Aktionsradius entstehen. Das erkennt man an den Komplikationen, die durch die Gleichzeitigkeit von globalem Denken in der Wirtschaftspraxis und lokaler (stadtbezogener) kultureller Bindung möglicherweise entstehen, können ein und dieselbe Person betreffen (z.B. eine Führungspersönlichkeit in einem Unternehmen). Diese wäre dann in einer Situation, in der sie zwischen ihrer ökonomischen Arbeit mit globaler Raumorientierung und ihrer privat-persönlichen Orientierung im lokalen Lebensumfeld zu unterscheiden hat.[24]

2.2 Standortmarketing als Instrument des Wettbewerbsvorteils

Die Globalisierungsprozesse zwingen gerade die unattraktiv gewordenen, unter Druck geratenen, wirtschaftsstrukturschwachen, von Abwanderung gekennzeichneten Standorte, koordinierte Marketingmaßnahmen zu ergreifen, um Käufergruppen zu erreichen und sie zum Kauf von Standortleistungen zu motivieren.[25] Marketing dient schon lange nicht mehr ausschließlich den Industrieunternehmen, um ihre Produkte erfolgreich zu vermarkten. Das Marketing und sein Instrumentarium sind längst erfolgreich einsetzbar auf den Gebieten des Dienstleistungsmarketings, Non-Profit-Marketings und seit neuestem bei Vermarktung von Standorten, Regionen, Städten, Innenstädten, Kommunen, um die Wettbewerbsposition zu bestimmen und im nächsten Schritt zu stärken. Entsprechend gibt es: City-, Stadt-, Kommunal- Standort- Regionalmarketing. Die folgende Tabelle grenzt die Begriffe voneinander ab, unterscheidet nach Zielgruppen, Objekten und Besonderheiten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Standortmarketing – Begriffsabgrenzung, Mayer, Regionalmarketing, 1999, S. 17ff

In dieser Arbeit wird der Begriff Standortmarketing verwendet als Instrument zur Förderung der Attraktivität, des Images, der Lebensqualität eines Standortes im oben definierten räumlichen Sinne d.h. begrifflich umfassend City-, Stadt-, Regionalmarketing.

Ein Standort wird definiert als die in einem regionalen bzw. kommunalen Raum abgegrenzte, geographische Einheit unter Berücksichtigung ihrer geophysischen, ökologischen, soziokulturellen und infrastrukturellen Merkmale, zuzüglich der an, auf und in dieser Einheit anbietbaren Dienstleistungen.[28] Unter dem zunehmenden Druck des Wettbewerbs muss sich jeder Standort zu einem attraktivem Güter- und Dienstleistungsanbieter entwickeln, als Marktteilnehmer und Verkäufer seiner Produkte und d.h. seines Standortes. Denn unter den marktrelevanten Gesichtspunkten wird ein Standort definiert als ein Produkt, dessen Identität und Wert aufgebaut werden muss. Ein Standort, der sich selbst erfolgreich verkaufen möchte, der keine Stagnation und keinen Niedergang erleben möchte, muss sich auch selbst erfolgreich vermarkten können.[29]

Das Standortmarketing wird als viel versprechender Integrationsprozess, der die potentiellen Wettbewerbsvorteile eines Standortes mit den übergeordneten Zielen der Wirtschaftsentwicklung verbindet definiert im dynamischen Prozess der Stärkung der Wettbewerbsposition dieses Standortes.[30] Zu den unmittelbar in den Standortmarketingprozess involvierten agierenden Akteuren gehören die Bürger, die Wirtschaft und die politisch Verantwortlichen. Falls Handlungsbedarf besteht, sind die Letztgenannten diejenigen, die eine Vision entwickeln und realisieren und sie den Zielgruppen präsentieren sollen. Um die Einzigartigkeit und Identität eines Standortes kreieren zu können, soll die Vision bestehende und vorher existierende Potentiale sowie vorhandene Teilkonzepte berücksichtigen.[31] Die Zielgruppen, die es zu gewinnen gilt, werden in dieser Arbeit in interne und externe Zielgruppen unterteilen. Zu den internen Zielgruppen gehört die Bevölkerung eines Standortes, qualifizierte Arbeitskräfte sowie Unternehmen, in den bestimmten Unternehmensstandort investieren sollen. Zu den externen Zielgruppen gehören Besucher und zwar unterteilt in Privat-, und Geschäftsbesuche. Privatbesucher oder auch Touristen, die an einem Standort übernachten, kann man in Tagesgäste und Touristen, die länger bleiben, unterscheiden. Die nächste Zielgruppe bilden Investoren, Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte, die es von den Vorteilen des bestimmten Standortes zu überzeugen gilt. Diese Zusammenhänge werden durch das folgende Bild veranschaulicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Ebenen des Standort-Marketing, in Kotler, Heider, Standort-Marketing, 1994, S. 35

Standortmarketing ist daher eine eindeutige und anhaltende Profilierung des gesamten Standortes mit all ihren Funktionen wie Infrastruktur, Einkaufen, Kultur, Sport, Arbeiten, Gewerbe usw. im Vergleich zu den Mitbewerbern,[32] unter der Berücksichtigung, falls es sich um eine Stadt handelt, des Umlandes, der Region, sogar seiner Lage in Europa und der Welt, wobei die Zielgruppenorientierung definiert sein muss. Standortmarketing hebt bestimmte Faktoren aus einer Fülle heraus, bündelt sie zu einem Paket und bietet sie auf dem Markt der Standorte an.

2.3 Kriterien der Vergleichbarkeit von Standorten

Die Zielgruppen, die einen Standort in Anspruch nehmen, bzw. kaufen sollen, brauchen bestimmte Orientierungshilfen, erkennbare Faktoren, um sich für oder gegen den Kauf eines Standortes und seiner Leistungen entscheiden zu können. Die sog. harten – Infrastruktur, Förderung - und weichen – Attraktivität, Image, Lebensqualität - Standortfaktoren bieten die nötige Orientierungshilfe.

Bevor die Hervorhebung der Unterschiede zwischen den harten und weichen Standortfaktoren erfolgt, wird zuerst der Begriff Standortfaktor definiert. Für den Klassiker der industriellen Standortlehre, den Theoretiker Alfred Weber, ist ein Standortfaktor ein seiner Art nach scharf abgegrenzter Vorteil, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort, oder auch an Plätzen bestimmter Art vollzieht.[33] Dieser Vorteil ist Kostenersparnis bei Herstellung eines bestimmten Produktes gegenüber einem anderen Ort. Diese klassische Definition entspricht aus heutiger Sicht der Begriffserklärung der harten, rein wirtschaftlichen Standortfaktoren, die bei der Ansiedlung von Unternehmen eine Rolle spielen und für Standortmarketing nichts anderes als Infrastruktur bedeuten.

2.3.1 Standortfaktoren aus der Sicht von Unternehmen

Die Städte, Standorte und Regionen, die vor diesen veränderten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stehen, müssen sich dem Konkurrenzkampf und den neuen Standortanforderungen stellen. Die klassischen Kriterien der Standortwahl verlieren an Bedeutung, während der Stellenwert der weichen Standortfaktoren wächst.[34]

Die Unternehmen werden von Menschen gegründet, geführt, gebildet, die nicht nur nach den ökonomischen Gesichtspunkten, sondern nach bestimmten Vorlieben, Sehnsüchten, teilweise irrational handeln. Deshalb werden die mitbestimmenden Umstände bei den Standortentscheidungen durch ein Geflecht aus harten und weichen standortrelevanten Faktoren gebildet. Das sind diejenigen Faktoren, die nur zum Teil messbar, stark subjektiv oder irrational sind[35]. Der Begriff weicher Standortfaktor entstand in den 80er Jahren und umfasste die sog. außerökonomischen Faktoren. Grabow unterscheidet zwei Typen weicher Standortfaktoren:

- Weiche unternehmensbezogene Faktoren, welche von unmittelbarer Wirksamkeit für die Unternehmens- oder Betriebstätigkeit sind.
- Weiche personenbezogene Faktoren, die kaum direkte Auswirkungen für die Unternehmenstätigkeit haben, die für die Beschäftigten und Entscheidenden von Bedeutung sind, da sie die persönliche, also subjektive Präferenzen bezüglich der Lebens- und Arbeitsbedingungen am Standort definieren.

Nach umfangreichen Untersuchungen von Diller weisen vor allem Betriebe aus dem stark expandierenden Bereich der neuen produktionsorientierten Dienstleistungen, eine besondere Affinität zu weichen Standortfaktoren auf. Dazu gehören Betriebe, die durch Serviceleistungen z.B. im IT und Marketingbereich eine Schlüsselrolle im Innovationsprozess und damit im wirtschaftlichen Strukturwandel besitzen Alle diese Betriebstypen haben einen überdurchschnittlichen Anteil an hochqualifizierten Beschäftigten.[36]

Dies wird von Schönert bestätigt, indem bei der Entstehung von technologieorientierten Unternehmensgründungen eher die subjektiv empfundene Attraktivität eines Standortes, das Image eines Standortes, die Aufmerksamkeit der lokalen Wirtschaftsförderung allgemeine Vorteile bilden und weniger eine Ansiedlung in Technologie- und Gründerzentren.[37]

Es ist notwendig, die Standortfaktoren differenziert nach Branchen oder Betriebstypen zu betrachten. Es gibt Branchen, für die die harten Faktoren größere Bedeutung haben und Branchen, vor allem die Dienstleistungsbranche, für die die weichen Faktoren wichtiger sind, wie z.B. das Image einer Stadt. Die Unternehmen aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich stufen weiche Standortfaktoren am höchsten im Vergleich mit anderen Betriebstypen ein. Zudem ändert sich die Einschätzung auch mit der Stadtgröße. In größeren Städten werden Faktoren wie Freizeit, Kultur etc. besonders hervorgehoben, in kleineren dagegen weniger.[38]

2.3.2 Standortfaktor aus Sicht der Touristen

Die Definition der weichen Standortfaktoren kann man auch für andere Zielgruppen transformieren wie z.B. für Touristen. Sie sind nach dem Besuch Botschafter, die über ihr Reiseziel Gutes oder weniger Gutes zu berichten wissen. Sie sind vielleicht potentielle, zukünftige Einwohner oder einsiedlungswillige Unternehmer. Für sie sind beispielsweise preiswerte Übernachtungs-möglichkeiten, gute Verkehrsverbindungen und gastronomische Infrastruktur als harte Faktoren zu nennen. Zu den weichen würde man die Qualität der Gastronomieleistungen, das Image, das Ambiente, der Flair oder die Atmosphäre zählen.

2.3.3 Standortfaktor aus Sicht der Einwohner

Wenn man die Begriffe harte und weiche Faktoren auf die Einwohner transformiert, würde man die Lebenshaltungskosten, das Arbeitsangebot, das Einkommensniveau, die Anzahl der Kindergärten, die Verkehrsverbindungen zu den harten Faktoren zählen; zu den weichen die Lebensqualität, kulturelles Angebot usw.

2.4 Image – Ergebnis der Marketingmaßnahmen

Das Image ist der inhaltlich vielfältigste Faktor und gehört zu den zentralen weichen Standortfaktoren. Die anderen weichen Standortfaktoren wie Freizeit-, Wohn-, Bildungs-, und Kulturangebote besitzen prinzipiell einen unmittelbaren Gebrauchswert, den das Image so nicht hat.[39]

Das Image ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf die zukünftige Entwicklung einer Stadt, eines Standortes, einer Region. Deshalb wird der Grad des Erfolges der Kommunal-, Standort-, Regionalpolitik immer am Stadt-, Standort-, Regionalimage zu messen sein.[40]

Images sind mehrdimensionale, verfestigte Systeme, die unter Einwirkung vor allem affektiver, kognitiver, selektiver und personaler Komponenten entstehen und als ganzheitliche Ergebnisse dynamischer Lernprozesse anzusehen sind. Sie sind Steuerungssysteme menschlichen Verhaltens.[41] Es sind Vorstellungsbilder, die Elemente unterschiedlicher psychischer Reaktionen, Denkvorgänge und Handlungen der Öffentlichkeit hervorrufen lassen. Image dient folgerichtig der Motivation für gewünschte Zielgruppen bestimmte Schritte vorzunehmen. Begonnen wird mit dem Aufbau, dem Verankern und der Pflege des erstrebten Images durch die Schaffung von geplanten Ereignissen, z.B. Kunst-Festivals in einer Stadt, die das Image Stadt der Künste anstrebt. Der Aufbau eines Images gehört zu den die Zukunft bestimmenden Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftspolitik und beweist den engen Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Bevölkerungs-, und Kulturpolitik.[42] Diese steuern die Wahrnehmung und die Interpretation der Umwelt, womit sie für eine Subjektivität sorgen. Sie entwickeln und verfestigen sich im Zeitablauf, so dass sie zunehmend schwerer verändert werden können.[43] Es ist notwendig auf dieses Image durch ein differenziertes und vielschichtiges Stadtmarketing Einfluss zu nehmen. Viele Kommunalpolitiker, Verwaltungsfachleute, Ökonomen und Unternehmer teilen heute diese Meinung, obwohl es an Untersuchungen und Erkenntnissen fehlt, was innerhalb einer Stadt zu positiven Imageeffekten beiträgt und wie solches Stadtmarketing ausgestalten werden sollte.[44]. Es werden vier Imagetypen bzw. Bildtypen unterschieden, die in der folgenden Tabelle dargestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Imagetypen des Standortsmarketing, in Grabow, B., Weiche Standortfaktoren, 1995, S. 106,

eigene Darstellung.

Über das Image wird immer dann gesprochen, wenn sich der Standort verkaufen will. Also wenn sie sich der Öffentlichkeit mit dem Ziel präsentiert, etwas Bestimmtes zu erreichen, wie beispielsweise Unternehmen anzusiedeln, Touristen zum Besuch zu animieren, prominente Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft als Bürger zu gewinnen, Kongresse und überregionale Veranstaltungen zu organisieren oder sich auf der landes- oder bundespolitischen Bühne zu behaupten.[45]

3 Bedeutung der Kultur im Standortwettbewerb

Die Kultur gehört zum Instrumentarium des Standortmarketings, das sowohl der Standortprofilierung und Standortvermarktung dient als auch zur Imagesteigerung, zur Lebensqualitätserhöhung und zur Attraktivitätsverstärkung beiträgt. Da die Infrastruktur in den herkömmlichen Verdichtungsräumen weitgehend ein gleichartiges Niveau aufweist, wird die Attraktivität und auch das Image der großstädtischen Zentren durch die Qualität der kulturellen Infrastruktur verstärkt mitbestimmt.[46] Kultur wird als Imagefaktor für das Stadtmarketing und als ein Standortfaktor für die Unternehmer anerkannt.[47]

3.1 Kultur als weicher Standortfaktor

Das Wort Kultur stammt ursprünglich vom lateinischen Wort colere ab , was pflegen bedeutet und zwar im Sinne von agricultura –Bodenanbau. Allerdings schon, zu Zeiten von Cicero 106 – 43 v. Chr. wurde dieser Begriff auf materielle und geistige Produkte und Fähigkeiten erweitert und als die raum-zeitlich eingrenzbare Gesamtheit gemeinsamer materieller und ideeller Hervorbringungen, internalisierter Werte und Sinndeutungen sowie institutionalisierter Lebensformen von Menschen verstanden[48], dem Zitat nach, alles was die Menschheit im Zivilisationsprozess hervorgebracht hat. Alle Bereiche, in denen sich der Mensch bewegt, gehören zu unserem Kulturgut. Kunst, Wissenschaft, Religion, Ethik, Sport, Wirtschaft, Gesellschaftsnormen. Kultur ist die Pflege all dieser Errungenschaften und der zur Verfügungsstellung für unsere und die nachfolgenden Generationen. Lebensnotwendige, sehr komplexe Aufgaben für diejenigen, die Verantwortung tragen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Menschen an den gepflegten Kulturgütern jetzt und später partizipieren können.

Wenn Kultur zu Zwecken des Kultursektors definiert werden soll, wird üblicherweise die Abgrenzung nach der UNESCO benutzt. Die UNESCO erarbeitete ein Konzept, das den Kulturbegriff im Rahmen des Kultursektors definiert, vereinheitlicht und vergleichbar macht. Im Rahmen dieser Abgrenzung wird die Kultur in elf Kategorien unterteilt:[49]

- Kulturerbe,
- Druckerzeugnisse und Literatur,
- Musik,
- Darstellende Kunst,
- Bildende Kunst,
- Film und Fotografie,
- Hörfunk und Fernsehen,
- Soziokulturelle Tätigkeiten,
- Sport und Spiel,
- Natur und Umwelt,
- Allgemeine Verwaltung für Kultur und nicht einzuordnende Tätigkeiten.

Diese sehr weite Begriffsfassung der Kultur wird weiter eingegrenzt bei der volkswirtschaftlichen Sichtweise. Das Ifo-Institut in München beispielsweise, berücksichtigt bei seinen Untersuchungen zum Thema Kultur: die selbständigen Künstler, Literatur, Presse- und Verlagswesen, Musik und darstellende Kunst (Sprech- und Musiktheater, Orchester, Chöre und Ballette; Herstellung bespielter Tonträger), bildende Kunst und Museen, Sammlungen, Ausstellungen, Film- und Videoherstellung, -verleih und –vertrieb; Filmtheater, Hörfunk und Fernsehen, Denkmalschutz, sonstige Kunst- und Kulturpflege (einschl. Kulturverwaltung), Kunsthochschulen, Musikschulen, Volkshochschulen als Kernbereiche der Kulturfassung. Dazu kommen noch die vor- und nachgelagerte Bereiche, deren Existenz in essentieller Weise von der bundesdeutschen Kultur- und Medienlandschaft abhängig ist (z.B. Lieferanten von Vorleistungen und Investitionsgütern, Handelsbereiche).[50]

Eine Abgrenzung aus dem Gesichtspunkt der Befriedigung von kulturellen Erlebnisbedürfnissen sieht wieder anders aus. Die kulturellen Erlebnisbedürfnisse der Bevölkerung werden vor allem durch Musikveranstaltungen, Musicals, Theater, Kunstausstellungen, Kunsthandwerke, Festspiele, Lesungen, künstlerische Kurse und Seminare, Filmvorführungen und kulturelle Angebote für Kinder befriedigt.[51]

Die Unterscheidung der Kulturangebote in die Hoch- und Breitenkultur ist von Bedeutung für die Differenzierung der Attraktivität und des Images nach außen den externen Zielgruppen gegenüber, wie der Identifikation nach innen den internen Zielgruppen gegenüber.[52] Die Hochkultur dient vor allem der Repräsentation eines Standortes nach außen und ist daher besonders imageträchtig.[53] Die Breitenkultur dient der Befriedigung der kulturellen Bedürfnisse der internen Zielgruppen. Kultur ist nämlich auch eine geographische Kategorie, die eine bestimmte Raumdimension besitzt, deren räumliche Reichweite von städtischen Kulturaktivitäten, von der inhaltlichen Bedeutung, aber auch von der kulturpolitischen Gestaltungsintensität einschließlich des City Marketings abhängig ist.[54]

3.2 Kulturelle Handlungsansätze

Die räumliche Dimension der kulturellen Aktivitäten ist mit der Art des kulturellen Aspektes verbunden.

Die Attraktivität und das Image nach Außen sind vielmehr von herausgehobenen kulturellen Ereignissen beeinflusst und weniger von der kulturellen Grundversorgung eines Standortes. Wobei zu den Grundversorgungsangeboten Bibliotheken, Museen, Volkshochschulen, Musik- und Kunstschulen, Galerien und Theater, Konzerte, Ausstellungen usw. zu rechnen sind. Kulturevents sind herausragende kulturelle Ereignisse wie z.B. Festspiele, Konzertveranstaltungen, Theatergastspiele, Kunstausstellungen, die von überragender Qualität und Bedeutung sind. Es ist wichtig, dass sie regelmäßig stattfinden.[55]

Die Kulturevents besitzen für das Fremdimage einen besonders hohen Stellenwert. Der Standortfaktor Kultur kommt nur dann zum Tragen, wenn das kulturelle Erscheinungsbild und das kulturelle Angebot deutlich überdurchschnittlich sind. Die Stadtattraktivität wird weit stärker von imageprägenden Ereignissen, wie Events, als von einer qualitativ hochwertigen kulturellen Grundversorgung bestimmt.[56] Die kulturellen Events haben folglich größeren Einfluss auf die Entscheidungen des Personalmanagements der Unternehmen oder bei Standortentscheidungen. Für die Lebensqualität dagegen ist die kulturelle Grundversorgung die Breitenkultur wiederum unerlässlich. Die Angebote der Breitenkultur sind an die internen Zielgruppen gerichtet.

Die Kulturevents werden bewusst oder unbewusst zur Erreichung bestimmter Ziele eingesetzt. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Unterschiede der außen- und innengerichteten Ziele und Wirkungen der kulturellen Events:[57]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ziele und Wirkungen der Kulturevents, eigene Darstellung

3.3 Stellenwert der Kultur im wirtschaftspolitischen Gefüge

3.3.1 Die externen Wirkungen der hochkulturellen Angebote

Die kulturellen Institutionen als Produktionsstätten der kulturellen Ereignisse haben nicht nur unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen Sie tragen auch zur Erhöhung des Images und der Attraktivität eines Standortes bei. Ebenso dienen sie der Verbesserung der Lebensqualität für die städtischen Bewohner und der Förderung des urbanen Milieus. Sie bewirken außerdem die Belebung der Innenstädte. Es werden Güter und Dienste vorgelagerter Wirtschaftszweige nachgefragt, weil städtische Einwohner, Umlandbewohner und Touristen mit dem Besuch von Kulturveranstaltungen häufig andere Aktivitäten verknüpfen und damit zur Umsatzerhöhung in den Gaststätten, Restaurants, Hotels führen.[58] Es ist allerdings nicht klar, ob durch weitere Kulturausgaben für die Einwohner die zusätzlichen anderen Angebote genutzt werden und somit die Gesamtnachfrage erhöht wird, oder es nur zu Umschichtungen kommt. Die Ausgaben der auswärtigen Besuchern steigern das regionale Sozialprodukt auf jeden Fall.[59]

Dazu kommen noch die sog. spill-over Effekte d.h. materielle und immaterielle interregionale Verteilungseffekte, die andere Wirtschaftssubjekte – Privatpersonen und Unternehmen – betreffen. Diese gehen nicht in die Wirtschaftsrechnung mit ein. Aber sie begünstigen oder benachteiligen andere, die ohne Marktbeziehungen außerhalb des Preismechanismus existieren.[60] Deshalb ist es auch kaum möglich, die Rolle des Kulturangebotes in ökonomischen Zusammenhängen exakt zu messen. Der Wirkungszusammenhang des Produktivfaktors Kultur ist sehr komplex, oft indirekt. Er beinhaltet Dimensionen wie Lebensqualität, Kreativität oder Innovation, die sich nicht in ökonomischen Einheiten quantifizieren lassen.[61]

3.3.2 Politische Bedeutung

Staat und Kultur sind aufeinander angewiesen. Ein Staat ohne Kultur ist nicht vorstellbar, umgekehrt bedarf Kultur der Förderung durch den Staat.[62]

Der Kultur wird offensichtlich immer mehr an Bedeutung auch auf der bundespolitischen Ebene beigemessen. Die regierende Partei hat in ihrem Wahlprogramm 1998 postuliert, die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am kulturellen Leben zu ermöglichen, den kulturellen Pluralismus und die künstlerische Kreativität zu fördern, die kulturelle Grundversorgung und die Vielfalt der Kunst zu sichern, sowie das kulturelle Erbe zu bewahren.[63]

Nach dem Regierungswechsel 1998 hat die Kultur- und Medienpolitik in Deutschland einen höheren Stellenwert erhalten. Das bestätigte die Schaffung eines neuen Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag und die Schaffung des Postens eines Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM). Beide sind kreiert worden, um als neue Ansprechpartner und Impulsgeber zu dienen.[64]

Seitdem vertritt der BKM die Bundesregierung auf europäischer Bühne im Rat der Kultur- und Medienminister der Europäischen Union. Nach Übernahme der Deutschen Verhandlungsführung durch den Staatsminister Naumann konnte unter anderem die Einigung des Rats über die zentralen Aktionen der europäischen Kulturförderung der nächsten Jahre erreicht werden, die EU Aktion Kulturstadt Europas für weitere Jahre gesichert werden, ein Finanzrahmen von 167 Millionen Euro für die europäische Kulturpolitik bis 2004 und ein neues Rahmenprogramm zur Kulturförderung Kultur 2000 verabschiedet werden. Aufgrund deutscher Initiativen verabschiedete der Rat zwei Entschließungen, mit denen der Stellenwert der Kultur für die europäische Einigung ins Bewusstsein gerufen wird.[65]

3.3.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung

Die groß angelegten Studien zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Kunst und Kultur, die im Auftrag des Bundesministers des Innern durchgeführt wurden, beweisen, dass der Kulturbereich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist. Kultur schafft Einkommen und Beschäftigung und leistet beträchtliche Zahlungen an die öffentlichen Kassen. Die Impulse, die von Kulturberufen ausgehen, werden durch die nachgelagerten Bereiche, wie z.B. durch Verlage, Film, Hörfunk, Fernsehen, Museen, Galerien und auch durch Ausbildungseinrichtungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[66]

Nach den Recherchen von Marlies Hummel waren 1997 rund 547.000 Personen in Kernbereichen der Kultur erwerbstätig, was 1,5 Prozent aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland entsprach. Im Vergleich zu 1996 erhöhte sich die Anzahl der Erwerbstätigen in künstlerischen und sonstigen Kulturberufen. Den Kulturberufen war etwa ein Viertel des gesamten Beschäftigungszuwachses in Deutschland zuzurechnen im Vergleich zum 1993.[67]

Als größter Anbieter von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen im Kulterbereich erwiesen sich im Jahr 1997 vor allem die Theater und Orchester (mit fast 31.500 Arbeitsplätzen), das Verlags- und Pressewesen (über 30.400 Arbeitsplätze), die Fernseh- und Rundfunkanstalten (über 21.900 Arbeitsplätze) und die Filmwirtschaft mit rund 9.700 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.[68]

[...]


[1] Heraklitus

[2] Jänig, C., Kommunales Energiemanagement der Stadt, 1997, S. 133f.

[3] Schönert, M., Das personelle Innovationspotenzial, 1999, S. 17

[4] Schönert, M., Das personelle Innovationspotenzial, 1999, S. 18

[5] Schönert, M., Das personelle Innovationspotenzial, 1999, S. 23

[6] Haller, F., Dienstleistungen als regionaler Beschäftigungsmotor, in: BAW 11/1999, S. 2

[7] Jänig, C., Kommunales Energiemanagement der Stadt, 1997, S. 135.

[8] Bühl, A., Die virtuelle Gesellschaft, 1997, S. 219

[9] Bühl, A., Die virtuelle Gesellschaft, 1997, S. 228

[10] Schönert, M., Das personelle Innovationspotenzial, 1999, S. 17

[11] Haller, F., Dienstleistungen als regionaler Beschäftigungsmotor, in: BAW 11/1999, S. 9

[12] Haller, F., Dienstleistungen als regionaler Beschäftigungsmotor, in: BAW 11/1999, S. 8

[13] Grabow, B., Die Zukunft des Dienstleistungssektors in der Stadt, 1997, S. 187

[14] Kotler, Ph., Haider, D., Standort Marketing, 1994, S. 23

[15] Jänig, C., Kommunales Energiemanagement der Stadt, 1997, S. 134.

[16] Bühl, A., Die virtuelle Gesellschaft, 1997, S.228

[17] Bendixen, P., Kultur und Wirtschaft: Perspektiven gemeinsamer Innovation, 1999, S. 15

[18] Henckel, D., Kommunen und Kooperation, 1997, S. 306

[19] Fischer, H., Kulturförderung durch Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 26

[20] Bühl, A., Die virtuelle Gesellschaft, 1997, S. 43

[21] Bühl, A., Die virtuelle Gesellschaft, 1997, S. 55

[22] ohne Verf., Selbstausbeutung als Lebensperspektive, in Weser Kurier vom 25.02.01, S. 17

[23] Opaschowski, H., W., Vom Versorgung- zum Erlebniskonsum: Folgen des Wertewandels, 1998, S.26ff.

[24] Wüstenrot Stiftung, Kultur- und Stadtentwicklung, 1999, S. 15

[25] Standortleistung wird auf diese Stelle als bestimmtes Produkt des Standortes verstanden, beispielsweise Arbeitsstandort, Wohnstandort, Investitionsstandort, touristisch attraktiver Standort usw. für bestimmte Käufergruppen.

[26] Hamman, P., Kommunales und regionales Marketing, 1995, Sp. 1166 - 1176

[27] Balderjahn, I., Marketing für Regionen, 1995, S.19

[28] Hamman, P., Kommunales und regionales Marketing, in: Tietz, B., Handwörterbuch des Marketing, Stuttgart 1995, Sp. 1167f.

[29] Kotler, Ph., Haider D., Standort Marketing, 1994, S. 24.

[30] Kotler, Ph., Haider D., Standort Marketing, 1994, S. 108

[31] Konken, M., Stadtmarketing, 1996, S. 85f

[32] Konken, M., Stadtmarketing, 1996, S. 19

[33] Grabow B., Weiche Standortfaktoren, 1995, S. 73

[34] Schneider, U., Ein Marketingkonzept für die Stadt- und Regionalpolitik, 1993, S. 90,

[35] Grabow, B., Weiche Standortfaktoren, 1995, S. 13

[36] Diller, Ch., Weiche Standortfaktoren, 1991, S. 107 - 108

[37] Schönert, M., Das personelle Innovationspotenzial, 1999, S. 50

[38] Schönert, M., Das personelle Innovationspotenzial, 2000, S. 64

[39] Diller, Ch., Weiche Standortfaktoren, 1991, S. 106f

[40] Riebel, J., Imageanalyse, 1993, S. 152

[41] Taubmann, W., Behrens, F., Wirtschaftliche Auswirkungen von Kulturangeboten in Bremen, 1986, S. 5

[42] Antonoff, R., Wie man seine Stadt verkauft, 1971, S. 28ff.

[43] Dreyer, A., Kulturtourismus, 1996, S. 165

[44] Heinrichs, W., Klein, A., Bendixen, P., Kultur- und Stadtentwicklung, 1999, S. 12

[45] Antonoff, R., Wie man seine Stadt verkauft, 1971, S. 33f.

[46] Taubmann, W., Behrens, F., Wirtschaftliche Auswirkungen von Kulturangeboten in Bremen, 1986, S. I

[47] Heinrichs, W., Klein, A., Bendixen, P., Kultur- und Stadtentwicklung, 1999, S. 36

[48] Schäfers, B., Grundbegriffe der Soziologie, 1998, S. 196

[49] Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch die Bundesregierung: UNESCO – Empfehlung, Drucksache 9/963 vom 30.10.1981, S. 2

[50] Hummel, M., Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst, Kultur und Medien in der Bundesrepublik Deutschland

[51] Handbuch Kultur Management, Bendixen, P., Kultur-Tourismus, A 4.3, S. 7.

[52] Hupperz, M., Kultur als Imagefaktor, 1988, S. 277

[53] Hupperz, M., Kultur als Imagefaktor, 1988, S. 281

[54] Heinrichs, W., Klein, A., Bendixen, P., Kultur- und Stadtentwicklung, 1999, S. 41

[55] Heinrichs, W., Klein, A., Bendixen, P., Kultur- und Stadtentwicklung, 1999, S. 47

[56] Heinrichs, W., Klein, A., Bendixen, P., Kultur- und Stadtentwicklung, 1999, S. 49

[57] Dreyer, A., Kulturtourismus, 1996, S. 255

[58] Taubmann, W., Behrens, F., Wirtschaftliche Auswirkungen von Kulturangeboten in Bremen, 1986, S. II

[59] Hoffman, H., Kultur für Morgen, 1985, S. 69

[60] Taubmann, W., Behrens, F., Wirtschaftliche Auswirkungen von Kulturangeboten in Bremen, 1986, S. 3

[61] Taubmann, W., Behrens, F., Wirtschaftliche Auswirkungen von Kulturangeboten in Bremen, 1986, S. 1

[62] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Im Bund mit der Kultur, 2000 S. 6

[63] SPD – Wahlprogramm für die Bundestagswahl 1998

[64] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Im Bund mit der Kultur, 2000, S. 4

[65] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Im Bund mit der Kultur, 2000, S.73

[66] Hummel, M., Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst, Kultur und Medien in der Bundesrepublik Deutschland, S. 1ff

[67] Hummel, M., Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst, Kultur und Medien in der Bundesrepublik Deutschland, S. 3

[68] Hummel, M., Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst, Kultur und Medien in der Bundesrepublik Deutschland, S. 8

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Kultur und Standort - Eine empirische Untersuchung zu der Sonderausstellung "Der Blaue Reiter" in Bremen
Hochschule
Hochschule Bremen  (Region und Handel Bremen)
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
89
Katalognummer
V78374
ISBN (eBook)
9783638739153
ISBN (Buch)
9783638890090
Dateigröße
1321 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus dem Gutachten: "Herausragendes Engagement im Forschungsprojekt, sehr gute Leistung in der Diplomarbeit: In ihrer Diplomarbeit untersuchte Frau Kucharczuk eine aktuelle, von ihr selbst entwickelte Fragestellung zur regional-wirtschaftlichen Wirkung von Kulturereignissen auf den Wirtschaftsstandort Bremen. (...) Ihre kreative Arbeitsweise, ihr Interesse an den Wirtschaftsfragen der Regionalpolitik und persönliches Engagement bilden die Grundlage für weitere Projekte, die sie aktiv begleitet und für die Sie eigenständige Konzeptionen entwickelt."
Schlagworte
Kultur, Standort, Eine, Untersuchung, Sonderausstellung, Blaue, Reiter, Bremen
Arbeit zitieren
Aldona Kucharczuk (Autor:in), 2001, Kultur und Standort - Eine empirische Untersuchung zu der Sonderausstellung "Der Blaue Reiter" in Bremen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78374

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