Analyse und Gegenwartsbezug von Karl R. Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II"


Hausarbeit, 2007

23 Seiten


Leseprobe


Inhalt

I Einleitung

II Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)
II.1. Hegel und Preußen
II.2. Hegels Dialektik

III Karl Marx (1818-1883)
III.1. Prophezeiung und Wissenschaft

IV Die offene Gesellschaft
IV.1. Selbstbestimmung und Verantwortung
IV.2. Soziologische Betrachtung und Wissenschaftsverständnis
IV.3. Offene Gesellschaft und Demokratie
IV.4. Gegenüberstellung: Offene- vs. geschlossene Gesellschaft
IV.5. Paradoxa der offenen Gesellschaft
IV.5.a) Das Paradoxon der Freiheit
IV.5.b) Das Paradoxon der Toleranz
IV.5.c) Das Paradoxon der Demokratie
IV.5.d) Das Paradoxon des Antidogmatismus
IV.6. Zusammenfassung: Der Charakter der offenen Gesellschaft

V Gegenwartsbezug/Kritik
V.1. Feinde der offenen Gesellschaft in der Gegenwart
V.2. Grenzen der Offenheit

VI Resümee: Offene Grenzen – grenzenlose Offenheit?

Literaturverzeichnis

I Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit dem zweiten Band des 1945 erschienen Werkes „Die offene Gesellschaft und ihr Feinde“ von Karl Popper. Der Untertitel „Falsche Propheten“ deutet auf den inhaltlichen Schwerpunkt des Werkes hin, welches der österreichische Philosoph als seinen Beitrag zum Zweiten Weltkrieg deklariert hat. Während das erste Kapitel der Kritik an Hegel gewidmet ist, behandelt Popper in den folgenden drei Kapiteln die Theorien des Karl Marx, um abschließend deren Folgen darzulegen.

„Historizismus“, so bezeichnet Popper die unangemessene Sinndeutung geschichtlichen Geschehens und die damit verbundenen irrationalen prophetischen Zukunftsvisionen (vgl. Döring 1987, S. 122). Mit anderen Worten, eine Vorhersage der Zukunft unter Berufung auf historische Ereignisse ist nicht möglich, da sich der Lauf der Geschichte als „sinnfreie Tatsachenabfolge“ (ebd.) darstellt, so Poppers These und die Basis seiner Argumentation gegen Hegel und Marx. Den Zusammenhang zwischen den philosophischen und politischen Gedanken beider und dem Historizismus stellt Popper wie folgt heraus: Die Abfolge historischer Tatsachen folgt keiner inneren Kausalität, vielmehr scheint der Mensch größter Einflussfaktor zu sein. Damit in Verbindung steht die Annahme, dass es keine absolut sichere Wahrheit (sei es in Gegenwart oder Zukunft) gäbe, welche als Handlungsorientierung dienen könnte. Demnach stehen historische Fakten und daraus abgeleitete Zukunftsvisionen bestenfalls zur Disposition, können aber eben keinen Absolutheitsanspruch erheben. Aus dieser Argumentation ergibt sich für Popper der Schluss, dass es keinesfalls Herrscher oder herrschende Klassen geben könne, deren Macht sich auf den Besitz absoluten Wissens stützt, da die Nichtexistenz dieser Wahrheit deren Legitimation negiert. Hierdurch stellt er den Zusammenhang zu Hegel und Marx her, welcher jedoch in den folgenden Kapiteln einzeln betrachtet werden soll.

Daran anschließend werde ich die zentralen Gedanken Poppers in Hinsicht auf die „offene Gesellschaft“ aufzeigen, um deren wichtigste Merkmale zu verdeutlichen. Diese Analyse dient als Hinführung zum letzten Teil der Ausarbeitung, in welchem versucht werden soll, Poppers Thesen kritisch zu betrachten, indem sie auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen angewendet werden. Hierzu wird die Frage gestellt, wie viel „Offenheit“ im Popperschen Sinne moderne Gesellschaften gewährleisten können.

II Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)

In der Folge der Historizisten sieht Popper Hegel als direkten Nachfolger von Heraklit, Platon und Aristoteles, als „logischen Hexenmeister“ sowie als „Quelle des gesamten zeitgenössischen Historizismus“ (Popper 1977, S. 36).

II.1. Hegel und Preußen

„Hegel und der neue Mythos von der Horde“, so überschreibt Popper (1977, S. 36) seine vernichtende Kritik an dem deutschen Philosophen, deren Kernpunkte im Folgenden gezeigt werden sollen. Den Ausgangspunkt stellt die politische Lage Preußens zur Schaffenszeit Hegels dar. Als „erster offizieller Philosoph des Preußentums (Popper 1977, S. 38) schien Hegel daran gelegen, sich mit Friedrich Wilhelm III. zu arrangieren, um die Restauration feudaler Verhältnisse zu unterstützen. Als historischer Hintergrund ist dabei zu beachten, dass die Anstrengungen um eine offene Gesellschaft nach der Renaissance erst 1789 wieder unternommen wurden (Popper 1977, S.40), wodurch die feudalen Monarchien in Gefahr gerieten. Jedoch kam 1815 die reaktionäre Partei an die Macht, bedurfte dabei allerdings einer Ideologie, um die Massenbasis im Volk zu erhalten. Diese „Ideologie der Horde“ (Popper 1977, S. 41) lieferte Hegel, der hierdurch als Bindeglied zwischen Platon und modernen Formen totalitärer Herrschaft angesehen werden kann (ebd.). Kritisch äußert sich Popper also dahingehend, dass eine führende Klasse ihren Herrschaftsanspruch legitimiert, indem sie angibt, im Besitz der absolut sicheren Wahrheit zu sein und sich somit über die „Horde“ stellt, um diese totalitär zu beherrschen. Hegel wird in diesem Zusammenhang als Träger und Verfechter dieser Ideologie angesehen, welche zweifelsohne ein totalitäres Staatsverständnis impliziert. Gleichzeitig wurden Hegel staatliche Privilegien zu Teil, um seine staatstreue Philosophie voran zu treiben und ihn in gewisser Weise zu entlohnen. Eine Philosophie im Dienste des Staates, welche Popper aufgrund ihrer Abhängigkeit von politischen Einflussfaktoren kritisiert. Hegels Bindung zum Preußentum dient laut Popper nur dem Ziel, die offene Gesellschaft zu bekämpfen und zeigt, „wie leicht ein Clown zu einem <Geschichtsbildner> werden kann“ (Popper 1977, S.42).

II.2. Hegels Dialektik

Neben der Kritik an Hegels Bindung zum Staat und der Philosophie der absolut sicheren Wahrheit greift Popper weiter die Dialektik Hegels an und versagt ihr jeden wissenschaftlichen Anspruch. Grob beschrieben besteht diese Dialektik aus 3 Schritten (vgl. Döring 1987, S.124):

Thesis Wenn T

Antithesis und nicht T,

Synthesis dann S.

Dieses sei laut Popper logisch unzulässig und falsch, da die erste Prämisse (T) durch die zweite (Nicht-T) lediglich aufgehoben wird und daraus nicht zwingend eine Synthesis (S) folgen darf (Döring 1987, S. 124). Dieser „dialektische Dreh“ (Popper 1977, S.52) mache es unmöglich, damit zusammenhängende Theorie zu kritisieren und sei aus diesem Grunde unwissenschaftlich und zur wissenschaftlichen Beweisführung völlig ungeeignet. Eine solche Argumentation diene eher als massenwirksames Instrument zum Neuformulieren bereits bekannter Thesen.

In diesem Zusammenhang wirft Popper Hegel letztlich einen „hypnotisierenden Jargon“ (Popper 1977, S.38) vor, welcher dazu diene, die Rezipienten zu „verhexen“ (ebd.) und eigene Gedanken vor Kritik zu schützen.

Zusammenfassend scheint also sowohl Hegels Methodik als auch seine Didaktik dazu zu führen, dass er als Feind der offenen Gesellschaft angesehen werden kann. Sein sprachlicher Stil und sein dialektischer Dreischritt sind laut Popper die Mittel zu dem, was Hegel erreichen wollte: Eine historizistische Weltsicht mit dem Hang zur absoluten staatlichen Autorität. Die Existenz einer führenden Klasse, welche sich durch den Besitz der absoluten Wahrheit legitimiert und keine äußere Kritik zulässt.

In einem eigenen Kapitel sollen später die wesentlichen Charakteristika der offenen Gesellschaft gezeigt werden, wodurch deutlich wird, warum die preußische Monarchie zu ihr im Widerspruch steht. Jedoch gehe ich vorab auf den zweiten Feind der offenen Gesellschaft ein, dem Popper wesentlich mehr Umfang widmet als Hegel:

III Karl Marx (1818-1883)

Die Kritik an Karl Marx fällt in Poppers Werk wesentlich umfangreicher und komplexer aus, als die an Hegel, jedoch ist sie gleichzeitig vager formuliert und enthält an vielen Stellen Einschränkungen bzw. Vermutungen. Weiterhin wird nicht das gesamte Werk Marx‘ angegriffen, neben der Kritik wird seine moralische Qualität und implizite Ethik eingeflochten.

III.1. Prophezeiung und Wissenschaft

Marxens These, alle Geschichte sei eine Geschichte der Klassenkämpfe auf Basis ökonomischer Bedingungen und ohne jegliche Individualität der Betroffenen, wird von Popper jedoch als Prophezeiung und damit als Historizismus kritisiert. Ein Staat und dessen Institutionen als Instrument der herrschenden Klasse und die damit verbundene Unterdrückung des Proletariats seien zwar historisch belegbar, jedoch nicht auf die Zukunft übertragbar (vgl. Schäfer 1992, S.115).

Stärkster Kritikpunkt Poppers ist dabei Marxens Argument, nach der proletarischen Weltrevolution werde eine klassenlose Gesellschaft entstehen. Zwar räumt Popper ein, dass diese Revolution mit einem Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie ausgehen könne (vgl. Popper 1997, S. 170), er verneint jedoch den Gedanke, dass dies das Ende aller sozialen Klassen bedeute (ebd.). Vielmehr geht Popper davon aus, dass die im Moment der Machtübernahme des Proletariats stärkste Fraktion an die Macht kommen werde, was eine erneute Teilung der Gesellschaft impliziert.

Es ist demnach logisch falsch davon auszugehen, dass die proletarische Weltrevolution alle Klassenkämpfe beende, schon allein, weil die moderne Arbeitsorganisation die Definition von Klassen erfordere (vgl. Schäfer 1992, S. 116). Somit ergibt sich für Popper, dass die von Marx prophezeite Revolution angesichts der Opfer, welche sie fordern würde, definitiv nicht gerechtfertigt sei, da die Zielerreichung in Frage gestellt werden muss (vgl. Popper 1977, S. 171).

Es darf dabei jedoch nicht angenommen werden, dass Karl Popper sich gegen jegliche Gewaltanwendung ausspricht, jedoch muss deren Ziel sowohl gerechtfertigt als auch dessen Erreichung sicher sein. Mit den Worten „…Ich bin nicht in allen Fällen und unter allen Umständen gegen eine gewaltsame Revolution.“ (Popper 1977, S. 186) verdeutlicht der österreichische Philosoph die einzige Rechtfertigung gewaltsamer Auseinandersetzungen: Die Demokratie. Er räumt ein, dass es in manchen Fällen keine andere Möglichkeit gäbe, als die Einrichtung demokratischer Institutionen auf dem Wege der Gewalt durchzusetzen (ebd.). Konsequenterweise sprach er sich deshalb auch für den militärischen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien aus (vgl. Sokianos 2004, online). Gleichzeitig stellt Popper jedoch heraus, dass das Resultat einer gewaltsamen Revolution zu gleichen Wahrscheinlichkeiten das Ende einer Tyrannei wie auch der Beginn einer neuen Gewaltherrschaft sein kann (vgl. Popper 1977, S. 186).

Zusammenfassend bezieht sich Poppers Kritik an Karl Marx also auf drei Hauptgedanken: Zum Einen die Prophezeiung, alle Geschichte sei geprägt durch Klassenkämpfe, was per se zur Revolution des Proletariats führe, zum Anderen die These, dass der Sieg des Proletariats alle Klassenkämpfe beende. Da davon laut Popper nicht zwingend logisch auszugehen ist, sind auch die Opfer der Revolution nicht annehmbar, da deren Ziel weiterhin nicht die Demokratie darstellt.

Wie oben bereits angemerkt, kritisiert Popper jedoch nicht das gesamte Werk des Karl Marx. Beispielsweise wird klar betont, dass das System Marx‘ denen Platons und Hegels überlegen sei und dass es „den Unterdrückten den Trost einer Prophezeiung“ bringe (Popper 1977, S. 165), was Marx‘ hohe moralische Qualität belege.

Bevor das Werk Poppers nun kritisch betrachtet werden kann, ist es nötig, die Hauptgedanken und Charakteristika der offenen Gesellschaft zu skizzieren. Dies wird im folgenden Abschnitt aufgegriffen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Analyse und Gegenwartsbezug von Karl R. Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II"
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Lernen aus dem Irrtum
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V78333
ISBN (eBook)
9783638837965
ISBN (Buch)
9783638837972
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl, Popper, Gesellschaft, Feinde, Analyse, Gegenwartsbezug, Lernen, Irrtum
Arbeit zitieren
Cliff Ellenberger (Autor:in), 2007, Analyse und Gegenwartsbezug von Karl R. Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78333

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