Das chinesische Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung

Eine Analyse über die Anerkennung des Bedeutungsinhalts dieses Grundrechts im westlichen und sozialistischen Grundrechtsverständnis anhand ausgewählter Verfassungen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung
1. Begriffsdefinition und die Bedeutung der Wohnung
1.1 Definition
1.2 Sicherheit, Freiheit, Selbstbestimmung
2. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung in den verschiedenen Verfassungen
2.1 Die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte und der UN-Zivilpakt
2.2 Das Grundrecht in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland
2.3 Das Grundrecht in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
3. Das Grund der Unverletzlichkeit der Wohnung in der Verfassung der Volksrepublik China
3.1 Der Artikel 39 der chinesischen Verfassung
3.2 Das Grundrecht im Vergleich zum westlich-
liberalen und sozialistischen
Grundrechtsverständnis
3.3 Diskussionsansätze
3.4 Fazit

III. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Grundrechte sind für das Leben eines jeden Menschens von entscheidender Bedeutung und haben sich bereits innerhalb der letzten sechs Jahrhunderte aus der philosophischen Idee der Menschenrechte entwickelt.[1] Auf Grund ihrer essentiellen Bedeutung sind sie zu einem Bestandteil vieler staatlicher Verfassungen geworden und wurden zu ihrer Stärkung und Sicherung nochmals in völkerrechtlichen Verträgen vertraglich festgelegt. Allerdings scheint diese Forderung nach einer Internationalität der Menschenrechte die Diskussion gerade über ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit entfacht zu haben und wurde auch von einigen Staaten genutzt, ihre Universalität in Frage zu stellen.

Die Anzweiflung dieser Legitimität wurde in dieser Weise auch von der chinesischen Regierung nicht nur während der Ära Mao Zedongs durch die Argumentation mit einem anderen marxistischen Menschenrechtsverständnis aufgegriffen, sondern man versuchte ihre Allgemeingültigkeit auch nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas 1978 durch die kulturelle Differenz zum westlichen Grundrechtsverständnis zu widerlegen.[2] Im Zuge der anhaltenden Wirtschaftsreformen, die auch eine Reformierung des chinesischen Rechtssystems nach sich zogen, und der zunehmenden Integration Chinas in die internationale Staaten- und Wertegemeinschaft blieb dies nicht ohne Auswirkungen auf die chinesische Verfassung und ihre Grundrechte.

In unserem Seminar „Grundrechte in der Diskussion“ wurden nun einige dieser Grundrechte aufgegriffen und ihre Ausgestaltung in den einzelnen Verfassungen, wie der der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, sowie anhand völkerrechtlicher Verträge dargestellt. Während unserer Erörterung wurde das jeweilige chinesische Grundrecht schwerpunktmäßig untersucht sowie die Unterschiede zwischen dem sozialistischen und dem westlichen Grundrechtswirkung aufgezeigt.

In der vorliegenden Hausarbeit sollen die Bedeutung und die Wirkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung dargestellt werden. Dies erfolgt zunächst anhand einer eingehenden Betrachtung der allgemeinen Bedeutung einer Wohnung für den Menschen. Anschließend wird die Ausgestaltung dieses Grundrechts in den völkerrechtlichen Verträgen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des UN-Zivilpakts sowie in den Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik kurz untersucht und diesbezüglich analysiert, inwieweit das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung der vorher genannten Bedeutung gerecht wird. Darauf folgen wird ein Überblick über das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung in der Verfassung der Volksrepublik China, in dem zunächst die konkrete Ausgestaltung dieses Grundrechts mit den Defiziten aufgezeigt werden soll und danach die Unterschiede zum westlichen Grundrechtsverständnis heraus gearbeitet werden. Schließlich werden die Probleme bei der realen Umsetzung dieses Grundrechts beleuchtet und die Zusammenhänge zum allgemeinen chinesischen Rechtssystem dargestellt. Zuletzt werden die herausgearbeiteten Ergebnisse noch einmal kurz zusammengefasst.

II. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung

1. Begriffsdefinition und die Bedeutung der Wohnung

Um zunächst generell die Bedeutung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung für eine Verfassung erfassen zu können, wird zunächst der Begriffsinhalt des Wortes Wohnung betrachtet. Überdies hinaus soll zum besseren Verständnis ein Überblick über die historische Herausbildung dieses Begriffes und die daraus entstehende Bedeutung für das Grundrecht gegeben werden. Dabei bezieht sich die folgende Betrachtung vorwiegend auf eine Analyse der Autoren Pang Ling (庞 凌) und Miu Gang (缪 岗), die unter dem Titel „安全, 自由, 自主 - 住宅不受侵犯的价值蕴涵“ in der chinesischen Rechtszeitschrift 法律科学, 西北政法学院学报 erschienen ist.

1.1 Definition

Die Definition der Wohnung lautet wie folgt: „Mit Wohnung bezeichnet man […]: Eine feste Behausung, in der ein oder mehrere Menschen ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt haben.“[3] Damit ist die Bedeutung der Wohnung eindeutig festgelegt. Allerdings fallen an dieser Definition gleich mehrere Worte auf, wie „feste Behausung […] dauerhaften Lebensmittelpunkt“[4], vor allem jedoch das Wort „Menschen“[5]. Damit eine Wohnung als solche bezeichnet werden kann, muss der Mensch also ein Bestandteil dieses Raumes sein, er muss in ihm – dem Raum – leben damit dieser Raum als Wohnung bezeichnet werden kann. Umgekehrt ist ein Raum, in dem keine Menschen leben auch keine Wohnung. So geht bereits aus der Definition der Wohnung hervor, dass der Mensch untrennbar mit der Wohnung verbunden ist. Daraus lässt sich folgern, dass auch in einem, den Wohnraum betreffenden Grundrecht gleichzeitig der Mensch beinhaltet ist und damit nicht nur der Wohnraum, sondern auch der darin lebende Mensch unter Schutz gestellt sein muss.[6]

Doch außer der Zugehörigkeit des Menschens hat die Wohnung noch weitere Funktionen, die aus der oben genannten Definition und vor allem aus den Worten „feste Behausung“ hervorgehen. Denn von jeher hat der Mensch einen Ort gesucht, der ihn vor den Naturgewalten wie Wind, Regen und Kälte schützt. Der Begriff der Wohnung, als eine feste Behausung, hat sich auf Grund dieser essentiellen Schutzfunktion bereits frühzeitlich entwickelt und hat auch bis heute nichts von dieser ursprünglichen Funktion verloren. Dabei beschränkt sich jedoch der Schutz einer Wohnung nicht nur auf den Schutz vor Naturgewalten, sondern können dadurch, damals wie heute, Störungen und Gefahren durch andere Menschen von Außen abgehalten werden.[7] Diese Funktion wird vor allem bei der Betrachtung der erweiterten Definition der Wohnung als „eine, in sich abgeschlossene Einheit“[8] deutlich und tritt durch folgende Erklärung nochmals hervor: „Grundsätzlich hat eine Wohnung einen eigenen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien […].“[9] Die Wohnung grenzt also den Menschen von Außen ab, so dass Dritte keinen Zutritt dazu haben. Die Wohnung bildet damit eine Art Schutzhülle, in der der Mensch Sicherheit, Ruhe und Erholung finden kann – eine Privatsphäre also.

Zusätzlich zu diesen genannten Funktionen beinhaltet die Wohnung laut Definition den Lebensmittelpunkt eines Menschens und erreicht dadurch die Bedeutung als eine Grundvoraussetzung der menschlichen Existenz. Denn ohne einen festen Lebensmittelpunkt, ohne Sicherheit und Ruhe zur Entwicklung, kann der Mensch keine Familie gründen und seine Kinder aufziehen. Die Wohnung steht auf Grund dieser Bedeutung auch in enger Verbindung zu einer Familie, da der Aufbau einer Wohnung oft mit der Gründung einer Familie einhergeht und die Familie meist das Zentrum des menschlichen Lebens bildet.

Deutlicht wird nun vor allem, dass die Wohnung einer der Existenzeckpunkte des menschlichen Lebens ist.[10]

1.2 Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung

Aus diesen Bedeutungsinhalten des Wohnungsbegriffes kann nun die Wirkungsweise des Grundrechtes der Unverletzlichkeit der Wohnung für eine Verfassung abgeleitet werden. Aufgrund der zuvor genannte Bedeutung und Funktion der Wohnung, wirkt das Grundrecht in drei essentielle Bereiche der menschlichen Existenz hinein, wie in den Bereich der Sicherheit, der Freiheit und der Selbstbestimmung.[11]

Aus der oben beschriebenen Funktion der Wohnung wurde teilweise schon deutlich, dass die Wohnung das natürliche Bedürfnis des Menschen nach Sicherheit zufrieden stellt, in dem sie ihn – den Menschen – Schutz vor den Naturgewalten und anderen Gefahren bietet. Diesem ursprünglichen Sicherheitsbedürfnis des Menschen soll das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung auch heute noch gerecht werden. Doch hat sich die Schutzfunktion der Wohnung durch die Weiterentwicklung des Menschen und der Gesellschaft besonders auch auf andere Gebiete außerhalb der Natur ausgeweitet. Deshalb sind der Schutz und die damit einhergehende Sicherheit vor dem Eindringen staatlicher Macht, den Institutionen und den Zwängen der Gesellschaft noch wichtiger geworden. Durch die Wohnung und das Grundgesetz der Unverletzlichkeit dieser wird ein Raum des ‚Nichteingreifens’ geschaffen, an dem der Mensch nicht nur vor physischer Gewalt durch diese genannten Organe sicher sein kann, sondern auch vor seelischen Eingriffen Sicherheit erhält. Den seelischen Gefahren, wie gesellschaftlicher, staatlicher oder moralischer Druck, kann sich der Mensch in der Wohnung entziehen, da durch sie der private Bereich vom Öffentlichen getrennt wird. Durch die Wohnung wird ein Raum geschaffen, an dem sich der Mensch dem Druck des Staates und der Gesellschaft entziehen kann, sich seine eigenen Gedanken machen kann, seine Entwicklung nicht kontrolliert wird und den Menschen eben vor allen diesen möglichen Gefahren abschirmt und ihm Sicherheit davor bietet.[12]

Vor allem die seelische Sicherheit steht dabei in einem engen Zusammenhang mit der Freiheit des Menschens, da durch die Sicherheit der Wohnung gleichzeitig die menschliche Freiheit realisiert werden kann. Indem Eingriffe des Staates, der Gesellschaft oder anderer Menschen nicht zugelassen werden, kann der Mensch sich frei und ungehindert entfalten, tun und lassen was er will. Er ist dadurch keiner Kritik oder Bewertung ausgesetzt, nach denen er andernfalls seine Handlungen ausrichten würde. Stattdessen kann der Mensch in seiner Wohnung seine Meinung vorurteils- und bewertungsfrei bilden und seinen Gedanken freien Lauf lassen. In Verbindung mit der Freiheit wird gleichzeitig auch die Unabhängigkeit des Menschens gewahrt, die er ohne diesen Schutz des Raumes kaum aufrechterhalten oder erst entwickeln könnte.[13]

[...]


[1] Vgl. Näth, Marie-Luise: „Politik und Menschenrechte“, S. 66.

[2] Vgl. Mewis, Anke: „Die chinesische Menschenrechtspolitik auf der internationalen Bühne“, S. 79.

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnung.

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnung.

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnung.

[6] Vgl. 庞 凌, 缪 岗: „安全, 自由, 自主 - 住宅不受侵犯的价值蕴涵“, S. 3.

[7] Vgl. Ebd., S. 3.

[8] http://www.brockhaus.de/suche/index.php?begriff=wohnung&bereich=mixed.

[9] http://www.bauplattform.de/encyclop/lex/wohnung.html.

[10] Vgl. 庞 凌, 缪 岗: „安全, 自由, 自主 - 住宅不受侵犯的价值蕴涵“, S. 3.

[11] Vgl. Ebd., S. 4.

[12] Vgl. 庞 凌, 缪 岗: „安全, 自由, 自主 - 住宅不受侵犯的价值蕴涵“, S. 4 f.

[13] Vgl. Ebd., S. 6.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das chinesische Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung
Untertitel
Eine Analyse über die Anerkennung des Bedeutungsinhalts dieses Grundrechts im westlichen und sozialistischen Grundrechtsverständnis anhand ausgewählter Verfassungen
Hochschule
Universität zu Köln  (Ostasiatisches Seminar - Institut für Moderne China-Studien)
Veranstaltung
Grundrechte in der Diskussion
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V77980
ISBN (eBook)
9783638849883
ISBN (Buch)
9783638849234
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundrecht, Unverletzlichkeit, Wohnung, Grundrechte, Diskussion
Arbeit zitieren
Susanne Topp (Autor:in), 2006, Das chinesische Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77980

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