Das ‚Andere’ im Fremdsprachenunterricht


Hausarbeit, 2005

23 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmungen
2.1 Die Kultur
2.2 Der Landeskundebegriff
2.3 Das Fremde

3 Das interkulturelle Konzept zur Vermittlung von Landeskunde
3.1 Begriffsklärung
3.2 Ziele
3.3 Inhalte
3.3.1 Allgemein
3.3.2 Stereotypen

4 Interkulturelles Lernen im RLP Englisch Sekundarstufe I Land Brandenburg

5 Moderne Landeskunde

6 Fazit

7 Literatur

1 Einleitung

Fremdsprachenunterricht gehört mittlerweile zum Standardrepertoire der deutschen Schulen und es gibt eine steigende Anzahl von Schulen, bei denen der Beginn des Erlernens einer Fremdsprache weiter vor verlagert wird. So begegnen Kinder einer fremden Sprache und dementsprechend auch einer fremden Kultur immer früher. Wie der Term selbst schon impliziert, setzt man sich im Fremdsprachenunterricht mit dem Fremden auseinander. Dabei geht es zum einen um das Erlernen einer fremden Sprache und zum anderen um das Kennenlernen einer fremden Kultur. Wobei viele SchülerInnen heutzutage auch schon in ihrem Alltagsleben auf fremde Kulturen treffen. Dementsprechend sollte im Fremdsprachenunterricht nicht nur das Kennenlernen einer bestimmten Kultur im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der Umgang mit der eigenen und der fremden Kultur betrachtet werden. Ein inzwischen zentrales Schlagwort dafür ist die interkulturelle Bildung bzw. die interkulturelle Kompetenz. Theodor Fontane schuf ein passendes Sprichwort dazu: „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben.“. Er sah ein, dass es von starkem Nutzen ist, wenn man sich mit der Fremde und dem Fremden beschäftigt. Man gelangt zu einem neuen Verständnis der eigenen Heimat. Das interkulturelle Lernen sollte natürlich nicht nur im Fremdsprachenunterricht vorzufinden sein, sondern die Grundlage aller Unterrichtsfächer einer Schule darstellen. Dennoch kann man nicht außer Acht lassen, dass die interkulturelle Bildung gerade im Fremdsprachenunterricht eine besondere und zentrale Stellung einnimmt.

In dieser Arbeit sollen zuerst die Begriffe Kultur, Landeskunde und der Begriff des Fremden definiert und abgegrenzt werden. Im Anschluss wird das Konzept des interkulturellen Lernens vorgestellt und überprüft, welche Rolle die Interkulturalität im Rahmenlehrplan des Landes Brandenburg für die Sekundarstufe I im Fach Englisch einnimmt. Zum Abschluss folgen Regeln für einen modernen Landeskundeunterricht und es wird ein Fazit gezogen.

2 Begriffsbestimmungen

2.1 Die Kultur

Der Term Kultur hat seinen Ursprung im lateinischen Wort colere, was soviel bedeutet wie hegen, pflegen oder bebauen. Davon abgeleitet entwickelte sich der Term cultura, was dem deutschen Wort Bebauung oder Ausbildung gleichzusetzen ist. Zuerst war nur die Pflege des natürlichen Bodens, der Agrikultur, gemeint. Später weitete man die Bedeutung auf die physischen und psychischen Anlagen des Menschen aus, die so genannte Körper- bzw. Geisteskultur.

Schlägt man das Wort Kultur im deutschen Duden nach, so findet man folgenden
Eintrag:

1. Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Errungenschaften einer Gesellschaft
2. Anbau und Aufzucht von Pflanzen
3. Züchtung von Bakterien auf künstlichen Nährböden
4. Bebauung des Bodens
5. nur Ez. geistige und seelische Bildung, verfeinerte Lebensweise, Lebensart

(Herrmann 1996, 588).

Schlägt man das englische Pendant culture in einem einsprachigen Wörterbuch nach, so kann man folgenden Eintrag lesen:

1. (a) art, literature, music and other intellectual expressions of a particular society or time
(b) an understanding or appreciation of this
(c) (often derog) art, literature, etc. in general

2. the customs, arts, social institutions, etc. of a particular group or nation

3. development through regular training, exercise, treatment, etc.

4. the growing of plants or breeding of certain types of animal to obtain a crop or improve the species

5. (biology) a group of bacteria grown for medical or scientific study

(Crowther 1998, 274).

Vergleicht man diese beiden Aufzählungen, stellt man fest, dass es in jeder Sprache zwei Unterpunkte gibt, die den Bereich ansprechen, der auch im Fremdsprachenunterricht eine Rolle spielt. Allerdings gibt es hier einen Unterschied im Deutschen geht man von der „Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Errungenschaften einer Gesellschaft“ aus. Im Englischen wird hier stärker differenziert, in dem man Kultur von vornherein als Kunst, Literatur, Musik und andere geistige Ausdrücke einer bestimmten Gesellschaft auffasst. Soweit sind sich die Definitionen beider Sprachen ähnlich, doch im Englischen gibt es einen zweiten Punkt, der Kultur als Gewohnheiten, Künste, soziale Institutionen u. ä. einer bestimmten Gruppe oder Nation sieht. Das heißt, Kultur ist hier auf den Menschen bezogen und wird von ihm geschaffen. Diese Deutung ähnelt der Kulturauffassung von Wilhelm Dilthey, die heutzutage stark verbreitet ist. Er beschreibt Kultur als „Gesamtheit der einer Kulturgemeinschaft eigenen Lebens- und Organisationsformen sowie den Inhalt und die Ausdrucksformen der vorherrschenden Wert- und Geisteshaltung, auf die diese sozialen Ordnungsmuster gründen.“ (Vierecke 2003). Dementsprechend wird Kultur dann nicht mehr nur durch Kunst, Literatur und Musik beschrieben, sondern durch „die besonderen Sitten und Bräuche, das jeweilige Bildungs- und Erziehungssystem, Wissenschaft und Technik, Religion, Sprache und Schrift, Kunst, Kleidung, Siedlungs- und Bauwesen sowie das politische, das wirtschaftliche und das Rechtssystem.“ (Vierecke 2003). Folglich betrachtet man die Kultur heute aus Sicht der kulturtragenden sozialen Gruppen (Vierecke 2003). Eine weitere moderne Definition, die sich nur noch auf den Menschen bezieht, schuf E. Said: „Alle Kulturen sind hybrid, keine ist rein; keine ist identisch mit einem ‚reinen’ Volk. Keine besteht aus einem homogenen Gewebe.“ (Said 1998). Kultur ist immer eine Mischform und niemals rein, denn sie wird immer durch die Verschiedenartigkeit der Menschen, die diese Kultur tragen, bestimmt.

Es gibt keine allgemeingültige Definition der Kultur. Vielmehr sind es verschiedene Beschreibungen bzw. Auffassungen, von denen sich einige durchgesetzt haben und von der Gesellschaft anerkannt sind.

2.2 Der Landeskundebegriff

Ein weiterer Begriff, der in engem Zusammenhang mit dem interkulturellen Lernen steht, ist der der Landeskunde. Es stellt sich die Frage, ob Landeskunde mit Kultur gleichzusetzen ist oder ob man zwischen diesen beiden doch differenzieren muss. Was vermittelt man dann im Fremdsprachenunterricht Landeskunde oder fremde Kultur?

Zuerst einmal sollte festgehalten werden, dass sich die Landeskunde, von der hier die Rede ist, auf den Fremdsprachenunterricht bezieht. Erdmenger geht davon aus, dass der Terminus Landeskunde unpassend für den Bereich ist, der abgedeckt wird. Denn man versteht unter Landeskunde nicht nur die reinen Fakten zum Land, wie seine Größe, Einwohnerzahl oder Sprache, sondern auch „politische Geschichte, Sozial- und Kunstgeschichte, Lebensweise im allgemeinen, Sport, Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Dienstleistungen und Produkte“ (1996, 12). Das sind nur einige Aspekte dessen, was die Landeskunde umfasst und es wird deutlich wie komplex diese Disziplin ist. Außerdem zeigt sich, wie ähnlich sich Kultur und Landeskunde sind. So könnte man auch von einer Kulturwissenschaft sprechen. Allerdings widerspricht dies der Auffassung von Said, dass keine Kultur identisch mit einem reinen Volk ist. Demzufolge könnte man nicht von einer Kulturwissenschaft eines bestimmten Landes sprechen, denn Kultur entsteht erst durch die Kulturtragenden Menschen. Bezieht man den ganzen Sachverhalt jetzt wieder stärker auf den schulischen Fremdsprachenunterricht, so scheint der Term Landeskunde doch geeigneter als der der Kulturwissenschaft, da man in der Schule keine Wissenschaft von der Kultur betreibt. Dies bleibt den Universitäten vorbehalten. Dennoch sollte sich jeder Fremdsprachenlehrer darüber im Klaren sein, dass die Landeskunde auch Kulturkunde bedeutet und nicht nur eine reine Vermittlung der Fakten eines Landes darstellt. Die Stellung der Landeskunde in der Schule im Verhältnis zu den anderen Disziplinen im Fremdsprachenunterricht hat sich mittlerweile verfestigt. Seit den siebziger und achtziger Jahren sind Literatur und Landeskunde als äquivalent anzusehen (Erdmenger 1996, 14). Erdmenger ist der Meinung, dass die Landeskunde „in einer Zeit des internationalen Umbruchs, der nationalen Behauptungskriege, der Flüchtlings-Völkerwanderung und der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit“ zu einer Schlüsselposition für die interkulturelle Bildung geworden ist (1996, 14).

Die Landeskunde selbst ist jedoch nicht mit der interkulturellen Bildung gleichzusetzen. Vielmehr ist Landeskunde immer in Bezug zu bestimmten Ansätzen zu sehen. Am
offensichtlichsten ist der Bezug zur Sprache, den auch schon Wilhelm von Humboldt erkannte. Er war sich sicher, dass mit dem Erlernen einer fremden Sprache immer das Kennenlernen einer neuen Weltansicht verbunden ist, „da jede Sprache das ganze Gewebe der Begriffe und die Vorstellungsweisen eines Theiles [sic!] der Menschheit enthält“ (1835, 60). Heute sind sowohl der reine Sprachunterricht wie auch der Unterricht der „Kultur, deren Ausdruck die Sprache ist“ (Erdmenger 1996, 15) Bestandteil des Fremdsprachenlernens in der Schule.

Ein weiterer, oben auch schon erwähnter, Ansatz ist der kulturelle Ansatz. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich durch die Begegnung mit fremder Sprache auch eine Toleranz bzw. ein Verständnis für fremde Völker entwickelt. Gemeint ist ein Teilnehmen an der Lebenswelt des Anderen durch die Analyse von fremdsprachlichen Material und dem Erlernen einer Fremdsprache (Erdmenger 1996, 16/ 17). Bredella setzt dem entgegen, dass man das Studium bzw. den Unterricht nicht auf die objektiv feststellbaren Produkte eines Landes einschränken darf. „Eine solche Beschränkung […] trägt […] dem Motiv, die Einstellungen der Menschen der anderen Kultur verstehen zu wollen, nicht genügend Rechnung.“ (1980, 17).

Der sozialpsychologische Ansatz ist ein weiterer Bezugspunkt. Erdmenger geht hier davon aus, dass man „Völkerverständigung als Auftrag landeskundlicher Arbeit“ anerkennt (1996, 17). Der Fokus wird dabei vor allem auf die Vorurteilsforschung und die Arbeit an Stereotypen gelegt (ebd., 17/ 18). Eigene Vorurteile sollen erkannt und aufgearbeitet werden und der kulturelle Horizont soll erweitert werden, damit sich neue Vorurteile nicht so schnell bilden und festsetzen. Auch hinsichtlich der Stereotypen soll ein Bewusstsein erreicht werden, dass diese einer ständigen Korrektur bedürfen.

Beim politisch-emanzipatorischen Ansatz wird davon ausgegangen, dass sich Erziehung und Gesellschaft gegenseitig beeinflussen. Die Erkenntnisse und die Meinung einer Gesellschaft spiegeln sich auch im Fremdsprachenunterricht wider, genauso, wie die durch den Fremdsprachenunterricht gesellschaftlich geprägten SchülerInnen eine Rückwirkung auf die Gesellschaft haben (Erdmenger 1996, 18). Innerhalb des Fremdsprachenunterrichts soll der Landeskundeunterricht Raum für Diskussionen lassen, die auch die Diskussion politischer Meinungen seitens der SchülerInnen einbeziehen. Emanzipatorisch ist dieser Ansatz, weil als Grundgedanke der Landeskunde die Befähigung der SchülerInnen gesehen wird, die Gesellschaft mitzugestalten (Erdmenger 1996, 19). Die SchülerInnen lernen kulturabhängige Werte und Normen kennen, die sie dazu befähigen weiträumiger zu denken und ihre eigene Handlungskompetenz stärken.

Das interkulturelle Lernen stellt ebenfalls einen eigenen Ansatz dar. Landeskunde scheint eine ideale Möglichkeit zu sein, interkulturelles Lernen zu verwirklichen. Dabei sollen im Unterricht intra- und interkulturelle Unterschiede gezeigt und aufgearbeitet werden. Dazu sind jedoch die Kenntnis der eigenen Kultur und grundlegende Fähigkeiten und Verfahren der Komparatistik notwendig. Erst dann kann ein transkulturelles Wertesystem entwickelt werden (Erdmenger 1996, 19).

Fasst man alle Ansätze zusammen, kann man sagen, dass der Landeskundeunterricht dazu dienen soll, die SchülerInnen über fremde Länder und Kulturen zu informieren und dabei eine Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Nationen und Wertesystemen zu schaffen. Dadurch sollen die SchülerInnen auch die Fähigkeit erlangen ihr eigenes Land und ihre eigene Kultur kritisch zu betrachten. Der sprachliche Austausch wird dann zur interkulturellen Kommunikation (Erdmenger 1996, 20).

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das ‚Andere’ im Fremdsprachenunterricht
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Veranstaltung
Das Eigene und das Andere - Möglichkeiten und Grenzen interkulturellen Lernens im Fremdsprachenunterricht
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V77657
ISBN (eBook)
9783638820776
Dateigröße
618 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fremdsprachenunterricht, Eigene, Andere, Möglichkeiten, Grenzen, Lernens, Fremdsprachenunterricht
Arbeit zitieren
Antje Kurzmann (Autor:in), 2005, Das ‚Andere’ im Fremdsprachenunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77657

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