Der sicherheitspolitische Diskurs um Umweltgefahren

Internationale Forschungsansätze und ihre Verankerung in politischen Leitbildern Deutschlands


Diplomarbeit, 2003

112 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Der sicherheitspolitische Diskurs um Umweltgefahren vor dem Hintergrund weltpolitischer Umbruchsituationen

2. Globaler Wandel und Umweltgefahren
2.1 Die Entdeckung einer Weltumwelt
2.2 Politischer Umgang mit der Weltumwelt

3. Ein neues Sicherheitsdenken: Die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs im Konzept der ökologischen Sicherheit
3.1 Rückblick auf frühe Diskussionsstränge: Kalte-Kriegs-Logik und erste Anzeichen für globalen Wandel
3.2 Die Debatte gewinnt an Konturen: Argumente für eine Verbindung von Sicherheit und Umwelt
3.3 Die Kritik entfaltet sich: Argumente gegen die Eingliederung der Umwelt in das neue Sicherheitskonzept
3.4 Versuch einer Synthese: Drei Generationen der Forschung zu ökologischer Sicherheit

4. Die Rolle der Umwelt in Konflikten und Kriegen: Unterschiedliche Forschungsansätze und Positionen der zweiten und dritten Generation
4.1 Fokus der zweiten Generation: Knappheit erneuerbarer Ressourcen und daraus induzierte Konflikte
4.1.1 Die Arbeit der Toronto Group von Homer-Dixon
4.1.2 Die Ergebnisse des Environment and Conflicts Project (ENCOP)
4.1.3 Forschung der NATO: Syndrome des Globalen Wandels als neues Konfliktvorhersagemuster
4.2 Fokus der dritten Generation: Auswirkungen der Internationalen Politischen Ökonomie und Verlagerung auf breitere sozialwissenschaftliche Analysen von Konflikten
4.2.1 Internationale Dimensionen von Ressourcenkonflikten
4.2.2 Geopolitische Renaissance: Michael Klare und die neuen Ressourcenkriege
4.2.3 ‚Human Security’ als Konzept des Global Environmental Change and Security Project (GECHS)

5. Bearbeitung des Zusammenhangs von Umweltgefahren und Sicherheit im politischen Prozess Deutschlands und der Welt
5.1 Historische Meilensteine der Herausstellung einer politischen Relevanz der Umweltkonfliktforschung
5.2 Deutschlands Einbindung in die Weltpolitik: Umwelt und Sicherheit als Thema internationaler Regime und Organisationen
5.2.1 Maßgebliche internationale und regionale Organisationen und ihre Bearbeitung des Themas
5.2.2 Herausforderung Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik: Die EU vor dem Hintergrund neuer Sicherheitsgefahren
5.3 Leitlinien des Umgangs mit einer veränderten Sicherheitslage in den Ministerien der Bundesrepublik Deutschland

6. Fazit und Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund von Alternativen zu bisherigen Forschungs- und Politikansätzen
6.1 Zusammenfassende Bemerkungen: Sechs zentrale Schlussfolgerungen aus der Analyse der bisherigen Forschung und Politik
6.2 Ausblick und Perspektive: Plädoyer für eine Politische Ökologie als Alternative

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Der sicherheitspolitische Diskurs um Umweltgefahren vor dem Hintergrund weltpolitischer Umbruchsituationen

Zwei weltpolitische Entwicklungen bilden den Rahmen für einen beginnenden sicherheitspolitischen Diskurs um Umweltgefahren.

Zum einen änderte sich 1989 die Klarheit und Stabilität der Weltpolitik schlagartig. Der Kalte Krieg mit seiner Ost-West-Konfrontation unter Vorherrschaft der beiden Supermächte USA und Sowjetunion und dem dazugehörigen Blöckedenken hatte eine Welt in klaren Linien geschaffen. So wird 1989 auch als tiefgreifender Wendepunkt in den internationalen Beziehungen bezeichnet. Mit dem Zusammenbruch des ‚real existierenden Sozialismus’ ging eine Epoche gesellschaftlicher Entwicklungsmodelle zu Ende. Was folgte waren neue sich turbulent verändernde und in vielerlei Hinsicht unübersichtliche weltweite politische und ökonomische Verflechtungen. So stehen u.a. Sarajevo und Bagdad für die neuen Konfliktpotentiale. Der rasant voranschreitende Prozess der Globalisierung hat die Welt ökonomisch und medial entgrenzt. Desorientierung und De-Territorialisierung prägen eine Welt der Postmoderne, die sich mit neuen Erfahrungen von Raum und Zeit auseinandersetzen muss. Sicherheitspolitik wurde vor 1989 in festen monolithischen Kategorien gedacht und war ausschließlich auf die Abwehr zwischenstaatlicher militärischer Bedrohungen gerichtet. In der Zeit nach 1989 entstanden vielfältige neue, territorial nicht abgrenzbare, Bedrohungen für die einstmals nationalstaatlich definierte Sicherheit, zu denen auch die Folgen von globalen Umweltveränderungen gezählt werden können.

Zum anderen wurden intensiv nach dem Ende des Kalten Krieges, beginnend aber schon in den 1970ern und 1980ern, ökologische Fragen und Probleme, wie das Ozonloch, der Verlust an Biodiversität und der Klimawandel zu globalen Belangen. Es gibt seit dieser Zeit so etwas wie eine gemeinsame ‚Weltumwelt’, die zum Gegenstand der Analyse, vor allem aber auch einer Art von Problemmanagement durch internationale Agenturen, Verträge und Regime wurde. So kreiert die Politik des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts eine neue macht- und wissensbasierte Form der Regionalisierung der Welt in ökologische Gefahrenherde und weltpolitisch zu managende Zonen. Um die ökologische Dimension der gegenwärtigen politischen Debatte zu verstehen, reicht es aber nicht bloß, das Aufkommen des mittlerweile vielfältig besetzten und deshalb oft wertlos gewordenen Begriffes der nachhaltigen Entwicklung (‚sustainable development’) und seiner internationalen Verankerung in zahlreichen internationalen Konferenzen erklären zu können, sondern ist es vielmehr wichtig, zu zeigen, dass ökologische Themen großes politisches Gewicht haben, weil sie als internationale Gefahrenquelle für Wohlstand und Gesundheit gesehen werden.

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass Wissen nicht neutral, sondern interessengeleitet genutzt wird, um Macht zu erhalten oder zu gewinnen. Die Arbeit ist interdisziplinär im Überschneidungsbereich zwischen Geographie und Politikwissenschaft angesiedelt. Sie beschäftigt sich mit den Konsequenzen des globalen Umweltwandels für die Sicherheits- und Entwicklungspolitik im nationalen und globalen Maßstab und mit Redefinitionen alter sicherheitspolitischer Paradigmen. Forschungsansätze zur Verbindung von Umweltveränderungen und Konflikten sowie ihre Verankerung in verschiedenen Felder des politischen Prozesses in Deutschland stehen im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Schlussendlich beschäftigt sich die Arbeit auch mit alternativen Ansätzen zur Sicht und Gestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert.

Es ist davon auszugehen, dass sich eine Renaissance des sicherheitspolitischen Denkens in unterschiedlichen Forschungsansätzen zur Rolle der Umwelt in Konflikten und Kriegen niedergeschlagen hat. Hierzu soll folgende erste Ausgangshypothese formuliert werden:

‚Umweltbedingter Ressourcenreichtum bzw. deren Knappheit kann bestehende Konfliktlinien verschärfen. Gewalt ist in solchen Fällen als Mittel der Konfliktlösung wahrscheinlich. Es wäre aber irreführend und deterministisch, solche Konflikte als Umweltkonflikte zu bezeichnen. Es handelt sich vielmehr um eine spezifische Art eines machtpolitischen Verteilungsproblems bzw. strukturelle Probleme der internationalen Politischen Ökonomie[1]. Die sozialen, vor allem aber die politischen und ökonomischen Bedingungen sind somit die entscheidenden Determinanten von Gewalt.’

Die Folgen von Kriegen und Konflikten werden als Sicherheitsbedrohung für das internationale System und die weiterhin nationalstaatlich definierte Sicherheit Deutschlands postuliert. Die Politik Deutschlands, auch im Zusammenhang internationaler Regime und Organisationen, hat sich in verschiedenen Feldern, wie der Verteidigungs-, Außen-, Umwelt- und Entwicklungspolitik dieser Forschungsansätze und ihrer Erklärungsmuster angenommen und formuliert daraus Handlungskonzepte. Hieraus ergibt sich folgende zweite zu untersuchende Ausgangshypothese:

‚Politisch ist ökologische Sicherheit nur schwer zu bearbeiten: Veränderungen im Ökosystem erfolgen langfristig und kontinuierlich, politische Veränderungen erfolgen kurzfristig und zuweilen eher abrupt. Diese Spannung verschärft sich dadurch, dass politisch kein Feindbild mit Umweltsicherheit verknüpft ist und dass die Umweltschäden wie deren Folgen geographisch ungleich verteilt sind.’

Leitend sind zu diesen Hypothesen sind Fragen nach der Evolution des Konzeptes ökologische Sicherheit und den daraus erwachsenen Forschungsansätzen des Fokus Umwelt und Konflikt. Welche Ansätze bieten welche Erklärungsmuster und vor allem, welche Forschungsansätze haben sich als politisch durchsetzungsfähig erwiesen und welche keinen Einfluss auf den politischen Prozess gehabt? Welche politischen Maßnahmen sind daraus erwachsen und welche Interessen spiegeln sich darin wider?

Im einzelnen geht es in der Arbeit nach einer kurzen Schilderung der maßgeblichen Meilensteine auf dem Weg zu einem Umweltbewusstsein in Politik und Öffentlichkeit vor allem darum, aufzuzeigen, wie der politische Umgang mit den gewachsenen Umweltgefahren und dem Druck eines öffentlichen Bewusstseins aussieht.

Nachfolgend soll ein ausführlicher Blick auf ein zentrales Thema des politischen Entscheidungsprozesses in Umweltfragen, die Debatte um ein neues Sicherheitsdenken im Konzept der ökologischen Sicherheit geworfen werden. Neben den diversen neuen geopolitischen Antworten auf die Veränderungen und neuen Gefahren für die internationale politische Ordnung, sticht vor allem eine Erweiterung des Sicherheitskonzeptes der Kalten-Kriegs-Ära auf ökologische Gefahren hervor. Gefahren sind heute nicht mehr allein militärischer Art, sondern fundamental verbunden mit dem lokalen und globalen Umweltwandel. Am alarmierendsten für die staatliche politische Stabilität sind ökologische und demographische Wandlungsprozesse, die destabilisierende Bevölkerungsbewegungen oder militärische Konfrontationen nach sich ziehen könnten. Umweltdegradation wird im Sinne dieser Argumentation als Auslöser, Verstärker oder Katalysator für massenhafte Fluchtbewegungen und Kriege gesehen. Politisch einflussreiche Autoren sehen gar direkte Verbindungen zwischen Umweltzerstörungen, Chaos und Staatszerfall (‚failed states’), in deren Folge sich der Westen neuen Sicherheitsgefahren durch Verbrechen, Drogenhandel, ökonomischen Instabilitäten oder Epidemien ausgesetzt sieht. Das Schlüsselkonzept der nationalen Sicherheit wurde vollends neu überdacht und u.a. um wichtige ökologische Faktoren und Managementstrategien, die auch erhöhte militärische Wachsamkeit umfassten, erweitert. Es entstand das Konzept der ökologischen Sicherheit (‚Environmental Security’).

Größte Probleme für die internationale und nationale Sicherheit ergeben sich aus Konflikten über Ressourcen und daraus resultierenden Flüchtlingsbewegungen. Kriege und Konflikte werden als Endstufe von voranschreitender Armut gesehen. Armut wiederum als Folge einer wachsenden ökologischen Zerstörung. Politisch diskursprägende Forschungsergebnisse von vermeintlichen Umweltkonflikten (‚Greenwars’) sehen einen Teufelskreis aus Umweltzerstörung, Auseinandersetzungen über den Ressourcenzugang, Marginalisierung der ländlichen Bevölkerung, Unruhen, Vertreibungen und unkontrollierter Migration. Diese Folgeeffekte führen zu weiteren Konflikten und Kriegen mit weiterer Umweltzerstörung. Zu Friedenszeiten ist das Land ökologisch bankrott, so dass neue Spannungen entstehen. Das Konzept des Umweltkonflikts erscheint aus mehrerlei Gründen, die im einzelnen in dieser Einleitung noch nicht aufgeführt werden sollen, als fragwürdig und gefährlich. Generalisierte Argumente über globalen Umweltwandel sind in ihrer lokalen Anwendung oft zu unpräzise und deshalb wertlos. Groß angelegte quantitative, multivariate Untersuchungen über den Zusammenhang von Ressourcenausstattung und Konflikten bestätigen zwar Teile der Argumentation von der Verfechter von neuen Umweltkonflikten, bestätigen aber auch, dass ökonomische und politische Faktoren einen deutlich größeren Einfluss als konfliktauslösende Faktoren haben. Es zeigt sich, dass das Konzept des Umweltkonflikts, obwohl von großer praktischer politischer Relevanz dringend einer Erweiterung bedarf, um der Wirklichkeit gerecht zu werden.

In den jeweiligen nationalen Politiken der Verteidigungsministerien, aber auch in den kongruenten Leitbildern der Ministerien für Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt und Auswärtige Angelegenheiten drückt sich dieses erweiterte Verständnis des Sicherheitskonzeptes und das Zusammendenken von ökologischer Krisenprävention und -management im Süden zur Gefahrenabwehr für den Norden aus. Die deutschen Ministerien mit ihren politischen Handlungskonzepten und -ansätzen werden in dieser Arbeit beispielhaft für eine Analyse der internationalen Entwicklung herangezogen. Zu beachten ist dabei neben der nationalen politischen Ebene auch die Einbindung Deutschlands in die Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik (GASP) der Europäischen Union, die transatlantischen Verträge und andere internationale Regime und Organisationen.

Wichtig erscheinen aufgrund der Unzulänglichkeit nationaler Politiken entlang einer Angstargumentation des ‚Greenwar’ und seinen sicherheitspolitischen Implikationen alternative wissenschaftliche Konzepte. Die Diskurse der Gefahr, die die Literatur zur ökologischen Sicherheit durchziehen, können auch als Versuche gesehen werden, die wirtschaftliche und politische Dominanz des Nordens[2] über den Süden im Namen des Umweltschutzes zu perpetuieren. Tendenzen zu ‚Global Governance’ im Umweltbereich werden oftmals als ‚grüner Imperialismus’ gesehen. Außerhalb des von Abschottung gegenüber Flüchtlingen und der Militarisierung der Umweltfrage geprägten realpolitischen Diskurses, soll nach alternativen Erklärungsansätzen für Kriege und Konflikte im Rahmen der Politischen Ökologie gefragt werden.

2. Globaler Wandel und Umweltgefahren

2.1 Die Entdeckung einer Weltumwelt

Das Aufkommen einer Umweltpolitik im globalen und lokalen Maßstab gemäß der Leitlinie ‚global denken, lokal handeln’ ist ein rezentes Phänomen[3]. Das Bewusstsein für deren Notwendigkeit fand seinen Startpunkt in den politisch turbulenten 1960er Jahren, als Umweltaktivisten, unterfüttert von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, eine wachsende Angst um die Folgen der voranschreitenden Umweltzerstörung in den Aufbau einer politischen Bewegung kanalisierten (Matthew 1999: 2).

Katalysatoren dieser wachsenden Sorge um die Zukunft der Umwelt waren zahlreiche populäre Schriften, deren einflussreichste im angloamerikanischen Raum wohl Rachel Carsons „Silent Spring“ (1962) war. Carson stellte darin die Auswirkungen von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit dar und prangerte vor allem die moralische Arroganz an, die ein solches Verhalten erst ermöglichte. Carson zeigte aber auch sehr deutlich, dass Natur nicht länger als Rohmaterial für den industriellen Transformationsprozess, ohne Folgen für den Menschen betrachtet werden konnte, weil andernfalls der Mensch sukzessive sein eigenes Lebensumfeld schädigte und damit die eigene Zukunft gefährdete.

Den sozialen Kontext für eine massenhafte gesellschaftliche Beteiligung an der Umweltbewegung in den 1970ern bildete eine eher generelle Malaise aus der Angst um die Zukunft der Industriegesellschaft, dem Psychostress der nuklearen Bedrohung, einen wachsenden Alarm um Umweltkatastrophen, Fortschritte in der wissenschaftlichen Erkenntnis und die hohe Kompatibilität der Umweltbewegung mit anderen Anti-Establishment-Bewegungen, wie der Antikriegs- und Frauenbewegung (Mc Cormick 1989: 49 ff.).

In der Folge nahm die Debatte um die Umweltkrise und ihre Konsequenzen Formen an. Der reiche analytische und normative Diskurs um eine neue Umweltpolitik lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf Themen wie exponentielles Bevölkerungswachstum, negative Externalitäten bestimmter Produktionstechnologien, Grenzen industriellen Wachstums oder komplexen globalen Interdependenzen[4]. Seit 1972 gilt die internationale Bedeutung von Umweltbelangen, die Zentralität von Nord-Süd-Fragen sowie die Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen (NGO) durch die Weltumweltkonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Stockholm und mit der Gründung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) als offiziell anerkannt. Zusätzlich wurden der Behandlung dieser Fragen damit ein institutioneller Rahmen gegeben (Matthew 1999: 4).

Viel hat sich in den seit 1972 vergangenen 30 Jahren getan, wobei Wissenschaft, Technologie, Demographie, Ökonomie und Politik eine jeweils eigene Rolle spielten. In der Wissenschaft ist die Ökologie zur eigenen Naturwissenschaft geworden und führte zum besseren Verständnis der Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umgebung, z. B. in Form der Analyse von Folgewirkungen schonungsloser Ressourcenausbeutung. Atmosphärenchemiker und -physiker entdeckten anthropogen beeinflusste Phänomene wie die Zerstörung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) oder die globale Erwärmung. Mediziner und Bevölkerungswissenschaftler wiesen den Zusammenhang zwischen der Wiederkehr und dem Anstieg bei bestimmten Krankheiten und der anthropogenen Habitatzerstörung sowie zwischen Umweltzerstörung und sinkender Lebenserwartung nach. Die Wissenschaft entdeckte erst aufgrund einer erhöhten Sensibilität und veränderter technologischer Möglichkeiten eine Vielzahl neuer Gefahren für die Umwelt. Andererseits haben gerade die veränderten technologischen Möglichkeiten dazu geführt, dass sich die Nebenwirkungen wirtschaftlicher Entwicklung auf die Umwelt verstärkten. Wachsende Produktivität zur Erhöhung des Lebensstandards vieler ist praktisch immer noch gleichzusetzen mit erhöhtem Energieverbrauch und steigendem Ausstoß von Treibhausgasen. Demographische Fragen bedrängen die Welt in ähnlicher Weise. 43 % Weltbevölkerungswachstum zwischen 1970 und 1990 bedeuten ohne Verbesserung des Lebensstandards 43 % mehr Energieverbrauch. Tatsächlich aber verdoppelte sich dieser im gleichen Zeitraum und das vor allem durch einen erhöhten Verbrauch im Norden. Zentral bleibt deshalb die Feststellung, dass der Überkonsum im Norden uns an den Rand einer ökologischen Krise gebracht hat, ein ähnliches Verbrauchsmuster im Süden die Welt wohl vollends in den ökologischen Abgrund stürzen würde (Keller 1997: 6 f.).

Zentral ist diesem Zusammenhang also die Gerechtigkeitsfrage: Wer ist schuld an der wachsenden Umweltzerstörung, wer soll für Schäden und Ausgleich zahlen, wer davon profitieren und vor allem, wo müssen Veränderungen stattfinden?

2.2 Politischer Umgang mit der Weltumwelt

Auch politisch gesehen hat sich in den vergangenen 30 Jahren einiges getan. Auf internationaler Ebene zeigen sich deutliche Aktivitäten. Etwa 80 multilaterale Konventionen und Regime über Umweltfragen wurden mit mehr oder weniger Beteiligung geschlossen. Internationale und regionale Organisationen haben Umweltthemen regelmäßig auf ihre Agenden gehoben. Das gewachsene öffentliche Bewusstsein und alarmierende wissenschaftliche Forschungsergebnisse zwingen die Politik zum Handeln. 1983 initiierten die UN die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) unter Vorsitz von Gro Harlem Brundtland, die 1987 ihren Abschlußbericht „Our Common Future“ vorlegte. Die Vorschläge und Empfehlungen des Berichts waren eingebettet in das Konzept der nachhaltigen Entwicklung (‚sustainable development’). Entwicklung sollte es fortan schaffen

„to meet the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (WCED 1987: 8).

1992 wurde dieses Konzept auf der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro verhandelt und zur Überbrückung der Interessenunterschiede zwischen Nord und Süd eingesetzt. Das Abschlussdokument der UNCED die Agenda 21 galt als hoffnungsvolles Instrumentarium zur einvernehmlichen Lösung von Umweltproblemen.

Hatten die negativen ökologischen Effekte in der eigenen Industriegesellschaft vor allem in den 1970er Jahren zum Entstehen und Erstarken der grünen Bewegung geführt, so ist diese heute längst nicht mehr so radikal, sondern vielmehr kooperativ in den bestehenden internationalen Verhandlungs- und Bewältigungsstrukturen verwoben. In den 1970er Jahren galten wachsende Umweltprobleme als Beweis für die zerstörerisch wirkende marktorientierte Industriegesellschaft. Profitorientierung ersetzte jede soziale Orientierung. Zentral war deshalb die Forderung nach der Untrennbarkeit von ökologischen und sozialen Belangen. Nicht gemeinsame Lösungssuche, sondern Konfrontation stand auf der Agenda (Matthew 1999: 7).

Mit den Jahren etablierte sich die Umweltbewegung vor allem über die Gründung zahlreicher NGO, die zu mächtigen transnationalen Kräften wurden und den politischen Aktivismus und die wissenschaftliche Forschung maßgeblich steuern. Heute sind diese im politischen Entscheidungsprozeß unüberhörbar, überwachen die Einhaltung von internationalen Regimevereinbarungen und haben auf internationalen Konferenzen Mitspracherecht in eigenen NGO-Foren (ebd. : 5).

Vielfach ist die Ökologiebewegung heute aber auch das Opfer ihres eigenen Erfolges geworden. Es gibt ein wachsendes Interesse von Regierungen und Korporationen an der Erreichung von Umweltstandards zur Regulierung von Kosten und der Kostenreduzierung durch eine kreative Beseitigung von Umweltschäden. So treten Unternehmen heute für die Einhaltung oder Einführung gemeinsamer Umweltstandards ein, weil sich Gesamtproduktionskosten durch die Einsparung von Kosten für Umweltfolgewirkungen reduzieren lassen. Der einheimische Druck auf die Regierungen in Hinblick auf verstärkte Regulationsbemühungen motiviert den Schub zur internationalen Harmonisierung und zum Abschluss internationaler Verträge. Zunehmend sind alle gesellschaftlichen Kräfte involviert und verbinden sich mit Umweltthemen. Die radikale sozialpolitische Agenda der Ökologiebewegung löst sich zunehmend auf und Fast jeder findet eine Verbindung zum Thema. Trotzdem gibt es vielfach erstaunlich wenig Beteiligung. So hoffnungsvoll die Ergebnisse der UNCED von 1992 auch erschienen, so enttäuschend ist das fehlende Engagement vieler Staaten in deren Folgeprozess. Zielvorgaben werden verfehlt oder verschoben. Es erscheint fast so, als dass überall dort kein Fortschritt zu verzeichnen ist, wo Engagement mit finanziellem Aufwand verbunden ist (Keller 1997: 8 f.)[5].

Drei Themen bestimmen aktuell Forschung, Diskussion, Aktivismus und den politischen Entscheidungsprozeß in Umweltfragen: Umweltethik, nachhaltige Entwicklung und ökologische Sicherheit. Diese sind eng verbunden mit den traditionellen Belangen der Weltpolitik, den Menschrechten, Gerechtigkeitsfragen, der internationalen politischen Ökonomie sowie nationaler Sicherheit, Krieg und Frieden. Es gibt die unvermeidliche Tendenz, Umweltthemen in bekannten analytischen und politischen Kategorien einzuordnen, quasi als neues Subjekt entlang der Logik bestehender Debatten zwischen den großen Theorien von Realismus, Liberalismus und Marxismus (Matthew 1999: 6).

Deshalb ist auch die Kritik unüberhörbar, dass dieser Prozess nicht wünschenswert sei, weil die Themen dadurch schwammig würden, ihr revolutionäres Potential verlören und letztlich vermehrt kurzfristige Kompromisslösungen ermöglichten, die nur der Status-quo-Erhaltung dienten. Die Kritiker unterstellen eine Kooptation mit den Interessen des Nordens im Rahmen einer Agenda zur Marginalisierung der Belange des Südens und Übertreibung dessen Beitrags zur Umweltkrise. Zur Bewältigung werden stattdessen radikaler Systemwandel und die Unterstützung von ‚grassroot’-Bewegungen im Rahmen eines ‚deep ecology’-Ansatzes vorgeschlagen (vgl. u.a. Mies 1986).

Nachfolgend soll ein ausführlicher Blick auf ein zentrales Thema des politischen Entscheidungsprozesses in Umweltfragen, die Debatte um ein neues Sicherheitsdenken im Konzept der ökologischen Sicherheit geworfen werden, an deren zentralen Figuren gut das Denken in bekannten analytischen Kategorien und die Kritik daran aufgezeigt werden kann.

3. Ein neues Sicherheitsdenken: Die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs im Konzept der ökologischen Sicherheit

Nach mehr als drei Jahrzehnten der Forschung und Diskussion über Umweltfragen ist der globale Wandel als Folge der wachsenden Bedürfnisbefriedigung der Menschheit Fakt. Obwohl einige kompromisslose Umweltaktivisten eher eine ökozentrische Position einnehmen, ist die heutige Umweltpolitik eher damit beschäftigt, zu klären, was globaler Wandel für das Wohlergehen, die Freiheit und Sicherheit der Menschheit bedeutet.

Die Beschreibung von Umweltproblemen als Gegenstand nationaler Sicherheitspolitik ist mittlerweile fundamentaler Bestandteil einer neuen Umweltpolitik. Die Debatte um ökologische Sicherheit fand ihren frühen Ursprung in den Feststellungen der WCED, die davon ausging, dass die immer krasser zutage tretende Umweltkrise für die nationale Sicherheit von Staaten

„unter Umständen eine größere Bedrohung darstellt, als ein gut bewaffneter, übelwollender Nachbar oder feindliche Militärbündnisse. Bereits heute ist in Teilen Lateinamerikas, Asiens, des Mittleren Ostens und Afrikas die Krise der Umwelt zu einer Quelle politischer Unruhe und internationaler Spannungen geworden“ (Hauff 1987: 8).

Erkennbar sind in der konzeptionellen Debatte um ökologische Sicherheit zwei zentrale Fragekomplexe, anhand derer ich den Diskurs in Anlehnung an Matthew (1999) schildern werde:

1. Was bedeutet oder was soll das Konzept ‚ökologische Sicherheit’ bedeuten: Liegt die Betonung auf dem Schutz der Umwelt oder auf der Reaktion auf Umweltgefahren für die staatliche oder menschliche Sicherheit? Manifestieren sich Auswirkungen des globalen Wandels in bekannten Formen der Gewalt und des Konfliktes oder in neuen Formen wie der graduellen Verschlechterung der Lebensqualität oder in beiden Formen gleichzeitig oder gar in keiner? Zeigen Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung von ökologischer Sicherheit den tiefer liegenden Streit zwischen Nord und Süd, Männern und Frauen, Eliten und Nicht-Eliten, westlichen und nicht-westlichen Kulturen? In einer Welt multipler Formen der Gewalt und unzähliger Quellen der Unsicherheit ist es fraglich, wo sich der Umweltwandel einordnet.
2. Welche Risiken sind in einem Vokabular involviert, welches in der Arena der Weltpolitik Bilder von Krieg erzeugt und zu militärischer Teilhabe einlädt: Erhalten in einem solchen Diskurs Frieden und Gerechtigkeit adäquate Beachtung? Inwiefern sind diese Überlegungen von der Angst vor finanziellen Einschneidungen im Verteidigungsetat getragen? Kann der Militärapparat überhaupt eine konstruktive Rolle spielen? Wie Ernstzunehmen sind die Kritiken, die befürchten, dass die Umweltpolitik zum Instrument reaktionärer Interessen anstelle eines revolutionären Instrument des Wandels wird (ebd. : 14 f.)?

3.1 Rückblick auf frühe Diskussionsstränge: Kalte-Kriegs-Logik und erste Anzeichen für globalen Wandel

Umweltthemen haben eine kurze, marginale, aber nicht unbedeutende Geschichte in der sicherheitspolitischen Diskussion. In den 1970er Jahren stimulierte die Ölkrise und die Diskussion um die These von den ‚Grenzen des Wachstums’ (vgl. Meadows et al. 1972) wachsende Bedenken über Konflikte resultierend aus Ressourcenknappheiten. Wirtschaftliche Sicherheit hatte höchste Priorität in einer Gesellschaft, in der Wirtschaftswachstum und der Grundsatz ‚shop ´til you drop’ maßgebliche Zielsetzungen waren. Das größte direkte Interesse über die Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung, Sicherheit und Krieg galt in dieser Zeit

„fast ausschließlich Aspekten der Kriegsführung durch die Manipulation von Natur und Umwelt sowie den ökologischen Kollateralschäden und Folgewirkungen kriegerischer Auseinandersetzungen“ (Bächler et al. 1996: 10)[6].

Sicherheit orientierte sich bis 1989 ganz am Ost-West-Gegensatz der Kalten-Kriegs-Logik. Es wurde im Sinne zeitgenössischer Konzeptionen von Sicherheit gedacht, in denen sich Sicherheit auf die staatliche Verteidigung souveräner Interessen mit militärischen Mitteln bezog. Sicherheit meinte, die Bemühungen gegen andere organisierte Kräfte zum Schutz der eigenen Bevölkerung und des eigenen Territoriums und wurde beschrieben als:

„(...) the defense of territorial and political integrity, which was understood as the fundamental, the immutable, objective of states in the international system“ (Krasner 1990: 7).

Der moderne Nationalstaat galt u.a. als Zusammenschluss zur Gewährleistung von Sicherheit. Nationalstaatszentrierte Theorien dominierten die Diskussion über internationale Beziehungen. Gefahren wurden ausschließlich als militärische Herausforderung gesehen und ihnen mit bewaffneten Kräften begegnet (Dabelko und Dabelko 1995: 3). Dabelko und Dabelko (1995) sprechen in diesem Zusammenhang von einem engen Fokus auf militärische Gefahren und Antworten als „high politics“, im Gegensatz zu sekundären Themen staatlicher Sicherheit, wie Umwelt- oder ökonomischen Bedrohungen, den „low politics“ (ebd.). Das Ende des Kalten Kriegs 1989 bot neben vielfachen politischen Veränderungen auch die Chance zur Redefinition des nationalen Sicherheitskonzeptes.

Ein Strang dieser aufkeimenden Suche, der hier nicht weiter diskutiert werden soll, bezieht sich auf die Verschärfung des ökonomischen Wettbewerbs[7]. Ein anderer maßgeblicher Strang, der Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist, ist als Konsequenz des in Kapitel 1 geschilderten globalen Wandels und seiner politischen und gesellschaftlichen Bewältigungsmechanismen zu sehen. Die große Zahl einflussreicher internationaler politischer Konferenzen und Berichte, gepaart mit zunehmenden ökologischen Katastrophen und Forschungsergebnissen und einer aktiven Umweltbewegung haben zur Herausbildung und Verschärfung des Umweltbewusstseins geführt (Brown 1989: 521). Es zeigen sich erste Erfolge im Konzept der ökologischen Sicherheit mit dem Begriff Sicherheit, Umweltbelange auf die Prioritätenliste der ‚high politics’ zu bringen.

3.2 Die Debatte gewinnt an Konturen: Argumente für eine Verbindung von Sicherheit und Umwelt

Ein erster Strang der an Konturen gewinnenden Debatte drehte sich um einen neuen Sicherheitsbegriff, der die traditionelle, militärisch-verteidigungspolitisch verengte Auffassung im Sinne erweiterter, ganzheitlicher oder gemeinsamer Sicherheit ausweitete. Ökologische Probleme und Umweltzerstörungen wurden in diesem Kontext als Sicherheitsbedrohungen und –risiken gesehen und bewertet. Die in der Forschung entwickelten frühen Konzepte ökologischer Sicherheit wurden in der politischen Arena teilweise aufgegriffen und propagiert. Erwähnt werden sollen hier nur der Vorstoß des ehemaligen sowjetischen Außenministers Schewardnadse vor der UN-Generalversammlung 1988, einen Umwelt-Sicherheitsrat einzurichten, der sich der ökologischen Sicherheit widmen sollte (vgl. Shevardnadse 1990) und die in dieser Tradition stehenden ähnlichen Vorschläge des ehemaligen US-Vizepräsidenten Gore (vgl. Gore 1993).

Die Literatur über die Redefinition nationaler Sicherheit und Konzepte ökologischer Sicherheit ist inzwischen so breit gefächert, dass es ratsam erscheint, einige Beiträge mit großer Wirkung herauszustreichen.

Als zentraler Text der frühen Jahre, noch vor Ende des Kalten Krieges, gilt Ullmans „Redefining Security“ (1983). Sein Aufsatz ist ein Plädoyer gegen die Annahme, dass nationale Sicherheit nur militärisch definiert wird. Seine Kritik ist zeitlos, obwohl sie im damaligen Kontext erhöhter Militärausgaben der Reagan-Administration zu sehen ist. Eine weitere ausschließliche Fokussierung auf Gefahren militärischer Art bürge hohe Opportunitätskosten durch die Vernachlässigung potentiell viel größerer Gefahren und die Militarisierung internationaler Beziehungen (ebd. : 129). Er plädiert für eine Eingliederung nicht-militärischer Gefahren in das Konzept der nationalen Sicherheit und definiert zweierlei Gefahren als

„action or sequence of events that (1) threatens drastically and over a relatively brief span of time to degrade the quality of life for the inhabitants of a state, or (2) threatens significantly to narrow the range of policy choices available to the government of a state or to private, nongovernmental entities (persons, groups, corporations) within the state“ (ebd. : 133)

und meint damit, dass Themen wie Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern und die begleitende wachsende Konkurrenz um die Kontrolle über Ressourcen oder grenzüberschreitende Migration in ernsten Konflikten enden können. Es zeigen sich Wurzeln dieser Neudefinition in der Debatte der 1970er Jahre um die Grenzen des Wachstums und die Erfahrungen mit der Ölkrise. Ressourcenknappheiten wurden als Auslöser für Konflikte auf der internationalen und innerstaatlichen Ebene gesehen. Eine Konflikttheorie basierend auf Ressourcenknappheiten und versagenden Marktmechanismen bei Rohstoffen wie Wasser und Öl formierte sich im Nachwege des Artikels von Ullman (vgl. u.a. Gurr 1985, Timberlake und Tinker 1985, Westing 1986) und ist auch heute noch, wie die Arbeiten von Gleick (u.a. 1993) am Beispiel von Wasserkonflikten zeigen, aktuell.

Neben den Debatten um Ressourcenknappheit haben sich zahlreiche andere Vertreter der Diskussion um eine Verbindung von Umwelt und Sicherheit um eine holistischere Sichtweise gekümmert, wie etwa Myers (1993: 31), der seine Perspektive wie folgt darlegt:

“(...) security applies most at the level of the citizen. It amounts to human wellbeing: not only protection from harm and injury but access to water, food, shelter, health, employment, and other basic requisites that are due of every person on Earth. It is the collectivity of these citizen needs – overall safety and quality of life – that should figure prominently in the nation’s view of security.”

Mathews (1989) nahm den Zeitpunkt zum Ende des Kalten Krieges als Anlass einer Redefinition des Sicherheitskonzeptes in breiterer Sichtweise „(...) to include resource, environmental and demographic issues(ebd. : 162). In ihrer düsteren Zukunftsprognose sieht sie durch den Zusammenhang von Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit, menschliches Leiden und chaotische Zustände als Folge auf die Menschheit zukommen. Zusätzlich komplettiert sie vor dem Hintergrund globaler Umweltgefahren „a grim sketch of conditions in 2050“ (ebd. : 168). Vor allem aber erscheint ihr Aufsatz als Plädoyer einer multilateralen, kooperativen globalen Politik in Umweltfragen zur Erreichung von nationaler Sicherheit, angesichts von Gefahren, die längst über territoriale Risiken hinaus spürbar sind und deren Bewältigung die nationale Souveränität überschreiten.

Connelly und Kennedy (1994) weisen auf die demographische Dimension dieser Gefahren hin. Ihr Szenario ist angelehnt an Raspails Vision in „The Camp of the Saints”, nach der die miserabelsten Existenzen ihr Zuhause in der 3. Welt verlassen, um sich als letzten Ausweg auf den Weg in die westliche Opulenz zu machen. Für Connelly und Kennedy ist dieses Szenario eine sich längst verstärkende Realität geworden, welcher man nur durch ernsthafte politische Reformen in Nord und Süd, wie z. B. eine erhöhte Entwicklungshilfe, Einschneidungen im internationalen Waffenhandel und eine Stärkung der Interventionskapazität der Vereinten Nationen begegnen kann (ebd. : 78 f.).

Kaplan’s „The Coming Anarchy“ (1994) zeichnete ein noch düsteres Zukunftsportrait der Verbindung zwischen Umweltzerstörung, Migration, Staatszerfall, Gewalt und Konflikt als Mathews. Umweltzerstörung wurde für Kaplan zu dem bestimmenden Thema für die nationale Sicherheit im ausgehenden 20. Jahrhundert (ebd. : 45). Kaplan bewies ein gutes Gespür für die in der Weltpolitik vorherrschende Orientierungslosigkeit. Das Ende des Kalten Krieges hat eine Krise der Bedeutungen in der Weltpolitik erzeugt. Es gab zu viele Definitionsversuche in dieser Phase, so dass letztendlich Desorientierung vorherrschte (O’Tuathail 1996: 225). Hinzu kommt eine globale politische Tempoerhöhung:

„History has not ended, but has become compressed“ (Brzezinski 1993, zit. nach O’Tuathail 1996: 226).

Früher gab es historischen Fortschritt; heute dominieren Diskontinuitäten, die miteinander kollidieren und zur Konfusion der historischen Perzeptionen führen. O’Tuathail (1996) spricht von „geopolitical vertigo“ (ebd.: 226). Desorientierung und Vertigo[8] sind verknüpft mit neuen Erfahrungen von Raum und Zeit in den Strukturen der Postmoderne, die diese nur noch verstärken. Kaplan bot der politischen Gemeinde Orientierung bei der Suche nach Gefahren für die nationalen Interessen, indem er das Bild des Chaos’ in der 3. Welt anbot.

Vor dem Hintergrund von wachsenden Erkenntnissen über den Umweltwandel, der aus den 1970er Jahren resultierenden Sensibilität für bestimmte Umweltthemen und einer für politische Entscheider verführerischen Argumentationslinie gelten Mathews, Kaplan und Connelly und Kennedy als Anführer einer selektiven, aber machtvollen Verbindung von Wissenschaft und Politik. Mathews interdependente, globale Konzeption und die Bevorzugung multilateraler Lösungsversuche führte im besonderen Maße zum Nachdenken über konventionelle realistische Positionen der Verteidigung expliziter nationaler Interessen mit militärischen Mitteln. Kaplans Bedeutung schwankt in der Beurteilung zwischen galvanisierend oder destruktiv für die Umweltpolitik[9]. Connelly und Kennedy weisen zurecht auf die Notwendigkeit eines von Nord und Süd getragenen Reformpaketes hin (Matthew 1999: 10 f.).

Grundsätzlich scheint kein Zweifel daran zu bestehen, dass Umweltprobleme das menschliche Wohlergehen in irgendeiner Weise schädigen. Es bestehen aber große Uneinigkeiten über den Umgang mit den Konsequenzen des Umweltwandels, die auf unterschiedliche Interpretationen von empirischen Beweisen und Kausalketten sowie unterschiedliche normative Annahmen zurückzuführen sind. Grob gesagt, finden sich dieselben Unterschiede in der langen Tradition des Streits zwischen den Befürwortern einer Verfeinerung und eines Schutzes der liberalen Weltordnung souveräner Staaten, Märkte und Regime und den Gegnern dieses internationalen Systems, welche es mit nicht wünschenswerten Werten und Praktiken verbinden und für fundamental ungerecht halten. Beide Seiten stimmen zwar darin überein, dass die bisherige politische und ökonomische Praxis die momentane Krisensituation erst auslöste, nicht aber darin, ob diese Praxis nun reformiert oder ersetzt werden muss. Sind die großen Fragen der Menschheit längst gelöst, wie Fukuyama (1989) am Beispiel der Entwicklung der idealen Formen von Politik (repräsentative Demokratie), Ökonomie (Marktwirtschaft) und Ethik (Menschenrechte) nachzuweisen versucht und als Rezept für uneffiziente, aber ideale Systeme eine Reform von innen vorschlägt? Oder müssen Kernwerte des Systems, wie wirtschaftliches Wachstum, oder gar die Strukturen des Systems selbst ersetzt werden? Im Umgang mit dem Ziel ökologische Sicherheit konkurrieren machtvolle Bilder vom technokratischen Management mit dem von idealistischer Demokratie. Die Debatte zeigt Positionen, welche von der Erhaltung des status quo durch das Management nördlicher Eliten bis zum erhofften fundamentalen Wandel im Rahmen einer globalen Demokratiepolitik reichen (Matthew 1999: 12).

Dort wo ökologische Sicherheit so unterschiedlich bewertet und erreicht werden soll, was vor dem Hintergrund vollkommen unterschiedlicher Erfahrungen mit der Umweltkrise auch nicht allzu verwunderlich erscheint, ist es natürlich schwierig und nur mit einem hohem Grad an Verallgemeinerung möglich, von einem klaren, einheitlichen Konzept ökologischer Sicherheit zu sprechen. Angesichts der geschilderten Schwierigkeiten und Defizite möchte ich mich deshalb auf einen Konzeptionsversuch ökologischer Sicherheit von Matthew (1999) einlassen, der drei allgemeine Charakteristika umfasst:

“First, it is a condition in which environmental goods – such as water, air, energy, and fisheries – are exploited at a sustainable rate. Second, it is a condition in which fair and reliable access to environmental goods is universal. And third, it is a condition in which institutions are competent to address the inevitable crises and manage the likely conflicts associated with different forms of scarcity and degradation” (ebd.: 13).

3.3 Die Kritik entfaltet sich: Argumente gegen die Eingliederung der Umwelt in das neue Sicherheitskonzept

Die Befürworter einer Beschreibung der ernsten Umweltprobleme als Gegenstand eines erweiterten nationalen Sicherheitskonzeptes sind einen merkwürdigen Schulterschluss eingegangen. Apologeten einer Legitimierung von Umweltproblemen durch die Inklusion im Sicherheitskonzept von Seiten der grünen Ökologiebewegung und konservative Kräfte eines machtvollen militärisch-industriellen Komplexes, der auf der Suche nach einer passenden Mission in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges ist üben sich hier in offensichtlicher Gemeinsamkeit (Keller 1997: 11).

Obwohl diese Koalition sicherlich den politischen Entscheidungsprozeß prägend gestaltet hat, gibt es auch zahlreiche Kritiken an den geschilderten Redefinitionsversuchen.

Schon früh zeigten sich die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Befürwortern und Gegnern in einer Debatte im ‚Bulletin of the Atomic Scientists’ im Jahre 1991 zwischen Gleick und Deudney. Gleick sprach schon im Titel seines Beitrags von „The Clear Connections“ und meinte damit die Verbindung von neuen globalen Herausforderungen wie Unterentwicklung, wachsender Armut und Umweltproblemen mit bestimmten sicherheitsbedrohenden militärischen Spannungen. Dabei definierte er vier Gruppen von potentiellen Ressourcen- und Umweltkonflikten und machte dementsprechend ökologische Sicherheit als neue nationale Herausforderung aus (ebd. : 18 f.).

Deudney hingegen weist nach, dass sich nicht alle Neologismen und Verbindungsversuche als nützlich oder plausibel erweisen. Eine Sprache, die man mit Gewalt und Krieg assoziiert, wird bemüht, um Umweltprobleme zu verstehen und Taten zu motivieren. Nationale Sicherheit hatte sich in der Vergangenheit um organisierte Gewalt zentriert, nach dem Grundsatz „security from violence“ (ebd. : 23). Es würde nun nur Sinn machen, Umweltzerstörung als Gefahr für die nationale Sicherheit auszumachen, wenn „security from violence and from environmental threats“ (ebd.) ähnliche Phänomene wären. Letztendlich haben diese aber aus vier Gründen wenig gemein:

1. Umweltzerstörung und Gewalt von außen sind unterschiedliche Gefahren. Diese Verbindung erscheint analytisch als nutzlos, weil nicht alle Gefahren für Leben und Besitz Gefahren für die nationale Sicherheit sind.
2. Umweltzerstörung ist nicht national, weder als Quelle, noch in der Folge oder gar als Lösung des Problems.
3. Gefahren aus einer Gewaltausübung sind intendiert, Umweltzerstörung ist als Nebeneffekt anderer Tätigkeiten hingegen unintendiert.
4. Organisationen, welche Schutz vor Gewalt bieten, differenzieren beträchtlich von denen, die im Umweltschutz engagiert sind. Das Militär arbeitet geheim und hoch technologisiert, ist extrem hierarchisch und zentralistisch organisiert und in seinen Entscheidungen weit entfernt von der Zivilgesellschaft. Umweltschutzorganisationen verfolgen entgegengesetzte Organisationsmuster und Entscheidungsprozesse[10] (ebd. : 24).

Deudney sieht die dargelegten Versuche der Verbindung von Umweltgefahren mit nationaler Sicherheitspolitik eher als rhetorischen Ansatz, durch den eine gewisse Dringlichkeit der Reaktion auf Umweltprobleme signalisiert wird. Tatsächlich aber ist dieser gefährlich, weil an Gefühle appelliert wird, die mit Sicherheit assoziiert werden und mächtig sind, weil sie sich auf Krieg beziehen. Kriegsszenarien schaffen jedoch selten nachhaltige Verhaltensänderungen, wie sie zur Beendigung oder zumindest Verringerung der Umweltzerstörung notwendig wären, sondern provozieren vielmehr wenig ratsame Crash-Lösungen (ebd. : 25).

Das nationalstaatliche Konzept suggeriert ein ‚wir gegen die anderen’ in Umweltfragen, welches aber der falsche Weg ist, weil wir selbst der Feind sind im Rahmen eigener zivilisatorisch erzeugter Gefahren. Im Sinne der Beck’schen Logik der Weltrisikogesellschaft, in der

„die Gewalt der Gefahr hervor(bricht), die alle Schutzzonen und sozialen Differenzierungen innerhalb und zwischen den Nationalstaaten aufhebt“ (Beck 1986: 61),

taugen existierende Opponenten nicht. Nationalismus würde außerdem massiv dem Globalismus der Umweltdekade widersprechen, denn nationales Denken zerstört das Bewusstsein für eine Weltgemeinschaft und die Einsicht über ein gemeinsames Schicksal. Stattdessen müsste der Status des Nationalstaates in Frage gestellt werden, weil Umweltgefahren weder räumlich noch sozial eingrenzbar sind und somit zu Weltproblemen geworden sind. Sie unterlaufen die Grundlagen der ersten industriellen Moderne, Klassenantagonismus und Nationalstaatlichkeit, und heben das Bild technisch-ökonomischer Rationalität und Kontrolle auf (Beck 1996: 119).

Das von Deudney schon im Titel seines Aufsatzes beklagte „Muddled Thinking“ zeigt, dass ein Begriff ohne Grenzen leicht bedeutungslos werden kann. So fehlt weiterhin eine einheitliche Arbeitsdefinition und das vermeintlich neue Sicherheitsdenken bleibt als ‚umbrella-Konzept’ ohne Wert und praktischen Nutzen (Dabelko und Dabelko 1995: 7).

Für andere Kritiker erscheinen die Redefinitionsversuche und Begründungszusammenhänge vielmehr als parochiale bürokratische Taktik, um als Antwort auf gewachsene finanzielle Ansprüche für den Umweltschutz das eigene Militärbudget zu sichern. So versucht sich der Sicherheitsapparat Gelder zu sichern, indem er sich vermeintlich grüne Themen auf die Fahnen schreibt. Dalby (1992) weist darauf hin, dass man zwischen rein rhetorischem Eintreten für ökologische Sicherheit und tatsächlichem institutionellen Wandel, der dementsprechend wandelnde Prioritäten und Wertekonzeptionen wiedergeben würde, unterscheiden muss. Sicherheit wird hier als Label genutzt, um Überlebenswichtigkeit im Sinne eines Krisenbewusstseins zu signalisieren und allen nötigen Willen und jegliche Ressourcen auf Programme zu lenken, die der Selbstlegitimierung des Sicherheitsapparates dienen (ebd. : 104).

3.4 Versuch einer Synthese: Drei Generationen der Forschung zu ökologischer Sicherheit

Neben der grundsätzlichen Debatte zwischen Apologeten und Kritikern eines ökologischen Sicherheitsbegriffes, die im Vorangegangenen versucht wurde, in ihren Grundzügen zu schildern, bleibt die Frage welche Linien der Argumentation prägend bzw. veränderungswürdig waren für eine Weiterentwicklung des Forschungsfeldes.

Die Aufsätze von Levy (1995) und Rønnfeldt (1997) versuchen, neben einer eigenen Kritik, einen Rückblick und eine zeitlich-inhaltliche Abfolge und Kategorisierung[11] zur Beantwortung des oben genannten Problems vorzuschlagen. Grundsätzlich halten beide Autoren das Zusammendenken von Umwelt- und Sicherheitsfragen für begrüßenswert. Konsens zwischen den beiden Autoren scheint eine Gliederung in drei Generationen der Forschung zur Umwelt und Sicherheit zu sein.

Die erste Generation bezieht sich auf die fortlaufende interdisziplinäre Debatte in akademischen und politischen Kreisen, ob und wie Umweltthemen in Sicherheitsbelange integriert werden können. Befürworter haben, wie im Vorangegangenen geschildert, eine unterschätzte Beziehung zwischen Umwelt und Sicherheit hervorgehoben, während Skeptiker solch eine Beziehung ganz ablehnen oder ihre Bedeutung zumindest herunterspielen. Ein eingeengtes nationales Sicherheitsverständnis mit dem Fokus auf militärische Bedrohungen außerhalb der Nationalstaatsgrenzen bedarf einer holistischen Sichtweise mit dem Einschluss des Schutzes des Menschen vor ökologischen Problemen und deren negativen Konsequenzen. Dieses breite Sicherheitskonzept der Befürworter der ersten Generation entstand in Ansätzen schon zu Beginn der 1980er Jahre im Zuge einer sich verstärkenden Ökologiebewegung und Internationalisierung von Umweltbelangen, wurde dann aber erst Ende der 1980er Jahre mit der neuen Unübersichtlichkeit und dem Wegfall der militärischen Bedrohungen der Kalten-Kriegs-Dualität zum machtvollen wissenschaftlichen Konzept multipler – politischer, ökonomischer, sozialer und ökologischer – Dimensionen auf allen – globalen, staatlichen und individuellen – Ebenen von Sicherheit. Seine Aufnahme in politische Agenden zeigt auch die Durchsetzungsfähigkeit der Argumentation auf der Handlungsebene (Rønnfeldt 1997: 474).

Die Schwächen dieser ersten Generation sind evident und werden von den Kritikern auch so benannt. Konzeptionell führen die Befürworter der Verbindung eher Verwirrung herbei. Eine wirkliche Redefinition findet nicht statt, schon eher eine De-Definition. Zumal die konzeptionelle Debatte keine neuen theoretischen und empirischen Erkenntnisse über die Interaktion von Umwelt und Sicherheit herbeiführen, und es so oftmals erscheint, als dass die Analysen soweit gedreht und gewendet werden, bis sie den politischen Agenden genügen. Praktisch gesehen wird den Befürwortern vorgeworfen, dass eine Militarisierung von Umweltthemen wenig dienlich sei, weil hier die falschen Institutionen für eine entsprechende Problembewältigung mobilisiert würden. Insgesamt erscheint die vorgeschlagene Verbindung von Umwelt- und Sicherheitsbelangen eher als politischer Slogan, denn als nützliches Analyseinstrument (Levy 1995: 44).

Als Antwort auf die Kritik an der ersten Generation, insbesondere die mangelnde empirische Beweisführung, entstand in den frühen 1990er Jahren eine zweite Generation von Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse in Kapitel 4.1 detailliert dargestellt werden. Stellvertretend für die methodologische und analytische Vorgehensweise der zweiten Generation wird hier das Project on Environment, Population and Security (EPS) der University of Toronto unter der Leitung von Thomas Homer-Dixon, die sogenannte Toronto Group, genannt. In Bezug auf die erste Generation konstatierte Homer Dixon (1991),

“(...) much of the recent writing on the links between environmental change and conflict is anecdotal“ (ebd.: 83).

Im Mittelpunkt stand die Einengung des Forschungsfokus auf vier Ebenen:

1. Fokus auf Knappheit erneuerbarer Ressourcen, nicht auf eine große Bandbreite globaler Umweltprobleme,
2. Fokus auf akute nationale und internationale Konflikte anstelle der Beschäftigung mit einem umstrittenen Sicherheitskonzept,
3. ‚Process Tracing’ als analytischer Ansatz, um den kausalen Pfad von ökologischer Knappheit zum Konflikt nachzuzeichnen,
4. Auswahl von Fallstudien aus Entwicklungsländern, weil diese als anfälliger für ökologisch induzierte Konflikte gesehen wurden (ebd.: 77 ff.).

‚Process Tracing’ ist die vorherrschende Methode der Forschung der zweiten Generation. Hierbei ist es das Ziel, die relevanten unabhängigen (ökologische Knappheit), intervenierenden (soziale Effekte) und abhängigen (Konflikt) Variablen in der Kausalkette auszumachen und basierend auf diesem methodologischen Rahmen Fallstudien durchzuführen:

„(...) cases are selected explicitly on both the independent and the dependent variables. The aim is to determine if the independent and dependent variables are causally linked and, if they are, to induce from a close study of many such cases the common patterns of causality and the key intermediate variables that characterize these links” (Homer-Dixon 1995: 7).

Seit Mitte der 1990er Jahre wird der Ansatz der Toronto Group von einer dritten Forschungsgeneration zunehmend kritisiert und eigene neue Ideen entwickelt, deren Forschungsergebnisse Teil von Kapitel 4.2 sind. Jedoch haben die Ergebnisse der zweiten Generation neben aller berechtigter Kritik auch zu Erfolgen geführt. So wurde eine empirische Basis geschaffen. Die Skeptiker einer Verbindung zwischen ökologischer Knappheit und Sicherheit wurden mit den publizierten Ergebnissen besänftigt. Es wurde hervorgehoben, dass der Ansatz nicht deterministisch sei, weil Knappheit allein als nicht ausreichend, sondern als mit anderen Faktoren interagierend gesehen wurde und ein Bewusstsein für die Problematik in der Politik geschaffen (Rønnfeldt 1997: 476).

[...]


[1] Der Begriff Politische Ökonomie nimmt in dieser Arbeit eine zentrale Stellung ein. Für diesen, die Einheit von Ökonomie und Politik bezeichnenden Zweig interdisziplinärer Sozialwissenschaft, liegt, wie Kosta (1995) zurecht eingestand „kein einheitliches Verständnis“ (ebd.: 575) vor. Politische Ökonomie ist eine in das 18. Jahrhundert zurückreichende Bezeichnung für wissenschaftliche Richtungen, die das wirtschaftliche Wachstum und die gesellschaftliche Verteilung der Überschüsse erklären. Sie wurde hauptsächlich von den Theorien der englischen Klassik, der Marx’schen Kapitalismuskritik, der Neoklassik und dem Neomarxismus genährt.

[2] Begriffspaare wie „der Norden“ und der „Süden“ oder Industrie- und Entwicklungsländer bzw. Erste und Dritte Welt beschreiben sicherlich nur unzureichend die Heterogenität in den betroffenen Staatengruppen. Sie sind insofern Konstrukte, werden aber in dieser Arbeit benutzt, um Gemeinsamkeiten der Staaten herauszustellen.

[3] Nützliche Überblicke zur Diskussion im 19. und frühen 20. Jahrhundert als Hintergrund der heutigen Umweltpolitik liefern u.a.: L. K. Caldwell (1990) oder R. C. Paehlke (1989).

[4] Am deutlichsten hier sicherlich: D. Meadows et al. (1972).

[5] Auch der letzte Meilenstein der internationalen Verregelung von Umweltfragen, die Rio+10 Folgekonferenz UNCED in Johannesburg brachte 2002 wenig konkrete Vereinbarungen und zeigt insofern nur allzu gut, dass es keine Fortschritte auf internationaler Ebene gibt.

[6] International sicherlich am deutlichsten von A. Westing (u.a. 1976) durch seine Arbeiten zur Umweltkriegführung der USA in Vietnam vertreten. Für den deutschsprachigen Raum ist die Studie „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“ (1970) einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Carl Friedrich von Weizsäcker zu nennen.

[7] Der Nord-Nord-Wettkampf im Welthandel wird von einigen Autoren als das neue Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts gesehen (vgl. u. a.: Luttwak 1993).

[8] Vertigo ist ein nur schwer sinngemäß zu übersetzender Begriff. Ich verstehe darunter am ehesten ein Gefühl der Verwirrtheit und des Taumelns mit Schwindelgefühlen.

[9] Für eine ausführliche Kritik der Argumentation von Kaplan siehe Dalby (1997)

[10] In die gleiche Richtung argumentierte auch Finger (1991), der davon ausgeht, dass militärische Aktivitäten und das konfliktiv angelegte Sicherheitsparadigma bedeutende Auslöser für Umweltzerstörung sind.

[11] Während Levy (1995) schon im Titel von Wellen der Forschung zur Verbindung von Umwelt und Sicherheit spricht, möchte ich mich der Terminologie von Rønnfeldt (1997) anschließen und von Generationen sprechen. Der Begriff Welle konnotiert eventuell, dass das Ende der ersten bereits den Anfang der zweiten Welle darstellt, wohingegen der Begriff Generation eine chronologische Ordnung vorgibt. Rønnfeldt versteht darunter keine separaten Epochen, sondern vielmehr „parallel tracks“ (ebd.: 480).

Ende der Leseprobe aus 112 Seiten

Details

Titel
Der sicherheitspolitische Diskurs um Umweltgefahren
Untertitel
Internationale Forschungsansätze und ihre Verankerung in politischen Leitbildern Deutschlands
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Geographie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
112
Katalognummer
V77231
ISBN (eBook)
9783638743822
ISBN (Buch)
9783656057956
Dateigröße
924 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diskurs, Umweltgefahren, Internationale, Forschungsansätze, Verankerung, Leitbildern, Deutschlands
Arbeit zitieren
Stefan Ringstorff (Autor:in), 2003, Der sicherheitspolitische Diskurs um Umweltgefahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77231

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