Assessment Center zur Potentialbeurteilung für Aufstiegspositionen


Diplomarbeit, 2007

61 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Potentialbeurteilung vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen
2.1 Veränderte Rahmenbedingungen für Organisationen
2.2 Veränderte Anforderungen an Mitarbeiter durch veränderte Rahmenbedingungen
2.3 Potentialbeurteilung

3. Darstellung der Konzeption des Assessment Centers
3.1 Definition des Begriffes ‚Assessment Center’
3.2 Historie des Assessment Centers
3.2.1 Verwendung im militärischen und geheimdienstlichen Bereich
3.2.2 Einsatz in der US-amerikanischen Wirtschaft
3.2.3 Einsatz des Assessment Centers in der deutschen Privatwirtschaft
3.3 Zielsetzung des Assessment Centers
3.4 Das klassische Assessment Center und seine Bausteine
3.4.1 Allgemeine Merkmale
3.4.2 Die klassischen Bausteine
3.4.2.1 Situative Bausteine
3.4.2.2 Nicht-situative Bausteine
3.5 Kritische Würdigung der Assessment Center Konzeption
3.5.1 Ideologische Kritik
3.5.2 Methodische Kritik

4. Das Assessment Center als Potentialfeststellungsinstrument für Aufstiegspostionen

5. Weiterentwicklung der Assessment Center-Konzeption
5.1 Das Lernpotential-Assessment Center
5.2 Computersimulierte Problemlöseszenarien
5.3 Dynamisierung von Assessment Centern
5.4 Planspielgestützte Assessment Center
5.5 On-the Job-, In-Vivo- und Real-Life-Assessments
5.5.1 Das In-Vivo-Assessment Center
5.5.2 Das Real-Life-Assessment
5.5.3 Das On-the-Job-Assessment
5.6 Tests und Interviews
5.7 Einzel-Assessments
5.8 Kombiniertes Management-Audit mit Einzel-Assessment-Bausteinen
5.9 Die 360-Grad-Analyse
5.10 Internationale Assessment Center
5.11 Internet-Assessment

6. Ein Fallbeispiel aus der Unternehmenspraxis: Potential-Assessment für das obere Management eines weltweit tätigen Pharma-Konzerns
6.1 Das Anforderungsprofil
6.2 Die Potentialeinschätzung
6.3 Das individuelle Entwicklungsprogramm

7. Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die gezielte Beurteilung und die nachfolgende Entwicklung des Potentials der Mitarbeiter zeigt sich vor dem Hintergrund eines veränderten Unternehmensumfeldes einhergehend mit einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage als entscheidende Aufgabe des Personalmanagements, da sich das Humankapital für Organisationen als ein zunehmend strategischer Erfolgsfaktor darstellt. Ein Erklärungsansatz steigender Arbeitslosigkeit und einer wachsenden Anzahl an Firmenzusammenbrüchen in Deutschland zielt auf die mangelnde Effektivität vieler Manager ab. Dementsprechend sind für den langfristigen Erfolg der Unternehmungen und das Leben der berufstätigen Menschen eignungsdiagnostische Verfahren für Organisationen und Menschen von immenser Bedeutung. Eine effiziente Potentialbeurteilung und -entwicklung führt zu einem volkswirtschaftlichen Nutzen, der im Bereich von Milliardenbeträgen angesiedelt ist.

Assessment Center sind mittlerweile fester Bestandteil der Potentialbeurteilung in Deutschland. Sie bieten eine fundiertere und effizientere Basis bei Personalauswahl und -entwicklung als andere Instrumente dies vermögen. „In der Praxis der Personaldiagnostik gilt das Assessment Center nach wie vor als das geeignetste Instrument zur Eignungsfeststellung und Vorhersage des späteren beruflichen Erfolgs.“[1] Der Einsatzschwerpunkt von Assessment Centern hat im Laufe seiner Geschichte einen Wandel vom primären Ziel der Personalauswahl hin zu einem deutlich vermehrten Einsatz der Erfassung des Potentials von Führungskräften und anderen Leistungsträgern erfahren.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird zunächst die Potentialbeurteilung vor dem Hintergrund veränderter organisatorischer Rahmenbedingungen diskutiert, um die Notwendigkeit eines effizienten Einsatzes von Instrumenten zur Potentialanalyse für Aufstiegspositionen darzulegen. Anschließend wird die Konzeption des klassischen Assessment Centers vorgestellt und auf häufig an ihr geübte Kritik eingegangen. Die in der Literatur angebrachte kritische Reflektion des klassischen Assessment Centers wird im folgenden Kapitel aufgegriffen und es erfolgt auf Basis dieser Kritik eine Auseinandersetzung mit Verbesserungsansätzen und Innovationen des

Instrumentes in Bezug auf die Potentialbeurteilungsfähigkeit für Aufstiegsposi-tionen. Zusammenfassung und Ausblick bilden den Abschluss der Diplom-Arbeit.

2. Potentialbeurteilung vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen

Veränderungen in der Wirtschaftswelt ziehen Konsequenzen für Unternehmungen, die in ihr tätig werdenden Wirtschaftssubjekte und dementsprechend auch für die Potentialbeurteilung für Aufstiegspositionen nach sich.

2.1 Veränderte Rahmenbedingungen für Organisationen

Das unternehmerische Umfeld ist durch Globalisierung des Informations- und Warentransfers und den schnellen Wandel von Prozessen und Produkten (Technologisierung) geprägt. Hierdurch kommt es zu einer „...immer schneller wachsenden Dynamik, Komplexität und Intransparenz der Rahmenbedingungen für Unternehmungen.“[2] Es ist nicht mehr möglich sich an statischen Märkten zu orientieren, da die Weltwirtschaft durch Unvorhersehbarkeiten zukünftiger Entwicklungen bestimmt ist. Die heute vorherrschenden Käufermärkte setzen Unternehmungen unter zusätzlichen Konkurrenz- und Innovationsdruck. Zu den heutigen Rahmenbedingungen von Unternehmungen zählt letztlich auch die ungünstige wirtschaftliche Lage.

Trotz steigender Arbeitslosenzahlen sind qualifizierte Arbeitskräfte auf dem externen Arbeitsmarkt rar, deshalb sind Unternehmen stärker darauf angewiesen, ihren Personalbedarf aus den eigenen Reihen zu decken. Unternehmen müssen auf die sich verändernde Umwelt reagieren, die Richtung dieser Veränderungen antizipieren und dementsprechend das Potential ihrer Mitarbeiter beurteilen und entwickeln, um konkurrenzfähig bleiben zu können und Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten aufzubauen. Im nächsten Kapitel wird expliziter auf die Anforderungen an Fach- und Führungskräfte eingegangen.

2.2 Veränderte Anforderungen an Mitarbeiter durch veränderte Rahmen­bedingungen

Die veränderten Rahmenbedingungen der Wirtschaft bringen Veränderungen für den Faktor Arbeit mit sich. Sie ziehen vor allem Anpassungsprozesse seitens derjenigen Mitarbeiter nach sich, die qualifizierte Tätigkeiten ausüben und denen, die im Führungsbereich tätig sind. „Dieser rasche technologische und wirtschaftliche Wandel führt dazu, daß sich Tätigkeitsinhalte und Anforderungen für die Mitarbeiter ändern.“[3]

Dementsprechend müssen Mitarbeiter flexibel, lern- und anpassungsfähig sein. Sie müssen nicht nur für aktuelle Aufgaben befähigt sein, sondern sich ebenso an noch nicht vorhersehbare Veränderungen anpassen können. Des Weiteren werden zukünftig hohe Anforderungen an Internationalität, visionäres sowie unternehmerisches Denken, Kosten- und Leistungsorientierung, Kreativität, Innovation und Kundenorientierung gestellt. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage und des oben beschriebenen internationalen Wettbewerbsdrucks steigt die Notwendigkeit der Leistung: „Diese muß dringend erhöht werden, damit die Wettbewerbs- und Beschäftigungssituation in Deutschland nicht in noch bedrohlichere Regionen abgleitet.“[4] Steigende Arbeitslosenzahlen und Firmenzusammenbrüche lassen sich unter anderem auf eine mangelnde Effektivität der Manager zurückführen. Es müssen Manager identifiziert werden, „...die mit auch widrigen Rahmenbedingungen flexibel umgehen können, um profitable und der Beschäftigung dienende Wege zu finden.“[5]

Die in 2.1 und 2.2 aufgeführten unterschiedlichen Größen haben dazu beigetragen, dass die Personalentwicklung zu einer zentralen und entscheidenden Aufgabe einer zeitgemäßen Personalarbeit geworden ist.[6] Es gilt, die oben charakterisierten Leistungsträger in Unternehmen anhand geeigneter Instrumentarien zu identifizieren. Eine Anpassung der Verfahren in Richtung einer Potentialbeurteilung für Aufstiegspositionen ist aufgrund des beschriebenen Unternehmensumfeldes von entscheidender Bedeutung.

„Die Verbesserung der Führungsfähigkeit des Managements ist nämlich deshalb so dringlich, weil sich heutzutage praktisch alle Unternehmen immer stärker zu sog. Poeple’s Business entwickeln, d.h. daß die zu führenden Mitarbeiter zu einem ständig wachsenden Erfolgsfaktor avancieren.“[7]

Um die für Aufstiegspositionen in Frage kommenden Leistungsträger wirksam zu ermitteln, muss eine Beurteilung vorgenommen werden, die nicht nur die aktuelle Leistungsfähigkeit misst, sondern eine, die ebenso das Potential einbezieht. In den folgenden Ausführungen wird expliziter auf die Potentialbeurteilung als entscheidendes Kriterium für die Identifikation von Leistungsträgern eingegangen.

2.3 Potentialbeurteilung

An den bisherigen Anforderungsmerkmalen zukünftiger Fach- und Führungskräfte wie Integrität, Kooperationsbereitschaft oder der Fähigkeit zu analytischem Denken wird kritisiert, dass diese eine mangelnde Zukunftsbezogenheit aufwiesen. Veränderte Aufgabenstellungen und eine ungewisse Zukunft bedingen veränderte Anforderungen an die Leistungsträger. Angesichts einer schlechten wirtschaftlichen Lage und veränderter Rahmenbedingungen für Unternehmen werden Anforderungsmerkmale an Manager diskutiert. Um zukünftige Leistungsträger in einem Umfeld immer schneller wachsender Dynamik, Komplexität und Intransparenz beurteilen zu können, muss die Analyse ihres Potentials im Vordergrund stehen. Bisherige Eignungsmerkmale werden zwar auch in Zukunft bedeutsam sein, aber TRAUERNICHT und andere sehen die Beurteilung des Potentials als die entscheidende Messgröße eignungsdiagnostischer Verfahren vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen an.[8]

In der Literatur wird unterschiedlich definiert, was unter dem Begriff des Potentials zu verstehen ist. So versteht TRAUERNICHT unter dem Potentialbegriff „...die Veränderbarkeit einer Person hinsichtlich ihrer Qualifikation in Relation zu derzeitigen und zukünftigen Anforderungen... .“[9] SARGES spricht in diesem Zusammenhang von Lernpotential als Fähigkeit und Willigkeit zu lernen. Das Lernpotential manifestiert sich „... in dem Willen und dem Vermögen, sich schneller an neue Anforderungssituationen anzupassen und diese zielführend zu gestalten.[10] Die Fähigkeit und der Wille zu lernen, bilden zukünftig eine immer entscheidendere Basis für Erfolg, denn eine sich immer schneller ändernde Welt erfordert Geschwindigkeit in der Anpassung. Hierfür braucht der erfolgreiche Manager das Potential, aus beruflichen Erfahrungen zu lernen und zu wachsen. Hierbei umfasst das Lernpotential die klassischen Kompetenzen – kognitive, motivational-emotionale und sozial-interaktive Kompetenzen – als Eignungsvoraussetzung für zukünftige Fach- und Führungskräfte. Unter kognitiver Kompetenz ist eine überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeit zu verstehen, welche sich etwa in Wissensbreite, logisch-analytischem Denken oder Planungsfähigkeit manifestiert. Motivational-emotionale Merkmale sind beispielsweise ein starker Antrieb zu Leistung und Erfolg, Mut zum Risiko, emotionale Stabilität und Belastbarkeit. Sozial-interaktive Kompetenz schließlich betrifft die Fähigkeit, mit verschiedenen Menschen und Situationen zurecht zu kommen und meint Kompetenzen wie Kooperation und Teamfähigkeit.

„Wer in diesen drei Bereichen am effektivsten lernt, entwickelt sich am besten.“[11] Motivation und Fähigkeit zu lernen manifestiert sich in der Initiative, Lernmöglichkeiten zu suchen, in diesen nützliche Informationen und Feedback zu erhalten und in der Aufnahme des Feedbacks, um zukünftiges Verhalten zu optimieren.

Wissenschaftsgestützte Messverfahren dienen dazu, diejenigen Leistungsträger herauszufiltern, die ein solches Potential besitzen. Auch SCHULER sieht den Zweck der Potentialdiagnose nicht in der Prüfung einfach beobachtbarer Fertigkeiten oder Kenntnisse,

„...sondern sie soll uns in Stand setzen, das in einem Menschen noch Schlummernde, sich zukünftig erst Entfaltende... zu erkennen. Man möchte, wie man umgangssprachlich sagt, über jemanden wissen, ‘was noch in ihm steckt’, ‘was noch von ihm zu erwarten ist’ .“[12]

Im Vordergrund der Potentialermittlung stehen also zukünftige Verhaltensweisen. Demnach muss die Potentialbeurteilung nicht nur aktuelle Fähigkeit messen können, sondern auch Anpassungs- und Lernfähigkeit an sich verändernde situative Gegebenheiten sowie die Motivation hierzu. Anhand der in Abbildung 1 des Anhangs aufgeführten Dimensionen lässt sich Management-Potential frühzeitig diagnostizieren.

In den vorangehenden Kapiteln wurde auf die wachsende Bedeutung der Potentialbeurteilung eingegangen. Entwickelt werden diejenigen Kandidaten, die das Potential besitzen, auf den heute vorherrschenden dynamischen Märkten zu agieren und sich flexibel an neue Bedingungen anpassen zu können. Im folgenden Kapitel wird das Assessment Center als ein Instrument der Potentialbeurteilung vorgestellt.

3. Darstellung der Konzeption des Assessment Centers

In diesem Kapitel wird das Assessment Center in seinen Grundzügen dargestellt, das heißt es wird eine Definition vorgenommen, auf seine geschichtliche Entwicklung und Zielsetzung eingegangen, das klassische Assessment Center und häufig verwendete Übungen vorgestellt. Das Kapitel schließt mit einer kritischen Würdigung des klassischen Assessment Centers.

3.1 Definition des Begriffes ‚Assessment Center’

Die wörtliche Übersetzung des Begriffs Assessment Center bedeutet „Ein-schätzungs-, Bewertungs- und Beurteilungszentrum“. Es dient entweder der Auswahl von Mitarbeitern oder der Potentialbeurteilung von Teilnehmern und/oder deren Förderung. Hierzu werden unterschiedliche Instrumente wie Interviews, Tests, Gruppendiskussionen und Rollenspiele herangezogen. SCHULER definiert die Methodik des Assessment Centers folgendermaßen:

„Assessment Center ist der Name einer multiplen Verfahrenstechnik, zu der mehrere

eignungsdiagnostische Instrumente oder leistungsrelevante Aufgaben zusammengestellt werden. Ihr Einsatzbereich ist die Einschätzung aktueller Kompetenzen oder Prognose künftiger beruflicher Entwicklung und Bewährung, sie wird deshalb sowohl zur Auswahl künftiger Mitarbeiter wie auch als organisatorisches Beurteilungs- und Förderinstrument eingesetzt.“[13]

3.2 Historie des Assessment Centers

Die geschichtliche Entwicklung des Assessment Centers lässt sich in drei wesentliche Abschnitte gliedern.

Zunächst wurde das Verfahren beim Militär und im Geheimdienst eingeführt. Später fand das Assessment Center in der amerikanischen Industrie Anwendung und schließlich wurde es auch in anderen Ländern im privatwirtschaftlichen und öffentlichen Bereich eingesetzt. Heute wird es in weiterentwickelter Form zur Auswahl und Entwicklung von Führungskräften sowie von Verkäufern und Trainees verwendet.

3.2.1 Verwendung im militärischen und geheimdienstlichen Bereich

Ein dem Assessment Center ähnliches Verfahren geht auf den Engländer SAMUEL PEPYS zurück. Er entwickelte im 17. Jahrhundert ein Verfahren zur Auswahl von Offiziersanwärtern bei der Marine. Im ersten Weltkrieg nahm dann die deutsche Reichswehr mittels psychologischer Testverfahren ihre Personalauswahl an Kraftfahrern, Piloten und Funkern vor. Das Teilnehmen an einem Auswahlverfahren, das als Vorläufer des heutigen Assessment Center gesehen werden kann, wurde in der Weimarer Republik für alle Offiziersanwärter der Reichswehr zwingend. „Eng verbunden mit der Entwicklung des AC-Gedankens ist der Name Rieffert. Professor Rieffert war von 1920-1931 für die ‘Heerespsychotechnik’ zuständig.“[14] Er betonte die Notwendigkeit, den Menschen als Ganzes zu sehen. Die Fähigkeiten sollten demnach nicht mehr isoliert gemessen und bewertet werden, sondern die Gesamtveranlagung wurde als Schlüssel für zukünftige Verhaltensweisen gesehen und dementsprechend das Testverfahren aufgebaut.

„Die Idee des Assessmentcenters war geboren: ein aufgaben- und handlungsbezogenes Gruppenverfahren mit mehreren Beobachtern.“[15]

Die von RIEFFERT entwickelten Übungen – wie zum Beispiel die Gruppendiskussion – sind zum Teil noch heute Elemente des Assessment Centers.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Testverfahren zur Auswahl von Offizieren dann nicht mehr eingesetzt, da es den ideologischen Vorstellungen des Nationalsozialismus widersprach, unabhängig von Rasse, Herkunft und politischer Einstellung zu beurteilen. Erst ab 1957 fand das Assessment Center in Deutschland wieder als Auswahlinstrument Verwendung. Das Verfahren wurde ebenso in Ländern des Commonwealth zur Offiziersauswahl eingesetzt.

In den Vereinigten Staaten fand es seit 1942 im Geheimdienst Verwendung. Der Psychologe HENRY H. MURRAY war führend an der Konzeptentwicklung beteiligt und prägte den Begriff des Assessment Centers. Ab 1943 wurde die Methode des ACs von der amerikanischen Armee übernommen.

3.2.2 Einsatz in der US-amerikanischen Wirtschaft

Das Assessment Center wurde von der American Telephone & Telegraph Company 1956 zunächst zu Testzwecken als Langzeitstudie eingeführt und aufgrund positiver Erfahrungen im Jahr 1958 erstmals unabhängig von Studienzwecken eingesetzt.

„Der Weg vom militärischen in den wirtschaftlichen Bereich führte richtungsweisend über die Langzeitstudie der Firma AT&T in den Jahren 1956 bis 1966, in der 422 Nachwuchskräfte auf 25 als für den Berufserfolg wesentlich erachtete Eigenschaften überprüft wurden. Die Ergebnisse dieser Studie zur Vorhersagegüte des Verfahrens entsprechen in hohem Maße heutigen Erkenntnissen.“[16]

Die bei AT&T angewendeten Übungen sind noch heute Teil des Standardrepertoires der AC. In den 70er Jahren erfuhr das Assessment Center in den USA eine starke Verbreitung, wodurch in Europa das Interesse an diesem Instrument geweckt wurde.

3.2.3 Einsatz des Assessment Centers in der deutschen Privatwirtschaft

Erste Anwendungen des Assessment Centers fanden in Deutschland 1969 bei IBM statt. Das von Amerika übernommene Konzept musste jedoch zunächst an deutsche Verhältnisse angepasst werden, damit es erfolgreich angewendet werden konnte.

Seit den 80er Jahren ist die Tendenz deutscher Unternehmen, welche Assessments durchführen, stark ansteigend. Eine große Verbreitung der AC ist mittlerweile auch weltweit zu verzeichnen.

3.3 Zielsetzung des Assessment Centers

In der Literatur wird eine Vielzahl möglicher Zielsetzungen des Assessment Centers genannt. Seine wichtigsten Einsatzzwecke sind im Anhang in Abbildung 2 nachzulesen .

Das Instrument Assessment Center dient primär der Personalbeschaffung und -entwicklung, welche zu den wichtigen Grundaufgaben jeder Unternehmung zählen. Es hat als eignungsdiagnostisches Instrument das Ziel, eine Passung zwischen den Kenntnissen und Fertigkeiten von Bewerbern und den Anforderungen des Arbeitsplatzes vorzunehmen. Es kann Kriterien des Berufserfolgs vergleichsweise gut vorhersagen. Prognosefähigkeit und Akzeptanz der AC-Verfahren sind gegeben und dementsprechend werden sie zunehmend von Unternehmen genutzt.[17] Das Assessment Center hat im Verlauf seiner Entwicklung eine große Ausweitung seiner Zielsetzungen und Einsatzbereiche erfahren. Zunächst diente es schwerpunktmäßig der Auswahl externer Bewerber. Zunehmend wird das AC als Entwicklungsinstrument für interne Mitarbeiter eingesetzt. Der Einsatzschwerpunkt von Assessment Centern hat einen Wandel von der Personalauswahl hin zu einem deutlich vermehrten Einsatz der Erfassung des Potentials von Führungskräften und anderen Leistungsträgern erfahren. Hierbei soll dieses Instrument weniger die fachliche Kompetenz, welche durch Zeugnisse und den beruflichen Werdegang belegt werden kann, sondern vielmehr „sogenannte ‘Faktoren der Verhaltenskompetenz’ von Führungspersönlichkeiten erfassen.“[18]

Eine Hauptfunktion des Assessment Centers ist demnach die Potentialanalyse. Es sollen solche Mitarbeiter identifiziert werden, die das Potential besitzen, weiterführende Aufgaben zu übernehmen. Hierbei wird auf Mitarbeiter aus den eigenen Reihen eher zurückgegriffen, da die Suche extern teurer und risikoreicher ist. Zudem sind – wie weiter oben bereits erwähnt – qualifizierte Arbeitskräfte auf dem externen Arbeitsmarkt rar. Zusätzlich können durch das AC Schwächen aufgezeigt werden, die vor Besetzung der Position noch behoben werden müssen. „Diese Entwicklung wird insbesondere auch durch den enger werdenden Arbeitsmarkt für Fach- und Führungspositionen gefördert.“[19]

3.4 Das klassische Assessment Center und seine Bausteine

3.4.1 Allgemeine Merkmale

Die wesentlichsten Merkmale dieser Methode werden nachstehend beschrieben:

Assessment Center sind Gruppenprüfverfahren, in denen zumeist 8-12 Kandidaten von circa 4-6 geschulten Beobachtern höherer Hierarchiestufen in unterschiedlichen Beurteilungssituationen über ein bis drei Tage hinsichtlich festgelegter Kriterien beurteilt werden. Das Verfahren kann auch als Einzel-Assessment durchgeführt werden.

Zunächst erfolgt idealerweise eine Analyse des relevanten Verhaltens in der Funktion als Grundlage der Beurteilung. Das Verhalten der Teilnehmer wird anhand dieser Kriterien während der Tests und Übungen beobachtet. Praktischen Übungen sollten auf die zukünftige Funktion abgestimmt sein und somit einen Teil der Funktion simulieren. Die Beurteilungen finden durch mehrere Beobachter statt, welche bestmöglich einige Stufen höher in der Organisation stehen. Sie verwenden bei der Beobachtung ein systematisches Beurteilungssystem. Hierzu zeigt Abbildung 3 im Anhang ein Beispiel. Das Schlussurteil kommt durch eine Kombination der verschiedenen Einzelbeurteilungen zustande. Abschließend erfolgt mit den Teilnehmern ein Feedback-Gespräch.

3.4.2 Die klassischen Bausteine

Es lassen sich situative von nicht-situativen Bausteinen unterscheiden. Zum Standardrepertoire von Assessment Centern zählen beispielsweise Postkorb- und Rollensimulationen, Fallstudien, Diskussionen, Vorträge und Präsentationen (situative Bausteine). Interviews, Leistungs-, Intelligenz- und Persönlichkeitstest sind klassische nicht-situative Bausteine von Assessments. Diese Bausteine werden je nach Zielsetzung und -gruppe sowie dem Anforderungsprofil eingesetzt beziehungsweise kombiniert. So würde sich beispielsweise für eine Manager-Position im Verkaufsbereich das Verkaufs-Rollenspiel als geeignet erweisen, wohingegen für den HR-Manager der Beurteilungsbaustein des simulierten Mitarbeitergespräches in Frage käme.

Im Sinne der Methodenvielfalt sollten möglichst mehrere unterschiedliche Bausteine kombiniert werden. Die „...größtmögliche Prognosesicherheit bezüglich des beruflichen Erfolges (wird) nur durch einen »Methodenmix« erreicht werden können, in dem verschiedene Verfahren miteinander kombiniert werden.“[20] Hierbei gilt: Je größer die Vielfalt der angewendeten Methoden als Kombination von situativen und nicht-situativen Verfahren ist, desto höher ist die Vorhersagegüte des ACs. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über häufig verwendete klassische Bausteine des ACs gegeben.

3.4.2.1 Situative Bausteine

Die Postkorbsimulation

Der Postkorb enthält unterschiedliche Schriftstücke wie zum Beispiel Kundenbeschwerden, Urlaubsanträge, Angebote, Informationen über Personalengpässe und Einladungen zu Sitzungsterminen. Der Kandidat muss diese Schriftstücke innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens bearbeiten und seine Entscheidungen mit Hilfe eines Terminkalenders und eines Organigramms dokumentieren. Die Ergebnisse werden in schriftlicher oder in Form eines Vortrags vorgestellt. Die verbale Präsentation bietet den Vorteil, dass Beobachter Rückfragen stellen können. Abschließend werden das Vorgehen bei der Bearbeitung und aufgetretene Schwierigkeiten hinterfragt.

„Der Baustein Postkorbsimulation kann zur Überprüfung der Anforderungsdimensionen, Entscheidungsverhalten, Prioritätensetzung, Zeitmanagement, Delegationsverhalten und vernetztes Denken dienen.“[21]

Die Diskussion

Die Teilnehmer erhalten nach einer gewissen Vorbereitungszeit die Aufgabe, über ein bestimmtes Thema in der Gruppe zu diskutieren. Hierbei kann eine Rollenverteilung vorgenommen werden oder ein Teilnehmer kann die Aufgabe erhalten, die Diskussion zu leiten. Diese Übung dient der Überprüfung des Verhaltens in Teamsituationen, das heißt es wird beurteilt, wie ausgeprägt Durchsetzungs- und Einfühlungsvermögen, Integrations- und Kompromissfähigkeit beim Kandidaten sind. Außerdem kann die kommunikative Kompetenz, welche sich in Argumentationsverhalten und Ausdrucksfähigkeit ausdrückt, beobachtet werden.

Die Rollensimulation

Rollensimulationen sind Gesprächssituationen in Dialogform. Meistens übernimmt einer der Beobachter die zweite Rolle. Der Kandidat erhält Instruktionen bezüglich seiner Position und der Situation. Nach einer Vorbereitungszeit simulieren Kandidat und Beobachter beispielsweise ein Verkaufs-, Konflikt- oder Beurteilungsgespräch.

Beobachtet werden das Rollenverhalten, also Kundenorientierung und Führungsverhalten, ebenso wie die soziale und kommunikative Kompetenz.

[...]


[1] Dorner (Assessmentcenter, 2001), S.1.

[2] Trauernicht (Potentialbeurteilung, 2001), S.24.

[3] Nicolai (Assessment Center, 1990), S. 1.

[4] Sarges (Diagnose, 2000), S. 110.

[5] Sarges (Diagnose, 2000), S. 110.

[6] Vgl. Nicolai (Assessment Center, 1990), S. 4

[7] Sarges (Weiterentwicklung, 2001), S. VII.

[8] Vgl. Trauernicht (Potentialbeurteilung, 2001), S. 31.

[9] Trauernicht (Potentialbeurteilung, 2001), S. 27.

[10] Sarges (Weiterentwicklung, 2001), S. XII.

[11] Sarges (Diagnose, 2000), S. 117.

[12] Schuler, Heinz (Das Rätsel der Merkmals-Methoden-Effekte, 2000), S. 54.

[13] Schuler/Stehle (Assessment Center, 1992), S. 2.

[14] Obermann (Assessment Center, 1992), S. 25.

[15] Dorner (Assessmentcenter, 2001), S.2.

[16] Dorner (Assessmentcenter, 2001), S. 3.

[17] Vgl. Kleinmann/Strauß (Konstrukt- und Kriteriumsvalidität, 2001), S.2.

[18] Vgl. Kleinmann/Strauß (Konstrukt- und Kriteriumsvalidität, 2001), S.2.

[19] Obermann (Assessment Center, 1992), S. 19.

[20] Paschen/Hossiep (Psychologische Fragebogen, 1999), S. 134.

[21] Lehment (Neuere Assement-Center Bausteine, 1999), S. 112.

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Assessment Center zur Potentialbeurteilung für Aufstiegspositionen
Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Düsseldorf
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
61
Katalognummer
V77106
ISBN (eBook)
9783638741088
ISBN (Buch)
9783640857586
Dateigröße
5932 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Assessment, Center, Potentialbeurteilung, Aufstiegspositionen
Arbeit zitieren
Anna Maria Keisers (Autor:in), 2007, Assessment Center zur Potentialbeurteilung für Aufstiegspositionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77106

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