Erwin Guido Kolbenheyer: Paracelsustrilogie (1917 – 1925) – Ein Exemplar nationalsozialistischer Literatur?


Seminararbeit, 2006

29 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Traditionslinien nationalsozialistischer Literatur
2.1. Merkmale völkischer Geschichts- und Heimatromane
2.2. Merkmale national-konservativer Geschichtsromane

3. Nationalsozialistische Literatur
3.1. Merkmale genuin nationalsozialistischer historischer Romane

4. Kolbenheyers Paracelsustrilogie (1917 – 1925)
4.1. Prüfung anhand des erarbeiteten Merkmalsrasters
(1) Der Umgang mit dem Individualismus
(2) Der Volksbegriff
(3) Der Umgang mit dem Katholizismus
(4) Der Umgang mit dem Irrationalismus
(5) Der Umgang mit dem Rassismus
(6) Der Umgang mit dem Heroismus
(7) Der Umgang mit dem Führertum
(8) Das Geschichtsbild
(9) Die Funktion
(f) Die formalen Merkmale
4.2. Synthese und Wertung

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis
6.1. Primärtexte
6.2. Sekundärliteratur:

1. Einleitung

Zur Erklärung des Begriffs ‚Nationalsozialistische Literatur’ schreibt das Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft: eine „Bestimmung folgt ideologischen und literaturpolitischen Kriterien; eine ausschließlich ästhetischen Gesichtspunkten folgende Bestimmung wäre schwierig, wenn nicht unmöglich. Aufgrund ihrer Kriterien erfasst die Bestimmung nicht nur diejenigen ideologiekonformen Werke als nationalsozialistische Literatur, die während des ‚Dritten Reichs’ produziert wurden, sondern auch zahlreiche Werke, die während der Weimarer Republik erschienen. Sogar manche vor 1918 veröffentlichten Werke, die ideologische Positionen des Nationalsozialismus vorwegnahmen und nach 1933 der ‚volkhaften Dichtung der Zeit’ subsumiert wurden, sind einzubeziehen, am besten unter der Bezeichnung völkisch-nationale Literatur[1].

Es ist also davon auszugehen, dass die Literatur nicht erst mit Machtübernahme des Nationalsozialismus 1933 seine Ideologeme integrierte, sondern dass die Ideologeme eine eigene, weit bis ins wilhelminische Kaiserreich reichende literarische Tradition hatten. So sollte Literatur nicht nur instrumental als Plattform gesehen werden, in der nationalsozialistische Ideologeme propagiert werden konnten, sondern vielmehr generativ als Medium, in dem sich diese konstituierten[2].

Der historische Roman als Medium gegenwärtiger Geschichts- und Weltanschauung erlebte nicht zufällig im Zeitraum der Weimarer Republik in allen vorhandenen gesellschaftlichen Schichten und politischen Strömungen eine „auffallende Blütezeit“[3]. Die Ursache hierfür ist in der historischen Situation zu sehen: Der verlorene Weltkrieg, die Novemberrevolution, die Inflation, die tief greifenden sozioökonomischen Veränderungen u.v.m. führten zum „philosophischen Ganzheitsverlust […] und […] (zur) Zersplitterung aller Wertvorstellungen“[4]. Darauf reagierte die „antirepublikanische Literatur“ der Weimarer Republik in ihren literarischen Welten mit der „Konstruktion ästhetischer Gegenbereiche mit historisch regressiven Tendenzen“ und der Suche nach „dem Absoluten jenseits von allem Bedingten (etwa Rasse, Geschlecht, Stand, Volk, Reich o.ä.)“[5].

Das literarische Schaffen Erwin Guido Kolbenheyers fällt in eben dieses „Zeitalter des historischen Romans“ und steht im Spannungsfeld zwischen den Traditionslinien völkischer Heimatkunst, national-konservativen Schrifttums und nationalsozialistischer Ideologie. Die Paracelsus-Trilogie, sein Hauptwerk, das zwischen 1917 und 1925 erschien, dient der vorliegenden Arbeit als Gegenstand zur Prüfung auf genuin nationalsozialistische Merkmale. Dazu werden im ersten Teil der Arbeit die Traditionslinien, die sich aus Strömungen konservativ-preußischer Literatur und völkischer Heimatkunst speisen, referiert und spezifische Wesenzüge herausgefiltert werden, die dann als Instrumentarium zur Klassifizierung dienen sollen. Wichtig sind hierbei die von den historischen Prozessen der Zeit beeinflussten Weltanschauungen und Protesthaltungen, um die Entstehung und Entwicklung des Nationalsozialismus und seiner signifikanten Elemente in der Literatur erkennen und darlegen zu können. So wird herausgearbeitet werden, welche Merkmale aus völkisch-nationaler Tradition übernommen und integriert wurden, welche nicht und welche neuen, eigenen Merkmale sich entwickelten und wie nun genuin nationalsozialistische Literatur funktioniert. Dieses Merkmalsraster[6] wird im zweiten Teil auf die historische Romantrilogie ‚Paracelsus’ gelegt und überprüft, ob und zu welchem Teil sich im ‚Paracelsus’ schon ca. zwei Jahrzehnte vor der Machtergreifung nationalsozialistische Ideologeme konstituierten und somit der Nationalsozialismus ideologisch vorbereitet wurde. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses wird der als eigenständiges System angesehene Text stehen. Der Fokus der Analyse liegt – aus den im einleitenden Zitat ersichtlichen Gründen – auf ideologischen und literaturpolitischen Gesichtspunkten, trotzdem soll aber versucht werden, formal-ästhetische Charakteristika rudimentär zu berücksichtigen. In einer abschließenden Synthese werden Übereinstimmungen und Unterschiede abgewogen und es wird eine wertende Aussage gewagt. Urteile der NS-Literaturwissenschaft und Standpunkte der modernen Forschung werden dabei ergänzend mit einbezogen.

Umfassende Hilfestellung bei der Klärung der Traditionslinien und der Erstellung des Merkmalsrasters bzw. der Klassifizierungswerkzeuge leistet vor allem Frank Westenfelders Dissertation[7], die für die vorliegende Arbeit den Stellenwert eines Leitwerks einnimmt. Weitere wichtige Anregungen und Ergänzungen dazu bieten Charbon, Dahlke, Fick, Geißler, Greiffenhagen, Hanimann, Ketelsen, Vallery, Vondung, Werbick und Zimmermann[8]. Zum nationalsozialistischen Geschichtsbild sind Hitlers ‚Mein Kampf’ und Rosenbergs ‚Der Mythus des 20. Jahrhunderts’ aufschlussreiche Quellentexte. Westenfelder, Hey’l, Schallwig und Schmidt sind für die Prüfung des Textes anhand des erarbeiteten Rasters hilfreich.

2. Traditionslinien nationalsozialistischer Literatur

In einigen Publikationen[9] zur Erforschung nationalsozialistischer Literatur wird ihre Genese mit der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg, der historischen Situation nach 1918 und den Wirren der neuen Weimarer Republik erklärt. Richtig ist, dass in diesem Zeitraum eine Flut von radikalen historischen Romanen zu verzeichnen ist, die hinsichtlich der Ideologeme Konformitäten mit der später entstehenden nationalsozialistischen Weltanschauung aufweist. Ergänzt werden muss aber, dass diese historischen Romane bereits eine längere Tradition im wilhelminischen Kaiserreich haben und nicht erst in der Situation von 1918 entstehen, in der sie sich zweifellos radikalisieren. Die Ursache für das Interesse an der literarischen Verarbeitung geschichtlicher Stoffe und das gleichzeitige Entstehen der ideologisch aufgeladenen Romantradition bzw. rechtsradikaler Literatur[10] ist in den sozio-ökonomischen Veränderungen des 19. Jahrhunderts zu sehen[11]. Modernitätserscheinungen wie etwa der Liberalismus, die Demokratie, der Sozialismus, aber vor allem die Industrialisierung, die Urbanisierung, die Säkularisation, und der europäische Rationalismus[12] des ausgehenden 19.Jahrhunderts lösen zunehmend die alten Wertvorstellungen und die religiöse Orientierung auf und führen in den „Verliererschichten“[13] zu Kulturpessimismus und Protesthaltung. Hinzu treten restaurativ motivierte, konservative Modernitätsgegner, die befürchten ihren politischen und ökonomischen Status an moderne Tendenzen (z.B. parlamentarische Demokratie, Wirtschaftsliberalismus, Sozialismus) zu verlieren. In der Literatur zeichnet sich dieser Kulturpessimismus zunächst in den literarischen Gegenströmungen zum Naturalismus – völkische Heimatkunst, Neuromantik und Neuklassik – ab. Zu diesen extrem heterogenen völkisch-nationalen Traditionslinien des Nationalsozialismus schreibt Vondung zusammenfassend: „Innerhalb des [völkisch-nationalen] Gesamtkomplexes vertraten die einzelnen Gruppen und Gruppierungen unterschiedliche politische Richtungen und entwickelten verschiedenartige, oft divergierende Vorstellungen, sie bildeten jedoch insgesamt das ideologische Reservoir, aus dem der Nationalsozialismus den größten Teil seiner Weltanschauung schöpfte“[14].

Die zentralen Ideologeme bzw. die signifikanten Elemente der beiden Hauptströmungen sollen im Folgenden kurz abgehandelt werden.

2.1. Merkmale völkischer Geschichts- und Heimatromane

Die Negativwirkungen der Moderne auf Mittelstand und Agrarsektor sind Grund für die Genese der reaktiven Heimatkunst des ausgehenden 19.Jahrhunderts, die als „erste große literarische Sammelbewegung von rechts“ gilt[15]. Kennzeichnend für die völkische Literatur ist nicht nur ihre Protesthaltung zur Moderne und v.a. zur Großstadt. Denn im Gegensatz zur Neuromantik, die nur eine literarische Flucht vor der Moderne als Lösungsstrategie anbietet[16], wirbt sie v.a. in ihren Romanen für ein alternatives Modell, das es anzustreben und real zu verwirklichen gilt: Das reaktive Mittelstandsmodell des BdL (Bund der Landwirte)[17]. Hier wird das Ideal des gesunden Landlebens des vitalen Bauern in einem vormodernen Ständestaat dem vorherrschenden Übel des ‚zivilisierten’ Stadtlebens im modernen europäischen Staat gegenübergestellt. Typische inhaltliche Elemente dieser Romane sind[18]: (1) Der völkische Antiindividualismus. Hier wird das Individuum grundsätzlich dem Kollektiv bzw. der bäuerlichen Volksgemeinschaft[19] untergeordnet. So treten Figuren immer nur als antiindividuelle Typen bzw. typische Vertreter dieser Gemeinschaft (urwüchsige Bauern) auf. (2) Der religiöse Volksbegriff. Um die Wirkung des Antiindividualismus zu verfestigen wird der Volksbegriff religiös überhöht, nicht selten mit pantheistischem Weltverständnis und germanisch-heidnischen Mythen verknüpft. (3) Der germanische Antikatholizismus. Der Katholizismus wird als „artfremd“ erklärt. Elementar dafür ist der Gegensatz zwischen urwüchsig, bäuerlich, germanisch und zivilisiert, südländisch, katholisch. (4) Irrationalismus als politische Kampfposition. Analog zum Antikatholizismus und im Verständnis der programmatisch-zentralen Kontraposition zur Moderne wird der deutsche Irrationalismus propagiert. Der Gegensatz zwischen irrational-mythischer, idealistischer, deutscher Seelentiefe und rational-naturwissenschaftlicher, südlich-materialistischer Zivilisation wird historisch verbürgt[20] und zeigt sich am plakativsten am Gegensatz zwischen Bauerntum und Großstadt. (5) Biologistischer Rassismus. Rassistische Ansätze entstehen schon aus der dem Völkischen wesensimmanenten „Aggression gegen Fremdes“[21] und werden durch das überhöhte eigene Volksbewusstsein und die biologistischen Ansätze des BdL[22] verhärtet. Rassengedanken spielen aber auch als Integrationsideologie zur Hebung des Selbstbewusstseins des Mittelstandes eine Rolle[23]. Die rassistische Diskriminierung betrifft neben südländischen Völkern hauptsächlich Slawen und Polen, deren „Germanisierung“ dadurch vor dem beliebten historischen Hintergrund der Ostkolonisation legitimiert werden soll[24]. Zur Zeit des Imperialismus bis hin zum Ersten Weltkrieg radikalisiert sich die völkische Ideologie in der ‚Heimatkunstbewegung’[25] durch die Verschmelzung mit Teilen der aggressiv-konservativen Haltung: Der Krieg, der Sozialdarwinismus konservativer Historiker und der politische Imperialismus führen zur weiteren Konsolidierung des Rassendenkens und zur Aggressivitätssteigerung[26]. Der Begriff der ‚Blut-und-Boden-Literatur’[27] steht für diese ideologische Entwicklung, die Heimat (Boden) als territorialen Lebensraum versteht, den es aufgrund von rassischer Überlegenheit (Blut) auszudehnen gilt[28]. Die militärischen Gegner des Reichs werden vertiert oder als minderwertig bezeichnet: Nun steht sich ‚deutsch-blond’ und z.B. ‚dunkel-welsch’ in „naturgegebener“ Feindschaft gegenüber[29]. Nach 1918 und während der „Weimarer Dauerkrise“ wird der „Kulturverfall“ aus völkischer Sicht biologistisch „mit einem Niedergang der biologischen Substanz – dem Blut –“ des Volkes erklärt[30]. Das Rassistische und Aggressiv-Sozialdarwinistische gilt spätestens jetzt als Hauptmerkmal dieser literarischen Strömung. (6) Der bäuerliche Heroismus. Noch häufiger als das Thema der Ostkolonisation tauchen die Bauernkriege auf. In allen Fällen aber kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Bauern und einer Gegnerschaft, die ihre natürliche Ordnung stört oder gar umstürzen will. Dies provoziert den bäuerlichen Heroismus, der aus den gemütvollen Bauern brutale unbeugsame Heroen macht[31]. (7) Die antifeudale/antibürgerliche Perspektive. Die Führerfiguren und/oder Protagonisten stammen alle aus dem einfachen Volk (dem Bauernstand) und kämpfen um die Erhaltung bzw. für die Utopie eines patriarchalischen, föderalistischen Ständestaats. Dies ist der wesentliche Unterschied zu den konservativen „Herrschergeschichten“, in denen der Adel oder mindestens das gehobene Bürgertum diese Rolle innehat. Obwohl Obrigkeit und Ordnung als grundlegend anerkannt werden, kann diese antifeudalistische Perspektivisierung sogar in Adelsfeindschaft umschlagen. (8) Das völkische Geschichtsverständnis. Es ist organisch und fortschrittsfeindlich bzw. zyklisch. In ihm wird eine „irreale, ahistorische, sozial und ökonomisch statische Welt gesunder, unverdorbener Natürlichkeit“[32] kreiert, die als Alternative für das gegenwärtige Übel des Fortschritts und der rationalen Modernität steht. Diese vormoderne, natürliche Welt soll das artgerechte, organische Wachsen des Volkskörpers in der Vergangenheit garantiert haben – wobei der Vorgang des Volkswachstums selbst als Geschichte interpretiert wird[33]. (9) Die aktivistische Funktion der Bauernromantik für die Gegenwart. Indem Geschichte in den Bereich des Mythos entrückt wird und nicht beschreiben werden soll „wie es war“, sondern viel mehr „wie es gewesen sein sollte“, bietet sie eine wegweisende Funktion für die Gegenwart und die Zukunft[34]. (f) Formal kennzeichnend für die völkische Heimatkunst ist die „bewusste Verwendung konventioneller Erzählformen realistischer Prägung“[35]. Wobei sie sich nicht selten von der klassisch-bürgerlichen Romanform entfernt und „parallel zu völkischer Wertsetzung und Realitätsverzicht“ die Züge der nordischen Saga annimmt, so dass Westenfelder oft nicht mehr von historischen Romanen spricht, sondern von „völkischen Sagaromanen“[36].

[...]


[1] Vondung, Klaus: Nationalsozialistische Literatur. In: Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft. Bd. II (2000), S. 680.

[2] Vallery, Helmut: Führer, Volk und Charisma. Der nationalsozialistische historische Roman. Köln 1980, S. 10.

[3] Vallery: Führer, S. 7

[4] Geißler, Rolf: Dekadenz und Heroismus. Zeitroman und völkisch-nationalsozialistische Literaturkritik. Stuttgart 1964 (=Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Nr. 9), S. 13.

[5] Ketelsen, Uwe-Karsten: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890-1945. Stuttgart 1976, S. 63.

[6] Das Merkmalsraster orientiert sich an neun inhaltlichen Kategorien (1-9) und der formalen Kategorie (f). Siehe dazu die erste Spalte in Abbildung 1 im Anhang S. 29. Diese Kategorien sind so gewählt, dass damit jedwede Texte auf völkische, national-konservative und nationalsozialistische Ideologie überprüft werden können. Siehe dazu die Spalten zwei bis vier, deren Elemente im ersten Teil erarbeitet werden S. 6-16.

[7] Westenfelder, Frank: Genese, Problematik und Wirkung nationalsozialistischer Literatur am Beispiel des historischen Romans zwischen 1890 und 1945. Karlsruher Diss. Frankfurt/M u.a. 1989 (= Europäische Hochschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; Bd. 11).

[8] Für die vollständigen Titel siehe Literaturverzeichnis.

[9] V.a.: Vallery: Führer, S. 7f. und Dahlke: Geschichtsroman S. 203.

[10] Die deutsche Heimatkunst wird im 19. Jahrhundert zur „ersten großen literarischen Sammelbewegung von rechts“; Zimmermann, Peter: Der Bauernroman. Antifeudalismus, Konservatismus, Faschismus. Stuttgart 1975, S. 56f.

[11] Vgl. hierzu auch Dahlke: Geschichtsroman, S. 208.

[12] Hier ist v.a. der Boom der mathematischen Naturwissenschaften, der Positivismus und der Materialismus (z.B. das extreme „Manchestertum“) gemeint.

[13] Westenfelder subsumiert darunter hauptsächlich den Mittelstand (aufgrund der großen Depression 1873-1896), den gesamten Agrarsektor (aufgrund des Statusverlusts und ökonomischen Problemen wie Getreideimporte und Abwanderung der Landarbeiter) und das Bildungsbürgertum (aufgrund der Relativierung ihrer Bildungswerte). Westenfelder: Genese, S. 33-39.

[14] Vondung: Literaturtheorie, S. 10.

[15] Zimmermann: Bauernroman, S. 56f.

[16] Der Eskapismus der Neuromantik sieht sein Ideal im Mittelalter, das mit einer ahistorischen „Butzenscheibenromantik“ verklärt wird: Hier werden zufriedene, harmonisch zusammenlebende Bürger und Bauern in romantischen Städten von guten Patriarchen regiert. Westenfelder nennt hierzu u.a. Heinrich Steinhausens „Irmela“ (1882), Julius Wolffs „Hohenkönig“ (1902), Käte Papkes „Die letzten von Rötteln“ (1910) typisch. Diese Art der neuromantischen Unterhaltungslektüre bleibt bis tief in die Weimarer Republik populär. Westenfelder: Genese, S. 45.

[17] Der BdL als Massenorganisation (180.000 Mitglieder 1893 und 330.000 Mitglieder 1913) zielte darauf ab, „eine de facto nicht existierende Interessensgemeinschaft der gesamten Landwirtschaft – vom Landarbeiter und Kleinbauern bis zum Rittergutsbesitzer vorzutäuschen“. Neben Antisozialismus und Antiliberalismus wurde eine berufsständisch-monarchistische Staatsauffassung und die Restaurierung der vorindustriellen Zustände angestrebt. Zimmermann: Bauernroman, S. 51ff. Da der bürgerliche Mittelstand keine eigenen Lösungsstrategien zu entwickeln vermag, übernimmt er die Ideologie des BdL. Landleben und Bauerntum werden als Chiffre für richtiges und gesundes Leben einer organischen Volksgemeinschaft der „falschen Moderne“ entgegengestellt. Westenfelder Genese, S. 35.

[18] Die folgenden Elemente belegt Westenfelder explizit an Peter Roseneggers „Der Gottsucher“ (1883), der als „geradezu vorbildlich“ gilt, und Lulu von Strauß und Torneys „Der Hof am Brink“ (1906); Westenfelder: Genese, S. 39 – 44.

[19] „Der Bauer […] wird zu einer zentralen Figur, was soweit geht, daß […] die Begriffe ‚Volk’ und ‚Bauern’ häufig gleichbedeutend sind“; Vallery: Führer, S. 56.

[20] Westenfelder nennt dies den „Mythos von der deutschen Seele“ und spricht von der enormen Wirkung der ursprünglich völkischen „Abwendung vom Zivilisatorisch-Rationalem“ auf alle deutschen Strömungen – sogar auf bürgerlich-liberale Autoren [z.B. Walter Bloems „Gottesferne“ (1922)]; Westenfelder: Genese, S. 101.

[21] Charbon, Rémy: Heimatliteratur. In: Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft. Bd. II (2000), S. 19.

[22] Westenfelder: Genese, S. 37.

[23] Westenfelder: Genese, S. 58.

[24] Westenfelder: Genese, S. 58.

[25] „Mit der ‚Heimatkunstbewegung’ der Jahrhundertwende (wichtige theoretische Beiträge von Friedrich Lienhard und Adolf Bartels; Zs. ‚Heimat’, 1900-04; erfolgreich besonders die Romane von Rudolf Herzog) beginnt die Ideologisierung der Heimatliteratur, die über präfaschistische Werke (Hermann Löns, ‚Der Wehrwolf’ [sic!]; Gustav Frenssen, ‚Jörn Uhl’) in der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Literatur ihren Höhepunkt erreicht“; Charbon: Heimatliteratur, S. 20.

[26] Westenfelder zeigt die Steigerungen im Bereich des Rassismus und der Brutalität an Herman Löns „Der Werwolf“ (1910) und Werner Jansens „Buch der Treue“ (1917) und „Buch der Liebe“ (1918).

[27] Laut Charbon trat der Begriff ‚Blut-und-Boden-Literatur’ erstmals 1902 bei Conrad auf: Michael Georg Conrad: Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Leipzig 1902;Charbon: Heimatliteratur, S. 19.

[28] Vgl. hierzu die Popularität historischer Romane der 1920iger, die sich mit der mittelalterlichen Ostkolonisation bzw. Ostexpansion und dem später auch von Hitler benutzten „Lebensraum im Osten“ beschäftigen [z.B. Werner Jansens „Heinrich der Löwe“ (1923) und „Geier um Marienburg“ (1925), Wilhelm Kotzdes „Die Burg im Osten“ (1925)]; Westenfelder: Genese, S. 124-132.

[29] Westenfelder: Genese, S. 70.

[30] Westenfelder: Genese, S. 118.

[31] Westenfelder arbeitet diese „Schizophrenie“ z.B. an Hermann Löns „Der Werwolf“ (1910) heraus: „Zuhause sind sie gemütvolle Väter und lieben ihre sauberen, drallen Frauen, während sie im Kampf durch Ströme von Blut waten“; Westenfelder: Genese, S. 66.

[32] Vorbildhaft für diese „Wunschprojektion“ seien schon Ganghofers Hochland-Romane (1893-1918) [für die Titel siehe Westenfelder: Genese, S. 409] und Peter Roseneggers „Der Gottsucher“ (1883); Charbon: Heimatliteratur, S. 20.

[33] Wesentlich für diese Haltung ist Oswald Spenglers bereits bis 1912 konzipiertes Werk „Der Untergang des Abendlandes“, in dem er Geschichte als ein „organisches Werden und Vergehen von Kulturen“ interpretiert. Der „geschichtslose“ Bauer steht dem Moloch der babylonischen Weltstadt gegenüber, die seine Lebenskraft verbraucht und sich davon nährt. Westenfelder fasst zusammen, wie negativ historischer Fortschritt bei Spengler interpretiert wird: „Eine Nation nimmt ihre Kraft nicht aus ihrem fortschrittlichen Staatsmodell oder ihrer leistungsfähigen Wirtschaft, sondern aus der biologischen Substanz ihres Volkes, die trivial als ‚Blut’ bezeichnet wird“; Westenfelder: Genese, S. 92f.

[34] Westenfelder: Genese, S. 111.

[35] Charbon: Heimatliteratur, S. 20.

[36] Vgl. hier v.a. den Stil von Lulu von Strauß und Torney; Westenfelder: Genese, S. 44.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Erwin Guido Kolbenheyer: Paracelsustrilogie (1917 – 1925) – Ein Exemplar nationalsozialistischer Literatur?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Der Historische Roman
Note
2+
Autor
Jahr
2006
Seiten
29
Katalognummer
V76995
ISBN (eBook)
9783638813099
ISBN (Buch)
9783656059882
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erwin, Guido, Kolbenheyer, Paracelsustrilogie, Exemplar, Literatur, Historische, Roman, Historischer Roman
Arbeit zitieren
Thomas Oliver Schindler (Autor:in), 2006, Erwin Guido Kolbenheyer: Paracelsustrilogie (1917 – 1925) – Ein Exemplar nationalsozialistischer Literatur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76995

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