Speise für die Götter

Das Blut der Maya


Hausarbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Blut
1.1 Symbolik des Blutes in Mesoamerika
1.2 Mythische Verankerung bei den Maya

2. Das Ritual
2.1 Ritualtheorien
2.2 Blutrituale der Maya
a) Der zeremonielle Rahmen
b) Das Blutlass-Opfer
c) Das Menschenopfer

3. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis:

Anhang

Einleitung

Dass es bei den Maya Blut- und Menschenopfer gegeben hat, ist mehrfach belegt und steht heutzutage außer Frage. Anhand dieser Arbeit soll vielmehr dargestellt werden, welchen Sinn und Zweck die Maya-Völker durch diese Rituale verfolgten, wie sie sie legitimierten und welcher Ordnung sie unterstanden. Dazu soll erst einmal die Symbolik des Blutes erklärt werden. Darauf folgen einige Ritualtheorien, bevor anhand von verschiedenen Quellen (Ikonographie, Archäologie, Hieroglyphen und Augenzeugenberichte aus der Zeit der Konquista) die Blutlaß- und Menschenopfer der Maya genauer unter Betracht gezogen werden.

1. Das Blut

1.1 Symbolik des Blutes in Mesoamerika

Dem Blut werden viele Eigenschaften und Fähigkeiten nachgesagt. Deshalb spielt es in den meisten Religionen eine bedeutende Rolle. Im Christentum ist es das „Blut Christi“, das die Gemeinschaft der Gläubigen im Abendmahl zusammenbringt und mit Gott verbindet. Hier handelt es sich jedoch nicht um echtes, physisches Blut, wohingegen es auf der Welt durchaus religiöse Zeremonien gibt, bei denen auch heute noch das Blut von Tieren als Opfer für die Götter verwendet wird, und früher sogar das von uns Menschen selbst.

In Mesoamerika ist das Blut in vielen eingeborenen Stämmen,- bei den alten Azteken, den Tolteken, den Mixteken, den Zapoteken, den Olmeken, und auch bei den Maya - mit ähnlichen Symboliken belegt ist. So wird es in den Quellen oft als magische, mysteriöse Flüssigkeit bezeichnet, deren Kräfte übernatürlichen Ursprungs sind. Jedes Individuum erhält bei seiner Geburt diesen lebensspendenden Saft aus der kosmischen Energie. Das Blut, Symbol für die Lebensenergie des Menschen, aber auch der Tiere und Pflanzen (z.B. wird das Harz, das Blut des Kopalbaumes, in manchen Riten anstelle von tierischem oder menschlichem Blut verwendet[1] ), hat neben seinen physischen Aufgaben, nämlich die der Regulierung der Körpertemperatur und Transport des Sauerstoff, sowie aller Nährstoffe, im Glauben der mesoamerikanischen Völker, so auch der Maya, noch eine weitreichendere Bedeutung: das Blut bestimmt das Wachstum des Körpers genauso wie das des Geistes, d.h. die Entwicklung der Intelligenz.[2] Bei den Maya spiegelt sich diese Bedeutung in der mythischen Schöpfungsgeschichte des Popol Vuh[3] wieder: erst die Menschen, deren Fleisch und Blut aus Mais und nicht mehr aus Holz bestehen, sind fähig, ihre Götter zu erkennen und dementsprechend zu ehren.[4] Des weiteren ist das Blut nicht nur eines der fünf energetischen Zentren (Blut, Herz, Kopf, Lunge und Muskeln) des menschlichen Körpers, sondern gleichzeitig auch Transportmittel der Lebensenergie und somit Verbindungsglied der Zentren untereinander.[5]

Es ist also nicht verwunderlich, dass dieser Stoff, dem so viele Fähigkeiten zugeschrieben werden, der kosmischen Ursprungs ist, und einem jeden von uns Lebewesen geschenkt wurde, dass das Blut eine besondere Rolle in den religiösen Vorstellungen der indigenen Bevölkerung Mesoamerikas spielte und auch heute noch Bestandteil vieler ritueller Zeremonien ist.

2.2 Mythische Verankerung bei den Maya

Um nun aber verstehen zu können, warum das Blut und somit bei den Maya teilweise auch Menschenleben geopfert wurden, muss man noch tiefer in deren Verständnis von Mensch, Natur und Kosmos eintauchen. Anhand des Popol Vuh lassen sich mehrere Einsichten über das Weltbild der Quiche-Maya gewinnen. Verschiedene Mythen belegen die Wichtigkeit des Blutes und die Notwendigkeit des Blutopfers.

Noch bevor die Menschen aus Mais erschaffen wurden, gab es die Geschichte von der Jungfrau namens Kucuma kik , die vom Speichel des Totenkopfes von Hun hun ahpu (Eins Jäger), der sich in einen Flaschenkürbis verwandelte, schwanger wurde und die künftigen Heldenzwillinge Hun ahpu (Eins Blasrohrschütze) und Sbalanke (kleiner Jaguarhirsch) in sich trug.[6] Ihr wurde jedoch Unsittlichkeit vorgeworfen und deshalb sollte sie ihr Herz den Königen Hun Kame (Eins Tod) und Wuqub Kame (Sieben Tod) opfern. Sie konnte dies jedoch mit Hilfe des Baumes verhindern:

„...Rot strömte der Saft des Baumes und floss in die Schale. Er gerann und wurde rund: das war der Tausch für das Herz. Als man den Saft des roten Baumes hinaus strömen ließ, kam gleich Blut der Saft des Baumes anstatt des Blutes hervor. Als dieses Blut in die Schale hineinfloss, wurde der Saft des roten Baumes dunkelrot wie gestocktes Blut, ...“[7]

Der Name der Jungfrau ist auch Ixquic, was soviel heißt wie „Die des Blutes“, und sie ist auch die Mutter allen Lebens, denn aus ihr entstehen Hun ahpu und Sbalanke, die später zu Sonne und Mond werden.[8] Diese Geschichte zeigt die schöpferische Kraft des Blutes (k´ik´). Zusammen mit dem Sperma (k´ik´al), für das der Speichel steht, ist es Symbol für Fruchtbarkeit.

Hiermit ist aber noch nicht erklärt, warum dieses Blut geopfert werden muss. Hierzu eine andere Geschichte aus der Zeit, als die Sonne noch nicht schien und die Menschen in verschiedenen Stämmen auseinander zogen, um das Licht zu empfangen. Auf der Erde war es bitterkalt und es gab wenig Nahrung. Deshalb bat die Sippe des Balam Quiche, einer der ersten Menschen aus Fleisch und Blut, ihren Gott Tohil, dass er ihnen Feuer gebe. Darauf entgegnete dieser: „Noch bleibt euer Dank. Durchlöchert eure Ohren, stechet eure Ellbogen, opfert euer Blut. Das sei euer Dank vor dem Gotte“.[9] Das reichte aber noch nicht aus und es mussten kleinere Stämme besiegt und geopfert werden „und ihm (Tohil) das Blut, das Leben, die Brust und die Achselhöhle aller Menschen“[10] gegeben werden. Dies genügte immer noch nicht und Tohil sprach: “ Wohl! Sind sie geneigt, sich mit mir unterhalb ihrer Achselhöhle zu vereinen? Ist ihr Herz damit einverstanden, so sollen sie mich umarmen, mich Tohil. Wenn man aber nicht will, dann werde ich ihnen kein Feuer geben.“[11] Man sieht also, dass der Gott Tohil selbst eine Gegenleistung für seine Hilfe erwartet und man könnte denken, dass er ein sehr jähzorniger Gott ist. Wenn man aber weiter in der Geschichte geht, erkennt man, dass dies nicht so ist: als die Sonne zum ersten Mal aufgeht, erstarren die Götter Tohil, Awilis und Hakawic und mit ihnen die Götter der wilden Tiere zu Stein. Sie hatten sich also selbst geopfert, damit die Menschen Licht und Wärme bekamen. Als Dank für die Lichtwerdung wurde den Steinskulpturen Blut geopfert, indem die Maya es auf sie spränkelten.[12]

Die gegenseitige Opferung ist das Grundprinzip der kosmischen Ordnung der Maya. Ihr Weltbild beruht auf einem reziproken System. Die Menschen können nicht ohne die Götter leben und die Götter nicht ohne die Menschen. Der Energiefluss des Kosmos muss im Gleichgewicht gehalten werden, d.h. die Götter haben den Wesen auf der Erde das Leben gegeben, da aber auch ihre Energie erschöpfen kann, müssen die Menschen dafür sorgen, dass sie die Götter mit energiereicher Nahrung versorgen. Ein besonderer Gott der Maya ist der Sonnengott (K´inich Ajaw), denn die Sonne ist Lebensspender; von ihr hängt das Leben auf der Erde ab. Aber auch ihre Energie ist begrenzt und ihr Speicher kann sich jederzeit erschöpfen. Deshalb hat der Mensch begonnen, sie regelmäßig mit neuer Energie zu versorgen, damit er wiederum von ihrer Energie profitieren kann. „Der Mensch verwandelt sich in den untrennbaren Kollaborateur des Gestirns“[13]. Das höchste Gut, das er ihm spenden kann ist das menschliche Blut, der Träger der kosmischen Energie, und die beste Möglichkeit für dieses Opfer ist die rituelle Tötung.

2. Das Ritual

2.1 Ritualtheorien

Theoretiker haben Rituale durch alle Zeiten und alle Kulturen hindurch miteinander verglichen und sind zu verschiedenen Ansatzpunkten gelangt. Neben evolutionstheoretischen und ökonomischen Gesichtspunkten, sind vor allem soziologische und religiöse Ansätze gemacht worden. Diese sind auch für das Verständnis der Maya-Rituale von Bedeutung. Die beiden Soziologen Henri Hubert und Marcel Mauss haben die Unterscheidung zwischen gelegentlichen und immer wiederkehrenden Ritualen gemacht.[14] Erstere werden zu einmaligen Anlässen, wie Geburt, Thronbesteigung, Einweihung eines Tempels oder Tod eines Individuums (meist eines Herrschers) zelebriert und die wiederkehrenden finden an festen Daten eines Kalenders bzw. in Anlehnung an die Natur (Jahreszeiten) statt; darunter fallen Neujahrszeremonien, sowie die Landwirtschaft und Jagd betreffende Feierlichkeiten. So hat z.B. Diego de Landa die Rituale der Yucatekischen Maya der Postklassik in einen Kalender eingetragen, in dem die Anlässe, die jeweils zuständigen Götter und die betroffene Bevölkerungsgruppe (Jäger, Fischer, Krieger, Medizinmänner, etc.) eingetragen sind.[15] Diese Unterscheidung weist auch schon auf die Trennung von gesellschaftlich und religiös orientierten Ritualen hin.

In erster Linie werden Rituale als ein Kommunizieren oder ein „In-Verbindung-Treten“ mit heiligen Wesen, seien es Ahnen oder Gottheiten, verstanden.[16] Das Opfer spielt dabei eine zentrale Rolle. Edward B. Tylor hat in seinem Buch “Primitive Culture” ein aus dem Hinduismus stammendes Sprichwort auf den Opferritus der alten Religionen angewendet:

“do ut des“ (lat.), was soviel bedeutet wie „Ich gebe, damit Du gibst“.[17] Dieses Sprichwort stellt genau wieder das reziproke Verhältnis von Mensch und Gott dar, welches uns aus dem Glauben der Quiche-Maya schon bekannt ist. Es besteht sozusagen ein ungeschriebener Vertrag, der die Beidseitigkeit von Geben und Nehmen besiegelt und darüber hinaus für das Überleben der Menschen notwendig ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Opferrituale konstant wiederholt werden, denn der Fluss der durch das Opfer übermittelten Energie darf niemals abreißen und muss in ständiger Zirkulation bleiben.[18]

[...]


[1] S. Fußnote 7

[2] Betancourt, Ignacio Guzmán : Valor y simbolismo de la sangre en la trdición indígena mexicana, ….S. 26

[3] Der Popol Vuh ist die Schöpfungsgeschichte der Quiche-Maya, die Ende des 16. Jahrhunderts vom Padre Francisco Ximenez nach mündlicher Überlieferung (das Original war verschwunden) aufgeschrieben wurde.

[4] Kiehl, Gabriela/ Jens Freyler: Popol Vuh – Die heilige Schrift der Maya. traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag, Hamburg:2004, S. 78

[5] Betancourt: S. 23

[6] Kiehl / Freyler: S.39

[7] a.a.O.: S.40 f.

[8] Nájera C., Martha Ilia: El don de la sangre en el equilibrio cósmico. Universidad Nacional Autónoma de Mexico, Mexico: 1987, S. 51

[9] Kiehl /Freyler: S. 86

[10] a.a.O.: S. 90

[11] a.a.O.: S. 92 f.

[12] a.a.O.: S. 96

[13] Betancourt: S. 25

[14] nach Nájera C: S.29

[15] Sharer, Robert J.: Ideology and Cosmology in The ancient Maya, 5. Edition, Stanford/California: 1994, S.548 f

[16] Nájera C.:S. 20

[17] a.a.O.: S. 24

[18] a.a.O.: S. 33

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Speise für die Götter
Untertitel
Das Blut der Maya
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V76936
ISBN (eBook)
9783638808712
Dateigröße
888 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Speise, Götter
Arbeit zitieren
Carolyn Zeck (Autor:in), 2005, Speise für die Götter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76936

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