Schöne neue Medienwelt: Frauen gestern und heute am Beispiel Erwerbstätigkeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

38 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Rückblick: Die Rolle der Frau zwischen Erwerbstätigkeit und Familie
2.1. Von der Jahrhundertwende bis Ende des zweiten Weltkriegs
a. Vorindustrielle Zeit & Jahrhundertwende
b. Erster Weltkrieg, Weimarer Republik und Zweiter Weltkrieg
2.2. Die Nachkriegsjahre bis 1980
a. BRD
b. DDR

3. Entwicklung 1980 bis 2000
3.1. Die 80er Jahre: „Renaissance der Familie“ und „Konservativer Feminismus“
3.2. Die 90er Jahre: Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend
a. Demographische Daten:
b. Die Gesellschaft
c. Gesellschaftliche Stellung der Frau
d. Osten nach Wiedervereinigung
e. Vereintes Deutschland Aktuell
f. Ein neuer Ansatz: Gender Mainstreaming

4. Ergebnis / Zusammenfassung

5. Literatur

6. Anhang
Anhang 1: Theorien zu den Arbeitsmarktchancen von Frauen
Anhang 2: Gender Mainstreaming

1. Einführung

Die Entwicklung (nicht nur) in den letzten 150 Jahren zeigt, dass die Lebensumstände und Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen eng mit der jeweils von der Gesellschaft vorherrschenden Sicht des Geschlechterverhältnisses und daraus resultierenden Rollenzuweisungen zusammenhängen. Die Dominanz von Männern in Politik und Wirtschaft konnte – trotz vollzogener Rechts- und propagierter Chancengleichheit – bislang nicht überwunden werden. Von wirklich gleichen Möglichkeiten für Männer und Frauen ist die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland noch weit entfernt. Zwar haben sich die Lebensplanungen von beiden in Bezug auf Beruf und Bildung aneinander angenähert, aber geschlechtsspezifische Unterschiede spielen nach wie vor eine große Rolle.[1]

Das 20. Jahrhundert kann man nach Eric Hobsbawn[2] als das „kurze Jahrhundert“ bezeichnen: Das 19. Jahrhundert hat gesellschaftlich eigentlich noch bis ins Jahr 1914 angedauert, erst dann, mit dem Ersten Weltkrieg, begann das 20. Jahrhundert, das Jahrhundert der Kriege: Zwei Weltkriege und der Kalte Krieg, der 1990 offiziell beendet wurde. Und damit fing schon zehn Jahre vor dem eigentlichen Kalenderdatum ein neues Jahrhundert, sogar ein neues Jahrtausend an.

Für Deutschland bedeutete das 20. Jahrhundert einen drastischen Wandel und eine beispiellose Verbesserung der Lebensbedingungen, eine Vervielfältigung der Lebensformen bei gleichzeitigem Bedeutungsrückgang der Familie. Gleichzeitig entstand eine soziale Differenzierung und Pluralisierung der Lebensstile.[3] Das folgende 21. Jahrhundert erscheint vielversprechend. Technische und wissenschaftliche Neuerungen katapultieren uns nach vorne und bringen rasante gesellschaftliche Änderungen mit sich. Alles anders, alles neu – „anything goes“? Informations-, Kommunikations- oder Mediengesellschaft – eine neue Gesellschaft ist entstanden. Die dritte industrielle Revolution wird gefeiert.

Die Rolle der Frau gestern und heute – wie hat sie sich im Laufe des 20. Jahrhunderts verändert und wo stehen die Frauen heute, im beginnenden 21. Jahrhundert? Hat die schöne neue Medienwelt, die Umwälzungen aller Art zu versprechen scheint, auch das Geschlechterverhältnis umgewälzt? Am Beispiel der Erwerbstätigkeit von Frauen möchte ich untersuchen, in wie weit sich der gesellschaftliche Stand für die Frau geändert hat.

Hierbei ist der Zusammenhang von Familien- und Arbeitsmarktpolitik zu betrachten: Durch Familien- und Sozialpolitik sollten schon in der Vergangenheit einerseits soziale Schäden, die aus der industriellen Produktion resultierten, aufgefangen werden, andererseits der Erhalt der Familie gesichert werden.[4] Auch in der BRD soll sie einerseits die Stabilität der Familie sichern, andererseits wirtschaftliche Prozesse stützen und fördern.[5] Die Frau bestimmt die Familien- und Arbeitsmarkt-Politik zweifach: Einerseits durch den ökonomischen: Bedarf beziehungsweise Nichtbedarf, andererseits durch die Bedeutung, die der Familie von Seiten des Staates in der jeweiligen Zeitphase zugemessen wird.

Dabei ist im Lauf der Geschichte eine primäre Konzentration auf den Reproduktionsbereich und sekundäre Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt festzustellen.[6] Gilt das auch für die 90er Jahre? Für das angehende 21. Jahrhundert?

Beginnen werde ich meine Arbeit mit einer Übersicht über die Entwicklung der Frauenerwerbsarbeit im 20. Jahrhundert. Mit dem Zeitraum von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zeitraum der BRD bis in die Achtziger Jahre werde ich mich im zweiten Kapitel beschäftigen. Anschließend betrachte ich die Entwicklung der Achtziger Jahre bis zum Jahrtausendwechsel. Hier werden demographische Daten eine Rolle spielen, die Untersuchung der gesellschaftlichen Stellung der Frau, die Lage in Ostdeutschland und der neue Forschungsansatz des Gender Mainstreaming. Nach dem Literaturverzeichnis folgen im Anhang eine Übersicht über verschiedene Theorien zu den Arbeitsmarktchancen der Frau und eine ausführlichere Beschreibung des Gender Mainstreaming.

2. Rückblick: Die Rolle der Frau zwischen Erwerbstätigkeit und Familie

2.1. Von der Jahrhundertwende bis Ende des zweiten Weltkriegs

a. Vorindustrielle Zeit & Jahrhundertwende

Ab dem 18. Jahrhundert bildete sich das Ideal der „bürgerlichen Ehe und Familie“ heraus. Kennzeichen waren die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte und eine nicht erwerbstätige Ehefrau oder Mutter. Die überwiegende Mehrzahl der Frauen war jedoch im 19. wie im 20. Jahrhundert gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Familienideal und Familienrealität klafften auseinander. Nur kleine Gruppe bürgerlicher Ehefrauen hatten das Privileg, allein Hausfrau und Mutter zu sein.[7]

Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von Staats Seiten die Notwendigkeit erkannt, die Lohnarbeiter und Lohnarbeiter durch Maßnahmen vor schweren gesundheitlichen Schädigungen zu schützen.[8] Diese Beschränkungen des sich ohne Rücksicht auf Verluste entfaltenden Kapitalismus hatte auch wehrpolitische Gründe: Man fürchtete, im damaligen Preußen nicht genügend gesunde Jugendliche für den Heeresdienst heranziehen zu können.[9]

Nach der vorherrschenden Meinung war die Mutterschaft die vornehmste Pflicht der Frau als Bürgerin und damit zugleich ihr Recht gegenüber dem Staat, der diese zu schützen habe. Daraus resultierte der Frauenarbeitsschutz.[10] Der Frauenarbeitsschutz wurde Schritt für Schritt ausgebaut.[11] So wurde die Reproduktion gesichert.

Um die Jahrhundertwende jedoch sanken die Geburtenziffern. Dies wurde als „Bedrohung der Nation“ und „nationaler Selbstmord“ interpretiert. Das Ergebnis war ein stark restriktives Abtreibungsverbot: Auf Abtreibung standen hohe Gefängnisstrafen. Erörtert, aber nicht durchgesetzt wurden bevölkerungspolitische Instrumentarien, zum Beispiel die Zahlung eines Familien- anstelle eines Leistungslohns, damit weniger Frauen arbeiten müssen, die Erhebung einer Junggesellensteuer sowie günstigere Mieten für größere Familien mit mehreren Kindern.[12]

Viele bürgerliche Frauen wollten gleiche Rechte. Durch moderne Arbeitsteilung waren viele Tätigkeitsfelder verloren gegangen, so dass der Rahmen des Hauses einem Großteil von ihnen keine ausreichende Bewährung ihrer Kräfte ermöglichte. Um so schmerzlicher mussten sie die Abhängigkeit von ihren Familien oder Ehemännern erfahren. So mancher Arbeiterin wiederum würde dieses wie auch immer beschränkte Haus ein Segen bedeutet haben, hätte sie sich den Rückzug au dem Erwerb dorthin nur leisten können. Sie hatten nicht einmal für die wenigen verbliebenen Hausarbeiten oder die Betreuung der Kinder Zeit und Geld. Die Bedingungen, unter denen Frauen ihre Arbeit in Fabrik, Manufaktur oder Heimindustrie verrichten mussten, gefährdeten ihre Gesundheit und die der Kinder. Für sie stellte der Frauenarbeitsschutz, der ihren Arbeitseinsatz zeitlich und inhaltlich regelte, bereits einen Fortschritt dar. Die Zielsetzung der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegung unterschieden sich dementsprechend.

Doch es gab auch einen gemeinsamen Ursprung der Bewegung: Dass die objektiven Verhältnisse schneller vorangeschritten waren, als die Entwicklung der Individuen.

Die Beschränkung der bürgerlichen Frauen auf das Haus widersprach seiner Entleerung; die uneingeschränkte Verwertung weiblicher Arbeitskraft den Erfordernissen individueller wie gesellschaftlicher Reproduktion.[13]

b. Erster Weltkrieg, Weimarer Republik und Zweiter Weltkrieg

Erster Weltkrieg

In Folge des Ersten Weltkriegs wurden Frauen ab 1916 massiv in den Produktionsprozess einbezogen. Im Jahr 1918 arbeiteten 75 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter. Zunehmend wurden Frauen auch in „Männerindustrien“ eingesetzt. Eine geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes galt demzufolge für die Dauer des Krieges nicht.[14]

1919-1923

Der Beschluss des 1. Rätekongresses in Berlin sowie die durch die Novemberrevolution erreichten für die Frauen viele Verbesserungen, so beispielsweise aktives und passives Wahlrecht, freie Berufswahl und den Achtstunden-Tag. An der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung wenige Monate später beteiligten sich 82Prozent der weiblichen Stimmberechtigten.[15] In der Weimarer Reichsverfassung war die staatsbürgerliche Gleichstellung von Mann und Frau gesetzlich verankert. Formale Gleichheit nach dem Gesetz war aber nicht gleichzusetzen mit sozialer Gleichheit. Kennzeichnendes Merkmal der Nachkriegsjahre war die Verdrängung von Frauen von den Arbeitsplätzen, die sie während des Krieges eingenommen hatten. Die Wirtschaft war zerrüttet, es herrschten Not und Hunger, vorrübergehend kam es zu hohen Arbeitslosenquoten durch die Demobilmachung der Armee, dazu kam eine starke inflationäre Entwicklung. Familienpolitik und Arbeitsmarktpolitik hatten also übereinstimmende Ziele: Die Frau zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu motivieren.[16]

1924-1928

Ab 1924 begann der Aufschwung und eine Stabilisierung mit Hilfe des Dawes-Plan, der amerikanisches Leihkapital und niedrigere Reparationszahlungen brachte und so einen Rationalisierungs- und Modernisierungsprozess auslöste.[17] Damit wurden aus qualifizierten Arbeitsplätzen unqualifizierte. Die Notwendigkeit zur Frauenerwerbstätigkeit wurde von der Wirtschaft zunehmend erkannt. Löhne und Gehälter der Frauen lagen aber unter dem der Männer, deshalb war für viele Mädchen nicht die Arbeit, sondern die später folgende Ehe das Lebensziel.[18]

1929-1932

Während der Weltwirtschaftkrise 1929 kam es abermals zu einer Verelendung weiter Bevölkerungskreise. Die Arbeitslosenquote 1932 betrug 44,4 Prozent. Diese Jahre waren dadurch gekennzeichnet, dass erwerbstätige Ehefrauen in zunehmendem Maße als „Doppelverdienerinnen“ diffamiert und diskriminiert wurden – sie wurden für die Massenarbeitslosigkeit der Männer mit verantwortlich gemacht. Frauen sollten sich lieber wieder ihrer primären Rolle als Hausfrau und Mutter zuwenden. Entsprechend gab es auch politische Vorstöße, um Frauen aus dem Arbeitsleben und ins Familienleben zu drängen:[19] Der Männerlohn reiche aus, Frauenarbeit raube „einem Familienvater Brot und Lebenshoffnung“, verkündete der Reichsminister.[20]

Nationalsozialismus

Die Ansichten zur Stellung der Frau zwischen Erwerb und Familie im Nationalsozialismus gehen auseinander.

Einerseits heißt es, die Mutter- und Bevölkerungsideologie habe eindeutig Vorrang gehabt und erst der Zweite Weltkrieg und hierdurch fehlende Arbeitskräfte hätten die Machthaber in politische und argumentative „Bedrängnis“ gebracht.[21]

Einig ist man sich darüber, dass das „Frauenbild“ eigentlich eher ein „Mutterbild“ war: Ein weiblicher Mensch wurde eher als „Mutter“ denn „Frau“ gesehen. Geburtenfördernde Maßnahmen wurden ergriffen: Das Mutterkreuz, das wohl eher zu den „ideellen“ Anreizen gehörte, aber auch die Ehestandsdarlehen, die starke Einschränkung von Verhütungsmitteln, die Todesstrafe für aktive Abtreibung und die ständige Werbung zur Gründung einer Familie.[22] Frauen verloren das passive Wahlrecht, wurden aus dem öffentlichen Dienst herausgedrängt, der Zugang zu Universitäten wurde auf zehn Prozent der Neuimmatrikulierten beschränkt und Frauen wurden nicht mehr zur Habilitation zugelassen. Ehestandsdarlehen waren an die Aufgabe der Erwerbstätigkeit gebunden.[23] Ehe und Mutterschaft wurden als Produktionsstätten für ein zukünftiges Potential an Soldaten und Arbeitskräfte gesehen.

Der meines Erachtens plausiblere Ansatz bezüglich der Erwerbstätigkeit der Frau sah die Mutter- und Familienideologie die NS-Frauenideologie kapitalistischen Interessen untergeordnet – die Erwerbstätigkeit wurde nicht gänzlich gestrichen. Die Wirtschaftspolitik war eine Politik der Aufrüstung und auf billige Frauenarbeit konnte hier nicht verzichtet werden.[24] Ab 1936, als durch den beschleunigten Aufbau der Wehrmacht ein Arbeitskräftemangel entstand, galt Frauenarbeit als „unentbehrlicher Faktor“ vor allem für die Rüstungsindustrie.[25] Die Frau war also sowohl als Reproduktionskraft, als auch als Produktionskraft von Nutzen. Solange sich die Wirtschaft erst langsam in Gang setzte, wurde das Betätigungsfeld der Frauen auf die Familie beschränkt, und erst als es im Zuge der Rüstungsindustrie zu Arbeitskräftemangel kam, wurden die Frauen mit einbezogen.

2.2. Die Nachkriegsjahre bis 1980

a. BRD

1945-1969

Das Gleichberechtigungsgebot wurde 1949 im Grundgesetz durchgesetzt. Im Unterschied zum bisher geltenden Familienrecht unterstanden Frauen nun weder in öffentlichen noch in privaten Angelegenheiten der Bevormundung durch den Ehemann. Auch auf dem Arbeitsmarkt war nun die Regelung ungültig, nach der nach der niedrigeren „Frauenlohngruppe“ entlohnt wurden.[26] „De jure“ bedeutete aber nicht „de facto“.

Im zerstörten Deutschland oblag die Organisation des Überlebens vor allem bei den Frauen: Für viele bedeutete das körperliche Schwerstarbeit, wenn sie zum Beispiel als „Trümmerfrauen“ am Wiederaufbau arbeiteten. Dennoch erhielten sie im Vergleich zu männlichen Kollegen oft bis zu 40 Prozent weniger Lohn. Kompensiert wurde dies durch bessere Versorgung durch höherwertige Lebensmittelkarten.[27]

Im Westen galt das bürgerliche Familienmodell mit einer nicht erwerbstätigen Mutter nach wie vor als einziges Ideal. Unterstützt und gefördert wurde es durch Kirchen, aber auch andere gesellschaftlich relevante Gruppierungen. Zudem waren zunächst die Arbeitsplätze knapp. Der enorme wirtschaftliche Aufschwung, der anschließend einsetzte, dauerte bis 1966 an und führte 1965 zu einer Arbeitslosenquote von 0,4 Prozent.[28] Mit der Konsolidierung wurde die Rückdrängung der Frau in die Familie fortgeführt.[29] Denn obwohl die Frauen für den Produktionsprozess benötigt wurden, unterlag die Familienpolitik weiterhin starken kirchlichen Einflüssen. Grundsätzlich wurde die Notwendigkeit der Frauenerwerbsarbeit anerkannt, dennoch blieb das Familienministerium eher konservativ bestimmt.[30] Die CDU blieb bis 1966 stärkste politische Kraft. Franz Wuermeling, strenger Katholik und der erste Bundesfamilienminister, propagierte kinderreiche Familien und trat gegen die Erwerbstätigkeit von Müttern ein: „Für Mutterwirken gibt es nun einmal keinen vollwertigen Ersatz“. Demzufolge lehnte er den Ausbau von öffentlichen Erziehungseinrichtungen für Vorschulkinder ab. Durch staatliche Familienbeihilfen sollte die Erwerbstätigkeit von Müttern entbehrlich gemacht werden. Sein Nachfolger ab 1962, Bruno Heck, befürwortete für Frauen das Drei-Phasen-Modell: Berufstätigkeit bis zum ersten Kind, Familienphase, Rückkehr zur Erwerbsarbeit.[31]

Erstmalig in den 50er und 60er Jahren setzte sich das bürgerliche Familienideal mit nichterwerbstätiger Mutter auch in der Realität stark durch: 1950 waren 76 Prozent aller Mütter mit Kindern unter 18 Jahren Vollzeithausfrauen. Schon seit dem ersten Weltkrieg, in Weimarer Republik und nach 1945 in der BRD wurde der „starke Ernäher-Ehemann“ und der qualifizierte Vollzeitberuf des Mannes zunehmend zur Norm. Die Frau hatte ihm vor-, zu- und nachzuarbeitend den Rücken für seine Berufsarbeit freizuhalten und die Kinderbetreuung zu übernehmen. Sozialstaat und Sozialpolitik unterstützten dies.[32] Idealerweise war eine Mutter im „starken Ernährer-Modell“ verheiratet, sorgte für das kleine Kind selbst zu Hause und wurde, wenn überhaupt, allmählich mit dem Schuleintritt des Kindes wieder erwerbstätig.

1969-1980

Nach der Bildung der SPD/F.D.P.-Koalition 1969 erfuhr die Familienpolitik eine relative Veränderung und gab sich eher progressiv und reformfreudig. Familienministerin Aenne Braukiepse setzte sich für das Recht der Ehefrau auf „personale und berufliche Entfaltung“ ein.[33] Es wurde ein Politik der neuen Partnerschaft von Mann und Frau in Beruf und Familie propagiert. Damit befand sich die Familienpolitik zumindest teilweise in Übereinstimmung mit der sich seit 1968 verbreitenden Frauenbewegung.[34] Diese neue Frauenbewegung reagierte auf die Erfahrung, dass abstrakte Gleichbehandlung von Frauen und Männern, die den Mann zum Ausgangspunkt und Maßstab machte, Frauen auf neue Weise benachteiligte. Unterschiede sollten auch politisch als solche wahrgenommen und behandeln werden.[35]

Die neue Politik der Partnerschaft war auch eine Reaktion auf den Geburtenrückgang Ende der 60er Jahre, der die Entwicklung einer eigenständigen Frauenpolitik im Rahmen der Familienpolitik auslöste.[36] Denn seit den 60er und 70er Jahren, seit der Studentenrevolte und der unter anderem draus resultierenden besseren Bildung für Frauen, setzte auf ideologischer Ebene ein nachhaltiger Wandel ein. Weniger Frauen begnügten sich mit dem Status „Hausfrau und Mutter“, die Heiratsquote sank.[37]

Die wirtschaftliche Krise ab 1974 traf vor allem Teilzeitkräfte und un- oder angelernte Arbeitskräfte, und damit die Frauen. Parallel zu dieser Entwicklung zeigte sich auch wieder eine Diskriminierung von Frauenarbeit: „Doppelverdienerkampagnen“ und das „Wohl der Familie“ bestimmten die arbeitsmarktpolitische Diskussion. Das stand – zumindest zunächst – in direktem Gegensatz zur Familienpolitik, die die Partnerschaft von Mann und Frau in Beruf und Familie propagierte. Die höheren Arbeitslosenzahlen von Frauen gegenüber denen der Männer stützen die These der Reservearmee-Theorie, die besagt, dass Frauen während einer Rezession vermehrt entlassen werden.[38]

[...]


[1] Helwig, Giesela: Frauen in Deutschland. Auf dem Weg zur Gleichstellung (Information zur politischen Bildung, 254), München 1997, , S. 39

[2] Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München / Wien 1995

[3] Schäfers, Bernhard / Zapf, Wolfgang (Hg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands, Bonn 22001, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 428

[4] Priemel, Isabel /Schuster, Annette: Frauen zwischen Erwerbstätigkeit und Familie. Historische und aktuelle Entwicklungen (Frauen in Geschichte und Gesellschaft, Band 18), Pfaffenweiler, 1990, S. 12

[5] Priemel / Schuster, S. 13

[6] Priemel / Schuster, S. 20

[7] Handwörterbuch, S. 208-209

[8] Priemel / Schuster, S. 8

[9] Priemel / Schuster, S. 9

[10] Handwörterbuch, S. 218-219

[11] Priemel / Schuster, S. 10

[12] Priemel / Schuster, S. 12

[13] Handwörterbuch, S. 218-219

[14] Priemel / Schuster, S. 57-59

[15] Helwig, S. 11

[16] Priemel / Schuster, S. 59-63

[17] Priemel / Schuster, S. 51-56

[18] Priemel / Schuster, S. 63-65

[19] Priemel / Schuster, S. 75 ff

[20] Helwig, S. 12

[21] Handwörterbuch, S. 220

[22] Irmgard Weyrather: Muttertag und Mutterkreuz, Frankfurt 1993, S. 9ff

[23] Helwig, S. 14

[24] Priemel / Schuster, S. 93

[25] Helwig, S. 14

[26] Weber, Ulla / Schaeffer-Hegel, Barbara: Geschlechterarragements in der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 31-32/2000, S. 5

[27] Helwig, S. 14

[28] Priemel / Schuster, S. 130

[29] Helwig, S. 15

[30] Priemel / Schuster, S. 136-137

[31] Helwig, S. 16

[32] Handwörterbuch, S. 220

[33] Helwig, S. 16

[34] Priemel / Schuster, S. 146

[35] Handwörterbuch, S. 220

[36] Priemel / Schuster, S. 21

[37] Handwörterbuch, S. 209

[38] Priemel / Schuster, S. 147-149; zur Reservearmee-Theorie siehe Anhang

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Schöne neue Medienwelt: Frauen gestern und heute am Beispiel Erwerbstätigkeit
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Seminar für Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar: Zeiterfahrung und Kultureller Umbruch: Fin de Siècle des 20. Jahrhunderts in westlichen Gesellschaften
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
38
Katalognummer
V7668
ISBN (eBook)
9783638148436
ISBN (Buch)
9783638728126
Dateigröße
672 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenrecht, Erwerbstätigkeit, Gleichberechtigung, Emanzipation, Gender Mainstreaming, Rolle der Frau, Feminismus
Arbeit zitieren
Sabine Schneider (Autor:in), 2002, Schöne neue Medienwelt: Frauen gestern und heute am Beispiel Erwerbstätigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7668

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