Ziele und Hintergrund Claude McKays primitivistischer Strategie in 'Home to Harlem'

Die Probleme eines jungen afroamerikanischen Autors


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Moderne und das Primitive
2.1 Primitivismus als modernistische Strategie
2.2 Die Bedeutung des Primitivismus für Afroamerikaner
2.3 Die Harlem Renaissance: The New Negro Movement
2.4 Die Literatur der Harlem Renaissance

3 Primitivismus und Claude McKay
3.1 Claude McKays Rolle in der Harlem Renaissance
3.1.1 Biografie
3.1.2 Bedeutung der Kindheit auf Jamaika
3.1.3 Claude McKays Einstellung zur Harlem Renaissance
3.2 Primitivismus in Home to Harlem
3.2.1 Claude McKays Bild von Harlem
3.2.2 Die Darstellung des Schwarzen: Jake
3.2.3 Die Darstellung des Schwarzen: Ray
3.2.4 Rousseaus Zivilisationskritik

4 Schlussbetrachtung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Claude McKay’s Home to Harlem for the most part nauseates me, and after the dirtier part of its filth I feel distinctly like taking a bath” (DuBois 1928, S. 202).

Mit dieser Reaktion auf Claude McKays Roman Home to Harlem (1928) spricht W.E.B. DuBois den meisten Kritikern seiner Zeit aus dem Herzen. McKay beschreibt in seinem Buch das primitive Leben der schwarzen Unterschicht im New Yorker Stadtteil Harlem in den 1920ern. Ihm wurde darin vorgeworfen, er würde die Stereotypen, die die weiße Gesellschaft über Schwarze hat, untermauern. Sein Motiv wäre, die Sensationslust der Weißen und deren Faszination mit dem Exotischen zu stillen, um davon finanziell zu profitieren. Die Leitfiguren der Harlem Renaissance waren entsetzt, dass sich ein schwarzer Autor gegen seine eigene Kultur richten und diese nach dem Vorbild von Carl Van Vechtens Nigger Heaven abwerten würde. Damit würde er genau das Gegenteil von dem erreichen, was die Mitglieder der Harlem Renaissance wollten.

Im folgenden Aufsatz soll es nun darum gehen, wie es überhaupt dazu kam, dass es so ein starkes Interesse an der Darstellung des Primitiven in Amerika gab und wie sich das kulturelle Phänomen der Harlem Renaissance als New Negro Movement einordnen lässt. So konnte sich in der amerikanischen Kulturgeschichte der schwarze Teil der Bevölkerung das erste mal Gehör verschaffen und wurde als Bestandteil der amerikanischen Kunst und Kultur anerkannt. Welche Ziele wollten die Afroamerikaner damit erreichen und wie nutzten schwarze Künstler dieser Chance, um die gegenwärtige Gesellschaft zu revolutionieren? Denn obwohl alle Schwarzen mit den gleichen Problemen wie Rassismus zu kämpfen hatten, gab es keine einheitlichen Vorstellungen einer besseren Gesellschaft und keine homogenen politischen Ziele.

Claude McKay, eine der wichtigsten literarischen Figuren der Harlem Renaissance, kann man keiner politischen Strömung eindeutig zuordnen. Er war eine sehr umstrittene Person. Einerseits verschaffte er sich mit seinen Werken Respekt und Anerkennung bei Schwarzen und Weißen, andererseits traf er mit den selben Werken wiederum auf Unverständnis und heftige Kritik. Ein besonderes Interesse galten in diesen Kontroversen eben seinem Roman Home to Harlem. Ich möchte deshalb versuchen, die Frage zu beantworten, ob die negativen Stimmen wie die von DuBois mit ihren Behauptungen recht haben, oder ob es im Roman um mehr geht als um die primitive Darstellung der Lebensweise der unteren schwarzen Bevölkerungsschicht. Dazu erkläre ich vorerst, welche Rolle Primitivismus in den 1920ern in Amerika gespielt hat, für Weiße und für Schwarze, und wie die Harlem Renaissance mit diesem Thema umging. Anschließend ordne ich Claude McKay in die literarische Bewegung dieser Zeit ein und untersuche dann Home to Harlem vor dem Hintergrund der Geschehnisse in dieser Epoche und seinem Leben hinsichtlich der Motive des Autors für diesen Roman.

2 Die Moderne und das Primitive

2.1 Primitivismus als modernistische Strategie

Die Moderne begann in Europa mit einer Ausstellung von Picasso 1907 in Paris mit afrikanischen Plastiken und Skulpturen. Damit hat Picasso als erster anerkannter Künstler ursprünglicher Kunst Ästhetik zugesprochen. In Amerika jedoch traf die Phantasie über das natürliche Wilde in der Realität auf die soziale Diskriminierung von Afroamerikanern, weswegen der Kult des Primitivismus hier eine weitaus komplexere Thematik war. Denn in der Epoche der Moderne herrschte in Amerika die Auffassung, dass unterdrückte Triebe und Zwänge primitiv und schlecht sind und Unbehagen auslösen. Doch gerade in einer Zeit der starken kulturellen und sozialen Veränderungen, wie es die Zeit nach dem 1. Weltkrieg war, wollten Menschen unterdrückte psychische Zwänge ablegen und ausleben. Die Moderne richtete sich gegen die bestehende kulturelle Ordnung. So wurde das Verlangen nach dem unterdrückten Anderen verstärkt. Für die weiße Zivilisationsgesellschaft war dieses Andere der schwarze Primitive, der somit zum exotischen Phantasieobjekt wurde.

Andere exotische Kulturen kamen den Vertretern der Moderne also gerade recht, um inhaltlich und formal eine Revolte gegen die bestehende Kultur auszudrücken. Picassos neue Ästhetik wurde demnach von Künstlern in Amerika zum Vorbild genommen, um ihren exotischen Phantasien ein Gesicht zu geben. Da dies aber nicht das Ende der Diskriminierung anderer Kulturen bedeutete, lebten Rassismus und Ästhetik der afrikanischen Kunst nebeneinander her. Weiße drückten ihre Vorurteile und Stereotypen über schwarze mit rassistischen Klischees in ihrer Kunst aus.

Damit wurde das als primitiv Gesehene allerdings auch aufgewertet. Stereotypen wurden durchaus auch positiv dargestellt. Der Grund lag darin, dass weiße Zivilisierte sich selbst in der schwarzen Natürlichkeit und Ursprünglichkeit sahen, als Ausdruck ihrer unterdrückten Zwänge. Es war das erste mal, dass die Kultur von Schwarzen in Amerika als ästhetisch wahrgenommen wurde. Diesen Versuch, die Schwarzen aufzuwerten, kann man in einigen Werken weißer US-amerikanischer Autoren in den 1920ern nachvollziehen. Jedoch gelang es niemandem, über eine gewisse herablassende klischeehafte Darstellung der Schwarzen hinwegzukommen (Ickstadt 1996, S. 251-256).

2.2 Die Bedeutung des Primitivismus für Afroamerikaner

Die Aufwertung und Anerkennung der eigenen Kultur lag in den Händen der schwarzen Künstler selber., die die neu entfachte Sehnsucht der Weißen nach dem primitiven Anderen für diese Zwecke ausnutzen konnten. Primitivismus funktionierte als Kritik an den Schwächen und Ungerechtigkeiten der westlichen Zivilisation, vor allem am technischen Fortschritt und Materialismus, und damit als Alternative für neue moralische Werte. Weiße suchten den afrikanischen Dschungel bei ihren schwarzen Nachbarn, also fernab von Afrika.

Primitivismus war somit auch die Afrikanisierung des schwarzen Amerikaners. Viele Afroamerikaner sahen also diese Zeit als Chance, ihre Traditionen in Amerika aufleben zu lassen. Primitivismus war für sie ein politisches Projekt, welches sich in Kunst manifestierte. Der schwarze Künstler sollte in sich gehen, um die eigene westliche Orientierung abzulegen und nach Alternativen in seinem afrikanischen Erbe zu suchen (Coles/Isaacs 1989, S. 5f.)

2.3 Die Harlem Renaissance: The New Negro Movement

Als Zentrum dieser Afrikanisierung galt Harlem in den 1920ern. Während des 1. Weltkriegs kam es zu einer Massenmigration von Afroamerikanern aus dem ländlichen Süden in den industriellen Norden. Viele hatten Harlem als Ziel, was zum Zentrum der schwarzen Künstler und Intellektuellen wurde. Dort entstand eine breite Reihe von High Art, welche das afroamerikanische Leben thematisierte. Die Migranten aus dem Süden brachten Jazz und Blues mit. Die schwarzen Veteranen aus dem 1. Weltkrieg verhalfen zu einer Entwicklung einer starken schwarzen Identifizierung mit der eigenen Kultur.

Trotz dem gemeinsamen Ziel, sich durch Kunst politisch in die zivilisierte weiße Gesellschaft zu integrieren und somit soziale und politische Gleichheit zu schaffen, gab es unter den Leitfiguren der Harlem Renaissance durchaus unterschiedliche Meinungen darüber, wie diese Gerechtigkeit umgesetzt werden sollte. Die New Negro Bewegung kann man grob in zwei Hauptlager aufteilen. Auf der einen Seite standen die Anhänger von Marcus Garvey, einem schwarzen Jamaikaner, der mit seiner Back-to-Africa-Philosophie Stolz auf die eigene Herkunft und die afrikanischen Wurzeln unter der schwarzen Arbeiterschicht entfachte. Er war für eine absolute Differenzierung zwischen Schwarzen und Weißen. Auf der anderen Seite stand W.E.B. DuBois, ein schwarzer Historiker und Soziologe, der die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) gründete. Als Grundlage galt Alain Lockes Schrift The New Negro (1925), in der es um die Aufwertung der Schwarzen ging. Die Leitfiguren dieser Bewegung nennt man auch die „Talented Tenth“, was bereits impliziert, dass er die Aufgabe einer ausgewählten Schicht schwarzer Intellektueller war, ihre Kultur aufzuwerten. Der Großteil der Afroamerikaner zählte jedoch zur Unterschicht, deren Lebensweise von DuBois und seinen Anhängern verleugnet wurde (Lauter 2002, S. 904-909).

2.4 Die Literatur der Harlem Renaissance

Nun gab es auch eine Reihe von schwarzen Schriftstellern, die zwischen diesen beiden Bewegungen standen. Sie thematisierten das Leben der schwarzen Unterschicht, vor allem in Harlem, wie es Marcus Garvey entsprach, um dieses aufzuwerten und Lösungen für eine Integration und Akzeptanz in der weißen Gesellschaft zu finden, also nach den Ansprüchen der „Talented Tenth“.

Das wachsende Interesse an der schwarzen Kultur in der weißen Bevölkerung und das Schaffen eines nationalen Stolzes durch die New Negro Bewegung motivierte schwarze Autoren zum selbstbewussten Schreiben. Während der Harlem Renaissance wurden mehr Bücher von Afroamerikanern veröffentlicht als je zuvor. Zwar hielt dieser Trend nur etwa zehn Jahre und endete vorerst mit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er, da Amerikaner ihr Interesse und ihre Sorge auf andere Dinge als kulturelle Neuerungen richteten, trotzdem konnten sich diese Autoren als feste Größen in der amerikanischen Literatur für eine gewisse Zeit etablieren. Außerdem waren sie Vorbilder für spätere Generationen erfolgreicher schwarzer Autoren.

[...]

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Details

Titel
Ziele und Hintergrund Claude McKays primitivistischer Strategie in 'Home to Harlem'
Untertitel
Die Probleme eines jungen afroamerikanischen Autors
Hochschule
Freie Universität Berlin  (John-F.-Kennedy-Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V76672
ISBN (eBook)
9783638817035
ISBN (Buch)
9783638818360
Dateigröße
408 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ziele, Hintergrund, Claude, McKays, Strategie, Home, Harlem, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Nicole Lau (Autor:in), 2005, Ziele und Hintergrund Claude McKays primitivistischer Strategie in 'Home to Harlem', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76672

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