Lexikologie: Verfahren zur Erweiterung des Wortschatzes

Am Beispiel der serbokroatischen Sprache


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Lexikologie und Lexikographie als linguistische Disziplin

2. Der atmende Wortschatz
2.1. Entwicklung des Wortschatzes der serbokroatischen Sprache
2.2. Verfahren zur Erweiterung des Wortschatzes am Beispiel der serbokroatischen Sprache
2.2.1. Die Wortbildung
2.2.2. Bedeutungsveränderung
2.2.3. Bildung von Mehrwortlexemen
2.2.4. Entlehnung

3. Vom Neologismus zum Lemma

Abschließende Betrachtung

Literaturliste

Einleitung

Das am höchsten entwickelte und flexibelste Kommunikationssystem, ist die Sprache. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie zur Übermittlung von Botschaften beliebiger Komplexität schnell und effizient einsetzbar ist. Doch so, wie wir sie heute kennen und verwenden, wird es die Sprache irgendwann nicht mehr geben. Dies gilt für alle natürlichen Sprachen, sie tauchen auf, sind eine Zeitlang in Gebrauch und verschwinden dann wieder. Es gibt jedoch ein Unterschied zwischen den Sprachen, manche von ihnen werden nur von einigen Generationen verwendet, während andere jahrtausendelang existieren. Die Spracherhaltung und Sprachverfall sind eng mit dem Schicksal der Sprachbenutzer verbunden. Dabei spielt der gesellschaftliche Entwicklungsrahmen eine große Rolle. Politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Faktoren entscheiden über den Sprachwandel der einzelnen Sprachen. Der Wortschatz der jeweiligen Sprache umfasst alle Wörter und Ausdrücke, die in den Gesellschaften ihrer Sprecher erforderlich sind. Veränderungen oder Neuerungen im gesellschaftlichen Umfeld des Sprachbenutzers erfordern neue lexikalische Ausdrücke, um die der Wortschatz der Sprache erweitert wird. Somit ist der Wortschatz als Zeuge der Zeit und der gesellschaftlichen Entwicklung zu verstehen, in ihm spiegeln sich immer die Ausdrucksmöglichkeiten wider, die das Umfeld des Sprachbenutzers gebraucht. Dieser Prozess ist ganz natürlich und vollzieht sich bereits seit Jahrhunderten in allen Sprachen.

Seit einigen Jahrzehnten gibt es auch einen Teilbereich der Sprachwissenschaft, der sich mit dem Wortbestand einer Sprache bzw. mit der Struktur des Wortschatzes befasst – die Lexikologie. Sie ist eine hochkomplexe sprachwissenschaftliche Disziplin, die sich nach vielen Seiten hin mit anderen Arbeitsgebieten wie Lexikalische Semantik, Morphologie/Wortbildung, Phraseologie, Stilistik und Lexikographie überschneidet (HSK 21.Vorwort: V). Vor allem mit der Lexikographie verbindet sie der gleiche Gegenstandsbereich – der Wortschatz. Die Lexikographie beschäftigt sich dabei hauptsächlich mit der praktischen Herstellung von Wörterbüchern aller Art, sie untersucht den Aufbau von Wörterbüchern, welche Informationen sie geben sollen und welche Wörter aufgenommen werden sollen. Ziel der beiden Disziplinen ist die Erfassung und Charakterisierung der Wörter und Wortschätze als ganzheitliche Einheiten. Doch inwieweit ist die Erfassung und Charakterisierung eines Wortschatzes überhaupt möglich? Denn es handelt sich um ein dynamisches System, welches stets einer Veränderung unterliegt. Zur Klärung dieser Frage widmet sich der folgende Beitrag diesem dynamischen System.

Im Zentrum der Darstellung steht der „atmende Wortschatz“. Am Beispiel der serbokroatischen Sprache soll seine Lebendigkeit verdeutlicht werden. Des weiteren werden die genauen Verfahren, die zur einer Wortschatzerweiterung führen, eingeführt und auch am Beispiel der serbokroatischen Sprache aufgezeigt. Im Abschluss soll der lexikologische und lexikographische Prozess einer Wortschatzerweiterung dargestellt werden. Doch vorerst widmet sich dieser Beitrag der genauen Darstellung der sprachwissenschaftlichen Disziplinen Lexikologie und Lexikographie.

1. Lexikologie und Lexikographie als linguistische Disziplin

Welcher Zusammenhang besteht zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung und der Veränderung im Wortschatz? Was sind die Ursachen und Bedingungen für die Anpassung der Lexik an neue kommunikative Bedürfnisse? Wie sieht der Aufbau eines Wortschatzes aus und welche Beziehungen herrschen zwischen den lexikalischen Teilbereichen des Wortschatzes?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns der Lexikologie[1] widmen. Allgemein wird die Lexikologie als der Teilbereich der Sprachwissenschaft verstanden, der sich mit der Erforschung und Beschreibung von Gesetzmäßigkeiten und Regularitäten des Wortschatzes einer Sprache aus synchroner und/oder diachroner Sicht beschäftigt (Günther 1999: 274). Die Lexikologie in der Slavia ist ein relativ junger Wissenschaftszweig, der sich vor allem im 19. Jh. zu entwickeln begann, ausgelöst durch die Erforschung der Geschichte des slavischen Wortschatzes sowie durch die Bedürfnisse lexikographischer Arbeit (Günther 1999: 273). Die Grundeinheit der Lexikologie ist das Wort bzw. das Lexem[2], wobei eine Definition des Lexems und damit eine Isolierung im Text mit Schwierigkeiten verbunden ist, denn das Lexem wird nach phonetischen, morphologischen und semantischen Kriterien bestimmt. Ein Kriterium allein erlaubt keine verlässliche Bestimmung (vgl. Günther 1999: 275). So steht die Wissenschaftsdisziplin Lexikologie im Schnittpunkt mit anderen Arbeitsgebieten wie Lexikalische Semantik, Morphologie/Wortbildung, Phraseologie, Stilistik und Lexikographie. Nach Stephen Ullmann (1959) überdacht die Lexikologie somit die anderen Wissenschaftsdisziplinen (vgl. Lutzeier 2002: 3).

Die Kodifikation bzw. die Dokumentation lexikologischer Erkenntnisse über das Lexem bzw. den Wortschatz, wird in Wörterbüchern festgehalten. Die Lehre von der Wörterbuchschreibung und Wörterbucharbeit ist die Lexikographie[3]. Sie beantwortet unter anderem die Fragen – „Was ist in der zu beschreibenden Sprache ein Wort? Wie gibt man eine Wortbedeutung an? Welche Informationen muss ein Lexikonartikel enthalten, und wie soll er gegliedert sein?“ (Schwarze/Wunderlich 1985: 21).

„Die Lexikographie im kroatischen Kulturraum beginnt mit Scholien in mittelalterlichen Handschriften und ist lange mit dem Lateinunterricht verbunden geblieben. Die ältesten lexikographischen Werke ein arabisch-griechisch-lateinisch-kroatisches botanisches Bilderwörterbuch, geschrieben in Zadar, und ein lateinisch-kroat. Wörterbuch, das im nordčakav. Raum entstanden ist, stammen aus der Mitte des 15. Jh. und sind nur in Handschriften erhalten. Die kroatische Lexikographie im eigentlichen Sinne beginnt mit dem Humanismus“ (Katičić 1990: 2289). So entstand das erste selbstständig gedruckte Wörterbuch, das Vrančić 1590, in dem der lateinische, italienische, deutsche, kroatische und ungarische Wortschatz parallel aufgestellt wird. Dieses Werk bildete die Grundlage für die kroatische Lexikographie und war in der čakavisch-štokavischen[4] Zusammensetzung des kroatischen Teiles für die Entwicklung einer überregionalen Schriftsprache wegweisend (vgl. Katičić 1990: 2289).

„In den sozialistischen Ländern genoß die Lexikographie von Anfang an hohe Wertschätzung. V.I. Lenin betonte den didaktischen Aspekt des Wörterbuchs, er sah in ihm nicht nur ein Nachschlagewerk, sondern auch ein Lehrmittel, das zur sprachlichen Bildung der Menschen beiträgt“ (Filipec 1982: 175).

In früheren slawistischen Arbeiten[5] über die Lexikologie und Lexikographie wurden die beiden Disziplinen in enger Verbindung betrachtet. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. entstehen Werke[6], die die Lexikologie als selbstständiges Gebiet der Sprachwissenschaft behandeln (Günther 1999: 274). Nach wie vor braucht die Lexikographie Ergebnisse der lexikologischen Forschung, denn sie benutzt diese für die lexikographische Kodierung und gibt somit wiederum Anstoß zu weiteren lexikologischen Fragestellungen. Vor allem in den letzten Jahren ist die Frage nach der Spezifik von Auswahl- und Kodifikationskriterien in einsprachigen Bedeutungswörterbüchern viel diskutiert worden (vgl. Kühn 1994: 2). Das Verhältnis von Lexikologie und Lexikographie ist allgemein charakterisierbar als ein wechselseitiges Geben und Nehmen in der Sprachwissenschaft (vgl. Wolski 2005: 1816).

2. Der atmende Wortschatz

Im Zentrum der lexikologischen und lexikographischen Arbeiten steht der Wortschatz einer Sprache. Dabei betrachtet die Lexikologie die Theorie und die Entwicklung des Wortschatzes und die Lexikographie gibt eine Beschreibung seines gegenwärtigen Zustands ab. Die Forschungen der beiden Disziplinen werden allerdings durch ständige Veränderungen und Entwicklungen des Wortschatzes enorm gefordert. Der Wortschatz entwickelt sogar eine Eigendynamik, die weder geplant noch verhindert werden kann und wirft so die Frage auf – ist unser Wortschatz ein lebendiger Organismus? Dieter Herberg präsentiert uns ein Bild vom atmenden Wortschatz – der durch die Aufnahme, das Einsaugen vom Neuen, Frischen, Unverbrauchten „einatmet“ und durch das Ausstoßen des Verbrauchten oder Nicht-mehr- Gebrauchten gleichsam „ausatmet“ (vgl. Herberg 2002: 11). Der nun folgende Beitrag soll dieser Metapher Nachdruck verleihen, indem zuerst die Definition des Wortschatzes geklärt wird und im darauffolgenden Abschnitt die Entwicklung des Wortschatzes der serbokroatischen Sprache dargestellt wird. Abschließend sollen die lexikalischen Verfahren dargestellt werden, durch die der Wortschatz einer Sprache erweitert wird.

[...]


[1] Lexikologie: das Wort stammt aus dem Griechischen lexikós – „sich auf das Wort beziehend“ und logos – „die

Lehre“.

[2] Das Lexem umfasst neben dem Wort alle Elemente des Wortschatzes, die als Bezeichnungs- und

Bedeutungseinheiten in festen strukturellen Beziehungen stehen, Lexeme sind also alle benennenden Einheiten,

die eine relativ geschlossene Bedeutung tragen z.B. lijepi čovjek.

[3] Lexikographie: griech. Lexikográphos – „ein Wörterbuch schreibend“.

[4] Aus der west-südslav. Ursprache entwickelten sich im westlichen Teil der Balkanhalbinsel drei mundartliche

Gruppen: die sog. čakavische, štokavische und kajkavische Dialektgruppe.

[5] Erforschung der russischen Lexik durch Larin, Bulachovskij, Vinogradov.

[6] 1974 erscheint ein Sammelband mit Arbeiten des russ. Lexikographen Ožegov mit dem Titel Leksikologija,

leksikografija. Kul’tura reči.

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Details

Titel
Lexikologie: Verfahren zur Erweiterung des Wortschatzes
Untertitel
Am Beispiel der serbokroatischen Sprache
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für slawische Philologie)
Veranstaltung
Seminar
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V76617
ISBN (eBook)
9783638808842
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lexikologie, Verfahren, Erweiterung, Wortschatzes, Seminar
Arbeit zitieren
Irina König (Autor:in), 2006, Lexikologie: Verfahren zur Erweiterung des Wortschatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76617

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