Tatort vs. Monk - Ein Erfolgsrezept für die Krimiserie?

Erzählstruktur und Franchise in deutschen und amerikanischen TV-Formaten


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung – Was macht eine Fernsehserie erfolgreich?

2. Einige Prinzipien des seriellen Erzählens
2.1 Die Akt-Struktur
2.2 Die Konzepte Showrunner und Franchise

3. Eine Analyse der Erzählstrukturen in Monk und Tatort
3.1 Episodenanalyse Mr. Monk and the Earthquake (2002)
3.2 Episodenanalyse Tatort – Schwarzes Wochenende (1986)
3.3 Episodenanalyse Tatort – Nachtwanderer (2006)
3.4 Übereinstimmungen und Differenzen der Erzählstrukturen

4. Das Franchise-Konzept: Über die Markenidentität der Serie
4.1 Die Hauptfigur als Franchise der Serie
4.2 Adrian Monk
4.3 Horst Schimanski

5. Fazit – Franchise und Vier-Akt-Struktur: Die Rettung der deutschen Krimiserie?

6. Quellenverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung – Was macht eine Fernsehserie erfolgreich?

Amerikanische Fernsehserien scheinen den deutschen in Erfolg und Qualität überlegen zu sein. Die Anzahl der in Deutschland produzierten Serien, die über unsere Bildschirme flimmern ist zwar nicht gerade gering, jedoch bleibt die Beliebtheit amerikanischer Formate überragend.

Drehbuchautor Lee Goldberg sieht die Ursache für dieses Problem im Fehlen eines Systems, „dessen wesentliche Funktion darin besteht, die Konsistenz der Serie zu garantieren.“[1] Deutschen Serien fehle eine klare Identität, eine Unverwechselbarkeit, so der Amerikaner. Besitzen zu viele Mitwirkende zu uneingeschränkten Einfluss auf deutsche Serienproduktionen? Kann eine Adaption des amerikanischen Showrunner-Systems hier zu Verbesserungen führen? Worin bestehen die Unterschiede in den Erzählstrukturen? Besteht die Möglichkeit, durch die Kreation einzigartiger Charaktere, einer Serie insgesamt ein höheres Maß an Individualität und Markenidentität zu verleihen?

In der vorliegenden Arbeit sollen, anhand von konkreten Beispielanalysen der amerikanischen Krimiserie Monk, für die unter anderem auch Lee Goldberg schreibt, und zwei Episoden der in Deutschland nunmehr seit 37 Jahren erfolgreichen Tatort-Reihe, die Problematiken diskutiert werden.

Hierzu ist es unerlässlich, zunächst auf einige Prinzipien des seriellen Erzählens einzugehen, die für diese Untersuchung von Bedeutung sind. Dies schließt vor allem einige grundsätzliche Überlegungen zur Akt-Strukturierung von Krimiserien und ein genaueres Betrachten der Konzepte Showrunner und Franchise ein. Im Anschluss soll mit Hilfe von Episodenanalysen der beiden Serien ein Vergleich der Erzählstrukturen stattfinden. Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Idee des Franchise als Garant für Einzigartigkeit und einheitliche Konsistenz und zwei der Hauptfiguren aus den Beispielepisoden, Horst Schimanski und Adrian Monk, ihrem Einfluss auf die Individualität der Serie und ihrer Funktion als Bürge für Markenidentität. Abschließend bleibt zu hinterfragen, ob eine allgemeine Überarbeitung der Charaktere und der Strukturierung, sowie eine Angleichung an das Showrunner-/Franchise-Konzept der deutschen Serie zu größerem, vielleicht sogar internationalem, Erfolg verhelfen können.

2. Prinzipien des seriellen Erzählens

Die Unterscheidung zwischen series und serial ist ein geläufiges Kriterium, um Fernsehserien zu klassifizieren. Grundsätzlich versteht man unter series eine Serie mit in sich abgeschlossenen Folgen, also eine Episodenserie, und unter serial eine Fortsetzungsserie. Schnell wird jedoch klar, dass diese Unterscheidung immer seltener klar getroffen werden kann, da mehr und mehr Hybridformen entstehen. Eine Lösung dieses Definitionsproblems stellen die Forscherinnen Gaby Allrath, Marion Gymnich und Carola Surkamp vor: Die verschwimmenden Grenzen zwischen den beiden Serientypen stellen sie in einer Art Kontinuum zwischen Episoden- und Fortsetzungsserien dar, eine Gerade, auf der sich einige Serien näher an der Definition series und andere näher am Konzept serial befinden, die aber gleichzeitig einen fließenden Übergang gewährleistet.[2]

Über die hier beispielhaft bearbeiteten Serien Monk und Tatort lässt sich sagen, dass sie eindeutig der series -Definition entsprechen. Die Folgen sind in sich abgeschlossen, die Fälle werden innerhalb einer Episode gelöst. Für den Zuschauer stellt es kein Problem dar, eine Episode zu versäumen, ohne dass er sich um zukünftige Verständnisprobleme sorgen muss. Dennoch besitzen die Figuren eine Art Gedächtnis, das heißt, einige Erzählelemente können sich durch mehrere Folgen ziehen, bei Tatort zumindest bei Episoden mit demselben Protagonisten. Die Tatort-Reihe stellt hier aber in ihrer Gesamtheit betrachtet prinzipiell eine Ausnahme dar, da hier überlappend in unterschiedlichen Episoden verschiedene Kommissare an verschiedenen Orten ermitteln. Darauf soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden.[3]

2.1 Die Akt-Struktur

Krimiserien folgen, wie alle narrativen Einheiten, einer Struktur, die sie in Akte oder Erzählabschnitte unterteilt. Hierzu gibt es verschiedene Forschungsmeinungen. Tom Zwaenepoel, der die kriminalistische Spannung in der Serie als whodunits bezeichnet, spricht der deutschen Krimiserie Derrick ein Aufbauprinzip nach dem klassischen Drama zu:[4]

Drama: 1. Exposition, 2. steigende Handlung, 3. Krise und Umschwung, 4. fallende Handlung, 5. Katastrophe

Whodunit: 1. Exposition (Vorgeschichte), 2. Routine und Verhöre, 3. Umschwung, 4. falsche Spuren, 5. Lösungen[5]

Lee Goldberg sieht den Erfolg der amerikanischen Serie unter anderem in der Vier-Akt-Struktur der Episodengeschichten, und schließt aus Gesprächen mit deutschen Autoren, dass es eine solche Struktur in Deutschland nicht gäbe.[6] Goldbergs Konzept der Vier-Akt-Struktur gestaltet sich wie folgt:

Akt I: Figuren und Konflikte werden vorgestellt; wir erfahren, worum es geht

Akt II: Der Held (bzw. die Helden) versuchen, das Problem anzugehen, aber

ständig neue Hindernisse halten ihn/sie davon ab; am Ende des zweiten Aktes sollte die Story eine unerwartete Wendung erfahren

Akt III: Der Held passt sein Handeln den neuen Umständen und den neuen Hindernissen an, was dazu führt, dass er glaubt, er habe die Situation unter Kontrolle; am Ende des dritten Aktes jedoch stellt sich heraus, dass er falsch liegt; die Lage präsentiert sich verfahren und ausweglos

Akt IV: Der Held löst das Rätsel, überwindet seine Hindernisse, bewältigt seine Schwierigkeiten und erreicht sein Ziel

Am Ende eines jeden Aktes steht eine Werbeunterbrechung. Einige Formate arbeiten

zusätzlich mit Teasern oder Tags, manche mit beidem.[7]

Bei einem solchen Vergleich sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass das amerikanische Fernsehsystem den Serien eine gewisse Struktur bereits vorschreibt, da die Werbeblöcke in die Handlung miteinbezogen werden müssen. Auch bei den meisten deutschen Fernsehserien spielt die Unterbringung von Werbung heutzutage eine wichtige Rolle, jedoch nach wie vor nicht im Tatort, da die Serie seit Beginn ihrer Sendung auf den öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt wird. Dies wirft im Vergleich folgende Frage auf: Ist eine Serie wie Tatort nicht wesentlich flexibler und damit variabler in ihrer Erzählstruktur? Machen die Autoren amerikanischer Fernsehserien einfach nur das Beste aus ihrer Ausgangssituation? Liegt die Verfechtung der Vier-Akt-Struktur nicht in der Angst um den Verlust des Zuschauers begründet?

The fact that on most channels individual episodes are segmented into smaller units by

commercial breaks means that interruptions are an inevitable feature of the reception of TV series, unless the viewer makes use of a secondary mode of reception (video/DVD). The segments are normally structured to ensure that viewers continue watching after (and through) commercial breaks, with a climax at the end of each segment.[8]

Greift man die im Zitat angesprochene Möglichkeit der DVD-Rezeption auf, wirkt die Vier-Akt-Struktur hierbei teilweise fast gestelzt, ohne Werbeunterbrechung erscheinen die Cliffhanger teils völlig übertrieben. Natürlich werden die Serien grundsätzlich für das Fernsehen produziert, dennoch wäre es interessant, zu hinterfragen, wie hoch tatsächlich die Anzahl derer ist, die auf das Medium DVD oder das noch aktuellere Video-on-demand-Prinzip zurückgreifen.

Die verschiedenen Akt-Strukturen beeinflussen die Erzählweise von Fernsehserien, wobei die Krimiserie an sich, fast ausschließlich Episodenserie, länderübergreifend eine bestimmte Erzählstruktur einhält. Zu Beginn geschieht ein Verbrechen, dass im Laufe der Episode gelöst wird, wobei der zunächst eingeschlagene Weg sich meist plötzlich als der falsche erweist, bevor dann der richtige gefunden und der Fall abgeschlossen wird. Eine Einteilung der Beispielepisoden in Akte oder Erzählsegmente folgt.

2.2 Die Konzepte Showrunner und Franchise

Die unterschiedlichen Erzählstrukturen bestimmen sicher einen Teil der Differenzen zwischen deutschen und amerikanischen Formaten, wobei sich die deutschen Serien der Privatsender mehr und mehr am amerikanischen System orientieren. Ein ganz entscheidender Unterschied, der jedoch ebenfalls langsam seitens der deutschen Fernsehmacher Beachtung findet, ist die Beschäftigung eines so genannten Showrunners, einem Headwriter, der die Verantwortung für Regie und Produktion trägt.[9] Matt Witten bezeichnet dieses System als eines der Schlüsselelemente für den Erfolg amerikanischer Serien:

Ich glaube sicher, dass es sehr wichtig für die Konsistenz der Serie ist, dass man ein Autoren-Team und einen Headwriter hat, die die Verantwortung für die Serie tragen. Sie arbeiten zusammen und stellen sicher, dass die Serie ein gutes, einheitliches Erscheinungsbild hat. Sie überwachen die Regisseure und sorgen dafür, dass diese das Aussehen der Serie beibehalten und keine Änderungen am Drehbuch vornehmen.[10]

[...]


[1] Christian Junklewitz: Interview mit Lee Goldberg und Matt Witten.

http://www.serienjunkies.de/news/interview-mit-14622.html. 9.06.2007.

[2] Vgl.: Gaby Allrath / Marion Gymnich / Carola Surkamp: Towards a Narratology of TV Series. In:

Narrative Strategies in Television Series. Hrsg. v. Gaby Allrath / Marion Gymnich. Houndmills 2005, S. 1 – 46, hier S. 6.

[3] Zur Serialität in Tatort vgl. Jochen Vogt: Tatort – der wahre deutsche Gesellschaftsroman. Eine

Projektskizze. In: Ders. (Hrsg.): Medien Morde. Krimis – intermedial. München 2004, S. 111 – 129, hier S. 112ff.

[4] Die eigene Analyse einer Derrick -Episode machte eine Einteilung in eine Drei-Akt-Struktur ebenfalls

plausibel (siehe Anhang).

[5] Tom Zwaenepoel: Dem guten Wahrheitsfinder auf der Spur. Das populäre Krimigenre in der

Literatur und im ZDF-Fernsehen. Würzburg 2004, S. 202.

[6] Vgl. Christian Junklewitz: Interview mit Lee Goldberg und Matt Witten.

http://www.serienjunkies.de/news/interview-mit-14622.html. 9.06.2007.

[7] Vgl. Lee Goldberg / William Rabkin: Successful Television Writing. New Jersey 2003, S. 19f.

[8] Allrath / Gymnich / Surkamp: Towards a Narratology of TV Series, S. 11f.

[9] Vgl. Christian Junklewitz: Interview mit Lee Goldberg und Matt Witten.

http://www.serienjunkies.de/news/interview-mit-14622.html. 9.06.2007.

[10] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Tatort vs. Monk - Ein Erfolgsrezept für die Krimiserie?
Untertitel
Erzählstruktur und Franchise in deutschen und amerikanischen TV-Formaten
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft)
Veranstaltung
Deutsche TV-Serien im internationalen Vergleich
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V76573
ISBN (eBook)
9783638808125
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tatort, Monk, Erfolgsrezept, Krimiserie, Deutsche, TV-Serien, Vergleich
Arbeit zitieren
Eva Tüttelmann (Autor:in), 2007, Tatort vs. Monk - Ein Erfolgsrezept für die Krimiserie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76573

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