Die realpolitische Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Namibia-Konflikt

Zwischen Bemühen und Relevanz


Seminararbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Der "Namibia-Konflikt"
2.1 Geschichte des „Namibia-Konfliktes“
2.2 Allgemeine Bedeutung der Region

3 Antikoloniale Bewegung und bewaffneter Kampf der SWAPO: Die Entwicklungen bis zur "regionalen Wendemarke 1974/75"
3.1 Der Namibia-Konflikt ab 1960
3.2 Politik und Rolle der Bundesrepublik Deutschland
3.3 Die "regionale Wendemarke" 1974/75

4 Internationale Vermittlung durch die „Kontaktgruppe“?
4.1 Die Bundesrepublik Deutschland und die Kontaktgruppe
4.2 Die Arbeit der Kontaktgruppe ab 1977
4.2.1 Verhältnis zu Südafrika: Taktische "Bluffs"?
4.2.2 Verhältnis zur SWAPO: Annäherung bei gegenseitigem Misstrauen

5 Neue Akteurskonstellation in den 1980er Jahren
5.1 Globallösung: Die „Linkage“ – Konzeption und ihre Folgen
5.2 Genscher unter Druck: Position der „neuen“ Bundesregierung

6 Die weitere Entwicklung

7 Fazit: Die Bundesrepublik als relevanter Akteur im Namibia-Konflikt?

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit behandelt einige spezifische Aspekte der Entwicklung Namibias seit den 1960er Jahren bis hin zur nationalen Unabhängigkeit 1989: Die Rolle und Bedeutung der Bundesrepublik Deutschland in diesem Prozess. Dabei wird ein Schwerpunkt gelegt auf die Haltung von Vertretern der Bundesregierung sowie auf die Position und den Einfluss der Bundesregierung im Kontext allgemeiner geopolitischer Entwicklungen, die den Weg zu Namibias Unabhängigkeit beeinflusst haben. Die Arbeit untersucht, mit welcher Motivation sich die Bundesregierung in unterschiedlichen Phasen des Unabhängigkeitsprozesses engagiert hat und inwiefern ihr eine relevante Rolle zugesprochen werden kann.

Die einzelnen Entwicklungen und Ereignisse während der unterschiedlichen Verhandlungsphasen und während des bewaffneten Kampfes der Unabhängigkeitsbewegung „South West African People’s Organization“ (SWAPO), sowie die Positionen und Handlungen unterschiedlicher namibischer Akteure – wie etwa die „Demokratische Turnhallen-Allianz“, die Interessenvereinigung Deutschsprachiger Südwester o.ä. - sind in der vorhandenen Literatur teilweise gut dokumentiert und werden hier, soweit für den Schwerpunkt dieser Arbeit relevant, kurz angerissen, aber nicht in allen Details wiedergegeben. Gleiches gilt für die zahlreichen nichtstaatlichen Akteure, die im politischen bzw. öffentlichen Leben der Bundesrepublik in verschiedenen Phasen zweifellos eine Rolle gespielt haben. Ihre Haltung gehört zwar zweifellos ebenso zur Position der Bundesrepublik, soll hier jedoch nicht zentraler Bestandteil der Analyse sein.

Für die Analyse bezieht sich die Arbeit auf einige zentrale Werke, die in den einzelnen Abschnitten jeweils mit spezifischer Literatur ergänzt werden. Eine sehr umfassende und detaillierte Darstellung des „Namibia-Konfliktes“ bietet Gabriele Brenke in ihrer 1988 abgeschlossenen Dissertation, die insbesondere der Rolle der Bundesrepublik Deutschland thematisiert und darüber hinaus zahlreiche Hinweise auf Rolle und Rationale weiterer lokaler und externer Akteure enthält. Gleiches gilt für den Politologen Ulf Engel und den ehemaligen DDR-Diplomaten Hans-Georg Schleicher, die in ihrer Arbeit über die „beiden deutschen Staaten in Afrika“ (1995) ein Unterkapitel dem Dekolonisierungsprozess in Namibia widmen. Zur Hintergrundanalyse der geopolitischen Lage wird ergänzend auf Werke von damals zentralen Akteuren der US-Administration zurückgegriffen, zum einen von Cyrus Vance (1983), Außenminister 1977-80 unter Präsident Carter, sowie von Chester Crocker (1994), Staatssekretär für „African Affairs“ unter Präsident Reagan. „Namibische Innensichten“ liefern Klaus Dierks[1] mit der bisher umfassendsten Chronologie der Namibischen Geschichte (2000), sowie Peter Katjavivi[2], einer der führenden Köpfe und Aktivist der Unabhängigkeitsbewegung SWAPO, der aus einer internen Perspektive die „History of Resistance in Namibia“ (1988) von der Kolonialzeit bis zum Ende der 1980er Jahre analysiert.

2 Der "Namibia-Konflikt"

2.1 Geschichte des „Namibia-Konfliktes“

Nachdem bereits seit etwa 80 Jahre Missionare im Gebiet des heutigen Namibia aktiv gewesen waren, erwarb der Bremer Kaufmann Lüderitz am 01. Mai 1883 die Bucht von „Angra Pequena“[3]. Diese Erwerbung wurde im April 1884 offiziell unter den Schutz des deutschen Kaisers gestellt und das Schutzgebiet kurze Zeit später auf die gesamte Küste ausgedehnt[4]. Damit wurde „Deutsch-Südwestafrika“ de facto zur ersten deutschen Kolonie; offiziell wurde das Gebiet 1990 zur Kronkolonie erklärt. Nach einer kurzen brutalen Kolonialzeit wurde die deutsche Herrschaft im Zuge des ersten Weltkriegs 1915 durch südafrikanische Truppen beendet. Anschließend verzichtete Deutschland im Vertrag von Versailles auf seine überseeischen Besitzungen und der Völkerbund übertrug der Südafrikanischen Union die Verwaltung Namibias als „C-Mandat“[5]. Die Südafrikanische Union verfolgte fortan das Ziel, Namibia als Provinz in sein Staatsgebiet einzugliedern.

Der „Namibia-Konflikt“ entstand 1945/46 mit der Auflösung des Völkerbundes und der Gründung der Vereinten Nationen (UN), die eine Treuhandschaftsverwaltung für alle Mandatsgebiete einführten. Südafrika weigerte sich als einzige Mandatsmacht, dieser Regelung zuzustimmen, sondern strebte weiter die Eingliederung Namibia an. Dadurch erwuchs ein jahrzehntelanger Verhandlungsprozess zwischen Südafrika und den UN um den Status Namibias. Hermann Andimba Toivo ya Toivo[6] gründete 1957 den „Ovamboland People’s Congress“ (OPC), der seinen Aktionsradius zunächst auf das sog. „Ovamboland“, den nördlichen Teil Namibias beschränkte, aber ab 1958 unter dem Namen „Ovamboland People’s Organization“ (OPO) landesweit aktiv wurde. Nach der offiziellen Aufgabe der „ethnischen Basis“ der Organisation entstand 1960 die „SWAPO“[7] unter Sam Nujoma.

2.2 Allgemeine Bedeutung der Region

Vor 1960 kann nicht von einer bedeutenden Rolle des Ost-West-Konfliktes im südlichen Afrika gesprochen werden. Sowohl Südafrika, als auch die anderen Länder der Region (vor den 1960er Jahren noch allesamt von weißen Minderheitenregimen beherrscht) waren fest in den „Westen“ eingebunden[8]. Die Entstehung der „Soviet challenge“ veränderte in den 1960er Jahren die Situation. Seither wurde dem südlichen Afrika von Seiten der USA hohe strategische Bedeutung beigemessen. Die geopolitischen US-Interessen bestanden aus drei wesentlichen Faktoren: Sicherung der Kap-Route als Transportweg für Rohstoffe; Verhinderung des Zugriffs der SU auf südafrikanische Rohstoffe und Verhinderung der Machtübernahme nationaler Befreiungsbewegungen, die als Vertreter des sowjetischen Expansionismus gesehen wurden[9]. Die Außenpolitik der SU zielte während des Kalten Krieges primär auf die Ausdehnung ihres Machtbereichs[10]. Das südliche Afrika bot in den 1960er Jahren aus Sicht der SU die Möglichkeit, ihren geringen Einfluss in Afrika auszudehnen. Gleichzeitig konnte sie, bedingt durch die beginnende Isolierung des südafrikanischen Apartheidregimes – als dessen Unterstützer hauptsächlich die USA wahrgenommen wurden – durch ihr Engagement bei einer Reihe von Ländern in Afrika und Asien Sympathien sammeln.

3 Antikoloniale Bewegung und bewaffneter Kampf der SWAPO: Die Entwicklungen bis zur "regionalen Wendemarke 1974/75"

Im Jahr 1960 erreichte die antikoloniale Bewegung in Afrika ihren vorläufigen Höhepunkt mit der Unabhängigkeit von 17 Staaten. Auch im südlichen Afrika stieg der Druck, die kolonial dominierten Länder in die Unabhängigkeit zu entlassen. Durch den Zusammenprall mit reaktionären Tendenzen der weißen Minderheiten - v.a. des südafrikanischen Apartheidregimes - kam es zwischen 1960 und 1974/5 zu einer deutlichen Intensivierung der Konflikte in der Region[11].

3.1 Der Namibia-Konflikt ab 1960

Die UN versuchten Südafrika dazu zu bewegen, freie Wahlen und eine afrikanische Mehrheitsregierung in Namibia zuzulassen. Die südafrikanische Regierung entwickelte jedoch im Gegenteil Tendenzen, die Politik der Apartheid mehr und mehr auch in Namibia umzusetzen. Ferner wurde die Hoffnung der SWAPO auf Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft zunächst durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) enttäuscht. Bereits 1959 kam während eines Treffens afrikanischer Außenminister in Monrovia die Idee auf, den Fall Namibia vor den IGH zu bringen; und 1960 riefen tatsächlich die Regierungen von Liberia und Äthiopien den IGH an. Nach langwierigen Verhandlungen wies dieser am 18. Juli 1966 die Klagen mit der Begründung ab, die beiden Länder hätten „no special right or interest in bringing the case“[12]. Während das südafrikanische Apartheidregime das Urteil feierte, entstand auf Seiten der SWAPO die Einschätzung, dass von "außen“ keine Hilfe zu erwarten sei und sich das namibische Volk nur selber die Freiheit erkämpfen könne. Die SWAPO veröffentlichte noch am selben Tag in Dar es Salaam das Statement:

„The effect that it has on our people is that it relieves them […] from any illusions which they may have harboured about the United Nations as some kind of saviour in their plight […] We have no alternative but to rise in arms and bring about our own liberation. The supreme test must be faced and we must at once begin to cross the many rivers of blood on our march towards freedom”[13].

Auch wenn die SWAPO seit 1962 mit Vorbereitungen auf den bewaffneten Kampf begonnen hatte, war damit das 1966er IGH-Urteil die entscheidende Wende zum Guerillakrieg[14]. Mit der Erklärung des bewaffneten Kampfes gewann die SWAPO die Unterstützung des Befreiungskomitees der „Organisation Afrikanischer Einheit“ (OAU). Ferner wurde sie 1969 auf einem Kongress der „Afro-Asian People’s Solidarity Organization“ (AAPSO) und des sowjetisch geprägten „Weltfriedensrates“ in Khartoum zur „einzigen legitimen Vertreterin“ des namibischen Volkes erklärt (Brenke 1989: 45). In Reaktion auf das IGH-Urteil erklärte ferner die UN-Vollversammlung das südafrikanische Mandat für beendet, stellte Namibia offiziell unter die Verantwortung der Vereinten Nationen und etablierte einen Rat für Namibia/Südwestafrika, der die Unabhängigkeit bis 1968 erreichen sollte. In mehreren Resolutionen zwischen 1966 und 1970 verurteilten die UN die Präsenz Südafrikas in Namibia, erklärten Rechtsakte Südafrikas in Bezug auf Namibia für ungültig und forderten alle Staaten auf, keinerlei Schritte zu unternehmen, die einer Anerkennung der südafrikanischen Präsenz gleichkämen. Als Südafrika sämtliche dieser Resolutionen ignorierte, rief 1971 der UN-Sicherheitsrat selber den IGH an. Dieser verurteilte im selben Jahr Südafrikas Präsenz in Namibia als illegal und bestätigte die Unterstellung Namibias unter die Verantwortung der UN[15].

[...]


[1] Klaus Dierks war von 1990 bis 2000 Minister im Kabinett Nujomas. Er betätigte sich neben seiner politischen Karriere als Historiker und veröffentlichte mehrere Aufsätze zu Aspekten namibischer Geschichte. Klaus Dierks verstarb 2005 in Windhoek.

[2] Katjavivi war nach der Unabhängigkeit Namibias mehrere Jahre Vizekanzler der University of Namibia, bevor er 2005 zum namibischen Botschafter in London berufen wurde.

[3] Zu den weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt vgl. Dierks (2000), von dem auch die Schreibweise „Angra Pequena“ übernommen ist. Eine teilweise sehr tendenziöse interne Schilderung bietet Nujoma (2000) in seiner Autobiographie, in der er bemüht ist, sich zum „Übervater“ der Nation zu stilisieren.

[4] Einzige Ausnahme war die danach lange umstrittene Enklave Walfish Bay, die ursprünglich 1887 zum britischen Gebiet erklärt worden war und 1884 in die Kapprovinz (Südafrika) eingegliedert wurde.

[5] Das „C-Mandat“ bedeutete, dass die Südafrikanische Union das Gebiet wie einen integralen Bestandteil der Union behandeln durfte; etwa durch die Übertragung aller geltenden Gesetze. Ein Selbstbestimmungsrecht der autochthonen Bevölkerung war nicht vorgesehen.

[6] Die Schreibweise „Toivo ya Toivo“ wurde hier übernommen von Dierks (2000). In anderen Werken findet sich die Schreibweise „Toivo ja Toivo“ (Harneit-Sievers 1985, Katjavivi 1988),

[7] vgl. Dierks 2000.

[8] Marte 1994: 363

[9] Meyns 2000: 67; vgl. auch Vance 1983: 256ff.; Marte 1994: 271

[10] vgl. Dallin 1983: 19ff.

[11] vgl. Barber 1990

[12] Katjavivi 1988: 57

[13] ebd: 59

[14] Für eine lesenswerte Darstellung aus „interner“ Sicht siehe hier auch Nujoma 2001: 143-156. Allerdings muss einschränkend erwähnt werden, dass in Nujomas Autobiographie nach Ansicht mehrerer Rezensoren streckenweise subjektive und selektive Erinnerung über die objektive Wiedergabe von Fakten dominiert. Das gesamte Werk vermittelt über weite Strecken den Eindruck einer Rechtfertigungs- und Propagandaschrift. Dieser Charakter manifestiert sich u.a. an vielen explizit wertenden sprachlichen Elementen und an der offensichtlichen Beschönigung bzw. Auslassung mancher historischer Begebenheiten; etwa in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen durch die SWAPO (vgl. Hunter 2005).

[15] vgl. dazu Barber 1990

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die realpolitische Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Namibia-Konflikt
Untertitel
Zwischen Bemühen und Relevanz
Hochschule
Freie Universität Berlin  (OSI)
Veranstaltung
Deutsch-Südafrikanische Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V76447
ISBN (eBook)
9783638818759
ISBN (Buch)
9783638820448
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Bundesrepublik, Deutschland, Namibia-Konflikt, Deutsch-Südafrikanische, Beziehungen, Vergangenheit, Gegenwart
Arbeit zitieren
Dirk Spilker (Autor:in), 2006, Die realpolitische Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Namibia-Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76447

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