Empowerment in der Gemeinwesenarbeit


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gemeinwesenarbeit – Begrifflichkeiten und Definitionen

3. Geschichte der Gemeinwesenarbeit

4. Empowerment
4.1. Begrifflichkeiten und Definitionen
4.2. Geschichte des Empowerments
4.3. Vier Phasen
4.4. Ressourcenorientierung

5. Empowerment und Gemeinwesenarbeit - Blickrichtungen und Ziele

6. Die Bedeutung für die Soziale Arbeit

7. Resümee

Quellen

1. Einleitung

Schlechte Bausubstanz, wenige bzw. unschöne Grün- und Freiflächen, sowie geringe ökonomische und kulturelle Angebote kennzeichnen das Leben in benachteiligten Wohngebieten. Solche Stadtteile sind oft geprägt von Arbeitslosen, Migranten, Alleinerziehenden, alten Menschen mit geringen Einkommen und Sozialhilfeempfängern. In diesen Quartieren summieren sich Faktoren von sozialer Ungerechtigkeit. Die sozialpolitischen Folgen sind offensichtlich: Vandalismus, Kriminalität, Resignation, geringe Wahlbeteiligung und auch die Zahlen der Jugendhilfeleistungen sind ansteigend. Qualifizierte Menschen ziehen aus diesen Quartieren weg. Dies führt zu einer rasanten Kettenreaktion. Durch den Verlust der Kaufkraft kommt es zu einer Minderung des Kapitals, was wiederum zum Verfall des Wohnraums und der Infrastruktur führt. Aber auch die Verringerung an Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten durch die Präsentation von Normalitätsnormen schränken die Erfahrungswelt weiter ein.

In vielen Städten bzw. in vielen Stadtteilen existieren soziale Spannungen und Probleme. Der Gesamteindruck vermittelt pessimistische Zukunftsperspektiven. Häufigster Auslöser für den Verfall dieser Stadtteile und die Entmischung der Bevölkerungsgruppen ist die Industrialisierung und der damit einhergehende Strukturwandel.

Aus der Psychologie wissen wir, dass das familiäre und auch das soziale Umfeld ein entscheidender Faktor für die Lebensmotivation und den Persönlichkeitszustand darstellt.

Die Wahrnehmung der städtischen Lebenswirklichkeit ist in benachteiligten Stadtteilen besonders von einem Defizitblick sowohl auf das Gebiet, als auch auf die Personen geprägt.

Damit diese Entwicklung nicht weiter voranschreitet, wird es zum zentralen Anliegen der Gesellschaft, das Stadtteilleben als Form des Gemeinwesens wieder aufzubauen. Soziale Kontakte und die Aufwertung des Stadtteils sind zentrale Bestandteile der Lebensqualität.

Zu Beginn dieser Arbeit werden die Gemeinwesenarbeit und ihre Entstehung beleuchtet. Es folgt eine Annäherung an den Begriff und das Verständnis von Empowerment, bevor dann eine Darstellung des Empowerment-Konzepts in seiner Anwendung im Bereich der Gemeinwesenarbeit diese Seminararbeit abschließt.

Die Darstellung rückt für mich besonders folgende Fragen in den Blickpunkt: Welchen Beitrag kann Empowerment in der Gemeinwesenarbeit leisten? Und welche Bedeutung nimmt dabei die Soziale Arbeit ein?

2. Gemeinwesenarbeit – Begrifflichkeiten und Definitionen

In der Fachliteratur wird Gemeinwesenarbeit neben der Einzelfallhilfe und der Gruppenarbeit als dritte Methode der Sozialen Arbeit verstanden, die sich im Gegensatz zu den anderen Methoden „auf ein Quartier, einen Stadtteil und nicht pädagogisch auf einzelne Individuen richtet.“[1] Der Fokus der Gemeinwesenarbeit liegt also nicht beim Klienten, sondern im Gemeinwesen.

Doch was ist ein Gemeinwesen? Weder das Fachlexikon der sozialen Arbeit noch andere Nachschlagewerke geben hier eine eindeutige Definition. Wikipedia.de bezeichnet das Gemeinwesen als einen Sammelbegriff, „der sämtliche gegenwärtigen und historischen Organisationsformen des menschlichen Zusammenlebens bezeichnet die über den Familien-verband hinausgehen.“[2] Die Besonderheit liegt also darin, dass sich aufgrund verschiedener Faktoren ein soziales Gefüge gebildet hat.

Idealtypisch lässt sich das Gemeinwesen territorial (Nachbarschaft, Straße, Wohnblock, Stadtteil, Dorf, Gemeinde), kategorial (nach spezifischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Lebenssituation, Nationalität etc.) und funktional (nach Problemlagen) differenzieren.

Gemeinwesenarbeit setzt an dem Ort an, wo Menschen mit ihren sozialen Problemlagen und Konflikten zu finden sind. Man geht davon aus, dass individuelle soziale Problemlagen im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Strukturen und Rahmenbedingungen stehen. Daher geht es in der Gemeinwesenarbeit um die Linderung, Verhinderung oder Beseitigung der Probleme von Menschen, die zusammen in einem Gemeinwesen leben. Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität, die Bearbeitung von sozialen Konflikten und die Beteiligung von benachteiligten Menschen in einem Gemeinwesen. Funktionierende soziale Netze führen laut der Netzwerkforschung zur Verminderung von Belastungssituationen.

GemeinwesenarbeiterInnen werden besonders in „sozialen Brennpunkten“ mit vielfältigen Problemen und einem entsprechenden Konfliktpotential eingesetzt, zum Beispiel in Wohnquartieren mit multi-kultureller Einwohnerschaft, in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit oder in den so genannten „Stadtteilen mir besonderem Entwicklungsbedarf“. Die Arbeit orientiert sich an den Lebenswelten der BewohnerInnen und greift Probleme auf, die von den Menschen selbst für wichtig gehalten werden und nicht nur die Probleme, die von außen als solche definiert werden.

Gemeinwesenarbeit versucht die Menschen dabei zu unterstützen, dass sie ihre Anliegen selbst besser vertreten. Zentraler Bestandteil ist dafür die Aktivierung der Menschen. Die Gemeinwesenarbeit unterstützt die BürgerInnen, denen nicht ausreichend Ressourcen dafür zur Verfügung stehen. Da die Problemlagen sehr weitläufig sind, ist eine Verknüpfung der sozialen Ziele mit ökonomischen, räumlichen, baulichen und auch kulturellen Zielen von besonderer Bedeutung.

Abschließend ist zu bemerken, dass Gemeinwesenarbeit auch ein Handlungsansatz sein kann, z.B. im bürgerschaftlichen Engagement. Von der Methode Gemeinwesenarbeit wird jedoch vorwiegend dann gesprochen, wenn SozialberuflerInnen den Prozess begleiten.[3]

3. Geschichte der Gemeinwesenarbeit

Die Wurzeln der Gemeinwesenarbeit reichen zurück bis ins vorherige Jahrhundert.

Die problematischen Auswirkungen der Industriellen Revolution zeigten sich in Landflucht, Verelendung und Arbeitslosigkeit. Unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen leisteten Männer, Frauen und auch Kinder schlecht bezahlte Arbeit. Vor allem durch die Wirtschaftskrisen lebten viele in Armut und unter unerträglichen Bedingungen. Massenstreiks waren die Folge, die um so schlimmere Auswirkungen hatten, da es noch so gut wie keine Institutionen gab, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Elend bzw. die sozialen Spannungen zu bekämpfen. Die damalige Situation zwang die Gesellschaft förmlich zur Einrichtung von Wohlfahrtseinrichtungen, die von „Community Organizations“ koordiniert wurden.

In Großbritannien setzte die Industrialisierung zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuerst ein. Die dadurch entstandenen sozialen Probleme für die proletarische Unterschicht, welche als „Soziale Frage“ bezeichnet wird, lies auch Vertreter der Mittel- und Oberschicht nicht unberührt. Studenten und junge Akademiker aus England versuchten aus religiösen und humanitären Motiven heraus mit den Menschen in Armen- und Arbeitervierteln zu leben und zu arbeiten. 1884 wurde das erste Settlement (settle = sich niederlassen), die Toynbee Hall gegründet. Die Idee war, dass Gebildete der Mittelschicht zum Proletariat ziehen und dort soziale Hilfe anbieten. Da Wohn-, Gesundheits- und Bildungswesen der Leute unterentwickelt waren, wollten die Settler mit Vorlesungen, Bildungsangeboten und Gemeinschaftsarbeit ihr Wissen an die Unterprivilegierten weitergeben. Man ging davon aus, dass es zu einer Emanzipation des Proletariats und zu einer Bewusstseinsänderung der Mittelschicht führen würde. In wenigen Jahrzehnten wuchs die „Settlement-Bewegung“ heran und feierte in den USA weitere Erfolge. 1889 gründete Jane Addams dass „Hull House“ in den Slums von Chicago.

Als radikal verstand sich zu dieser Zeit der in den Slums von Chicago geborene Sohn russischer Immigranten, Saul Alinsky. Er studierte in Chicago, kannte aber durch seine Herkunft das Elend der Benachteiligten. Anstatt Mitleid zu haben, appellierte er an das Eigeninteresse der SlumbewohnerInnen. Sie sollten sich organisieren, damit sie gemeinsam Druck ausübten, um so die Lebensbedingungen zu verbessern. Alinsky verstand sich dabei als Organisator zahlreicher Bürgerorganisationen.

In Deutschland entstand die Gemeinwesenarbeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Form der Settlementarbeit. 1901 wurde das erste Nachbarschaftsheim in Deutschland, das Volksheim Hamburg, gegründet. Ein weiterer Vorläufer der Gemeinwesenarbeit in Deutschland war die 1911 vom Theologen Friedrich Sigmund-Schultze gegründete Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost. Weitere Arbeitsgemeinschaften und Volksheime folgten, die sich 1925 zur „Deutschen Vereinigung der Nachbarschaftssiedlungen“ zusammenschlossen. Obwohl sich diese Bewegung rasch ausbreitete, kann sie aufgrund der geringen Zahl und ihrem begrenzten Einfluss nicht mit der Settlement-Bewegung in England verglichen werden. Charakteristisch für die Nachbarschaftsheime ist ihre Bildungsarbeit, so z. B. Volkshochschulkurse für Arbeitslose. In den 30er Jahren schlossen die Nationalsozialisten alle Nachbarschaftshäuser. Dies war jedoch nicht das Ende der Gemeinwesenarbeit. So fremd es einem im ersten Moment erscheinen mag, die Nationalsozialisten übernahmen diese Methode der Sozialen Arbeit und modifizierten sie für ihre Zwecke. Ausdruck fand das ganze in der Unterteilung aller Städte und Dörfer in kleine territoriale Einheiten, die so genannten Blocks und Zellen. Ein Block umfasste 40 bis 60 Haushalte, eine Zelle 4 bis 8 Blöcke. Neben Spitzel- und Kontrolldiensten für die NSDAP waren die jeweiligen Leiter auch für die Freizeitgestaltung der Menschen in ihrem Bereich und als Mittler zwischen den verschiedenen sozialen Schichten tätig.

Nach 1945 wurden durch Unterstützung der Besatzungsmächte erneut Nachbarschaftsheime aufgebaut, um die Kriegsfolgen der Bevölkerung zu lindern.

Die Soziale Arbeit hatte in den 50er und 60er Jahren einen rein fürsorglichen Charakter.

Einige Jahre später zeigten die erste case- und group-work-Methoden aus Amerika Wirkung. Es wurde deutlich, dass die Nachbarschaftsheime allmählich nicht mehr der Realität gerecht werden konnten, weil der Begriff ,,Nachbarschaft" vor allem durch das zwangsweise Auf- und Nebeneinanderwohnen in Flüchtlingslagern nicht mehr die Bedeutung wie in den Jahren vor dem Krieg hatte.

Ende der 60er Jahre ging der Aufschwung des Wirtschaftswunders in Deutschland zu Ende, es kam zu einer Wirtschaftskrise. Diese führte zu einer Häufung sozialer Probleme, vor allem in Obdachquartieren, Sanierungsgebieten und Trabantenstädten am Rande der Stadt, den sozialen Brennpunkten. Mit den vorhandenen Methoden der Einzelfallhilfe und der Gruppenarbeit war die soziale Arbeit nun überfordert. Die Probleme waren nicht mehr individueller, sondern gesamtgesellschaftlicher Art. Elende Wohnsituationen, anonyme Hochhaussiedlungen, hohe Mieten, unsichere Perspektiven bestimmten die Zeit. In dieser Situation entstand in der Bundesrepublik aus der Übersetzung der amerikanischen „community work“ die Gemeinwesenarbeit. Sie hatte das Ziel, die benachteiligten Quartiere zu einem Gemeinwesen zu entwickeln, indem sie Bewohner aktiviert, unterstützt und die materielle und infrastrukturelle Ausstattung der Quartiere fördert. Dementsprechend erlebte die Gemeinwesenarbeit ihre Blütezeit in der sozialverträglichen Gestaltung und Sanierung von Brennpunktgebieten und Neubausiedlungen. Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt war die Obdachlosenarbeit. Durch die nach der Wirtschaftskrise entstehende Wohnraumnot waren die Gemeinwesenarbeiter aufgerufen, Gemeinschaftsunterkünfte zu organisieren und therapeutische Hilfen für die Betroffenen anzubieten.[4]

[...]


[1] Vgl. Oelschlägel 2002, S. 382.

[2] Wikipedia.de: http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinwesen, 15.08.06.

[3] Vgl. Schnee, Stoik 2002, S. 2 ff.

[4] Vgl. Schnee o.J., S. 10 ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Empowerment in der Gemeinwesenarbeit
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V76316
ISBN (eBook)
9783638805575
ISBN (Buch)
9783638806978
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Empowerment, Gemeinwesenarbeit
Arbeit zitieren
Daniela Friedrich (Autor:in), 2006, Empowerment in der Gemeinwesenarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76316

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