Die Rentenreform von 1957 und die Folgen


Seminararbeit, 2005

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Rentenreform von 1957
1.1 Ausgangslage
1.2 Die Inhalte der Reform
1.3 Kritik der Opposition und der Wirtschaft
1.4 Finanzierung

2. Probleme der Finanzierung
2.1. Demographische Entwicklung Deutschlands
2.2. Problem der wirtschaftlichen Lage und Arbeitslosigkeit
2.3. Die Wiedervereinigung als Schwächung der Renten

3. Die Rentenreformen seit 1957
3.1 Die Rentenreform von 1972
3.2. Ausblick: Die 92er Reform und die GRV heute
3.3. Der Wohlstand der Rentner und die wirtschaftliche Situation heute

4. Die Renten im internationalen Vergleich
4.1 Das Rentensystem in Großbritannien
4.2 Das Rentensystem der Schweiz
4.3 Das Rentensystem der USA

Fazit

Literatur

Einleitung

„Das Streben nach Linderung der Not, nach sozialer Gerechtigkeit, wird der oberste Leitstern bei unserer gesamten Arbeit sein.“[1]

Das versicherte Konrad Adenauer in seiner Regierungserklärung von 1949. Er wusste genau, dass die Ziele, die er sich für seine Amtszeit setzte, nur zu erreichen waren, wenn die Innenpolitik funktionierte. Gerade zu der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verlangten die Menschen soziale Sicherheit und Vertrauen in den Staat. Doch obwohl Adenauer mit der Rentenreform einen bedeutenden sozialpolitischen Schritt machte, war er nicht der erste, der den Deutschen eine soziale Alterssicherung versprach. Vor ihm war Otto von Bismarck der Mann, der 1889 den Grundstein der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) legte. Bismarck führte damals das System der Alterssicherung ein, was allerdings eher ein minimaler finanzieller Zuschuss bei Erwerbsunfähigkeit, und nicht, wie wir es heute kennen, die Sicherung des Lebensunterhalts darstellte. Die Rentenreform von 1957 brachte allerdings beträchtliche Änderungen mit sich. Die bereits bestehende Alterssicherung basierte auf der GRV Bismarcks und wurde über den Zeitraum von fast 70 Jahren immer wieder minimal geändert und den Umstände der Zeit angepasst.

Nach langen Debatten verabschiedete der Bundestag im Januar 1957 das Rentenreformgesetz, das damals von den Arbeitern und Senioren hoch bejubelt war und uns heute den Kopf zerbricht. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das System der Alterssicherung immer mehr zu einem defekten Mechanismus.

In dieser Arbeit sollen einführend die Änderungen der Rentenreform im Vergleich zur „Bismarck-Rente“ dargestellt werden. Die Hauptunterschiede belaufen sich auf die Form der Finanzierung, die Höhe und die Dynamisierung der Rentenbezüge. Nachfolgend sollen diese Punkte erklärt werden. Tatsache ist, dass Adenauers Hintergedanken bei einer solchen Sozialreform natürlich auch machtpolitische und wahltaktische waren. Die Gründe, die er öffentlich für die Rentenreform nannte waren folgende: „Sicherung des inneren sozialen Friedens, Immunisierung der Bevölkerung gegen kommunistische Agitation und Attraktivität der Bundesrepublik gegenüber der DDR.“[2] Die Gründe aber, die er nicht offiziell nannte, die ihm persönlich aber am Meisten am Herzen lagen waren andere: Adenauer wusste ganz genau, dass man die Wählerschaft eher mit einem sozialpolitischen Thema, als zum Beispiel ein Thema wie die Wehrfrage gewinnen kann. Tatsächlich war es dann auch so, dass die CDU/CSU bei der anschließende Wahl zum 3. Bundestag, enorme Zuwächse in den Wahlergebnissen und die absolute Mehrheit erreichte.[3]

Doch waren das die Gründe für das Scheitern der GRV? Konnte man damals voraussehen, in welche Richtung sich die Bevölkerung und die Wirtschaft entwickeln würden?

Der wohl wichtigste Punkt ist außerdem das Problem der Finanzierung der Renten. Nun stellt sich die Frage, was ist der Grund dafür, dass das Rentensystem heute nicht mehr funktioniert? Welche wirtschaftlichen und demographischen Gründe gibt es hierfür? Würde die Situation heute anders aussehen, wenn man damals eine andere Methode zur Finanzierung der GRV gewählt hätte?

Mit diesen Fragen hat sich die Regierung im Laufe der Jahre immer wieder auseinander gesetzt. Die Konsequenz waren mehrere kleine und einige große Rentenreformen, auf die ich im letzten Teil meiner Arbeit ebenso eingehen möchte.

1. Die Rentenreform von 1957

1.1 Ausgangslage

Deutschland war das erste Land, das die gesetzliche Rentenversicherung einführte, denn schon 1889 verabschiedete der Reichstag das erste deutsche Invaliditäts- und Alterssicherungsgesetz.[4] Mit Einführung dieses Gesetzes stand Rentnern ab dem 70. Lebensjahr eine kleine finanzielle Unterstützung zu, welche mit den Beiträgen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert wurden. In diesem Gesetz war festgelegt, dass jeder Arbeiter zwischen 16 und 70 Jahren einen Beitragssatz von 1,7 % zu zahlen hatte. Der Arbeitnehmer, egal in welcher Branche er beschäftigt war, hatte erst mit der Vollendung des 70. Lebensjahres (und 30-jähriger Beitragszeit) Anspruch auf Rente. Da aber die durchschnittliche Lebenserwartung nur bei ca. 40 Jahren lag, kam kaum jemand in den Genuss der Rente. Wer aber Ansprüche auf Altersrente hatte, bekam lediglich einen kleinen finanziellen Zuschuss, der kaum zum Überleben reichte.

Diese Grundform der sozialen Sicherung wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg beibehalten. In der Zeit zwischen 1889 und 1957 wurde das Gesetz mehrere Male, allerdings immer auf das Rentengesetz Bismarcks basierend, geändert und der sozialen Situation angepasst. Zum Beispiel wurde erst 1916 die Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt. Bis dahin hatte das Rentensystem auch gut funktioniert, denn es gab kaum Rentner und eine insgesamt gute Beschäftigungslage. Mit der großen Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg entstanden erstmals große Beitragsausfälle, während aber die Rentenansprüche, vor allem die für die Hinterbliebenenrente, immer weiter stiegen. Inflation, Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und der zweite Weltkrieg schwächten das System der Rentenversicherung immer wieder und erforderten bis zur Rentenreform 1957 immer wieder Überarbeitungen.[5]

1.2 Die Inhalte der Reform

Bis 1957 konnte ein Arbeitnehmer nicht von dem Zuschuss leben, den ihm der Sozialstaat als Rente gewährte. Ein Arbeiter, der ein monatliches Einkommen zwischen 350 und 550 Reichsmark hatte, bekam gerade mal 11,25 Mark Rente[6]. Mit der Reform von 1957 änderte sich folgendes: Die Renten stellten nicht länger nur einen Zuschuss dar, sondern eine Sicherung des Lebensunterhalts.

Im Grundgesetz heißt es, die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Und mit dem Ziel, die Bedingungen dieses Sozialstaates zu erfüllen, machte sich die Adenauer- Regierung daran, die Sozialversicherung und die Rentenversicherung grundlegend zu reformieren. Die primären Ziele der Sozialpolitik der Nachkriegszeit waren die Linderung der Armut, die Erneuerung der Arbeitslosenversicherung, die Flüchtlings- und Vertriebenenhilfe und eben auch die soziale Sicherung durch Rentenversicherung und Sozialversicherung. Die Renten wurden an die Bruttolöhne der Arbeiter angepasst und wuchsen mit dem Lohnniveau mit, d.h. die Renten wurden dynamisiert. Gerade dieser Punkt führte zu heftigen Diskussionen im Bundestag und in der Öffentlichkeit. Der Hintergedanke bei der Idee der Dynamisierung war der, dass „das Rentenniveau der allgemeinen Lohnentwicklung angepasst“ war und es „den Rentnern ermöglicht wurde, ihren Lebensstandard auch im Alter zu halten.“[7]

Des Weiteren stand auch eine Änderung der Finanzierung außer Frage: Die Rentenbezüge sollten nicht mehr über das Kapitaldeckungsverfahren, sondern über ein Abschnittsdeckungsverfahren (und später über das Umlageverfahren) finanziert werden.

Einen weitere Neuerung der Reform war die grundsätzliche Erhöhung der Rentenbezüge: Im Durchschnitt wurde die Rente um 65 % erhöht, was, wie schon erwähnt, die Sicherstellung des Lebensunterhalts bedeutete.[8]

Zudem wurde auch die Alterssicherung von der Versicherung wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit getrennt. Außerdem wurden auch einige Veränderungen in der Witwen- und Hinterbliebenenrente durchgeführt, auf die ich aber nicht genauer eingehen werde, da ich in meiner Arbeit hauptsächlich die Altersrente behandeln möchte.

1.3 Kritik der Opposition und der Wirtschaft

Schon allein die Tatsache, dass sich die Regierung während der Verhandlungen in unzählige Diskussionen verstrickte, weist darauf hin, dass es sehr viele Kritiker der Reform gab. Bereits zu Beginn der 50er Jahre war das Thema Rente Kerninhalt der sozialpolitischen Diskussionen. Da aber lange keine Einigungen erzielt werden konnten, veranlasste Adenauer 1955 die Bildung eines Sozialkabinetts, das wiederum zwei weitere Jahre brauchte, um dem Bundestag einen Reformentwurf vorzulegen.[9]

Ludwig Erhard übte hefige Kritik an Adenauers Plänen zur Rentenreform, denn Erhard war der Meinung, dass die Rente den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft widerspreche und sich der Wohlstand, also auch der Wohlstand im Alter, nicht über den Staat regeln solle. Man wollte also die soziale Sicherheit und Verteilungsgerechtigkeit über den Markt und nicht über ein Versicherungssystem erreichen.[10]

Der größte Teil der deutschen Wirtschaftsverbände und Wirtschaftswissenschaftler sahen hauptsächlich Risiken in der von Adenauer geplanten dynamischen Rente und befürchteten die Gefährdung der Währungsstabilität und die Beeinträchtigung der privaten Kapitaldeckung.[11]

Auch das Finanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium waren entschiedene Gegner der Reform und befürchteten das, was Jahre später wirklich eintreffen sollte, nämlich die langfristige Unfinanzierbarkeit. Doch Adenauer schaffte es aufgrund eines langen, verbissenen Kampfes „seine“ Reform gegen die Proteste der deutschen Wirtschaft und gegen die Stimmen des Koalitionspartners FDP und DP und mit den wenig überzeugten Stimmen der CDU/CSU durch zu setzten.[12]

1.4 Finanzierung

Es gibt mehrere Möglichkeiten ein staatliches Versicherungssystem zu finanzieren. Die gängigsten Verfahren sind das Kapitaldeckungsverfahren und das Umlageverfahren. Die GRV wie Bismarck sie eingeführt hatte, funktionierte mit dem Kapitaldeckungsverfahren. Bei diesem Verfahren werden die Beiträge jedes Arbeitnehmers zu einem individuellen Vermögensbestand angespart, mit dem später dann die Versicherungsleistungen inklusive Zinsen und Zinseszinsen finanziert werden.[13]

Die Gründe, warum dieses Verfahren bei der Reform von 1957 nicht übernommen wurde, waren die schlechten wirtschaftlichen Erfahrungen, die man bis dahin gemachte hatte und die daraus resultierenden Nachteile eines solchen Verfahrens: Zum einen unterliegt die Kapitalansammlung wirtschaftlichen Schwankungen und könnte durch Inflation, wie 1923 oder der Währungsreform 1948, beeinflusst werden und dadurch verloren gehen. Ebenso können konjunkturelle Defizite entstehen, z.B. bei einer hohen Arbeitslosenquote.

Zum anderen würden über einen bestimmten Zeitraum Beträge erhoben, aber noch keine Beiträge gezahlt werden.[14] Dafür müsste nun komplett der Staat aufkommen.

Aus diesen Gründen entschied man sich 1957 zu einem anderen Verfahren, das Abschnittsdeckungsverfahren[15], das dann 1969 durch das Umlageverfahren abgelöst wurde. Diese Form der Finanzierung beruht auf den so genannten „Generationenvertrag“. Das heißt, die Beiträge, die die Arbeitnehmer bezahlen, werden nicht angespart, sondern sofort den Rentnern ausgezahlt. Die Versicherungsträger bestreiten die Leistungen eines Jahres also mit den Einnahmen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich die Beitragssätze zur Hälfte teilen, und den Bundeszuschüssen desselben Jahres.[16] Ein Kapitalstock wird nicht angespart, es gibt lediglich eine Schwankungsreserve aus den überschüssigen Einnahmen, die langjährige Defizite ausgleichen soll.[17] Im Gegenzug dafür, sollen die Renten der jetzigen Zahlern mit den Beiträgen der Arbeitnehmer der nächsten Generation getragen werden.

Dieses System funktioniert so lange, wie die Zahl der Zahlenden und die Zahl der Empfänger ausgeglichen ist. Doch aus welchem Grund funktioniert dieses System heute nicht mehr? Welche Faktoren spielen für das Scheitern des Systems eine Rolle? Konnte man diese Probleme nicht voraussehen? Und: Kann man das Finanzierungsverfahren noch ändern oder stecken wir in einem Kreislauf, der nicht zu unterbrechen ist?

[...]


[1] Schwarz, Hans-Peter: Reden S.

[2] Schwarz, Hans-Peter, Der Staatsmann, S. 283

[3] Vgl. Schwarz: Der Staatsmann, S. 282

[4] Vgl. Borgmann, Christoph, S. 87

[5] Vgl. URL: http://www.quarks.de und Döring, Diether, S. 15ff

[6] URL: http://www.quarks.de

[7] Schmeisser, Wilhelm/ Bischoff, Birgit, S. 3

[8] Frerich, Johannes/ Frey, Martin, S.48

[9] Vgl. Frerich/Frey, S.48 ff

[10] Vgl. Sontheimer, Kurt S. 81 ff

[11] Vgl. Schwarz, Der Staatsmann, S. 284

[12] Vgl. Schwarz, Der Staatsmann, S. 282 f

[13] Vgl. URL: http://www.quarks.de

[14] Vgl. Nolte, Detlev, S. 30

[15] Beim Abschnittsdeckungsverfahren wurde der Beitragssatz so bemessen, dass in einem gewissen Zeitabschnitt die Einnahmen die Ausgaben deckten und außerdem am Ende dieses Abschnittes eine Rücklage vorhanden war, die der Höhe der Ausgaben des letzten Zeitabschnitts entsprach (Vgl. Nolte S. 32)

[16] Vgl. URL: http://www.quarks.de

[17] Schmeisser/Bischoff, S. 9 f

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Rentenreform von 1957 und die Folgen
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik bis 1990
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V76252
ISBN (eBook)
9783638817059
ISBN (Buch)
9783638818179
Dateigröße
710 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rentenreform, Folgen, Wirtschaftspolitik, Bundesrepublik, 1957, Rente
Arbeit zitieren
Franziska Kraus (Autor:in), 2005, Die Rentenreform von 1957 und die Folgen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76252

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