Das Konzept Bürgerstiftung


Seminararbeit, 2006

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Motivlagen des Stiftens und Handlungssphäre
2.1 Die Tradition des Stiftens – Pietismus und Philanthropie
2.2 Zivilgesellschaft und Dritter Sektor

3 Geschichte
3.1 USA und Kanada
3.2 Internationale Entwicklung

4 Was ist eine Bürgerstiftung?
4.1 Kriterien einer Bürgerstiftung
4.2 unterschied zu anderen Assoziationen des Dritten Sektors

5 Bürgerstiftungen in Deutschland
5.1 Entwicklung
5.2 Die Bürgerstiftung Dresden
5.2.1 Gründung und Stiftungskapital
5.2.2 Organisation
5.2.3 Ziele und Stiftungszweck
5.2.4 Erste Aktion
5.2.5 Ehrenamtspass und Würdigungskonzept
5.2.6 Weitere Projekte

6 Fazit und Ausblick

7 Quellen
7.1 Literatur
7.2 Internet

8 Anhang

9 Abbildungen

1 Einleitung

Bürgerstiftungen gibt es in Deutschland erst seit den späten 1990er Jahren. Den ersten Gründungen im Jahr 1996 folgten in fast Schwindel erregendem Tempo immer mehr nach, so dass es 2005 deutschlandweit bereits 94 Bürgerstiftungen gab.[1] Und der Trend setzt sich fort. Diese Entwicklung möchte ich zum Anlass nehmen, das Modell Bürgerstiftung näher zu untersuchen. Was sind Bürgerstiftungen, woher kommen sie, welche gesellschaftlichen Funktionen übernehmen sie und was machen Bürgerstiftungen eigentlich?

Um diese und noch andere Fragen zu klären, werde ich, nach einem kurzen theoretischen Exkurs zur Philanthropie und zur Zivilgesellschaft, zunächst auf die schon früh im 19. Jahrhundert entstandenen Community Foundations in Nordamerika eingehen und auf die Ausbreitung der Community Foundations von den USA unter anderem nach Europa. Ich werde klären, was eine Bürgerstiftung von anderen Stiftungen, aber auch von Bürgervereinen und Initiativen unterscheidet. Später werde ich insbesondere auf die Entwicklung in Deutschland zu sprechen kommen.[2] Schließlich werde ich anhand der Bürgerstiftung Dresden die praktische Arbeit einer Bürgerstiftung exemplarisch darstellen und einige Aspekte der Organisation von Bürgerstiftungen in Deutschland kritisch beleuchten.

Bei den Recherchen zu dieser Hausarbeit stellte sich heraus, dass wissenschaftliche Publikationen zum Thema äußerst rar sind. So beziehe ich mich hauptsächlich auf Veröffentlichungen von Stiftungen und hier besonders auf im Internet zur Verfügung gestellte Informationen. Des Weiteren nähere ich mich dem Thema über Umwege, d.h. ich ziehe themennahe Publikationen zu Rate. Dies erfordert auf der einen Seite eine kritische Herangehensweise, auf der anderen Seite bin ich so darauf angewiesen, immer wieder eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.

2 Motivlagen des Stiftens und Handlungssphäre

2.1 Die Tradition des Stiftens – Pietismus und Philanthropie

„Den konstitutiven Wertebezug stifterischen Handelns stellt [... ] die Gemeinwohlorientierung dar.“[3]

Den Pietismus vertreten religiös motivierte Stifter. Ihr Ziel ist es, christliche Werte weiterzugeben und zu leben. Das karitative Moment und Handeln aus Mitleid stehen dabei häufig im Mittelpunkt. Auch heute wird, vor allem in den USA, ein Großteil des Engagements in den Gemeinden auf religiöse Motive zurückgeführt.[4] An dieser Stelle allerdings, da hier vor allem die Dresdner Bürgerstiftung eine Rolle spielen wird, soll insbesondere das philanthropische Motiv beleuchtet werden. Die Philanthropie, wie wir sie heute noch kennen, hat ihren Ursprung in Europa. Sie wurde von England und Deutschland im 19. Jahrhundert nach Nordamerika (nach Kanada und in die Vereinigten Staaten) exportiert, um von dort später wieder reimportiert zu werden.

Thomas Adam definiert Philanthropie als „Prozeß der Bereitstellung finanzieller, materieller und ideeller Ressourcen für öffentliche kulturelle, soziale und Bildungseinrichtungen durch wohlhabende Bürger der Stadt.“[5]

Die bis zu 2000 Jahre zurückreichende Tradition der Philanthropie erfuhr im 19. Jahrhundert durch die Aufklärung und eine veränderte soziale Lage der Bevölkerung junger Industrienationen (durch Verstädterung entstandene Wohnungsnot etc.) eine Umdeutung der zu vermittelnden Werte. Denn eines der Motive des sozialen Engagements reicher Bürger, neben dem altruistischen, ist die Vermittlung eigener Werte. Ein weiteres Motiv des philanthropischen Handelns der Bürger im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert war ihre eigene Integration in das kulturelle Leben der Stadt und der Anspruch auf politische Vorrechte gegenüber weniger Bemittelten. Es gab zahlreiche Versuche „den Ausschluß der Unterschichten von der politischen Partizipation zu erlangen“[6] Doch dies sei nur am Rande erwähnt. Philanthropie hatte und hat mit seinen unterschiedlichen Institutionen (Stiftungen, Genossenschaften, etc.), also eine ordnungsstiftende, wertestabilisierende und integrative Funktion für die Gemeinde. Heute sind in Deutschland über 90% aller Stiftungen gemeinnützig orientiert. Partizipation, Interkulturalität, Bildung, Integration, Erhalt und Förderung der Kultur sind einige der Schwerpunktthemen.

2.2 Zivilgesellschaft und Dritter Sektor

„Das Konzept der Zivilgesellschaft zielt [... ] auf eine vorstaatliche Handlungssphäre, die aus einer Vielzahl pluraler, freiwillig begründeter Organisationen besteht, die ihre normativen und materiellen Interessen wiederum autonom artikulieren und organisieren, wobei insbesondere die Prinzipien der Anerkennung des anderen (Toleranz), der Fairness wie auch der Gewaltfreiheit den normativen Grundkonsens zivilgesellschaftlicher Arrangements umreißt.“[7]

Sigmund spricht von der Wiederentdeckung des Konzeptes der Zivilgesellschaft in den 1990er Jahren, also in jener Zeit, in der auch Bürgerstiftungen in Europa zunehmend eine gesellschaftliche Rolle übernehmen. Er führt das neu geweckte Interesse an diesem Konzept zum einen auf die Transformationsprozesse im ‚Ostblock’ zurück und dem damit einhergehenden Bedürfnis nach Neuorientierung und zum anderen auf ein wachsendes Misstrauen gegenüber dem Staat, welches eine Suche nach neuen, nämlich zivilen, Akteuren zur Folge hat. Diese Handlungssphäre jenseits von Markt und Staat, welche von einer aktiven Bürgerschaft getragen wird, bildet der so genannte Dritte Sektor mit seinem freien Vereins- und Assoziationswesen, den intermediären Institutionen.[8] Stiftungen sind intermediäre Institutionen. „Sie gehören zu den ältesten Instrumenten bürgerschaftlichen Handelns, sie dienen weder den Interessen des Staates noch denen einzelner Personen, sondern strukturieren einige der wenigen gesellschaftlichen Räume, in denen sich verantwortliches, privates, auf das Gemeinwohl hin orientiertes Engagement organisieren lässt.“[9]

3 Geschichte

3.1 USA und Kanada

Die erste Community Foundation wurde 1914 in Cleveland, Ohio gegründet.

Der Gründer Frederick H. Goff, ein bekannter Rechtsanwalt und Bankier, hatte die Vorstellung, dass durch das gemeinsame Anlegen von Geld in eine Stiftung vieler auch nicht so vermögender Bürger, sie ihrer philanthropischen Neigung nachkommen könnten und sie effektiv gemeinnützige Arbeit in der Gemeinde leisten könnten. Dass man gemeinsam mehr erreichen kann als durch die Leistungen der Einzelnen ist die Idee, die dahinter steht. Gleichzeitig sah er das Stiftungskapital als Garant dafür, dass sich die Community Foundation auch auf lange Sicht den sich verändernden Bedürfnissen und Problemen der Gemeinschaft flexibel anpassen könnte.[10]

In den darauf folgenden Jahrzehnten folgten diesem Beispiel viele weitere Gemeinden in den USA. 1949 kam es dann bereits zum Zusammenschluss des nationalen Mitgliederverbandes. Die Zahl der Neugründungen stieg weiterhin stetig an. Im Jahr 1989 gab es bereits 250, im Jahr 1997 dann schon 547 Community Foundations mit einem Stiftungskapital von 21 Mrd. $. Heute sind es etwa 650 Stiftungen allein in der Vereinigten Staaten.[11]

Die erste Community Foundation in Kanada wurde 1921 in Winnipeg errichtet. Es folgten zwar bald weitere, doch erst ab 1990 kam es zu einer Vielzahl von Neugründungen. Dementsprechend kam es auch erst 1992 zum Zusammenschluss des nationalen Mitgliederverbandes.[12]

3.2 Internationale Entwicklung

Erst 1979 schaffte es das Konzept der Community Foundation auch nach Europa. In jenem Jahr wurde eine erste europäische Bürgerstiftung in Nordirland gegründet. 1999 gab es dort dann bereits 20 solcher Stiftungen und 30 weitere in England.

Die Idee hat mittlerweile international Anklang gefunden. So gibt es heute in anwachsender Zahl Community Foundations in Großbritannien, Italien, Südafrika, Osteuropa (Bulgarien, Polen, Slowakei, Tschechien) und in Deutschland.

Seit den 1990er Jahren existieren bereits einige Bürgerstiftungen in Japan, Australien, Neuseeland und schließlich auch in Südafrika. Zudem gibt es in all diesen Ländern zahlreiche Bestrebungen für Neugründungen.[13]

4 Was ist eine Bürgerstiftung?

„Eine Bürgerstiftung ist eine selbständige und unabhängige Institution zur Förderung verschiedener gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke in einem geographisch begrenzten, d.h. lokalen oder regionalen Wirkungsraum, die

einen langfristigen Vermögensaufbau betreibt und ihre Organisationsstruktur und Mittelvergabe transparent macht.“[14]

Einfach ausgedrückt stellt „eine Bürgerstiftung den direkten Brückenschlag zwischen den vorhandenen finanziellen Mitteln und konkreten Bedürfnissen in einem Gemeinwesen“ her, „um dessen Lebensqualität zu verbessern.“[15]

Um aber zu begreifen, was eine Bürgerstiftung tatsächlich ausmacht, ist eine detaillierte Erklärung notwendig. Bürgerstiftungen sprechen eine möglichst große Zahl von Bürgern und auch Unternehmen aus der Region an. Unter diesem Dach sollen die Menschen ihre Beiträge zum Gemeinwohl leisten können, indem sie ihre spezifischen Interessen an der Gemeinde, ihre Fähigkeiten und ihre finanziellen Möglichkeiten bündeln. Für die Interessen der einzelnen Stifter können zum Beispiel spezielle Fonds gegründet werden, aus welchen Projekte, die einen bestimmten gewünschten Schwerpunkt haben gefördert werden. Grundsätzlich sind Bürgerstiftungen in einem weiten Spektrum aktiv, wobei sie einen eher defizitären Anspruch verfolgen. D.h., dass sie dort fördern, unterstützen und initiieren, wo staatliche Förderung eben nicht greift.

Weiterhin versuchen sie, möglichst viele Menschen zu ermutigen selbst für ihre Gemeinde aktiv zu werden, indem sie eine intensive Öffentlichkeitsarbeit betreiben, ihren Geschäftsbetrieb möglichst transparent gestalten und viele Bürger einerseits in die Entscheidungsprozesse und andererseits in die Projekt- und Stiftungsarbeit mit einzubeziehen.

4.1 Kriterien einer Bürgerstiftung

Auf der 56. Jahrestagung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen Im Mai 2000 entwickelte und verabschiedete der Arbeitskreis Bürgerstiftungen 10 Merkmale einer Bürgerstiftung, welche der Qualitätssicherung dienen sollten:

1) Gemeinnützigkeit: Eine Bürgerstiftung will das Gemeinwesen stärken und versteht sich als Element einer selbstbestimmten Bürgergesellschaft. Eine Bürgerstiftung ist immer gemeinnützig.
2) Stiftergemeinschaft: in der Regel wird eine Bürgerstiftung von mehreren Stiftern (Privatpersonen, Institutionen) gemeinsam errichtet.
3) Unabhängigkeit: Eine Bürgerstiftung ist wirtschaftlich und politisch unabhängig. Sie ist auch nicht konfessionell und parteipolitisch gebunden oder beeinflussbar.
4) Geographische Ausrichtung: Das Aktionsgebiet einer Bürgerstiftung ist geographisch auf eine bestimmte Region beschränkt.
5) Stiftungskapital: Das Stiftungskapital wird kontinuierlich aufgebaut. Dabei gibt eine Bürgerstiftung Bürgern die Möglichkeit einer Zustiftung, sammelt Projektspenden und kann Unterstiftungen und Fonds einrichten.

[...]


[1] Mehr dazu in Kapitel 5.1.

[2] Der Begriff „Community Foundation“ lässt sich im Deutschen nicht eins zu eins vermitteln. Community, was soviel heißt wie Gemeinde oder Gemeinschaft wird im Deutschen mit dem Wort Bürger ersetzt, was allerdings bereits eine inhaltliche Verschiebung bedeutet, die wiederum deutlich die kulturellen Diskrepanzen des Verständnissen der Bedeutung von sozialem Engagement in der Kommune hervorhebt.

[3] Sigmund, S. 340

[4] Vgl.: Adloff/Sigmund, S. 212

[5] Adam, S. 55

[6] Adam, S. 78

[7] Sigmund, S. 337

[8] Vgl.: Sigmund S.334f

[9] Sigmund, S. 335

[10] Vgl.: www.buergerstiftung.de, 07.07.06, 14.00 Uhr

[11] Vgl.: Feurt, S. 144f

[12] Vgl.: ebd.

[13] Vgl.: ebd.

[14] www.die-deutschen-buergerstiftungen.de/, 07.07.06, 14.30 Uhr

[15] Feurt, S. 138

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Das Konzept Bürgerstiftung
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
31
Katalognummer
V76177
ISBN (eBook)
9783638815147
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine sorgfältig abgefasste und durchdachte Seminararbeit.
Schlagworte
Konzept, Bürgerstiftung, Seminar
Arbeit zitieren
Edda Laux (Autor:in), 2006, Das Konzept Bürgerstiftung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76177

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