Nachrichten über das Fremde

Eine Themenanalyse der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 mit dem Schwerpunkt auf der Nahost-Berichterstattung am Beispiel des Atomstreits zwischen dem Westen und dem Iran


Magisterarbeit, 2006

170 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Fernsehen im dualen Rundfunksystem der BR Deutschland
2.1 Das "Leitmedium" Fernsehen
2.2 Rechtliche Grundlagen des dualen Rundfunksystems
2.3 Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten
2.3.1 Struktur und Organisation
2.3.2 Finanzierung
2.4 Die privat-rechtlichen Rundfunkanstalten
2.4.1 Struktur und Organisation
2.4.2 Finanzierung
2.5 Der Wettbewerb um Einschaltquoten und seine Folgen
2.6 Die Konvergenzthese

3 Fernsehnachrichten
3.1 Fernsehnachrichten als Untersuchungsgegenstand
3.2 Nachrichtenangebot und Nachrichtenkonkurrenz im dualen Rundfunksystem der Bundesrepublik Deutschland
3.2.1 Tagesschau
3.2.2 heute
3.2.3 RTL aktuell
3.2.4 SAT.1 News
3.3 Die Konvergenzthese im Kontext der Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und SAT.1
3.3.1 Ergebnisse zur Konvergenz auf Präsentationsebene
3.3.1.1 Dauer der Nachrichtenbeiträge
3.3.1.2 Visualisierungsgrad
3.3.1.3 Anteil von Korrespondentenberichten
3.3.1.4 Präsentationsdynamik
3.3.2 Ergebnisse zur Konvergenz auf inhaltlich-thematischer Ebene
3.4 Information und Unterhaltung: Infotainment in den Fernsehnachrichten
3.4.1 Nachrichtenformate
3.4.2 Infotainment-Elemente
3.4.3 Infotainment - Contra und Pro

4 Vom Ereignis zur Nachricht - Einflussfaktoren
der Auslandsberichterstattung am Beispiel des Atomstreits
4.1 Einflussfaktoren der Auslandsberichterstattung im Fernsehen
4.1.1 Die Nachrichtenwert-Theorie
4.1.2 Die Rolle der Nachrichtenagenturen
4.1.3 Einflussnahme durch das politische System
4.2 Der Atomstreit als Medienereignis
4.2.1 Chronologie bedeutender Ereignisse im Atomstreit
4.2.1.1 Der Krisenverlauf bis zur Machtergreifung durch Präsident Ahmadinedschad
4.2.1.2 Die Verschärfung des Atomstreits unter Präsident Ahmadinedschad
4.2.2 Was macht den Atomstreit zum Medienereignis?

5 Methode der Untersuchung
5.1 Die Inhaltsanalyse
5.1.1 Gegenstand
5.1.2 Ziel
5.1.3 Probleme
5.2 Quantitative und qualitative Vorgehensweise
5.3 Vorgehensweise der quantitativen Frequenzanalyse
5.3.1 Voraussetzungen der Analyse
5.3.2 Analyseeinheiten und Untersuchungszeitraum
5.3.3 Die Hypothesen
5.3.4 Aufstellen des Kategoriensystems
5.3.4.1 Aufwand der Berichterstattung
5.3.4.2 Formale Präsentation
5.3.5 Kritische Methodenreflexion
5.3.5.1 Validität
5.3.5.2 Reliabilität
5.3.5.3 Objektivität
5.4 Vorgehensweise der qualitativen Einzelfallanalyse
5.4.1 Voraussetzungen der Analyse
5.4.2 Analyseeinheiten und Untersuchungszeitraum
5.4.3 Kategorien der Nachrichtenqualität
5.4.4 Die Hypothesen und ihre Operationalisierung
5.4.5 Strategien der Verallgemeinerung
5.5 Fazit

6 Ergebnisse der Inhaltsanalyse
6.1 Aufwand der Berichterstattung
6.1.1 Beachtung und Gewichtung des Atomstreits
6.1.2 Einsatz von Auslandskorrespondenten
6.1.3 Fazit
6.2 Präsentation
6.2.1 Journalistische Präsentationsform
6.2.2 Bildmotive
6.2.3 Visualisierungsgrad und durchschnittliche Einstellungslänge im Nachrichtenfilm
6.2.4 Moderation und Nachrichtenstudio
6.2.5 Bild- und Textillustrationen während der Moderation
6.2.6 Fazit
6.3 Inhaltliche Vielfalt, Verständlichkeit und Neutralität
6.3.1 Tagesschau
6.3.2 heute
6.3.3 RTL aktuell
6.3.4 SAT.1 News
6.3.5 Fazit

7 Zusammenfassung und Diskussion

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Anhang

1 Einleitung

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Präsentation krisenhafter, auslandsbezogener Fernsehnachrichten am Beispiel des Atomstreits1 zwischen dem Westen und dem Iran. Anhand von aufgezeichneten Nachrichtenbeiträgen über die Iran-Krise vom März und April 2006 soll mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 analysiert werden, welchen Stellenwert der Atomkonflikt in der Berichterstattung öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehanstalten hat und inwieweit die formale2 Präsentation des Ereignisses mit Elementen des Infotainments angereichert wird. Mit Hilfe einer qualitativen Textanalyse soll anschließend festgestellt werden, wie die Qualität der jeweiligen Nachrichtensendungen einzuschätzen ist.

Die Diskussion um die Präsentation und die damit verbundene Qualität von Medieninhalten, insbesondere von Fernsehnachrichten, ist nicht neu (vgl. z.B. Wittwen 1995, Fahr 2001, Krüger 2005). Auch die Krisenhaftigkeit der Auslandsberichterstattung, vor allem bezüglich konfliktträchtiger Ereignisse im arabischen Raum, wird regelmäßig untersucht und ausführlich erörtert (vgl. z.B. Löffelholz 2001, Hoffmann 2004, Schiffer 2004). Welche Gründe sprechen also dafür, eine Arbeit über die Präsentation des Atomstreits in deutschen Fernsehnachrichtensendungen zu verfassen?

Erstens beziehen sich Vergleiche zwischen der TAGESSCHAU, HEUTE, RTL AKTUELL und den SAT.1 NEWS zumeist nur auf die unterschiedliche Orientierung an HARD NEWS und SOFT NEWS, wobei sich im Ergebnis bisher stets gezeigt hat, dass die beiden privaten Nachrichtenanbieter weniger 'harte' Themen aus Politik und Wirtschaft behandeln als die TAGESSCHAU und HEUTE. Mit Hilfe dieser Studien können zwar Aussagen zur thematischen Struktur von Nachrichten aufgezeigt werden, diese beziehen sich jedoch auf die Ebene ganzer Sendungen. Das heißt, es können keine Angaben dazu gemacht werden, wie die Ereignisse im Speziellen inhaltlich und formal präsentiert werden. Die vorliegende Studie erreicht durch die Bezugnahme auf Format und Inhalt einzelner Nachrichtenbeiträge eine wesentlich höhere analytische Tiefenschärfe.

Zweitens hat sich die Berichterstattung über den Atomstreit zwischen dem Westen und dem Iran spätestens seit der Machtübernahme des iranischen Islamfundamentalisten MAHMUT AHMADINEDSCHAD gewissermaßen als thematischer 'Dauerbrenner' in der Berichterstattung etabliert. In der aufgezeichneten HEUTE-Sendung vom 8. März 2006 beschreibt Moderator STEFFEN SEIBERT den Stellenwert der bereits seit 2002 währenden Krise wie folgt:

"Das zur Zeit vielleicht drängendste Thema auf der politischen Weltbühne ist der Konflikt um die iranischen Atompläne, viele Staaten vermuten dahinter ja Atomwaffenpläne." (DVD: 08.03_ZDF)

Im April 2006 wurde der Atomstreit zu dem am zweithäufigsten behandelten 'Topthema' in den oben aufgeführten Fernsehnachrichtensendungen - noch beständiger ist nur über das damalige Elbe-Hochwasser berichtet worden (vgl. InfoMonitor April 2006). Durch das Einschalten des UN-Sicherheitsrates Anfang März und die darauf folgenden gegenseitigen Provokationen hatte der Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht, die bis heute anhält und immer wieder Vergleiche mit dem Auftakt des letzten, von den USA geführten Golfkriegs hervorruft. Über die Krisen- und Kriegsberichterstattung des Golfkriegs 2003 erschienen zahlreiche Aufsätze und Bücher. Die Rolle der Nachrichtenmedien im Atomstreit ist demgegenüber bisher allenfalls rudimentär behandelt worden.

Drittens gibt es bisher nur vereinzelt Untersuchungen zu den Ausprägungen von unterhaltenden Elementen innerhalb von Themen der HARD NEWS. Weiterführende Erkenntnisse über den Einsatz von Infotainment in Fernsehnachrichten sind - über eine sehr detaillierte Studie WITTWENS (1995) hinaus - im deutschsprachigen Raum insgesamt kaum vorhanden. Zudem verändert sich das Erscheinungsbild der untersuchten Fernseh- nachrichten - mit Ausnahme der TAGESSCHAU - unentwegt, weshalb einige Befunde aus vergangenen Studien heute nicht mehr zwingend zutreffen und somit einer Aktualisierung bedürfen (vgl. Muckenhaupt 2000: 24).

Viertens gibt es in der Diskussion um die so genannte Konvergenzthese gegensätzliche Auffassungen darüber, inwieweit sich die Programme der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanbieter unter dem Druck der Kommerzialisierung des Fernsehens gegenseitig anpassen bzw. überhaupt noch voneinander unterscheiden. Gerade mit Bezug auf Fernsehnachrichten, die als zuschauerwirksamste und somit wichtigste Informationssendungen gelten, wird diese Auseinandersetzung besonders leidenschaftlich geführt, weil Medienkritiker befürchten, dass die Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens durch den Einsatz von Infotainment zunehmend 'niveauloser' werden würden.

Die Kernfrage dieser Magisterarbeit soll daher sein, inwieweit sich die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle ARD und ZDF - über ein spezielles, nachrichtenrelevantes und gleichzeitig auch sehr sensibel zu handhabendes Thema - von den beiden größten privaten Rundfunkanstalten RTL und SAT.1 unterscheidet bzw. nicht unterscheidet. Die Inhaltsanalyse soll diesbezüglich sowohl über formale als auch inhaltliche Charakteristika der Atomstreit-Berichterstattung Aufschluss geben.

Nach einer kurzen Einführung über die kaum zu überschätzende Relevanz des Fernsehens als Informations- und Unterhaltungsmedium werden im ersten Kapitel der Arbeit zunächst rechtliche, strukturelle und finanzielle Grundlagen des dualen Rundfunksystems in der Bundesrepublik erläutert, um die unterschiedlichen Ansprüche und Möglichkeiten der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten zu beurteilen und einander gegenüberstellen zu können. Im Anschluss daran wird eine kontrovers geführte Diskussion zwischen MERTEN (1994; 1999) und KRÜGER (1998; 2005) zum Thema der Konvergenzthese vorgestellt, um daran anknüpfend eine Einschätzung zur Problematik der vermuteten Annäherung im deutschen Fernsehprogramm vorzunehmen.

Im zweiten Kapitel werden zunächst die zentrale Funktion und die damit einhergehende Bedeutung von Fernsehnachrichten aufgezeigt. Danach werden geschichtliche Eckdaten und kennzeichnende Eigenschaften der TAGESSCHAU sowie von HEUTE, RTL AKTUELL und den SAT.1 NEWS dargelegt. Daran anschließend wird anhand bereits bestehender Untersuchungen geprüft, wann und in welcher Hinsicht gegebenenfalls von einer Konvergenz der hier untersuchten Nachrichtensendungen gesprochen werden kann. Auf die dargelegten Befunde wird im späteren Analyseteil der Untersuchung mehrfach Bezug genommen. Ebenso grundlegend für die vorliegende Analyse ist der im Anschluss behandelte Teil über Merkmale und Formen von Infotainment sowie die vieldiskutierte Wirkung unterhaltsam gestalteter Informationsprogramme.

In Kapitel 3 werden die Einflussfaktoren der Auslandsberichterstattung am Beispiel des Atomstreits beschrieben. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die vielfach modifizierte Nachrichtenwert-Theorie gelegt, nach der die Berichterstattung über Ereignisse von bestimmten Relevanzfaktoren abhängig ist. Nach einem Exkurs auf die Chronologie wichtiger Ereignisse im Atomstreit wird die Nachrichtenwert-Theorie von SCHULZ (1976) auf die Krise im Iran bezogen, um eine detaillierte Antwort auf die Frage zu bekommen, warum gerade dieser Konflikt für die Berichterstattung der Medien so relevant ist.

Im darauf folgenden Kapitel wird die Inhaltsanalyse als Methode der Untersuchung vorgestellt, um weiterführend auf den quantitativ und den qualitativ vorgehenden Analyseteil der vorliegenden Nachrichtenstudie einzugehen. Nachdem die Hypothesen und ihre Kategorisierungen festgelegt worden sind, folgt im fünften Kapitel die eigentliche Analyse der Nachrichtensendungen.

Die quantitative Erhebung im ersten Teil richtet sich auf alle Nachrichtenbeiträge innerhalb des 55 Tage währenden Untersuchungszeitraums im März und April 2006. Dadurch werden empirisch mess- und nachvollziehbare Ergebnisse möglich, die sowohl über den betriebenen Aufwand, mit dem die Nachrichtensendungen über den Atomstreit berichteten als auch über die formale Präsentation der Informationen Aufschluss geben sollen.

Im zweiten Teil der Studie soll in einer Einzelfallanalyse - ausgehend von der umfangreichen Berichterstattung eines Untersuchungstages - nachgeprüft werden, wie vielfältig, verständlich und neutral die Nachrichten der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanbieter sind. Zum Schluss der Arbeit erfolgt eine zusammenfassende Auswertung der Ergebnisse, wodurch eine vergleichende Einschätzung der Nachrichtenqualität, mit der die untersuchen Nachrichtensendungen über den Atomstreit berichten, ermöglicht werden soll. Für die Analyse sind mehrere Skripte in Form von Sequenz-, Bild- und Textprotokollen angefertigt worden, die im Anhang dieser Arbeit einzusehen sind. Weiterhin sind die von März bis April 2006 aufgezeichneten und für die Analyse relevanten Fernsehbeiträge auf einer DVD zusammengeschnitten und der Arbeit beigefügt worden.

2 Das Fernsehen im dualen Rundfunksystem der BR Deutschland

2.1 Das "Leitmedium" Fernsehen

"It involves an entire population in a ritual process. (By comparison, press, movies, and radio are mere packaging devices for consumers.) In television, images are projectes at you. You are the screen. The images wrap around you. You are the vanishing point." (McLuhan/Fiore 1967: 125)

Kein Medium hat es so schnell geschafft, das gesellschaftliche Leben derart zu durchdringen und zu verändern wie das Fernsehen.3 Seit Ende der sechziger Jahre wird das Fernsehen in Deutschland - vor allem wegen seiner Schnelligkeit, mit der es über aktuelle Geschehnisse informieren kann - als "Leitmedium" bezeichnet (vgl. Ludes 1993a: 40). Durch neue technische Möglichkeiten, die hohe Verbreitungsrate und den in den letzten zwanzig Jahren rasant wachsenden Rundfunkmarkt hat es sich in kurzer Zeit zu dem bedeutendsten Medium der westlichen Gesellschaft entwickelt.4

Das Fernsehen hat einen großen Einfluss darauf, was wir über Dinge wissen, die uns nicht durch Primärerfahrungen zugänglich sind (vgl. Wilke 1984: 23). Es bestimmt durch Werbung mit, welche Produkte wir kaufen und kann auch politisch wahlentscheidend sein.5 Eine von KLAUS KAMPS formulierte These lautet sogar: "Wahlen werden im Fernsehen gewonnen oder verloren." (Kamps 1999: 151)

Seit Mitte der siebziger Jahre ist die tägliche Sehdauer der Bundesbürger stetig angestiegen (vgl. Hickethier 1998: 486). Heute verbringt ein erwachsener Zuschauer am Tag durchschnittlich nahezu vier Stunden vor dem Fernseher.6 Fast 90 Prozent der Bundesbürger schalten den Fernseher mehrmals in der Woche ein und jeder zweite Haushalt verfügt sogar über ein zusätzliches Zweitgerät. Es gibt keine Freizeitbeschäftigung, mit der sich die Menschen öfter und länger beschäftigen als mit dem Fernsehen (vgl. Kamps 1999: 142).7

KAMPS behauptet daher, dass wir heute in einem post-literarischen Zeitalter leben, in dem die gesellschaftliche Kommunikation durch das Leitmedium Fernsehen dominiert wird (ebd.: 141). Wie Reichweiten- und Nutzungsanalysen zeigen, ist das Fernsehen in Deutschlandnoch vor Radio und Printmedien, das am intensivsten genutzte Massenmedium mit einem Verbreitungsgrad von fast einhundert Prozent. Des Weiteren gilt es aufgrund seiner Visualität als besonders unterhaltendes und zugleich glaubwürdiges Medium.8 Vor allem für die täglich ausgestrahlten Fernsehnachrichten resultiert daraus ein ungeheurer Vertrauensvorsprung:

"Im Vergleich zur Presse und zum Hörfunk hält das Publikum die Fernsehnachrichten für besonders glaubwürdig und aktuell. Den Fernsehnachrichten wird darüber hinaus ein hohes Maß an Vollständigkeit, Verständlichkeit und Sachkompetenz zugesprochen." (Muckenhaupt 2000: 16)

Das Fernsehen öffnet uns ein 'Fenster zur Welt' und macht die immer komplexer werdende Gesellschaft überschaubar. Nach HICKETHIER üben Fernsehangebote eine stabilisierende Funktion auf die Menschen aus, indem sie komplexe Sachverhalte auf einzelne Geschichten und immer gleiche Programmformen reduzieren. In Fernsehnachrichten erscheinen reale Bedrohungen der Welt durch die Einfassung in audiovisuelle Erzählungen beherrschbar, sodass wir uns jeden Tag erneut davon überzeugen können, dass nichts außergewöhnlich Bedrohliches passiert ist. Erst wenn ein Ereignis wirklich beunruhigend oder aufsehenerregend ist, wenden wir uns ihm näher zu (vgl. Hickethier 1998: 535-536).9 Besonders internationale Ereignisse haben das Potenzial, unsere Aufmerksamkeit zu wecken, und gerade hier gilt das Fernsehen aufgrund seiner audiovisuellen Präsentationsform und Aktualität als 'Welterklärer' und 'Rollenzuweiser' (vgl. Ludes 1993a: 43).

Weltweit im Fernsehen übertragene Ereignisse entsprechen am ehesten dem 'globalen Dorf', wie es MARSHALL MCLUHAN beschrieben hatte:

"Ours is a brand-new world of allatonceness. 'Time' has ceased, 'space' has vanished. We now live in a global village…a simultaneous happening." (McLuhan/Fiore 1967: 63)

Wenn sich Milliarden Menschen gleichzeitig das Finale einer Fußball-WM ansehen, dann kann von einem globalen Dorf bzw. einem gleichzeitigen Happening die Rede sein. Technisch gesehen sind dem 'globalen Dorf' tatsächlich keine Grenzen mehr gesetzt:

"Satelliten und Internet versprechen heute jedem, der Zugang zu ihnen besitzt, Einbindung in ein weltweites Informationsnetz." (Kamps 1998a: 276) Auffällig ist jedoch, dass das internationale Informationsnetz nicht alle Teile der Welt gleichermaßen umspannt, sondern vorrangig amerika- und eurozentriert ist (vgl. Hickethier 1998: 3). Während die USA aufgrund Frequenz und Umfang der weltweiten Berichterstattung nach KAMPS als 'Fernsehnachrichtengroßmacht' bezeichnet werden kann, sind uns viele Regionen der Welt - wenn überhaupt - nur durch Unglücke, Krisen und Katastrophen bekannt (vgl. Kamps 1999: 357).

Die verzerrte Nachrichtengeographie wird besonders deutlich, wenn die Berichterstattung über Afrika thematisiert wird. DAGMAR SCHMIDT und JÜRGEN WILKE ermittelten 1998 in einer Studie, dass die Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 durchschnittlich nur ein Prozent ihrer Beiträge dem Thema Afrika widmeten (vgl. Schmidt/Wilke 1998, nach Krems 2002: 164).

Der gemeinhin lückenhafte Kenntnisstand über Afrika ist somit nicht nur dem Desinteresse der Menschen, sondern auch den Medien, insbesondere dem Fernsehen als zentraler Orientierungsinstanz, geschuldet. Nach HICKETHIER stellt das Fernsehen den Maßstab für das Wissen vieler Menschen über die Welt dar, wodurch seine gesellschaftliche Bedeutung kaum zu überschätzen ist:

"[Das Fernsehen] ist auch auf absehbare Zeit das zentrale Medium für die Gesellschaft, in dem diese ihre Selbstverständigung über ihre politische Verfasstheit betreibt, es ist auch immer noch das Medium, mit dem eine Vielzahl von Menschen ihre eigene Orientierung in dieser Welt organisiert." (Hickethier 1998: 543)

2.2 Rechtliche Grundlagen des dualen Rundfunksystems

Bis ins Jahr 1984 wurden die Rundfunkprogramme in Deutschland ausschließlich von öffentlich-rechtlichen Anstalten organisiert. Seit der Einführung des dualen Rundfunksystems wird der deutsche Hörfunk- und Fernsehmarkt in entscheidender Weise durch die kommerziellen Programmveranstalter geprägt:

"Die Position der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird nun auch durch die inhaltliche, rechtliche und finanzielle Auseinandersetzung mit den privatrechtlichen Rundfunkveranstaltern bestimmt." (Zimmermann 2005: 73)

In dem dualen Rundfunksystem Deutschlands unterliegen sowohl die öffentlich-rechtlichen wie auch die privaten Rundfunkanstalten gemeinsamen Rahmenbedingungen, die sich zwar länderspezifisch unterscheiden, ihre gemeinsamen Wurzeln jedoch in den ersten beiden Absätzen von Artikel 5 des Grundgesetzes haben:

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." (Art. 5 GG, Abs. 1 und 2., zit. nach Karstens/Schütte 1999: 32-34)

Wie sich z.B. in der Vorgeschichte des ZDF gezeigt hat, ist die Meinungsfreiheit auch in demokratischen Gesellschaften ein zu schützendes Gut und keineswegs selbstverständlich. Mit dem berühmten ersten Rundfunkurteil von 1961 wurde die Einrichtung eines privatrechtlich organisierten Regierungsfernsehens verhindert, welches der damalige Kanzler KONRAD ADENAUER angeregt hatte. Stattdessen wurde das ZDF 1963 als öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt installiert - gewissermaßen als Konkurrenz zur ARD. In dem Fernsehurteil wurden auch die Grundsätze für die heutige Rundfunkordnung festgelegt, welche folgendermaßen lauten:

ƒ- Rundfunk ist Sache der Länder,
ƒ- Rundfunk ist entscheidend für die öffentliche Meinungsbildung,
ƒ- Aufgrund seiner Funktion als 'vierte Gewalt' muss der Rundfunk besonders organisiert werden,
ƒ- Der Rundfunk darf nicht vom Staat beherrscht werden,
ƒ- Unter Wahrung der Meinungsvielfalt ist neben dem öffentlich-rechtlichen auch privat- rechtlicher Rundfunk zulässig (vgl. Holly 2004: 19).

Bereits aus dem Rundfunkurteil von 1961 geht eine grundsätzliche Offenheit gegenüber dem privat-rechtlichen Sendebetrieb hervor. Die Zulassung kommerzieller Programme scheiterte jedoch jahrelang an der Haltung der SPD, die sich gegen die Einführung solcher Programme aussprach. Erst das BVG-Rundfunkurteil von 1981 und die Verkabelungspolitik der CDU/CSU/FDP-Regierung unter HELMUT KOHL bildeten den Rahmen für die Zulassung des privatrechtlichen Rundfunks (vgl. Hickethier 1998: 414).

Das vierte Rundfunk-Urteil von 1986 begründete schließlich den endgültigen Durchbruch des dualen Rundfunks. Es bestimmt die rechtlichen Grundlagen, nach der die öffentlichrechtlichen und privaten Sendeanstalten organisiert sind: Laut Artikel 5 des Grundgesetzes sind alle Sender dazu verpflichtet, ein Programm im Sinne der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung und -vielfalt anzubieten.

Nicht nur die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die kommerziellen Fernsehanbieter müssen sich daher - aufgrund ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung - zahlreichen Vorschriften beugen, die über die Maßstäbe bloßer Kosten-Nutzen-Rechnungen hinausgehen. Außerdem müssen es beide Rundfunksysteme schaffen, sich im nationalen und zunehmend auch im internationalen Wettbewerb beim Zuschauer zu etablieren.

Wegen der Gebührenfinanzierung ist es vorrangig die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine Grundversorgung10 für alle teilnehmenden Fernsehzuschauer in Deutschland zu gewährleisten. Diese Bestimmung ist mit dem sechsten Rundfunkurteil 1992 festgelegt worden.11 Der Grundversorgungsauftrag enthält drei für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verbindliche inhaltliche Schwerpunkte: Information, Bildung und Unterhaltung (vgl. Hall 1997: 33). Den privaten Rundfunkanbietern kommt demnach - per Gesetz - lediglich die Aufgabe einer Zusatzversorgung zu: "Ohne die öffentlich-rechtliche Basis wäre Privatfunk mit seinen programmlichen Defiziten unzulässig." (Hall 1997: 30)

2.3 Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten

2.3.1 Struktur und Organisation

"Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts. Das heißt, sie sind durch Landesgesetz oder Staatsvertrag geschaffene öffentlich-rechtliche Organisationen, deren Aufgabe und Struktur der Landesgesetzgeber festlegt." (BVG 2006: ohne Seitenangabe)12

Rundfunk ist Ländersache und ähnlich wie die politische Landschaft der BRD föderalistisch organisiert. Die ARBEITSGEMEINSCHAFT DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKANSTALTEN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND - kurz ARD - besteht aus neun Landesrundfunkanstalten, die rechtlich und wirtschaftlich unabhängig voneinander ein regional geprägtes Programm herstellen und gemeinsam das ERSTE DEUTSCHE FERNSEHEN produzieren. Die ARD besteht außerdem aus Gemeinschaftseinrichtungen, die von allen Anstalten zusammen finanziert und organisiert werden. Dazu gehören z.B. die ARD-Online- Koordination in Mainz, das ARD-Hauptstadtstudio Berlin sowie die ARD-AKTUELL- Redaktion in Hamburg, die für alle Nachrichtensendungen (TAGESSCHAU, TAGESTHEMEN und NACHTMAGAZIN) zuständig ist (vgl. SWR 2005: 20).

öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie aller Rundfunkveranstalter [...] wird vom Sinn der Rundfunkfreiheit bestimmt, freie individuelle Meinungsbildung zu ermöglichen. Wegen der herausragenden kommunikativen Bedeutung des Rundfunks kann diese nur in dem Maße gelingen, wie der Rundfunk seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiert. [...]. Im dualen System eines Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk [...] gewährleistet der private Rundfunk schon aufgrund seiner Finanzierungsweise nicht, dass diese Anforderungen in vollem Maße erfüllt werden." (Hall 1997: 30-31)

Das ZWEITE DEUTSCHE FERNSEHEN ist eine zentral aus Mainz organisierte Bundesrundfunk- anstalt, die als Konkurrenzprogramm zur ARD gegründet wurde. Der Sender wird von allen 16 Bundesländern gemeinsam getragen und unterhält darüber hinaus - um auch lokale Bezüge herstellen zu können - in jedem Bundesland ein Landesstudio.

Das ZDF wird - genau wie die Landesrundfunkanstalten auch - von einem Intendanten geleitet, welcher die Verantwortung für sämtliche Geschäfte einschließlich der Gestaltung der Programme trägt (vgl. ARD 2002: 92-93).

Der Intendant wird von zwei Gremien überwacht: Dem Verwaltungsrat, der für die Verwaltung und die Finanzwirtschaft zuständig ist und dem Rundfunkrat, welchem die Kontrolle über die Einhaltung der Programmvorgaben zukommt. Der Rundfunkrat setzt sich aus verschiedenen gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammen. Hierzu gehören z.B. Politiker, Gewerkschaftsvertreter, Arbeitgeber und Religionsvertreter (vgl. ZDF 1995: 38). Neben ihren unabhängig voneinander produzierten Vollprogrammen organisieren die ARD und das ZDF gemeinsame Spartenprogramme. Dazu gehören der Nachrichtenkanal PHOENIX sowie der KINDERKANAL . Hinzu kommen die - zusammen mit ausländischen Fernseh- veranstaltern produzierten - Kulturprogramme 3SAT und ARTE (vgl. Hall 1997: 51-53).

Die Vergrößerung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots war eine Reaktion auf den ungeheueren Konkurrenzdruck, der sehr rasch von den privaten Fernsehanstalten ausging.13 Analog zur Entwicklung bei den privaten Fernsehsendern wurde auch der Programmumfang der öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle allmählich auf 24 Stunden täglich gesteigert (vgl. Hickethier 1998: 431-432).

Durch die immer stärkere Orientierung an Einschaltquoten änderte sich nicht nur der Aufwand, mit dem die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ihr Programm unterhielten, auch der Anteil von unterhaltenden Programmanteilen wuchs beträchtlich. Kritiker werfen den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten daher vor, dass sie ihren Grundversorgungsauftrag wegen höherer Einschaltquoten vernachlässigten und dass sie zu teuer seien, weil sie zu viele Programme unterhalten würden (vgl. Holly 2004: 20).

2.3.2 Finanzierung

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden hauptsächlich durch Gebühren finanziert, die durch die GEBÜHRENEINZUGSZENTRALE (GEZ) eingefordert werden:

"Es reicht, ein Empfangsgerät, sei es Fernseher, Satellitenreceiver oder Videorecorder mit eingebautem Tuner, bereitzuhalten, um gebührenpflichtig zu werden. Ob man tatsächlich die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen in Anspruch nimmt, spielt dabei keine Rolle." (Karstens/Schütte 1999: 51)

Die Gebührenpflicht ist nicht an die tatsächliche Nutzung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gekoppelt. Somit bestehen keine direkten Interdependenzen zwischen den Rundfunkeinnahmen und dem Programmangebot.

Seit April 2005 beträgt die monatliche Gebühr für jeden Rundfunknutzer 17,03 Euro. Knappe 12 Euro davon werden für die ARD verwendet, rund 4,40 Euro werden dem ZDF zur Verfügung gestellt. Mit dem Restbetrag werden die Landesmedienanstalten sowie das DEUTSCHLANDRADIO finanziert (vgl. ARD 2005: 24).

Unter den neun Landesrundfunkanstalten der ARD werden im Rahmen eines Finanz- ausgleichs die Einnahmen umverteilt, sodass der Programmauftrag auch von kleineren Sende- anstalten mit geringem Gebührenaufkommen erfüllt werden kann (vgl. Mast 2004: 137). Eine weitere Einnahmequelle von ARD und ZDF ist die Werbung. Anders als bei kommerziellen Rundfunkanbietern ist sie jedoch auf Werktage beschränkt und nur in eingeschränktem Umfang vor 20:00 Uhr erlaubt. Die Werbeeinnahmen der ARD-Anstalten belaufen sich auf etwa 7,3 Prozent der Gesamteinnahmen, beim ZDF sind es etwa 12 Prozent (vgl. ebd.: 138).

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen - wegen ihres stark eingeschränkten Werbeumfangs und aufgrund ihrer steigenden Gebühreneinnahmen - weit weniger Wert auf kommerzielle Kriterien legen als die privaten Fernsehveranstalter.14 Dadurch können sie ein tendenziell ausgewogenes Programm - auch für kleinere oder für die Werbung weniger interessante Zielgruppen - anbieten.

Dennoch lässt sich seit der Einführung des dualen Rundfunks ein für die öffentlich- rechtlichen Fernsehanstalten nicht ganz unproblematischer Paradigmenwechsel feststellen. Fernsehen hat sich immer mehr von seiner ursprünglichen Funktion einer kulturellen Veranstaltung entfernt und wird heute eher als Ware und Dienstleistung verstanden: 14 Zusammengenommen sind die Werbeinnahmen von ARD und ZDF von 972 Millionen Euro (1985) auf 429 Millionen Euro (2003) gesunken. Demgegenüber sind jedoch die Einnahmen aus Rundfunkgebühren im gleichen Zeitraum von etwa 2,2 Milliarden Euro auf über 6,6 Milliarden Euro gestiegen (vgl. Media Perspektiven 2005, nach EUMAP: 18).

"Das Grundverständnis wandelte sich von einem Fernsehen, das sich auf einen Kulturauftrag berief, zu einem Fernsehen, das als Marktgeschehen verstanden wurde, bei dem verschiedene Anbieter um Marktpositionen kämpfen." (Hickethier 1998: 414)

Bei den öffentlich-rechtlichen Kanälen ist es weniger die Gewinnorientierung, die zu hohen Einschaltquoten zwingt, sondern vielmehr der Anspruch auf Gebührenfinanzierung, welcher vor dem zahlenden Publikum legitimiert werden muss:15

"Solange also ein breiter Konsens darüber herrscht, dass die Arbeit der Rundfunkanstalten erwünscht ist und sie ihren Grundversorgungsauftrag auch tatsächlich erfüllen, so lange ist auch die Erhebung der Rundfunkgebühren zulässig." (Karstens/Schütte 1999: 51)

Natürlich spielen auch die 'millionenschweren' Einnahmen durch die Werbung eine Rolle, die sich weder die ARD noch das ZDF entgehen lassen wollen. Der Anteil an den Gesamteinnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist jedoch - wie oben dargelegt - relativ gering, weshalb immer wieder Forderungen nach einer völligen Werbe- freiheit laut werden.16

2.4 Die privat-rechtlichen Rundfunkanstalten

2.4.1 Struktur und Organisation

Für die Organisation des privatrechtlichen Rundfunks hat das Bundesverfassungsgericht das binnenplurale und das außenplurale Modell erlassen:

"Publizistische Machtkonzentration im Privatfunk soll verhindert werden durch eine Vielzahl von Anbietern und Angeboten (außen-plural) oder durch eine Absicherung des Vielfaltspostulats bei den einzelnen Anbietern (binnen-plural)." (Röper 1994: 532)

Trotz der Bestimmungen hat sich auf dem Sektor der kommerziellen Fernsehprogramme eine auffällige Machtkonzentration ergeben. Das deutsche privatrechtliche Fernsehen wird von zwei großen Senderfamilien beherrscht: Dem Marktführer RTL sowie der PROSIEBENSAT.1 MEDIA AG (vgl. Holly 2004: 20).

Hauptanteilseigner bei RTL ist der BERTELSMANN-Konzern, der auch im internationalen Verlags- und Filmwesen sehr bedeutend ist. Mit einem Jahresumsatz von 17,9 Milliarden Euro im Jahr 2005 ist BERTELSMANN die größte Mediengruppe Europas (vgl. Pick 2006: 4). Die fünf Free-TV-Kanäle der BERTELSMANN-Gruppe sind RTL, RTL II, SUPER RTL, VOX und N-TV. Sie erreichten 2005 einen Zuschaueranteil von 25,0 Prozent (vgl. GfK-Marktanteile

2005).17 Die PROSIEBENSAT.1MEDIA AG18, bestehend aus den Free-TV-Kanälen PROSIEBEN, SAT.1, KABEL 1, N24 und 9LIVE, hatte 2005 einen Zuschaueranteil von 22,2 Prozent (vgl. ebd.). BERTELSMANN und PROSIEBENSAT.1 hatten somit im letzten Jahr einen gemeinsamen Zuschaueranteil von 47,2 Prozent und 'beherrschen' damit zusammen über 80 Prozent des privaten Fernsehmarktes.19

Angesichts der Machtkonzentration auf dem privaten Fernsehmarkt werden gesetzliche Programmvorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt immer wichtiger:

"Privater Rundfunk braucht in einer demokratischen Rechtsordnung ebenso gesetzliche Grundlagen wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Er kann nicht ohne Kontrolle allein dem Wirtschafts-geschehen überlassen werden, weil er ein wichtiger Faktor der Meinungsbildung ist." (Hall 1997: 54)

Um die Meinungsvielfalt zu sichern, wurden 1986 vom Staat unabhängige Landesmedienanstalten gegründet. Die heute insgesamt 15 Institute erteilen den privaten Rundfunkanstalten die gesetzlich vorgeschriebenen Sendelizenzen und überwachen die Einhaltung des Rundfunkstaatsvertrags in den jeweiligen Ländern. Damit soll sichergestellt werden, dass die privaten Rundfunkanbieter ihrem Publikum eine möglichst große inhaltliche Vielfalt und Ausgewogenheit bieten (vgl. Mast 2004: 137).

Die tatsächliche Macht der Landesmedienanstalten hält sich jedoch offensichtlich in Grenzen, wie allein die aufgezeigte Machtkonzentration von RTL und SAT.1 zeigt:

"Die Landesmedienanstalten hatten und haben nach der Lizenzvergabe nur eine beschränkte nachträgliche Kontrollbefugnis ohne wirksame Sanktionen." (Hall 1997: 55)

Die Versäumnisse gehen insbesondere auf die Tatsache zurück, dass die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften von der Politik weniger wichtig eingestuft wird als der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen auf den neuen Medienmärkten (vgl. ebd.). Die privaten Medienunternehmer können heute mit der Drohung, den Standort zu verlagern, viele medienpolitische Rahmenbedingungen - z.B. bezüglich des Jugendschutzes oder bei der Interpretation des Rundfunkbegriffs - umgehen (vgl. Mai 2005: 48-49).20

2.4.2 Finanzierung

Im Rundfunkstaatsvertrag von 1987 wurde festgelegt, dass die Finanzierung privater Rundfunkveranstalter vorrangig durch Werbung und Entgelte erfolgt. Zu den Entgelten zählen Sponsoreneinnahmen, Eigenmittel und Spendengelder (vgl. Junghans 1989: 21). Die zulässige Gesamtdauer der Werbung wird jedoch auf 20 Prozent des Programms begrenzt. Kommerzielle Fernsehsender wie RTL oder SAT.1 dürfen folglich 12 Minuten pro Stunde für Reklame verwenden. Die Einhaltung der zulässigen Werbezeit wird von den Landesmedienanstalten überwacht (vgl. Karstens/Schütte 1999: 73).

RTL konnte 2004 über 1,1 Milliarden Euro durch Werbung erwirtschaften. SAT.1 und PROSIEBEN kamen jeweils auf weit über 700 Millionen Euro Werbeeinnahmen (vgl. Heffler 2005: 263).

Die Zielgruppe der werbetreibenden privaten Fernsehkanäle bilden vor allem die 14- bis 49- jährigen Fernsehzuschauer, durch die besonders hohe Werbeeinnahmen erreicht werden können. Ursache hierfür ist die Annahme, "[...] dass die 14- bis 49-jährigen die Trendsetter für die Einführung oder das Wechseln einer Marke sind und dass sie darüber hinaus das Konsumverhalten der älteren Generation mit beeinflussen." (ZDF 1994: 14)

2.5 Der Wettbewerb um Einschaltquoten und seine Folgen

"Fernsehen ist und bleibt das Haupt- und Leitmedium: aber zunehmend unter den dominierenden Vorzeichen eines wirtschaftlichen Wettbewerbs." (Kammann 1997: 81)

Seit der Einführung des dualen Rundfunks kann der Rezipient aus einer Vielzahl von Programmangeboten auswählen. Allein im analog empfangbaren Bereich verfügte Deutschland 2004 über 15 öffentlich-rechtliche und 22 private Fernsehprogramme (vgl. Friedrichsen 2004: 18). Die durchschnittliche Sehdauer der Fernsehzuschauer ist jedoch bei weitem nicht proportional gewachsen, wodurch es zu einem verschärften Konkurrenzkampf insbesondere zwischen den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten gekommen ist (vgl. Kammann 1997: 83-85).

Aufgrund der fundamentalen Unterschiede hinsichtlich Finanzierung und Programmauftrag zielen private Rundfunkanstalten dabei auf eine Maximierung ihres Werbeeinkommens durch hohe Einschaltquoten ab, während die öffentlich-rechtlichen Sender die hohen Marktanteile vor allem dazu benötigen, um ihre Finanzierung durch Gebühren vor dem zahlenden Publikum dauerhaft zu rechtfertigen.21

Wegen des immer vielfältiger gewordenen Programmangebots und einem - damit einher- gehenden - veränderten Zuschauerverhalten in den letzten Jahren, ist die heutige Fernsehbranche unter anderem durch einen verstärkten Kampf um Aufmerksamkeit, eine Beschleunigung der Programmpräsentation, die Zunahme der Eigenwerbung sowie eine Durchmischung und Spezialisierung der Formate gekennzeichnet (vgl. Jäckel 2005: 25). Des Weiteren sind die Lizenzpreise für massenattraktive Spielfilme und Sportereignisse mit der Einführung des dualen Rundfunkssystems erheblich gestiegen.22 Gerade beim Kauf teurer Senderechte für Sportveranstaltungen geht es den privaten Fernsehsendern vordergründig nicht einmal mehr darum, ihren Gewinn zu maximieren, sondern um einen erhofften Imagegewinn, der beim Publikum erzielt werden soll (vgl. Hall 1997: 73). Weitere Folgen des Konkurrenzkampfes sind die Konflikte zwischen den öffentlich- rechtlichen und den privaten Rundfunkanstalten um die ungleichen Wettbewerbsbedingungen. ARD und ZDF argumentieren immer wieder gegen die gesetzlich festgelegten Werbe- regelungen. Vor allem der unflexible Werbezeitrahmen bis 20:00 Uhr wird von einigen öffentlich-rechtlichen Vertretern beklagt.23 Im Gegenzug kritisieren die privaten Rundfunk- anstalten immer wieder die Doppelfinanzierung der Öffentlich-Rechtlichen aus Gebühren und Werbung und konstatieren daraus eine ungerechtfertigte, gesetzlich legitimierte Wettbewerbs- verzerrung.24 Anfang der neunziger Jahre, nachdem die privaten Fernsehanstalten die Aufmerksamkeit des unterhaltungsorientierten Publikums erhalten hatten, versuchten sie zunehmend auch informationsorientierte Zuschauer zu erreichen:

"So setzte z.B. die Wettbewerbsstrategie, die SAT.1 mit den SAT.1 NEWS im Frühjahr 1992 verfolgte, auf eine längerfristige Profilierung durch eigenständige, sehr gute journalistische Leistungen." (Bartel 1997: 271)

Daraufhin reagierten die Öffentlich-Rechtlichen mit der konsequenten Erweiterung ihres Informations- und Bildungsangebots, womit der Anspruch auf das kompetentere und umfangreichere Informationsprogramm betont werden sollte (vgl. Friedrichsen 2004: 18). Durch den bis Mitte der neunziger Jahre drastischen Rückgang ihrer Einschaltquoten, verstärkten die ARD und das ZDF zudem ihre Bemühungen um massenattraktive Angebote zur Hauptsendezeit (vgl. Maier 2002: 44). Maßnahmen wie diese haben dazu geführt, dass einige Kritiker den öffentlich-rechtlichen Anbietern eine medienpolitisch problematische Angleichung bzw. Konvergenz an kommerzielle Sender vorwerfen, was diese vehement zurückweisen.25 Man spricht in diesem Zusammenhang von der "Konvergenzthese".

2.6 Die Konvergenzthese

Grundsätzlich versteht man unter Konvergenz eine Annäherung zwischen zwei Beobach- tungsgrößen innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Angewendet auf die Fernsehprogramme der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten sind nach KRÜGER drei Arten der Anpassung denkbar:

ƒ-die öffentlich-rechtlichen Programme passen sich einseitig an die Privaten an;
ƒ-die privaten Programme nähern sich einseitig den Öffentlich-Rechtlichen an;
ƒ-beide Rundfunksysteme passen sich einander an (vgl. Krüger 1991, nach Maier 2002: 87).

Die Konvergenzthese wurde auf der Grundlage einer Programmanalyse von SCHATZ, IMMER und MARCINOWSKI erstmals 1989 formuliert. Noch im selben Jahr prognostizierte WOLFGANG CLEMENT, damals Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, eine konvergierende Entwicklung der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten für die neunziger Jahre. Prognosen wie diese sorgten dafür, dass die Konvergenzthese sehr schnell auch außerhalb des Wissenschaftsdiskurses, an Popularität gewann und zu einem vermeintlich schlagkräftigen Argument gegen die Existenz öffentlich-rechtlicher Programmanbieter mit medienpolitisch polarisierender Aussagekraft wurde (vgl. Krüger 1998: 152-153).

2 Das Fernsehen im dualen Rundfunksystem der BR Deutschland

"Eine Entbehrlichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird mit der angeblichen Konvergenzthese begründet, derzufolge sich die Programmprofile öffentlich-rechtlicher und privater Anbieter immer ähnlicher werden. Dies würde Zweifel an der Erfüllung eines besonderen Programmauftrages durch ARD und ZDF aufkommen lassen." (Friedrichsen 2004: 19)

Die Konvergenzthese kann auf drei Kriterien hin überprüft werden: die Programmstruktur, die Programminhalte und die Präsentationsformen (vgl. Maurer 2005: 45). Aufgrund unzurei- chender begrifflicher Eindeutigkeit von "Konvergenz" sowie variierender Forschungsansätze wird die Konvergenzthese sehr unterschiedlich ausgelegt und bewertet (vgl. Merten 1994: 134). Die ersten Untersuchungen der Konvergenzthese wurden auf der Ebene der Programmstruktur durchgeführt. Hierbei entstanden grundsätzlich gegenläufige Positionen, auf die im Folgenden, anhand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen KLAUS MERTEN (1994) und UDO MICHAEL KRÜGER (1998), näher eingegangen werden soll.26

MERTEN resümiert 1994 unter dem Eindruck anhaltend schwindender Einschaltquoten bei ARD und ZDF in einer Studie zur Konvergenz, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle ihre Bedeutung, wenn nicht gar ihre Berechtigung, verlieren könnten. Er bezeichnet diesen Umstand als "Marginalisierungshypothese". Um der drohenden Marginalisierung zu entgehen, so die These, müssten sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten kategorisch an ihren Einschaltquoten orientieren. Anhand einer empirischen Langzeitanalyse verweist MERTEN auf die folgenden Konvergenzeffekte bei den Öffentlich-Rechtlichen:

1. Der absolute Sendeumfang hat mit der Einführung des dualen Rundfunksystems - analog zu den privaten Fernsehprogrammen - zugenommen.
2. Massenattraktive Programme werden auf Kosten weniger attraktiver Programmsparten bevorzugt.
3. Die massenattraktiven Inhalte werden an nutzungsintensiven und werberelevanten (18:00- 20:00 Uhr) Sendeplätzen ausgestrahlt (vgl. ebd.: 135).

MERTEN unterstellt den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten eine veränderte Schwerpunktsetzung zugunsten fiktionaler Programminhalte. Die Nutzungschance informativer Programmsparten würde demzufolge relativ herabgesetzt, obwohl das Informationsangebot quantitativ erhöht wurde. Daraus ableitend stellt MERTEN fest:

"Bedingt durch den Konkurrenzdruck der privaten Sender verändern die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Programmstruktur nach Umfang, Anteil, Sendeplatz und Nutzungschance der einzelnen Genres seit 1985 genau so, wie von der Konvergenzthese vorausgesagt." (ebd.: 136)

UDO MICHAEL KRÜGER bezieht sich 1998 in seinem Aufsatz "Zum Stand der Konvergenzforschung im Dualen Rundfunk" direkt auf MERTENS Konvergenzstudie. Er wirft ihm methodische Analysefehler vor und kommt anhand der gleichen Zahlen sowie einer Vergleichstudie des INSTITUTS FÜR EMPIRISCHE MEDIENFORSCHUNG (IFEM) zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen:

"Schaltet man Mertens Konvergenzbeweise aus, soweit sie sich auf Design-Effekte zurückführen lassen, beschränkt sich die Programmkonvergenz somit nur auf das von allen Hauptsendern gleichermaßen für Werbung genutzte Vorabendprogramm." (Krüger 1998: 178)

KRÜGER sieht, trotz einiger Anpassungstendenzen - vor allem seitens der privatrechtlichen Programme, die ihr Informationsprogramm ausgeweitet haben - wesentliche Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten. Letztere seien demnach (noch) nicht in der Lage, die öffentlich-rechtlichen Programme zu ersetzen (vgl. ebd.: 181). In einem Herausgeberband von ARD und ZDF beruft sich WOLFGANG NEUMANN-BECHSTEIN 1997 auf den Wissenschaftsstreit zwischen MERTEN und KRÜGER:

"Nach einer heftigen Kontroverse zwischen Medienwissenschaftlern über diese Konvergenzannahme (Merten 1994, Krüger 1994, 1996) wird Ende der 90er Jahre nicht mehr von einer Angebotsangleichung beider Systeme [öffentlich-rechtliche und private Fernsehveranstalter] gesprochen." (Neumann-Bechstein 1997: 111)

NEUMANN-BECHSTEIN sah 1997 die Auseinandersetzung als beendet an und signalisierte, dass sich die Konvergenzthese als haltlos erwiesen hätte. KLAUS MERTEN bekräftigte seine für die öffentlich-rechtlichen Anstalten provokante Haltung 1999 jedoch erneut:

"Und während der Gesetzgeber für das von ihm gebilligte duale Rundfunksystem eher blauäugig feststellt, die ‚duale Rundfunkordnung hat sich bewährt' (Presse- und Informationsvielfalt 1998: 92), zeigt sich, dass die erhofften positiven Folgen (vor allem: Die Vergrößerung der Informationsvielfalt) nicht eingetreten sind, dafür aber eine Reihe negativer Folgen, die die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dauerhaft in Frage stellen." (Merten 1999: 402)

Obgleich nicht zwingend von einer "Vergrößerung der Informationsvielfalt" auf dem deutschen Fernsehmarkt die Rede sein kann, lässt sich dennoch feststellen, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten immer noch ein wesentlich umfangreicheres Informationsprogramm anbieten als ihre private Konkurrenz. Dies lässt sich bereits anhand der größten öffentlich-rechtlichen und privaten Programmanbieter ARD, ZDF, RTL und SAT.1 nachweisen. Nach einer 2004 durchgeführten Studie des Kölner IFEM hatte DAS ERSTE 2004 einen durchschnittlichen Informationsanteil von 41,7 Prozent, das ZDF kam im gleichen Zeitraum sogar auf 48,4 Prozent. RTL hatte einen Informationsanteil von 23,9

Prozent, während SAT.1 nur durchschnittlich 16,8 Prozent seines Programms für Informationen aufwendete. ARD und ZDF übertrafen RTL und SAT.1 im Informations- bereich damit um mehr als das Doppelte (vgl. Krüger 2005a: 190-191). Angesichts dieser Zahlen stellt sich m.E. die Frage des Existenzrechts öffentlich-rechtlicher Programme (derzeit) nicht. Die Konvergenzthese kann unter den Voraussetzungen des konkurrierenden Rundfunkmarktes jedoch nicht - wie NEUMANN-BECHSTEIN behauptet - als endgültig falsifiziert gelten:

"Man kann danach eher vermuten, dass die Qualität der Fernsehprogramme unabhängig von der speziellen Verfassung des institutionellen Produzenten und Anbieters konvergiert (wobei interpretationsfähig bleibt, in welchen Höhen oder Tiefen der Konvergenzpunkt liegt), weil durch das nun einmal gegebene Konkurrenzverhältnis die wichtigsten Rahmenbedingungen für alle gleich seien." (Brück et al. 1998: 402)

Festzuhalten bleibt, dass eine konvergente Entwicklung der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender nicht gezwungenermaßen negativ sein muss: KRÜGER verweist ausdrücklich darauf, dass nur eine Anpassung der öffentlich-rechtlichen Programminhalte an die Privaten problematisch wäre, umgekehrt ist dies nicht der Fall (vgl. Krüger 1998, nach Maurer 2005: 45).

Hinsichtlich der Themenorientierung der Programme - also auf programmstruktureller Ebene - kann nach der IFEM-Studie von 2004 eher von einer Funktionsteilung als von Konvergenz zwischen den Rundfunksystemen gesprochen werden. Demnach ist das Angebot politisch und kulturell relevanter Inhalte größtenteils bei ARD und ZDF zu finden, während die Privatsender den nichtpolitischen Alltags- und Boulevardthemen wesentlich mehr Gewicht verleihen (vgl. Krüger 2005a: 204).

3 Fernsehnachrichten

3.1 Fernsehnachrichten als Untersuchungsgegenstand

Grundsätzlich können Medieninhalte nach ihrer Funktion für die Gesellschaft eingeteilt werden. Die Informationsfunktion spielt dabei in westlichen Demokratien eine herausragende Rolle, weil die Möglichkeit der freien öffentlichen Meinungsbildung maßgeblich von ihrer Erfüllung abhängt. Vor allem Informationsangebote in Form von Fernsehnachrichten sind wegen der Bedeutung des 'Leitmediums' Fernsehen für die Verwirklichung von Kommuni- kationsfreiheiten der Bürger besonders relevant (vgl. Kamps/Meckel 1998: 15-16).

Viele weitere Funktionen von Medieninhalten, z.B. die Bildungsfunktion, die Kritikfunktion oder die Artikulationsfunktion, hängen prinzipiell davon ab, in welcher Weise Informationen vermittelt werden. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fernsehnachrichten ist daher auf die zentrale Frage bezogen, ob eine umfassende, fundierte und wohlbegründete Meinungsbildung durch die verbreiteten Informationen möglich ist (vgl. Kamps 1999: 47). Angesichts der fehlenden Qualitätstransparenz gegenüber Nachrichten entstehen regelmäßig neue Studien, in denen die Medienangebote anhand von Wert- und Normauffassungen der Gesellschaft beurteilt werden. Die als Beurteilungsmaßstab dienende Werteordnung hat ihren Ursprung in den zentralen Begriffen der Aufklärung: Freiheit, Gleichheit und Ordnung. Auch die bereits aufgeführten Programmgrundsätze der Rundfunkstaatsverträge bauen auf diesen im Grundgesetz verankerten, demokratischen Prinzipien auf (vgl. Fahr 2001: 8). Von den Rezipienten werden Fernsehnachrichten ebenfalls als besonders wichtig eingestuft. In einer Studie von 1999 gaben 93 Prozent aller Personen über 14 Jahre an, dass ihnen die Nachrichtenangebote im Fernsehen "wichtig" oder sogar "besonders wichtig" seien. Kein anderes Fernsehformat erlangte in der Untersuchung einen derart hohen Zuspruch (vgl. Blödorn/Gerhards/Klinger 2000, nach Fahr 2001: 7). Ursache hierfür ist die natürliche Neugier der Menschen nach Informationen:

"We love to be surprised, and we are continually being surprised by the news, by the headlines on the front page of the newspaper every morning, by the announcement of the subjects of the television news every night, by the flashes of breaking news on the radio every hour." (van Ginneken 1998: 109)

Nachrichten, insbesondere Auslandsnachrichten, befriedigen das Bedürfnis der Menschen nach konkreten, verwertbaren Informationen über Geschehnisse außerhalb ihres Erfahrungs- bereiches. Sie stellen einen wirksamen und dauerhaften Kontrast zum Alltagsleben dar, wobei das Spektrum der übermittelbaren Informationen tendenziell unbegrenzt ist (vgl. Jäckel 2005: 18). Allerdings erfolgt die Auswahl von Informationen in Nachrichten nicht zufällig, sondernunterliegt dem Zwang der Aktualität. Dieser Aktualitätsanspruch erschließt sich bereits aus der Logik des Informationsbegriffs. Informationen unterliegen dem Paradigma der Einmaligkeit: Eine Aussage ist nur dann gleichzeitig eine Information, wenn ihr Inhalt uns etwas Neues bzw. Unbekanntes vermittelt:

"Eine 'informative' Mitteilung ist eine Mitteilung, die den jeweiligen Kenntnisstand, das subjektive Wissen des Empfängers erweitert, indem sie dessen Unkenntnis bzw. sein subjektives Nichtwissen verringert oder beseitigt." (Burkart 2002: 402)

Ob eine Mitteilung für den Rezipienten informativ ist oder nicht, hängt letztendlich von seinem Kenntnisstand über ein Thema ab. Bezogen auf tagesaktuelle Nachrichten heißt dies: Ist eine Botschaft neu, dann ist ihr Inhalt prinzipiell auch informativ. Ob eine Information über ein bestimmtes Thema von den Rezipienten zudem als 'wissenswert' eingeschätzt wird, hängt wiederum von individuellen Faktoren ab.27

3.2 Nachrichtenangebot und Nachrichtenkonkurrenz im dualen Rundfunksystem der Bundesrepublik Deutschland

Wie bereits angedeutet wurde, hat sich das Programmangebot in Deutschland unter den Voraussetzungen des dualen Rundfunksystems sowie der Entwicklung des Satelliten- und später des Digitalfernsehens sehr stark ausgeweitet. Dadurch ist es gleichzeitig zu einer Erweiterung des Nachrichtenangebots gekommen: Neben den empfangbaren internationalen Nachrichtensendern wie CNN oder NBC, sind auch in der Bundesrepublik eigens dafür eingerichtete Programmangebote, z.B. N-TV oder N24 entstanden. Des Weiteren unterhält nahezu jeder Fernsehsender ein mehr oder weniger umfangreiches Angebot an tagesaktuellen Informationssendungen.

Wie im Folgenden dargelegt wird, lässt sich trotz des breiten Angebots feststellen, dass die in der vorliegenden Arbeit behandelten Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 den deutschen Nachrichtenmarkt hinsichtlich ihrer Einschaltquoten dominieren.28

3.2.1 Tagesschau

Die TAGESSCHAU ist die sowohl älteste als auch bekannteste und beliebteste Nachrichtensendung in Deutschland.29 Ihre hohe Akzeptanz ist mit rund 9,7 Millionen Zuschauern ungebrochen (vgl. Zubayr/Gerhard 2005: 100 sowie Muckenhaupt 2000: 46). Der langjährige RTL-Geschäftsführer HELMUT THOMA äußerte sich zu dem "Flaggschiff der ARD" (Hörmann 2004: 174) folgendermaßen:

"Die Sendung könnte man auch in Latein verlesen mit zwei brennenden Kerzen, und sie hätte immer noch die gleichen Ratings." (Thoma 1992, zit. nach Reufsteck/Niggemeier 2005: 1185)

Seit der ersten Sendung 1952 wird die "Mutter aller Nachrichtensendungen" (Hörmann 2004: 174) abends um 20:00 Uhr ausgestrahlt.30 Auch sonst hat sich die einzige Sprechersendung im deutschen Fernsehen seit ihrer Entstehung kaum verändert (vgl. Wittwen 1995: 30). In der TAGESSCHAU wird der Nachrichtensprecher als neutrale Instanz stilisiert, was durch das Ablesen vom Blatt unterstützt werden soll. Der sachlich distanzierte Vortragsstil ist geprägt von der Forderung nach der Trennung von Information und Meinung (vgl. Muckenhaupt 2000: 28). Der Sprachstil ist dementsprechend formell und zurückhaltend.31 Die Sätze sind komplex und anspruchsvoll formuliert. Inhaltlich dominiert mit der "klassischen Aktualität" das Prinzip der abfallenden Wichtigkeit von Themen (vgl. Wittwen 1995: 30). Produziert wird die Sendung - genau wie die seit 1978 ausgestrahlten TAGESTHEMEN - von der zentralen Nachrichtenredaktion ARD-AKTUELL in Hamburg (vgl. Muckenhaupt 2000: 36). Die TAGESSCHAU versucht sich als Sprechersendung weniger durch Unterhaltung zu profilieren, vielmehr soll durch Seriosität und Glaubwürdigkeit ein 'Vertrauensvorsprung' beim Publikum erzielt werden (vgl. Wittwen 1995: 30).

3.2.2 heute

HEUTE wurde erstmals mit der Aufnahme des ZDF-Sendebetriebes am 1. April 1963 ausgestrahlt. Die Sendung ist bewusst als Konkurrenz zu den ARD-Nachrichten konzipiert worden, indem man die Hauptausgabe vor den Beginn der TAGESSCHAU legte und in einer unterhaltenderen Form informierte. So gab es beispielsweise weniger Textmeldungen und mehr Filmbeiträge als bei den Nachrichten der ARD. Überdies wird die Sendung bis heute nicht von einem Sprecher, sondern von einem Redakteur32 moderiert, der die Nachrichten in einem lockeren Moderationsstil präsentiert und in dieser Hinsicht dem angelsächsischen Modell des ANCHORMAN33 ähnelt (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 544). Im online verfügbaren ZDF-Jahrbuch von 2003 wird die HEUTE-Sendung folgendermaßen definiert:

"Die HEUTE - Nachrichten waren (und sind) länger, inhaltlich breiter und abwechslungsreicher angelegt [als die TAGESSCHAU] und haben damit Standards gesetzt, die - nicht inhaltlich, aber dramaturgisch - zum Vorbild für kommerzielle Anbieter wurden." (Berthoud, Martin 2003: ohne Seite)

Zum Vorbild für die TAGESSCHAU wurde HEUTE im Mai 1971 mit WIBKE BRUHNS, die als erste Frau eine Nachrichtensendung moderierte. Bei der TAGESSCHAU dauerte es immerhin noch fünf Jahre - bis 1976 - dass mit DAGMAR BERGHOFF eine Frau als Nachrichtensprecherin zugelassen wurde (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 545).

3.2.3 RTL aktuell

RTL AKTUELL wird seit 1984 ausgestrahlt und galt bis Mitte der neunziger Jahre als "elektronische Bildzeitung" (vgl. Muckenhaupt 2000: 22). Die Hauptausgabe - moderiert von ANCHORMAN HANS MEISER - wurde ursprünglich 18:53 Uhr ausgestrahlt, weshalb sie damals auch 7 VOR 7 hieß. Im April 1992 wurde HANS MEISER durch PETER KLOEPPEL ersetzt, der die Zuschauer auch heute noch durch die Sendung führt.34

Bis Mitte der neunziger Jahre orientierte sich RTL AKTUELL an der Videoclip-Ästhetik amerikanischer NEWS SHOWS35, und auch inhaltlich verstand man sich nach PETER LUDES eher als "Pointensucher" denn als neuer "Stichwortgeber" (vgl. Ludes 1993a: 43). Mit der 1995 durchgeführten Verlegung des Sendeplatzes auf 18:45 Uhr und der Umbenennung in RTL AKTUELL begann der Sender allmählich den lockeren und unterhaltsamen Stil seiner Nachrichten zu versachlichen. Eine zu vermutende Zunahme von HARD NEWS aus Politik und Wirtschaft war mit der Veränderung der Präsentationsform jedoch nicht zu beobachten.

Die Umstellung bei RTL von populären Strategien der Nachrichtenvermarktung auf eine eher seriös orientierte Berichterstattung geht auf die Tatsache zurück, dass in Deutschland sachorientierte Nachrichtendarstellungen die höchste Publikumsresonanz erzielen (vgl. Muckenhaupt 2000: 32).

Neben den Nachrichten bilden bis heute auch Service-Themen wie Finanzen, Reisen oder Konsum einen wichtigen Bestandteil von RTL-AKTUELL.36 Die Mischung aus HARD NEWS und SOFT NEWS scheint insbesondere beim jungen Publikum gut anzukommen. Mit durchschnittlich 3,71 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 17,3 Prozent lag RTL AKTUELL im Jahr 2004 nur knapp hinter den HEUTE-NACHRICHTEN des ZDF (19,6 Prozent), was nicht zuletzt auch auf den als seriös geltenden ANCHORMAN PETER KLOEPPEL zurückzuführen sein dürfte (vgl. Zubayr/Gerhard 2005: 100).37 Bezogen auf die Einschaltquoten der 14- bis 49-jährigen Zuschauer führt RTL AKTUELL sogar noch vor der TAGESSCHAU (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 1010).

3.2.4 SAT.1 News

Die jahrelangen Schwierigkeiten von SAT.1, sich für eine Präsentationsform ihrer Nachrichten zu entscheiden, spiegelt bereits die fünfmalige Namensänderung der Hauptausgabe wider. Erst seit der so genannten 'Informationsoffensive' im August 2004 werden alle SAT.1-Nachrichten, einschließlich der Hauptnachrichtensendung am Vorabend, als SAT.1 NEWS bezeichnet.

Gleichzeitig ist mit dem ehemals für HEUTE NACHT moderierenden THOMAS KAUSCH ein neuer ANCHORMAN für die Hauptausgabe um 18:30 Uhr engagiert worden. Durch seine langjährige journalistische Tätigkeit beim ZDF hat man mit KAUSCH einen nicht unbekannten und gleichzeitig seriös anmutenden Moderator für SAT.1 gewinnen können (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 1034).

Genau wie RTL setzte SAT.1 anfangs auf einen unterhaltsamen Boulevardjournalismus. Mitte der neunziger Jahre versuchte man jedoch in zunehmendem Maße Seriosität auszustrahlen, statt ausschließlich dem Kuriositätsprinzip zu folgen (vgl. Meckel/Kamps 1998b: 14).38 Der Anteil politischer Berichterstattung ging demgegenüber jedoch allmählich zurück. Seit der eingeleiteten 'Informationsoffensive' ist wieder ein leichter Zuwachs von HARD NEWS zu verzeichnen. Der Anteil von 'nichtpolitischen' Themen ist jedoch - genau wie bei RTL AKTUELL - noch sehr hoch (vgl. Kapitel 2.3.2).

In der Zuschauergunst lagen die SAT.1 NEWS mit 10,6 Prozent Marktanteil 2004 auf dem vierten Rang mit großem Abstand hinter den anderen drei hier behandelten Hauptnachrichten- sendungen. Gegen den allgemeinen Trend der Nachrichten von ARD, ZDF und RTL sind die Einschaltquoten der SAT.1 NEWS in den letzten Jahren jedoch stetig angestiegen. Der Zuschauervorsprung der anderen drei Nachrichtensendungen ist somit kleiner geworden (vgl. Zubayr/Gerhard 2005: 100).

3.3 Die Konvergenzthese im Kontext der Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und SAT.1

Im Kapitel 1.6 ist bereits auf die Debatte bezüglich der Konvergenzthese eingegangen worden. Am Beispiel des Streits zwischen MERTEN und KRÜGER wurden die gegensätzlichen Beobachtungen zur Konvergenzthese auf der Ebene der Programmstruktur dargelegt. Wie es in den meisten Konvergenzstudien der Fall ist, wurde also genreübergreifend zwischen Informationsangeboten und Unterhaltungsangeboten unterschieden: "[...] auffällig wenige befassen sich mit inhaltlichen Angleichungen innerhalb eines Genres." (Fahr 2001: 47)

In dem folgenden Teil soll ein Überblick darüber gegeben werden, inwieweit sich speziell das Nachrichtenangebot der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten hinsichtlich formaler Präsentation und Informationsinhalt einander angepasst hat.

3.3.1 Ergebnisse zur Konvergenz auf Präsentationsebene

Von den Studien, die sich mit Konvergenz innerhalb des Nachrichtengenres befasst haben, sind nun einige besonders hervorzuheben: BARBARA PFETSCH hat in einer umfangreichen Studie für den Zeitraum von 1986 bis 1993 herausgefunden, dass sich die Nachrichten von ARD und ZDF hinsichtlich ihrer Präsentation von politischen Informationen an die privaten Fernsehanstalten angepasst haben (vgl. Pfetsch 1996, zit. nach Maurer 2005: 46). Auch ANDREAS FAHR (2001) konstatiert eine konvergente Entwicklung bei allen Fernseh- nachrichten bezüglich ihrer formalen Präsentation. Nach FAHR lässt sich eine Konvergenz der Präsentationsformen bei den Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 anhand der Dauer ihrer Beiträge, ihrem Visualisierungsgrad, dem Anteil von Korrespondenten- berichten sowie der verwendeten Präsentationsdynamik feststellen.39 Im Folgenden soll ein Überblick darüber gegeben werden, was sich wie verändert bzw. angenähert hat.

3.3.1.1 Dauer der Nachrichtenbeiträge

Für das Jahr 1994 wiesen BRUNS und MARCINOWSKI nach, dass die Nachrichten von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 durchschnittlich jeweils 15 bis 16 Themen pro Sendung behandelten. Die Themenvielfalt hat damit bei allen Hauptnachrichtensendungen seit 1986 zugenommen (vgl. Bruns/Marcinowski 1997, nach Fahr 2001: 48).

MANFRED MUCKENHAUPT kommt in einer Studie aus dem Jahr 2000 zu ähnlichen Ergebnissen: Demnach brachte es die Hauptausgabe der TAGESSCHAU auf durchschnittlich 14 Themen und 20 verschiedene Nachrichteneinheiten (z.B. Moderation, Nachrichtenfilm usw.) pro Tag. RTL AKTUELL sendete mit fünf Minuten mehr Sendezeit ebenfalls 14 Themen mit durchschnittlich 32 Nachrichteneinheiten. MUCKENHAUPT zeigte damit an einem Beispiel, dass die durchschnittlichen Beitragslängen der privaten Fernsehnachrichten immer noch signifikant kürzer sind als die der öffentlich-rechtlichen. Allerdings tendieren TAGESSCHAU und HEUTE im Zuge des Visualisierungstrends zu immer mehr Kurzinformationen und

Filmfragmenten, wodurch die Nachrichteneinheiten tendenziell zahlreicher und Beitragslängen kürzer werden:40

"Die Privatsender haben das Tempo in den Fernsehnachrichten angezogen. Unter ihrer Regie wurde die Medienrealität dramatisiert. Dieser Trend ist auch in öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen zu spüren." (Muckenhaupt 2000: 32)

3.3.1.2 Visualisierungsgrad

Mit der Einführung des dualen Rundfunksystems war ein allgemeiner Visualisierungstrend deutscher Hauptnachrichtensendungen zu beobachten. Es sollte mehr 'Augenkitzel'41 erzeugt werden. Dabei nahm die Häufigkeit von Filmberichten zwischen 1989 und 1994 bei allen Fernsehsendern zu und bewegte sich zwischen 55 und 60 Prozent der Sendedauer. Der Anteil von reinen Sprechermeldungen ohne Einspielfilm sank demzufolge ab (vgl. Maurer 2005: 54). LUDES (2001) verglich in einer 1998 durchgeführten Untersuchung amerikanische und deutsche Nachrichtensendungen und ermittelte für die TAGESSCHAU einen Filmanteil von 64 Prozent. Damit hatte sich der Anteil der Filmbeiträge sogar für die vermeintlich 'altmodischste' Nachrichtensendung erneut leicht erhöht (vgl. ebd.: 55).

Bei den privaten Fernsehnachrichten hat sich - in Annäherung an die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen - der Einsatz von Hintergrundbildern (z.B. Fotos, Grafiken, Logos oder Landkarten) während der Sprechermeldungen erhöht (vgl. ebd.).

3.3.1.3 Anteil von Korrespondentenberichten

Die behauptete Annäherung bezüglich der Korrespondentenberichte42 geht ursprünglich auf BROSIUS (1998) zurück:

"Die Privaten [...] haben Nachteile in puncto Korrespondentennetz und externe Informationsquellen wettgemacht. Dies kann man als Konvergenz hin zu den öffentlichrechtlichen Programmen ansehen." (Brosius 1998: 289)

In relativer Hinsicht kann BROSIUS' Feststellung zugestimmt werden, schließlich mussten sich die privaten Fernsehanbieter zunächst ein Korrespondentennetz aufbauen und konnten damit den Abstand zu den Öffentlich-Rechtlichen relativ verkürzen. Wenn man sich die absoluten aktuellen Zahlen von Auslandsstudios ansieht, können jedoch Zweifel an einer ernst zu nehmenden Konvergenz angemeldet werden: Die Zahlen verdeutlichen, dass die Korrespondentennetze der privaten Rundfunkanbieter bei weitem nicht mit denen der öffentlich-rechtlichen Anstalten konkurrieren können. Allein das Korrespondentennetz der ARD umfasst 29 Auslandsbüros mit insgesamt rund 90 Journalisten und ist damit eines der größten weltweit (vgl. SWR 2005: 22). Das ZDF unterhält mit 19 Auslandsbüros ebenfalls ein international verzweigtes Korrespondentennetz (vgl. ZDF 2006a).

Demgegenüber betreibt SAT.1 lediglich eine Auslandskorrespondenz in Washington, während RTL auf immerhin fünf Auslandsbüros kommt (vgl. Wulf 2004: 559). Die Auslands- berichterstattung basiert bei den privaten Fernsehanbietern im Wesentlichen auf dem Einsatz von Reisereportern, die ohne dauerhaften Einsatzort weltweit über Ereignisse berichten sollen. Es zeigt sich jedoch, dass die Reisereporter kein Ersatz für Auslandskorrespondenten sind, weil ihnen viele Informationskanäle, vor allem aufgrund mangelnder Erfahrungen über das Land aus dem sie berichten, nicht zugänglich sind (vgl. Ludes 1993a: 42).43

In Anbetracht der wenigen Auslandsbüros privater Nachrichtenanbieter ist es nicht überraschend, dass der Anteil von Korrespondentenberichten bei den SAT.1 NEWS und RTL AKTUELL immer noch wesentlich niedriger ist, als bei der TAGESSCHAU und HEUTE.44

3.3.1.4 Präsentationsdynamik

Eine Inhaltsanalyse von LUTZ GOERTZ hat ergeben, dass sich die Präsentationsdynamik der Hauptnachrichtensendungen und damit der 'Augenkitzel' für die Rezipienten erhöht hat. So ist eine größere Vielfalt von Darstellungsformen zu verzeichnen. Z.B. ist die durchschnittliche Länge von Originaltönen - im Folgenden als 'O-Töne' bezeichnet - gesunken, deren Anzahl ist hingegen gestiegen (vgl. Goertz 1996, nach Maurer 2005: 55).

Eine erhöhte Dynamik der Fernsehnachrichten wurde außerdem durch schnellere Schnitte und häufigere Kamerabewegungen erreicht. Bei den Privaten war die durchschnittliche Einstel- lungsfrequenz - gemeint ist die Geschwindigkeit, mit der die Bildmotive wechseln - jedoch deutlich höher als bei den Öffentlich-Rechtlichen. So betrug sie 1994 bei ARD und ZDF durchschnittlich 6,9 und 6,5 Sekunden. Die Einstellungsfrequenz von RTL und SAT.1 lag im gleichen Jahr durchschnittlich bei 4,9 und 4,6 Sekunden (vgl. ebd.).

Nach GOERTZ gibt es hinsichtlich der formalen Gestaltung deutscher Fernsehnachrichten kaum noch nennenswerte Unterschiede, weshalb von einer Angleichung die Rede sein kann. So sei eine relativ einheitliche Dramaturgie der Nachrichten zu verzeichnen. Auch hinsichtlich Bildaufbau, Nachrichtensprache und Informationsdichte sind die Unterschiede seiner Ansicht nach nur noch marginal (vgl. Goertz/Schönbach 1998: 113).

3.3.2 Ergebnisse zur Konvergenz auf inhaltlich-thematischer Ebene

Die Ergebnisse zur Konvergenz von öffentlich-rechtlichen und privaten Nachrichtensendungen auf inhaltlich-thematischer Ebene stehen je nach beobachtetem Zeitraum im Gegensatz zueinander.

BRUNS und MARCINOWSKI resümierten 1997 im Bereich der Nachrichtensendungen eine Annäherung auf inhaltlicher Ebene, wobei die öffentlich-rechtlichen Anbieter stilprägend für die Privaten waren. Hinsichtlich Breite und Vielfalt der Themen sahen sie immer weniger Unterschiede. Einschränkend wurde jedoch erwähnt, dass die privaten Nachrichtenanbieter nach wie vor einen hohen Anteil an SOFT NEWS - teilweise innerhalb ihrer politischen Berichterstattung - hatten, während die Öffentlich-Rechtlichen traditionell klar definierbare HARD NEWS präsentierten. Eine thematische Angleichung hatte sich also (noch) nicht vollzogen. Die Studie über die Politikvermittlung in den Nachrichten von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 bezog sich auf einen Zeitraum zwischen 1986 und 1994 (vgl. Bruns/Marcinowski 1997, nach Fahr 2001: 48 sowie Maurer 2005: 46-47).45

KRÜGER verzeichnete bei einem neueren Vergleich der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 über den Zeitraum 1991 bis 2000 gegenläufige Ergebnisse zu BRUNS und MARCINOWSKI. Er fand heraus, dass die Politikberichterstattung 'im weiteren Sinn'46 bei der TAGESSCHAU und HEUTE in den neunziger Jahren geringfügig reduziert wurde,während sie bei den Hauptnachrichtensendungen von RTL und SAT.1 im gleichen Zeitraum stark rückläufig war.47

In Bezug auf die aktuelle Themenstruktur von Nachrichtensendungen hat KRÜGER (2005b) herausgefunden, dass die Hauptnachrichten von RTL und SAT.1 im Januar 2005 z.B. mehr als dreimal so viel Zeit auf die Berichterstattung über den Mord an RUDOLF MOOSHAMMER verwendeten (25 bzw. 26 Minuten), als die Hauptnachrichten der TAGESSCHAU und HEUTE (jeweils 8 Minuten). Anhand einer umfangreichen Themenanalyse kommt er bezüglich der Hauptnachrichtensendungen von RTL und SAT.1 zu dem Schluss:

"Die Betrachtung der einzelnen Sachgebiete, das Fallbeispiel MOSHAMMER-Mord, aber auch die monatliche Auflistung der Topthemen bestätigen die stärkere Beachtung von Gewalt- und Sexualdelikten und anderen mit Affekten aufgeladenen Themen, die in den öffentlich- rechtlichen Nachrichten nur von untergeordneter Bedeutung sind." (Krüger 2005b: 318)

Gestützt wird KRÜGERS Schlussfolgerung mittels einer durchgeführten Themenanalyse der Hauptnachrichtensendungen von Anfang bis Mitte 2005. Dabei wurden alle Meldungen und Beiträge je nach Inhalt verschiedenen Kategorien zugeordnet, die sich in einem weiter gefassten Sinn grob in 'politische' und 'nichtpolitische Berichterstattung' einordnen lassen. Anhand der in Abbildung 1 dargestellten Sendeanteile kommt KRÜGER zu dem Ergebnis, dass die TAGESSCHAU fast zwei Drittel (63 Prozent) ihrer Berichterstattung politischen Themen (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft/Justiz), also den klassischen HARD NEWS, widmet. In der HEUTE-Sendung liegt der Anteil politischer Themen bei 49 Prozent. RTL AKTUELL und die SAT.1 NEWS kommen demgegenüber auf lediglich 32 bzw. 37 Prozent (vgl. Abb.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Themenstruktur der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 Januar bis Juni 2005, Sendeminuten in %

Quelle: Media Perspektiven 07/2005: 305

Anhand der Übersicht wird deutlich, dass sich die Inhalte der öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptnachrichten deutlich voneinander unterscheiden. Während sich die Themenanteile der Hauptnachrichten von RTL AKTUELL und den SAT.1 NEWS jedoch untereinander relativ ähnlich sind, kommt die TAGESSCHAU gegenüber HEUTE auf den höchsten Anteil politischer Berichterstattung. Dieser Unterschied zwischen den öffentlich-rechtlichen Hauptnachrichtensendungen ist jedoch der in der Übersicht nicht darstellbaren Tatsache geschuldet, dass der moderierten HEUTE-Sendung jeden Tag fünf Minuten mehr Sendezeit eingeräumt werden als der TAGESSCHAU. Dadurch wird in der Hauptausgabe der ZDFNachrichten - neben einer relativ ausführlichen Politikberichterstattung - auch anderen Themen mehr Gewicht verliehen (vgl. Krüger 2005b: 306).

Vergleicht man KRÜGERS Ergebnisse von 2000 und 2005, so lässt sich für diesen Zeitraum eine geringfügige Anpassung bzw. Konvergenz bezüglich der politischen Berichterstattung feststellen: Während die Hauptnachrichten von ARD und ZDF ihre politische Berichterstattung weiter verringert haben, ist dieser Anteil bei RTL AKTUELL und den SAT.1 NEWS wieder leicht angestiegen.

Angesichts der immer noch großen Unterschiede kann nicht von einer Nivellierung der Angebotsstruktur zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Fernsehnachrichten gesprochen werden. Zwar kann man FAHR zustimmen, wenn er sagt, dass die Rezipienten bei den Nachrichten von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 mit dem "Wichtigsten des Tages" versorgt werden würden, allerdings sagt dies noch nichts über die Qualität, die Themenverteilung und den Umfang der Berichterstattung aus (vgl. Fahr 2001: 48).

3.4 Information und Unterhaltung: Infotainment in den Fernsehnachrichten

Im letzten Kapitel ist immer wieder auf eine Unterscheidung zwischen unterhaltenden SOFT NEWS und informierenden HARD NEWS verwiesen worden, die derart idealtypisch gar nicht vorhanden ist. Die folgenden Ausführungen greifen den allgemein feststellbaren Nachrichtentrend zur Verknüpfung von Information und Unterhaltung48 bzw. Entertainment auf. Man spricht in diesem Zusammenhang von "Infotainment":

"Unter Infotainment verstehen wir alle Möglichkeiten zur unterhaltenden Aufbereitung von Informationen, geschehe dies durch die thematische Auswahl, deren optische oder sprachliche Realisierung." (Wittwen 1995: 24)

LUDES bezeichnet Infotainment als Teil einer "Amerikanisierung des Fernsehprogramms in der BRD" und befürchtet, dass die beruflichen Standards im journalistischen Bereich immer mehr den beobachtbaren Tendenzen in den USA entsprechen: "Von der gemeinwohl- orientierten Dienstleistung zum Geschäft mit Showeinlagen." (Ludes 1993a: 13) Infotainment ist als Teil der Kommerzialisierung49 des Fernsehens entstanden und wurde nach Kriterien des wirtschaftlichen Erfolgs konzipiert.50 Der Rezipient stand somit zwar Mittelpunkt; programmliche Grundsätze wie Bildung und Information gerieten dadurch jedoch in einigen vermeintlich informierenden Fernsehformaten in den Hintergrund. Einige Kritiker befürchten durch den verstärkten Einsatz unterhaltender Elemente in den Fernsehnachrichten eine langfristig zunehmende Entpolitisierung der Nachrichtenthemen.51 Dies gilt nicht nur für die privaten Nachrichtenveranstalter: GEORG RUHRMANN hat in einer Untersuchung, die sich in einem Zeitraum von 10 Jahren (1992 bis 2001) mit den öffentlich- rechtlichen Fernsehnachrichten befasste, aufgezeigt, dass auch die TAGESSCHAU und HEUTE immer unpolitischer geworden sind. RUHRMANN stellt in seiner Studie außerdem fest, dass die Nachrichtenthemen insgesamt konfliktreicher und personalisierter52 präsentiert werden als Anfang der neunziger Jahre:

"Wir bekommen mehr Prominenz zu sehen, im privaten, aber auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gibt es mehr 'human touch'. Das Menschliche macht Nachrichten-Karriere." (Ruhrmann 2003, zit. nach Bertram 2006: 188)

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch WEISCHENBERG in einer Studie über die "Konturen aktueller Medienkommunikation". Darin gelangt er zu dem Schluss, "[...] dass der Versuch einer klaren Abgrenzung von Information und Unterhaltung zunehmend scheitert." (Weischenberg 2004, zit. nach Bertram 2006: 188) Die weitgehende Verschmelzung von Information und Unterhaltung hat nach WEISCHENBERGS Auffassung sogar dafür gesorgt, dass es nur noch graduelle Unterschiede zwischen den beiden Rundfunksystemen gibt. Demnach sei das übergreifende Prinzip "die infotainisierte Aufbereitung von Nachrichten." (ebd.)

Auch für CLAUDIA MAST ist in klassischen Fernsehnachrichten ein Trend zur lockeren Präsentation von Inhalten sichtbar, wobei einschränkend erwähnt werden sollte, dass Infotainment im Bereich von Magazinsendungen (z.B. POLYLUX, QUER, GALILEO) weitaus deutlicher hervortritt (vgl. Mast 2004: 531).

Der Begriff "Infotainment" geht nach Ansicht von WITTWEN auf die späten siebziger Jahre zurück und gelangte in den achtziger Jahren durch berühmte Medienkritiker, allen voran NEIL POSTMAN, in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit (vgl. Wittwen 1995: 17). POSTMAN gehörte zu den schärfsten Kritikern des Mediums Fernsehen, welches seiner Ansicht nach ausschließlich auf Unterhaltung ausgerichtet ist:

[...]


1 Die in der Arbeit verwendeten Bezeichnungen 'Atomstreit', 'Atomkonflikt' oder 'Iran-Krise' haben sich in den deutschen Medien (unter anderem auch bei der TAGESSCHAU, HEUTE, RTL AKTUELL und den SAT.1 NEWS) gewissermaßen als 'Label' für den Konflikt um das iranische Atomprogramm etabliert. Aufgrund dessen und aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird im Folgenden darauf verzichtet, die umgangssprachlich verwendeten Kurzbezeichnungen mit Anführungszeichen zu versehen.

2 Als formal werden in Bezug auf Nachrichten alle Präsentationsmerkmale bezeichnet, die sich nicht auf den semantischen Inhalt der gesprochenen Nachrichtentexte beziehen. Hierzu gehören visuelle, strukturelle oder auditive Elemente einer Nachricht.

3 "Mit der Verbreitung des Fernsehens ist unsere Gesellschaft nicht einfach eine Gesellschaft plus Fernsehen, sondern sie hat einen fundamentalen Wandel erfahren." (Kamps 1999: 143)

4 Das Fernsehen hat eine gewisse Dominanz gegenüber anderen Medien, dies äußert sich z.B. darin, dass auch in anderen Medien sehr häufig über das Fernsehen berichtet wird. Viele Magazine und Zeitungen haben sich ausschließlich darauf spezialisiert, über das Geschehen im und um das Fernsehen zu berichten (vgl. Kamps 1999: 143).

5 Ein Politiker erreicht mit einem einzigen Fernsehauftritt mehr Menschen, als er in seiner gesamten politischen Laufbahn persönlich ansprechen könnte (vgl. Kamps 1999: 154).

6 In Ostdeutschland sind es mit durchschnittlich 251 Minuten sogar über vier Stunden (vgl. Medien Basisdaten 2005. Verfügbar unter: <http://www.ard.de/intern/basisdaten/fernsehnutzung>).

7 Zum Vergleich: Nicht einmal 40 Prozent der Bundesbürger lesen regelmäßig ein Buch oder treiben öfter Sport (vgl. Medien Basisdaten 2005. Verf. unter: <http://www.ard.de/intern/basisdaten/mediennutzung>).

8 Die Tageszeitung als das traditionelle Informationsmedium wurde bereits in den sechziger Jahren vom Bildmedium Fernsehen als glaubwürdigstes Medium eingeholt. Diese Position hält es bei den Rezipienten bis heute, während dem Radio die geringste Glaubwürdigkeit attestiert wird (vgl. Halff 1998: 127).

9 Hierzu können z.B. der 11. September, die 'Jahrhundertflut' 2002, der Golfkrieg 2003, die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2004 oder die Tsunami-Katastrophe 2005 gezählt werden, im Kontrast dazu aber auch Sportereignisse wie z.B. Fußball-Weltmeisterschaften oder die Olympischen Spiele.

10 Der Grundversorgungsauftrag kann wie folgt definiert werden: "Das Bundesverfassungsgericht sieht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein entscheidendes Instrument der gesellschaftlichen und kulturellen Integration, eine Garantie für Meinungspluralismus, einen Schutz für Minderheiten sowie einen Garanten zur Achtung der Menschenwürde." (ZDF 1998: 8)

11 Das 6. Rundfunkurteil des BVG von 1992 beinhaltet darüber hinaus folgendes: "Die Funktion des

12 Eine ausführliche Darstellung des Rundfunkrechts ist im Internet unter <http://www.jura.uni-sb.de> verfügbar.

13 Durch die Einführung des dualen Rundfunks mussten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bis Mitte der neunziger Jahre große Zuschauerverluste hinnehmen, sodass RTL 1993 zum Sender mit den höchsten Einschaltquoten des Jahres avancierte. In den darauf folgenden Jahren stabilisierten sich die Zuschauerzahlen der Öffentlich-Rechtlichen jedoch auf einem kumulierten Zuschaueranteil von rund 44 Prozent. Seit 2004 ist DAS ERSTE DEUTSCHE FERNSEHEN wieder - knapp vor RTL - zum Marktführer aufgestiegen (vgl. Hickethier 1998: 415 sowie GfK-Marktanteile 2005. Verfügbar unter: <http://www.kek-online.de>).

14 Zusammengenommen sind die Werbeinnahmen von ARD und ZDF von 972 Millionen Euro (1985) auf 429 Millionen Euro (2003) gesunken. Demgegenüber sind jedoch die Einnahmen aus Rundfunkgebühren im gleichen Zeitraum von etwa 2,2 Milliarden Euro auf über 6,6 Milliarden Euro gestiegen (vgl. Media Perspektiven 2005, nach EUMAP: 18).

15 Nach einer Studie von 1998 würden 69 Prozent der Bundesbürger weiterhin Gebühren zahlen, um die öffentlich-rechtlichen Programme zu empfangen (vgl. Friedrichsen 2004: 15).

16 WOLFGANG SEUFERT - Professor für Medienökonomie - glaubt z.B., dass der Wegfall der Werbeeinnahmen durch eine relativ moderate Erhöhung der Rundfunkgebühren kompensiert werden könne. vgl. Seufert 2005: 63.

17 Auch im Hörfunkbereich ist der BERTELSMANN-Verlag sehr aktiv, die Geschäfte werden hier über die betriebseigene UFA FILM- UND FERNSEH-GMBH abgewickelt (vgl. Klawitter 1996: 119).

18 Die Fusion zwischen SAT.1 und PROSIEBEN wurde 2001 von der KIRCH-GRUPPE vorangetrieben. Nach der Insolvenz von KIRCHMEDIA musste LEO KIRCH die Senderfamilie an den US-Milliardär HAIM SABAN verkaufen vgl. Holly 2004: 20).

19 Im Jahresabschlussbericht der KOMMISSION ZUR ERMITTLUNG DER KONZENTRATION IM MEDIENBEREICH war in diesem Zusammenhang von "engen oligopolischen Machtstrukturen" die Rede (vgl. EUMAP 2005: 34).

20 Einige Sender, wie z.B. MTV-DEUTSCHLAND haben bereits mehrfach den Standort gewechselt (Hamburg, München, Berlin) und zeigen damit, dass sie ihr Programm auch woanders produzieren können, wenn die jeweilige Landesmedienanstalt allzu kleinlich auf geltendes Recht besteht (vgl. Mai 2005: 46-47).

21 Der Medienforscher HANS-JÜRGEN WEIß empfiehlt den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, endlich die einst geplante 'Doppelstrategie' in die Praxis umzusetzen, da es sonst bald kein duales Rundfunksystem mehr geben könnte: "In der Unterhaltung durch Innovation und Qualität offen den Wettbewerb mit den Privaten ausfechten und gleichzeitig den Informationsbereich stärken. Sonst geht die Legitimation endgültig kaputt." (Weiß, zit. nach Bertram 2006: 229)

22 Zum Beispiel bezahlte die KIRCHGRUPPE Ende 1996 für die Lizenzrechte der Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 die Rekordsumme von 3,4 Milliarden DM (vgl. Kammann 1997: 87).

23 Vgl. hierzu unter anderem den Abschnitt: "Notwendigkeiten einer volumenneutralen Öffnung der 20:00 Uhr-Grenze". In: ZDF-Schriftenreihe 1994. Heft 51: 27-31.

24 Auch von politischer Seite gibt es Bestrebungen, die Kosten der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu reduzieren und den Wettbewerb im Rundfunkmarkt zu intensivieren: Es existieren konkrete Vorschläge der Ministerpräsidenten von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, die eine Reduktion des öffentlich-rechtlichen Programmumfangs beinhalteten. Für das Fernsehprogramm wird z.B. eine Zusammenlegung von ARTE und 3SAT gefordert. Ein wesentliches Motiv der Initiative ist die vermutete Ineffizienz der Öffentlich-Rechtlichen, die zu höherer Wirtschaftlichkeit gezwungen werden sollen (vgl. Seufert 2005: 64-65).

25 Vgl. hierzu: "Weit verbreitet - dennoch haltlos: die Konvergenzthese". In: ZDF Schriftenreihe 1998. Heft

26 MERTEN führte seine Konvergenzstudie für den VERBAND PRIVATER RUNDFUNK UND TELEKOMMU- NIKATION (VPRT) durch, während das von KRÜGER geleitete INSTITUT FÜR KÖLNER MEDIENFORSCHUNG (IFEM) seine jährlichen Untersuchungen zum Programmvergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten im Auftrag von der ARD/ZDF-Medienkommission durchführt und in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift "Media Perspektiven" veröffentlicht (vgl. Maurer 2005: 45 sowie IFEM 2006. Verfügbar unter <http://www.ifem.de>).

27 Mediennutzung ist nach JÄCKEL von bestimmten individuellen Grenzen abhängig. Idealtypisch betrachtet ist die Wahlfreiheit jedes Individuums eingeschränkt durch individuelle und gesellschaftliche Präferenzgrenzen (geschmackliche Vorlieben, Bezugsgruppen), Verstehensgrenzen (persönliche Interpretationskompetenz von Medienangeboten), Motivgrenzen (sozialer Status und psychische Verfassung) sowie unmittelbare Begrenzungen (z.B. Geld, Zeit) (vgl. Jäckel 2005: 34-35).

28 Auf eine ausführlichere Darstellung deutscher Nachrichtensendungen kann aufgrund der Zielstellung derArbeit verzichtet werden.

29 Mit der Berichterstattung über das Grubenunglück von Lengede 1963 schaffte es die TAGESSCHAUerstmals, ihren zentralen Vorteil gegenüber der Presseberichterstattung zu nutzen. Sie übertrug die Bilder der Rettung live (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 1184). 'Bildträchtige' Ereignisse wie diese trugen danach entscheidend zum Erfolg der TAGESSCHAU bei.

30 Wie sehr die TAGESSCHAU das Fernsehverhalten des deutschen Publikums bestimmt, zeigt sich allein an

dem Beginn des Hauptabendprogramms, den fast alle Fernsehprogramme auf 20:15 Uhr festlegen. RTL und SAT.1 haben in der Vergangenheit jeweils einen Versuch gemacht, die 'Primetime' auf 20 Uhr vorzuziehen. Beide Vorhaben scheiterten jedoch an zu niedrigen Einschaltquoten (vgl. Reufsteck /Niggemeier 2005: 1184).

31 Die TAGESSCHAU wird wegen ihrer puristischen Präsentationsweise immer wieder kritisiert, dass sie ein 'Nachrichten-Fossil mit Stehkragen' oder ein 'halbamtliches Sprachrohr' sei. Bis in die siebziger Jahre hinein dachten z.B. über 60 Prozent der Fernsehzuschauer, der TAGESSCHAU-5Sprecher KARL-HEINZ KÖPCKE sei der Sprecher der Bundesregierung (vgl. Wittwen 199: 30).

32 "Er ist kein bloßer 'Sprecher' wie bei der ARD, sondern ein 'Redakteur im Studio'. Seine Aufgabe besteht nicht nur im Verlesen der Nachrichten, vielmehr hat er eine journalistische Funktion: Neben der Verbreitung besorgt er auch die professionelle Vorbereitung, Aufarbeitung und Aufbereitung der Nachrichten und führt gegebenenfalls auch am Bildschirm Gespräche mit live zugeschalteten Politikern oder Korrespondenten vor Ort." (ZDF 1994a: 21)

33 Ein ANCHORMAN vermeldet Ereignisse nicht nur, sondern moderiert die Nachrichten aus einer souverän einordnenden Erzählerperspektive, wodurch ihm gleichzeitig ein größerer Präsentationsspielraum in Form von Interviews, Schalten oder Erklärstücken eingeräumt wird (vgl. Wittwen 1995: 34).

34 In den ersten Jahren wurden neben dem ANCHORMAN zwei weitere Moderatoren für Sport und Ausland eingesetzt. Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es jedoch keinen festen Platz mehr für den Auslandspräsentator, dessen Arbeitsfeld seitdem von PETER KLOEPPEL übernommen wird (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 1010).

35 Einen wichtigen Einfluss hatten beispielsweise die Vorspanne und Trailer des Nachrichtenkanals CNN ausgeübt. Symptomatisch für diese Verbindung war der Vorspann von RTL AKTUELL aus der ersten Hälfte der neunziger Jahre: Innerhalb weniger Sekunden wurden die Zuschauer mit einer Flut bewegter Bilder konfrontiert, womit die Ereignisflut, die Gleichzeitigkeit des Geschehens und die thematische Vielfalt veranschaulicht werden sollte (vgl. Muckenhaupt 2000: 25).

36 Die thematische Philosophie der RTL-Nachrichten wird von MICHAEL WULF, dem ehemaligen Redaktionsleiter von RTL AKTUELL, folgendermaßen charakterisiert: "Die RTL-Hauptnachrichten RTL- AKTUELL um 18.45 Uhr decken nicht nur die klassischen 'harten' News ab, also ausschließlich Themen, die das politische Geschehen bestimmen. Vielmehr berichtet RTL auch über das, was die Menschen Tag für Tag bewegt: Sei es Medizin oder Ernährung, Verkehr, Recht oder Verbraucherschutz." (Wulf 2004: 559)

37 PETER KLOEPPEL wurde 2003 mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Moderation Information" ausgezeichnet (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 1010).

38 Unter dem ehemaligen SAT.1-Informationsdirketor HEINZ KLAUS MERTES hatte man sich 1993 mit einem bewussten Einsatz von Grautönen sichtbar darum bemüht, seriöser zu wirken. Das Konzept fand beim SAT.1-Publikum jedoch kaum Resonanz. MERTES wurde zwei Jahre später entlassen (vgl. Reufsteck/Niggemeier 2005: 1034).

39 In der vorliegenden Studie wird am Beispiel der Atomstreit-Berichterstattung, auf die vier genannten, formalen Präsentationskriterien eingegangen. Dabei soll herausgefunden werden, wie sich die Hauptnachrichtensendungen in ihrer Präsentation aktuell - bezogen auf ein spezielles Thema der Auslandsberichterstattung - voneinander unterscheiden.

40 Die längste Einheit für Nachrichtenfilme in den Hauptnachrichten sind die so genannten 1'30'', und selbst diese sind nach Meinung der ehemaligen Journalistin und heutigen Bundestagsabgeordneten LUC JOCHIMSEN zu kurz: "Eine Minute und dreißig Sekunden ist allmählich das Format, wo man bestimmte Dinge überhaupt nicht mehr richtiggehend erklären kann." (Jochimsen, zit. nach Ludes 1993a: 137)

41 'Augenkitzel' ist ein von LUDES eingeführter Begriff, der die durch visuelle Stimulation erzeugten Emotionen eines Rezipienten beschreibt: "Vor allem Filmberichte eignen sich mehr als die Berichter- stattung anderer Medien dazu, Emotionen auszulösen." (Ludes 1993b: 129)

42 Ein Korrespondentenbericht unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Nachrichtenfilm, indem die gezeigten Aufnahmen nicht ausschließlich aus 'Fremdmaterial' bestehen, sondern von einem Korrespondententeam am Einsatzort selbst angefertigt worden sind. Um eine gewisse Aktualität und Unmittelbarkeit zum Geschehen herzustellen, berichten die Korrespondenten nicht selten auch 'live' vor der Kamera über das Geschehen (vgl. Claßen 1993: 46).

43 Das Verständnis des Auslandsreporters von der ihn umgebenden Gesellschaft und Kultur entscheidet maßgeblich über Form, Inhalte und Qualität seiner Berichterstattung (vgl. Ohde 1994: 102).

44 Bei der Hauptnachrichtensendung von RTL AKTUELL gibt es durchschnittlich z.B. nur einen Bericht pro Tag, der das etablierte 1'30''-Maß eines visualisierten Korrespondentenberichts erfüllen könnte. Die TAGESSCHAU erreicht dagegen durchschnittlich vier Beiträge dieser Länge (vgl. Muckenhaupt 2000: 32).

45 So genannte HARD NEWS sind Nachrichtenmeldungen mit wirtschaftlichen oder politischen Inhalten, bei denen möglichst viele Informationen in kurzer Zeit übermittelt werden sollen. Die emotionalisierenden oder unterhaltenden Inhalte von SOFT NEWS haben keinen oder nur wenig Einfluss auf das öffentliche Leben und werden oft mit sprachlichen Superlativen, Phraseologismen sowie effektvollen Pointen ausgeschmückt (vgl. Wittwen 1995: 96-99).

46 Zu den politischen Themen 'im weiten Sinn' gehören nach KRÜGER die Nachrichten aus den Bereichen "Politik", "Wirtschaft" sowie "Gesellschaft/Justiz". Die nichtpolitischen Inhalte werden durch die folgenden Themenkategorien repräsentiert: "Wissenschaft/Kultur", "Unfall/Katastrophe", "Kriminalität", "Human Interests/Buntes", "Sport", "Wetter" sowie "Sonstiges" (vgl. Krüger 2005b: 304-306).

47 Nach KRÜGER ging die politische Berichterstattung der ARD-Hauptnachrichten von 74 Prozent 1991 auf 70 Prozent 2000 zurück, beim ZDF von 69 auf 59 Prozent. Die RTL-Hauptnachrichten verzeichneten im gleichen Zeitraum einen Rückgang der politischen Berichterstattung von 52 auf 29 Prozent. Bei SAT.1 verringerte man den Politikanteil sogar noch stärker, von 73 auf 31 Prozent (vgl. Krüger 2001, nach Maurer 2005: 51).

48 Der hier gemeinte Begriff von "Unterhaltung" definiert sich nach FRÜH wie folgt: "Unterhaltung durch Fernsehen entsteht als angenehm erlebte Makroemotion im Zuge eines transaktionalen Informationsverarbeitungsprozess unter der Bedingung, dass bestimmte personale, mediale und situative bzw. gesellschaftliche Faktoren kompatibel sind und der Rezipient außerdem die Gewissheit hat, die Situation souverän zu kontrollieren." (Früh 2002: 240)

49 "Im aufkommenden dualen System der 80er Jahre werden Wechselwirkungen zwischen Fernsehen und Ökonomie häufig als Kommerzialisierung umschrieben." (Ruhrmann/Woelke 1998: 107)

50 Infotainment wird von vielen Kritikern durchweg negativ bewertet: Hauptgrund hierfür ist der direkte Bezug zur Kommerzialisierung des Fernsehens, die demnach nichts Positives bewirken kann: "Der Ehrgeiz, einfach gutes Fernsehen machen zu wollen, ist für immer verschwunden. Die Kommerzialisierung hat gewonnen." (John Cleese 2002, zit. nach Jäckel 2005: 9)

51 Der ehemalige ARD-Korrespondent JÜRGEN BERTRAM kritisiert vor allem die nachlassende Priorität der politischen Berichterstattung und zeigt an einigen Beispielen der TAGESSCHAU, dem 'Flagschiff' der öffentlich-rechtlichen Anstalten, dass sich die Rangfolge der Meldungen anscheinend zugunsten 'weicher' Themen verschoben hat: "Und man darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass es für solche Berichte eigene Sende-'Gefäße' gibt: die Boulevard-Magazine 'Brisant' (ARD) und 'Leute heute' (ZDF) zum Beispiel [...]." (Bertram 2006: 190)

52 Mit Hilfe der Personalisierung von Ereignissen, können Geschichten dramaturgisch einfacher erzählt und leichter visualisiert werden (vgl. Hickethier 1998: 198).

Ende der Leseprobe aus 170 Seiten

Details

Titel
Nachrichten über das Fremde
Untertitel
Eine Themenanalyse der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 mit dem Schwerpunkt auf der Nahost-Berichterstattung am Beispiel des Atomstreits zwischen dem Westen und dem Iran
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Medien- und Kommunikationswissenschaften)
Note
1,1
Autor
Jahr
2006
Seiten
170
Katalognummer
V76096
ISBN (eBook)
9783638731058
Dateigröße
1487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachrichten, Fremde
Arbeit zitieren
Johannes Gutjahr (Autor:in), 2006, Nachrichten über das Fremde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76096

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