Lernstrategien beim Zweitspracherwerb


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung: Lernstrategien – Ein individueller Unterschied beim Zweitspracherwerb

2 Lernstrategien erforschen, definieren und klassifizieren
2.1 Was sind Lernstrategien?
2.2 Die Klassifizierung von Lernstrategien nach O’Malley & Chamot
2.3 Indirekte vs. direkte Lernstrategien (Oxford)

3 Lernstrategien und Sprachenlernen
3.1 Einflussfaktoren auf die Strategienwahl des Lerners
3.2 Erfolgreiche Sprachenlerner
3.3 Ein Beispiel: Das Lernen von Vokabeln

4 Lernstrategien und Sprachenunterricht
4.1 Strategie erkennen und einschätzen
4.2 Strategie Training im Unterricht

5 Schlussfolgerung

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

1 Einführung: Lernstrategien – Ein individueller Unterschied
beim Zweitspracherwerb

„Der Mensch soll alle Sprachen lernen, damit ihm zu Hause kein Fremder unbequem, er aber in der Fremde überall zu Hause ist.“[1] Dieses Zitat Johann Wolfgang von Goethes aus dem frühen 19. Jahrhundert ist so brisant und „up to date“, als hätte der große Dichter geahnt, welchen Lauf die Welt nehmen würde. Im Zeitalter der Globalisierung ist das Beherrschen von Fremdsprachen so wichtig wie nie. Es ist zur essentiellen Vorraussetzung für den Erfolg im Beruf geworden. Auch im privaten Bereich, in dem mittels Internet leicht Kontakte zu Menschen aus aller Welt geknüpft werden können, ist es fast selbstverständlich, neben der Muttersprache zumindest Englisch zu sprechen.

Bereits in der Grundschule beginnen heute deutsche Schüler die „Weltsprache“ Englisch zu lernen. In meist relativ homogenen Lerngruppen machen sie erste Erfahrungen mit einer anderen Sprache. Zwar darf man nicht vergessen, dass viele Kinder mit Migrationshintergrund bereits Deutsch als erste Fremdsprache gelernt haben oder immer noch lernen, doch meist ist Englisch die erste Fremdsprache, die sie in einem Klassenzimmer, durch einen Lehrer gesteuert, erwerben. Obwohl nun die Schüler einer Klasse den gleichen Input durch den Lehrer erhalten und die gleichen Übungen machen, ist der individuelle Erfolg beim Zweitspracherwerb oft sehr ungleich. Auch beim natürlichen Zweitspracherwerb außerhalb des Klassenzimmers, also zum Beispiel im Ausland, findet man oft enorme Differenzen zwischen einzelnen Sprachenlernern. Wie kommt es zu solchen individuellen Unterschieden?

Verschiedene Faktoren haben Einfluss auf den komplexen Prozess des Zweitspracherwerbs. Diese können von sozialer Art sein, also mit der Umgebung des Sprachenlerners, seiner Einstellung zur Kultur der zu lernenden Sprache und der zu lernenden Sprache an sich zu tun haben.

Nicht zu unterschätzen sind auch biologische Faktoren, wie das Alter oder das Geschlecht des Lernenden. Der Bereich der psychologischen Einflussfaktoren auf den Erfolg des Zweitspracherwerbs ist weitreichend und gewichtig. Als besonders entscheidend gelten hierbei die Motivation, sowie die Sprachbegabung (aptitude). Letztgenanntes, sowie Umstände wie Alter oder Geschlecht sind natürlich starre, unveränderliche Faktoren, auf die man keinen Einfluss haben kann, weder als Lerner selbst, noch als Lehrer. Im Gegensatz dazu scheint der Bereich der Lernstrategien, der Teil der den Zweitspracherwerb beeinflussenden Faktoren zu sein, in den jeder Lerner selbst eingreifen kann. Somit scheinen Lernstrategien die Möglichkeit zu bieten, den Erfolg des Sprachenlernens entscheidend und vor allem aktiv zu beeinflussen.

Mit dieser Thematik befasst sich die vorliegende Ausarbeitung. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, was eigentlich unter Lernstrategien zu verstehen ist. Verschiedene Linguisten haben unterschiedliche Definitionen und Klassifizierungen dazu erarbeitet, die betrachtet werden sollen. Als besonders signifikante Ordnung möchte ich dann Rebecca L. Oxfords Einteilung von Lernstrategien in Direkte und Indirekte näher beleuchten. Anschließend soll beleuchtet werden, wie Lernstrategien und das Sprachenlernen konkret miteinander in Verbindung stehen und was erfolgreiche Sprachenlerner im Gegensatz zu weniger Erfolgreichen ausmacht. Am Beispiel vom Lernen von Vokabeln sollen einzelne Lernstrategien untersucht werden. Den letzten Schwerpunkt dieser Arbeit bilden der Einsatz und das Training von Lernstrategien beim Unterrichten von Fremdsprachen, denen ich als zukünftige Englischlehrerin besondere Aufmerksamkeit schenken möchte. Eine zusammenfassende Einschätzung der gewonnenen Erkenntnisse bildet den Abschluss dieser Arbeit.

2 Lernstrategien erforschen, definieren und klassifizieren

Die Thematik rund um Lernstrategien beim Zweitspracherwerb ist enorm komplex und bietet eine Vielzahl von Literatur und Theorien. Dennoch ist das Forschungsfeld auf diesem Gebiet längst nicht ausgeschöpft, allumfassend gültige und feststehende Erkenntnisse gibt es eher weniger. Zumeist sind Definitionen sehr verschwommen.

Wie aber gelangt man überhaupt zu Erkenntnissen über Lernstrategien, die ja mentale Prozesse einschließen und somit nicht (immer) offensichtlich sind? Während das Beobachten von Lernern im Klassenzimmer als weniger effektive Methode eingeschätzt wird (Vgl. Rubin 1981, zitiert in Ellis 1994: 533), können durch Interviews, in denen Lerner über ihre Lernstrategien berichten nützliche Informationen gewonnen werden. Andere Forschungsmethoden sind Lerner-Tagebuch-Studien oder think-aloud-tasks, sowie pair-thinking-aloud. Diese Methoden erfordern vom Lerner während des Lern- und Arbeitsprozesses in sich zu schauen und die eigenen Lernstrategien zu beobachten. Zwar konnten bereits gute Erkenntnisse mit diesen Methoden gewonnen werden, trotzdem kann man sicherlich anmerken und kritisieren, dass sie doch recht vage sind und eher subjektive Ergebnisse liefern, die von der individuellen Fähigkeit des Lerners abhängen, eigene mentale Prozesse zu erkennen und zu beschreiben. Dies scheint ein Grund dafür zu sein, warum Lernstrategien von verschiedenen Forschern so unterschiedlich definiert und eingeteilt werden.

2.1 Was sind Lernstrategien?

So vielfältig und umfangreich die Literatur zum Thema Lernstrategien ist – genau so unterschiedlich und verschwommen sind auch die Definitionen, die Sprachwissenschaftler, wie Chamot, Rubin, Weinstein & Mayer oder Oxford verfasst haben. Es scheint schier unmöglich, den Begriff kurz zu erklären ohne wichtig erscheinende Aspekte zu vernachlässigen.

Zunächst sollte der Begriff der Strategie erläutert werden. Man kann darunter ein geplantes Vorgehen oder einen Plan an sich, mit dem Zweck ein bestimmtes Ziel zu erreichen, verstehen. Laut Pressley, Borkowski & Schneider (1987, zitiert in Staub 2006: 66) „[besteht] eine Strategie (...) aus einer Kombination von spezifischen Techniken, die bewusst im Hinblick auf Ziele ausgewählt werden und deren Ausführung überwacht wird.“ Das Ziel beim Zweitspracherwerb ist unverkennbar, wenn auch die individuellen Motive der Lerner natürlich verschiedenartig sind: Menschen möchten die Fähigkeit erwerben, eine Sprache zu lernen, zu beherrschen und anzuwenden, die nicht ihre Muttersprache ist. Der Hauptfokus scheint auf dem Begriff „lernen“ zu liegen. Unter Lernen versteht man Wissen oder Fähigkeiten durch Studieren, Erleben oder Unterricht zu gewinnen.

Doch was heißt nun Lernstrategie? Der Definition von O’Malley & Chamot (Vgl. 1990: 1) entsprechend handelt es sich dabei um spezielle Denkens- und Verhaltensweisen, die dem Individuum ermöglichen neue Informationen zu erfassen, zu lernen und zu behalten. Dies scheint unbestritten. Sobald man sich aber in den Bereich der Sprachlernstrategien (language learning strategies) begibt, die Gegenstand dieser Arbeit sind, gibt es zahlreiche Punkte, bei denen sich laut Ellis (1994) die Linguisten uneinig sind. So stellt sich die Frage, ob Strategien mit Techniken oder gar Taktiken gleichzusetzen sind. Es gibt Befürworter wie Chamot (1987), aber auch Gegner dieser Vereinheitlichung (Stern 1993). Des weiteren ist man sich unschlüssig, ob sich Lernstrategien überhaupt im Verhalten wiederspiegeln (behavioral sind) oder ob sie allein geistige (mental) Vorgänge sind, die äußerlich nur schwer wahrnehmbar sind. Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage nach der Bewusstheit von Lernstrategien. Wendet der Lerner Strategien bewusst und absichtlich an oder findet dies ganz unbewusst statt? Haben Lernstrategien einen direkten oder indirekten Einfluss auf die interlanguage ? Und wodurch ist der Gebrauch von Lernstrategien motiviert? Wie Ellis’ (1994) Darstellung zeigt, werden all diese Frage kontrovers beleuchtet und sind keinesfalls eindeutig zu beantworten, was es erschwert eine gültige Definition von Lernstrategien zu geben. Er gibt jedoch eine Übersicht über die Haupteigenschaften von Lernstrategien, was ermöglicht sie zu charakterisieren ohne eine spezifische Theorie eines Sprachwissenschaftlers herauszuheben.

Als Lernstrategien können demnach sowohl allgemeine Herangehensweisen als auch spezifische Techniken bezeichnet werden, die genutzt werden, um eine Fremdsprache zu lernen. Dabei werden Lernstrategien meist gebraucht, um ein bestimmtes Problem beim Lernen zu lösen. Man kann zudem davon ausgehen, dass dem Lerner die angewandten Strategien bewusst sind. Strategien beim Sprachenlernen schließen sowohl sprachliche, als auch nicht-sprachliche Verhaltensweisen sein und werden beim Zweitspracherwerb genauso genutzt, wie beim Erlernen der Muttersprache. Es gibt Strategien die direkt aus dem Verhalten wahrnehmbar sind, aber auch die, die allein mentaler Art sind und weniger einfach beobachtet werden können. Eine weitere Eigenschaft von Lernstrategien ist, dass sie sowohl indirekt, als auch direkt zum Lernen beitragen können. Der letzte Punkt, den Ellis nennt, ist der Fakt, dass der Gebaruch von Strategien variabel ist, also von der individuell zu bewältigenden Aufgabe und den entsprechenden Vorlieben des Lerners abhängt.

Da Rebecca L. Oxfords Buch „Language Learning Strategies – What every teacher should know“ (1990) eine Grundlage für diese Arbeit bildet und die Erkenntnisse dieser Linguistin weltweit anerkannt sind, soll im Anschluss an die Klassifizierung von Lernstrategien nach O’Malley und Chamot, ihre Auffassung von Lernstrategien genauer beleuchtet werden.

2.2 Die Klassifizierung von Lernstrategien nach O’Malley & Chamot

Trotz der kontroversen Definitionen von Lernstrategien in der angewandten Linguistik, kann man Lernstrategien klassifizieren und in bestimmte Kategorien ordnen. Die Einteilung, welche die Linguisten J. Michael O’Malley und Anna Uhl Chamot erarbeitet haben[2], ist besonders anerkannt und soll nun beleuchtet werden. Mit ihrer Theorie beziehen sich O’Malley und Chamot auf die cognitive theory von John Anderson. Sie verstehen Sprache somit als komplexe kognitive Fähigkeit. Dementsprechend kann auch der Zweitspracherwerb nicht analysiert werden, ohne eine Verbindung von Kognition zu Sprache zu schlagen (Vgl. 1991:1, 16).

O’Malley und Chamot haben Lernstrategien in drei Gruppen eingeordnet, abhängig von Ebene und Art der Verarbeitung, die bei den Strategien beteiligt ist (Vgl. 1991: 44). Sie unterscheiden metakognitive, kognitive, sowie soziale/affektive Lernstrategien.

Als Metakognition bezeichnet man die Auseinandersetzung mit eigenen kognitiven Prozessen, wie Gedanken, Meinungen und Einstellungen, sozusagen das „Wissen über das Wissen“. Demzufolge wird bei metakognitive Lernstrategien vom Lerner die Kenntnis über kognitive Prozesse genutzt. O’Malley und Chamot zählen vier Grundstrategien zu dieser Kategorie. Als erstes ist die selektive Aufmerksamkeit zu nennen, die bestimmten Aspekten einer Aufgabe zugewandt wird. Zu dieser Strategie zählt also beispielsweise die Suche nach Schlüsselbegriffen. Weitere metakognitive Lernstrategien sind das Planen der Organisation von geschriebenem oder gesprochenem Diskurs und die Überwachung der eigenen gesprochenen Sprache oder der Informationen, die für wichtig erachtet und erinnert werden sollen. Als Letztes zählt das Einschätzen und Kontrollieren der eigenen Leistungen nach dem Lösen bestimmten Lernaufgaben oder der Produktion von Gesprochenem zur ersten Kategorie von Lernstrategien.

Kognitive Lernstrategien bilden nach O’Malley und Chamot (Vgl. 1990: 44ff.) die zweite Gruppe der Lernstrategien. Den Begriff „kognitiv“ kann man als „die Erkenntnis betreffend“ übersetzen. Kognitive Lernstrategien stehen in einer direkten Verbindung zum Erfüllen bestimmter Aufgaben. Sie operieren direkt mit dem Input, das der Lerner erhält und können so das Lernen verbessern. Wichtige kognitive Lernstrategien sind zum Beispiel das Wiederholen von Gehörtem und die Organisation von Wörtern oder Konzepten nach semantischen oder syntaktischen Gesichtspunkten. Als inferencing wird die Strategie bezeichnet, bei der vorhandene Informationen zum erschließen oder gar erraten von nicht Bekanntem genutzt wird. Beim Schlussfolgern (deduction) werden bewusst Regeln angewandt, um die Fremdsprache zu verstehen. Das Elaborieren („Ausschmücken“) gilt ebenfalls als wichtige kognitive Strategie und bezeichnet den Vorgang, neue Informationen, in Verbindung zu bereits existierenden Konzepten zu setzen.

[...]


[1] www.aphorismen.de

[2] siehe Abbildung 1 (Anhang S. 25)

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Lernstrategien beim Zweitspracherwerb
Hochschule
Universität Erfurt
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V75888
ISBN (eBook)
9783638808071
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernstrategien, Zweitspracherwerb
Arbeit zitieren
Mandy Busse (Autor:in), 2006, Lernstrategien beim Zweitspracherwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75888

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