Ausmaß, Ursachen und Konsequenzen von Inflationsdifferenzen im Euroraum


Seminararbeit, 2005

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Inflationsentwicklungen im Euro-Währungsgebiet: Bestandsaufnahme
2.1 Messung der Inflationsdivergenzen
2.2 Anstieg und Abweichungen der HVPI-Teuerungsraten

3. Erklärungsansätze von Inflationsunterschieden im Euro-Raum
3.1 Preiskonvergenz-Hypothese und Balassa-Samuelson-Effekt
3.2 Strukturelle Unterschiede

4. Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik
4.1 Anpassung der nationalen Arbeitsmarkt- und Wettbewerbspolitik
4.2 Fiskalpolitische Implikationen
4.3 Auswirkungen auf die einheitliche Geldpolitik

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) vollzog sich in drei Phasen: Ab 1. Juli 1990 begann die erste Stufe, die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs und engere Kooperation in der Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik der Mitgliedsländer. In der zweiten Phase ab dem 1. Januar 1994 wurde das Europäische Währungsinstitut gegründet. Es galt als Vorläufer der Europäischen Zentralbank (EZB) und diente der Vorbereitung für die spätere Währungsunion. In der letzten Stufe wurden die Wechselkurse am 1. Januar 1999 unwiderruflich festgestellt. Die Einführung des Euro als gemeinsame Währung mit einer Übergangszeit von 3 Jahren als Giralgeld vollzog sich in elf[1] der damals fünfzehn EU-Mitgliedsstaaten (zwei Jahre später auch in Griechenland). Die Europäische Zentralbank ist als unabhängige Institution und Nachfolgeinstitution des Europäischen Währungsinstituts für die gemeinsame Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets verantwortlich.

Primäres Ziel der EZB ist die Gewährleistung von Preisstabilität für den Euroraum. Der EZB-Rat definiert Preisstabilität als mittelfristig beizubehaltende jährliche Steigerung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI[2]) von weniger, aber nahe (nach Konkretisierung im Mai 2003) 2%. Dieses Ziel wird mit Hilfe einer Strategie erreicht, die sich auf zwei Säulen stützt. Die erste Säule ist die Geldmenge, welche sich in der Bekanntgabe eines Referenzwerts für das Wachstum eines weitgefassten Geldmengenaggregats niederschlägt. Die zweite Säule ist die umfassende Beurteilung der künftigen Preisentwicklung und der Risiken für die Preisstabilität im Euroraum. Diese Beurteilung stützt sich auf eine breite Palette von Finanzmarkt- und Konjunkturindikatoren.

Die Einführung der Einheitswährung gewährleistet zwar, dass die Entwicklung des Preisniveaus im Euro-Währungsgebiet letztendlich durch die einheitliche Geldpolitik des Eurosystems bestimmt wird, doch bedeutet dies nicht, dass die Teuerungsraten in den einzelnen Ländern immer mit der gemeinsamen Inflationsrate innerhalb des Euroraums identisch sind. Tatsächlich sind bei der Veränderungsrate des HVPI Unterschiede zwischen den Ländern des Euro-Währungsgebietes von Beginn an bis zur Gegenwart festzustellen, die in der wissenschaftlichen Diskussion über deren Ursachen und Konsequenzen einen prominenten Platz einnehmen.

Die vorliegende Arbeit unternimmt eine Bestandsaufnahme der Kontroversen um die Erklärungsansätze über die Ursachen und die Konsequenzen der Inflationsdifferenzen im Euroraum. Kapitel 2 gibt zunächst einen Überblick über das Ausmaß und die Entwicklung der Inflationsdifferentiale vor und nach der Vollendung der Währungs-union. Kapitel 3 befasst sich mit den in der Literatur häufig anzutreffenden Hypothesen über die Hauptursachen für die Inflationsdifferenzen. Die möglichen Konsequenzen der anhaltenden Inflationsunterschiede im Euro-Währungsgebiet für die Gestaltung der nationalen Wirtschaftspolitik und der einheitlichen Geldpolitik werden im Kapitel 4 zusammengefasst. Im Kapitel 5 wird ein kurzes Fazit gezogen.

2. Inflationsentwicklungen im Euro-Währungsgebiet: Bestandsaufnahme

2.1 Messung der Inflationsdivergenzen

Unterschiedliche Inflationsraten sind in einer Währungsunion durchaus üblich. Selbst in einer seit langem bestehenden Währungsunion wie in den Vereinigten Staaten können erhebliche Inflationsunterschiede auftreten. Die Analyse des Musters der regionalen Inflationsdifferenzen in den USA liefert eine gute Vergleichsbasis für die Beurteilung der Inflationsunterschiede im Euroraum trotz einiger Erfassungsunterschiede. Die Ergebnisse aus dem Vergleich zwischen den USA und dem Eurogebiet lassen den Schluss zu, dass das Ausmaß der Inflationsdivergenzen, gemessen sowohl an der Spannweite als auch an der Standardabweichung der Inflationsraten, sehr ähnlich für die beiden Währungsgebiete seit Beginn der 3. Stufe der Währungsunion ist (EZB 1999, EZB 2005). Nachfolgende Abbildung zeigt die Streuung der Inflationsraten im Euro-Währungsgebiet und in den USA anhand der ungewichteten Standardabweichung der jährlichen HVPI-Teuerungsraten der betroffenen Gebiete.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Streuung der jährlichen Teuerungsraten im Euro-Währungsgebiet, in 14 Ballungszentren der USA[3] und den 4 US-Census-Regionen[4] (ungewichtete Standard-abweichung in Prozentpunkten[5])

Quelle: EZB, Monatsbericht Mai 2005.

Abbildung 1 zeigt, dass der Streuungsgrad der Teuerungsraten in den Euro-Ländern in der ersten Stufe der Währungsunion kräftig zurückging. In der zweiten Stufe hat sich der Streuungsgrad weiterhin verringert. In der zweiten Jahreshälfte 1999 erreichte die Inflationsdivergenz im Euroraum ihren niedrigsten Wert. Seither hat sich der Streuungsgrad, abgesehen von einem geringen Anstieg in den Jahren 2000 bis 2002, weitgehend stabilisiert (EZB 2003a). Der Grund für den drastischen Rückgang der Inflationsdifferenziale im Vorfeld der Vollendung der EWWU war eine verstärkt auf Stabilität ausgerichtete Wirtschaftspolitik. Sie führte unter anderem zu einer restriktiven Budgetpolitik zur Erfüllung der Konvergenzkriterien und zu einer an der Produktivitätsentwicklung orientierten Lohnpolitik. Ferner trug die Teilnahme am Wechselkursmechanismus der Beitrittsländer ebenfalls dazu bei (Égert et al. 2004).

Zur Messung der Inflationsdifferenzen gibt es außer dem Maß der ungewichteten Standardabweichung noch weitere Methoden. Wird beispielsweise die ebenfalls ungewichtete Spannbreite, die in der Literatur häufig benutzt wird, zwischen den höchsten und niedrigsten HVPI-Teuerungsraten als Streuungsmaß herangezogen, so betrugen die Inflationsdifferenzen in den achtziger Jahren im heutigen Euro-Währungsgebiet über 10 Prozentpunkte (EZB 1999). Die Divergenzen zwischen den Inflationsraten der Euro-Länder sind nach der Konvergenz im Vorfeld der dritten Stufe der Währungsunion im Vergleich zu früher ebenfalls erheblich zurück-gegangen. Dieser Konvergenzprozess schaffte gute Voraussetzung für den Start der EWWU. Die Spannbreite der nationalen Inflationsraten sank von 7% im Jahre 1996 auf ein Minimum von 2% in 1999 und liegt seit 2002 bei gut 3% (Michaelis/Minich 2004). Die Spanne reagiert jedoch höchst anfällig auf einzelne Ausreißer und ermöglicht keine Gewichtung der beobachteten Werte, so dass eine hohe Inflationsrate in einer kleinen Volkswirtschaft beträchtliche Auswirkungen auf diese Kennzahl haben kann. Alle gängigen Streuungsmaße unterscheiden sich zwar in Wertgrößen, zeichnen jedoch ein ähnliches Bild der Entwicklung der Inflations-divergenzen im Euro-Währungsgebiet wie dies in Abbildung 2 illustriert wird (EZB 2005).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Streuungsmaße zum HVPI im Euroraum 1990 - 2003

Quelle: Égert et al. 2004.

Einige von internationalen Institutionen herausgegebenen Studien betrachteten die seit der Vollendung der Währungsunion wieder zunehmenden Inflationsdifferentiale in Europa mit Besorgnis (IWF 2001, IWF 2002, OECD 2002). Hier wurde meistens die ungewichtete Streuung zur Bewertung der Inflationsentwicklungen der einzelnen Länder herangezogen. Wird jedoch bei der Messung der Inflationsdifferentiale die unterschiedliche Größe der einzelnen Länder gewichtet, so lassen sich die Aussagen dieser Studien, wonach sich die Inflationsunterschiede im Euroraum seit 1999 markant vergrößert haben, nicht bestätigen (Égert et al. 2004).

[...]


[1] Das sind: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien.

[2] Bei den HVPI handelt es sich um einen Satz von EU-Verbraucherpreisindizes. Sie sind nicht als „Lebenskostenindizes“, sondern als „Preisindizes“ konzipiert, was ihre Schlüsselrolle bei der Messung der Preisstabilität widerspiegelt. Vgl. Eurostat März 2004.

[3] New York, Philadelphia, Boston, Washington, Chicago, Detroit, Cleveland, Dallas, Houston, Atlanta, Miami, Los Angeles, San Francisco und Seattle. Auf sie entfallen rund 41% der gesamten Konsumausgaben in den Vereinigten Staaten (EZB, MB Mai 2005)

[4] Die vier US-Census-Regionen sind der Nordosten mit den Ballungszentren New York, Philadelphia, Boston und Washington, der Mittlere Westen mit den Ballungszentren Chicago, Detroit und Cleveland, der Süden mit den Ballungszentren Dallas, Houston, Atlanta und Miami und der Westen mit den Ballungszentren Los Angeles, San Francisco und Seattle. (EZB, MB Mai 2005)

[5] Bei der ungewichteten Standardabweichung der Teuerungsraten wird allen Ländern die gleiche Bedeutung beigemessen ohne Berücksichtigung auf die Ländergröße.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Ausmaß, Ursachen und Konsequenzen von Inflationsdifferenzen im Euroraum
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Volkswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Ein wirtschaftspolitischer Rahmen für mehr Investitionen
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V75876
ISBN (eBook)
9783638807982
ISBN (Buch)
9783638807289
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausmaß, Ursachen, Konsequenzen, Inflationsdifferenzen, Euroraum, Rahmen, Investitionen
Arbeit zitieren
Dipl.-Volkswirtin Ya Neugebauer-Tao (Autor:in), 2005, Ausmaß, Ursachen und Konsequenzen von Inflationsdifferenzen im Euroraum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75876

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