Kooperatives Lernen. Unterrichtsprinzip zur Kompetenzförderung in leistungsheterogenen Klassen

Planung, Durchführung und Evaluation einer Unterrichtseinheit zur CAD-Schulung im BGJ Holztechnik


Examensarbeit, 2007

84 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zielsetzung und Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Darstellung des Konzeptes ´Kooperatives Lernen´
2.1 Was ist kooperatives Lernen?
2.2 Basiselemente des ´kooperativen Lernens´
Erwerb sozialer Fähigkeiten
Direkte Interaktion
Individuelle und Gruppen-Verantwortlichkeit
Positive Abhängigkeit
Bewerten in Gruppen
2.3 Kompetenzbereiche

3. Vergleich des Lernfeldkonzeptes mit dem des kooperativen Lernens

4. Arbeiten in Gruppen
4.1 Was ist eine Gruppe?
4.2 Wie werden heterogene Gruppen gebildet?

5. Durchführung
5.1 Analyse des Bedingungsfelds
5.1.1 Lehr- Lernbedingungen für den Unterricht
5.1.2 Lehrerspezifische Bedingungen
5.1.3 Curiculare Vorgaben
5.2 Struktur der Unterrichtseinheit
5.2.1 Erster Unterrichtstag
5.2.2 Zweiter Unterrichtstag
5.3 Didaktische und methodische Entscheidungen
5.3.1 Analyse des Themas in Verbindung mit den Auswahl- und Reduktionsentscheidungen
5.3.2 Zielentscheidungen
Thema: Wie arbeitet man erfolgreich in einer Gruppe?
Unterrichtsinhalt: Anforderungen an ein Plakat zur Beschreibung eines CAD-Befehls
Thema: Erstellen eines Plakates zur Beschreibung eines CAD – Befehls
Thema: Vorstellen der Ergebnisse
5.3.3 Methodische Entscheidungen

6. Evaluation
6.1 Beobachtungen
6.1.1 Erster Unterrichtstag (zwei Doppelstunden)
1. Phase – Merkmale ´Kooperativen Lernens´
2. Phase – Gruppenbildung
3. Phase – Regeln erfolgreicher Gruppenarbeit
4. Phase – Informationsphase in den Expertengruppen
6.1.2 Zweiter Unterrichtstag (drei Doppelstunden)
5. Phase – (Sozial-)Ziele des Tages
6. Phase – Austauschphase in den Stammgruppen
7. Phase – Erstellen der Plakate
8. Phase – Präsentation und Bewertung der Ergebnisse
6.2 Reflexion der Unterrichtssequenz
6.3 Fazit
6.3.1 Kompetenzbereich
... ´Unterrichten´
... ´Erziehen´
... ´Innovieren´
6.3.2 Ausblick auf die weitere Arbeit

Literaturverzeichnis

Anhang

Erklärung des Verfassers

Dank

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Merkmale handlungsorientierten Unterrichts

Abbildung 2: Bestimmungsgrößen eines handlungsorientierten Unterrichts

Abbildung 3: Mind Map - Merkmale kooperativen Lernens

Abbildung 4: Mind Map - Anforderungen an das Plakat

Kooperatives Lernen ist Gruppenarbeit, aber nicht jede Gruppenarbeit ist Kooperatives Lernen.“[1]

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit wurde als Hausarbeit im Rahmen der zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen erstellt und bezieht sich auf die Planung, Durchführung und Reflexion einer zehn Doppelstunden zählenden Unterrichtseinheit zum Thema ´Erstellung eines Plakates zur Beschreibung eines CAD - Befehls´ in einer BGJ-Klasse der Fachrichtung Holztechnik.

Die Schüler[2] werden nach ihrer Ausbildung in eine Arbeitswelt entlassen, in der immer mehr in Teams zusammengearbeitet wird. Auch ist eine hohe Bereitschaft des lebenslangen Lernens erforderlich, da ein Facharbeiter in der heutigen Zeit nicht sein Leben lang mit dem einmal erlernten Wissen auskommt. Aus diesen Gründen ist es notwendig, den Schülern Kompetenzen an die Hand zu geben, mit denen sie sich in einer sich ständig weiterentwickelnden Berufswelt zurechtfinden können. Die Ausbildung soll somit nicht nur mit der Qualifizierung eines bestimmten Berufes enden, sondern zudem bereits auf die spätere Weiterbildung im Beruf oder am Arbeitsplatz vorbereiten. Aus diesem Grund muss sich der Lernort Schule auf diese Umstände einstellen. Mit der Einführung von Lernfeldern im Rahmenlehrplan für Tischler / Tischlerinnen[3] will das KMK[4] diesen Veränderungen in Berufsschulen entgegentreten. Durch die Vermittlung einer Handlungskompetenz, die sich in Fach-, Human- und Sozialkompetenz entfaltet, sollen den Schülern die notwendigen Fähigkeiten vermittelt werden, um den oben genannten Anforderungen gerecht zu werden.

Eine der Dimensionen von Handlungskompetenz ist die Sozialkompetenz, welche als „die Bereitschaft und Befähigung, [...] sich mit Anderen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen“[5] verstanden wird. In dieser Hinsicht eignet sich m. E. das Konzept des ´Kooperativen Lernens´, da die Sozialkompetenz nicht nur vorausgesetzt wird, sondern zum sensibel geplanten, stetig und kontinuierlich vermittelnden, gleichrangigen Lerninhalt wird.[6] Dieses Konzept soll ein Schwerpunkt dieser Arbeit bilden, und in einer einer BGJ-Holztechnik Klasse durchgeführt werden.

Wie oben bereits erwähnt, hat das KMK bereits Maßnahmen getroffen, um diesen Veränderungen entgegenzuwirken. Was sind also Motiv und Intention dieser Arbeit? Welches ist die zentrale Fragestellung und wie wird diese beantwortet? Diese Aspekte werde ich in den folgenden beiden Teilabschnitten Zielsetzung und Fragestellung und Aufbau der Arbeit beantworten.

1.1 Zielsetzung und Fragestellung

Zunächst lässt sich aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass viele Schüler aus den von mir unterrichteten Klassen eine wenig ausgeprägte Sozialkompetenz entwickelt haben. Seit dem Beginn meines Referendariats zeichnete sich für mich ab, dass die Vermittlung der Sozialkompetenz eine wesentlich höhere Herausforderung an mich stellte als die der Fachkompetenz. Um den im Rahmenlehrplan geforderten Anforderungen gerecht zu werden und die Schüler auf das vor ihnen stehende Berufsleben vorzubereiten, entschloss ich mich nach einem Konzept zu suchen, das den Ansprüchen des Fachunterrichts gerecht wird und dieses mit sozialen Lernzielen verbindet. Mir erschien das Konzept des ´Kooperativen Lernens´ als geeignet. Zudem versprach es m. E., ein Mittel gegen die oftmals im Unterricht auftretenden Störungen und Unkonzentriertheiten zu sein und dabei den Schülern mehr Interesse und Spaß am Unterricht zu vermitteln.

Um dieses Konzept zu erproben, soll es in einer Klasse durchgeführt werden, in der eine hohe Leistungsheterogenität vorhanden ist. Dieses Leistungsgefälle ist besonders in der CAD-Ausbildung zu beobachten. Die Hälfte der Schüler geht mit dem in der Schule verwendeten Zeichenprogramm[7] sehr zielorientiert und selbstverständlich um, wobei die andere Hälfte der Klasse erhebliche Schwierigkeiten hat. Diese zeigen sich schon bei den elementaren Kenntnissen von Computerprogrammen und spiegeln sich in der Geschwindigkeit beim Zeichnen in CAD wider. Schaffen die leistugsschwächeren Schüler beispielsweise eine Aufgabe nicht in einem Zeitraum von 90 Minuten, so haben die leistungsstarken Schüler diese bereits in 15 Minuten gelöst. Ziel meiner Unterrichtseinheit soll eine Entwicklung der Sozialkompetenz sein, die ein Lernen von- und miteinander unterstützt, und so die leistungsstärkeren Schüler in den Lehrprozess mit einbezieht. Meine Beobachtungen in der Klasse haben ergeben, dass ein Helfen untereinander bisher so gut wie gar nicht stattfand. Dem soll mit Hilfe des Konzeptes des ´Kooperativen Lernens´ entgegengewirkt werden.

Mir ist bewusst, dass dieses Ziel in den von mir vorgesehenen zehn Doppelstunden nicht zu 100 % erfüllt werden kann. Ziel soll sein, einen Grundstein bezüglich einer Schülerbeteiligung am Lehr- Lernprozess zu schaffen und eine Weiterentwicklung bezüglich einer Gruppendynamik, in der lernschwächere Schüler von und mit lernstärkeren Schülern lernen, zu erreichen.

Leitfrage: Lässt sich mit Hilfe des ´Kooperativen Lernens´ eine Klassendynamik entwickeln, in der sich leistungsheterogene Schüler gegenseitig unterstüt- zen?

Genauer: Kann im Laufe der von mir geplanten Unterrichtseinheit ein Nachfragen der leistungsschwächeren bzw. ein Helfen der leistungsstärkeren Schüler be - obachtet werden?

1.2 Aufbau der Arbeit

Um diese Frage beantworten zu können, erfolgt zunächst in Kapitel 2 eine theoretische Darstellung des Konzeptes ´Kooperatives Lernen`. In wieweit dieses Konzept in einen curricularen Zusammenhang eingebettet werden kann oder ob es darüber hinaus geht, soll in Kapitel 3 durch einen Vergleich mit dem Lernfeldkonzept untersucht werden. Da im Unterricht in Gruppen gearbeitet werden soll, ist es darüber hinaus notwendig, die Definition einer Gruppe und deren Einteilungsmöglichkeiten zu erarbeiten, zumal es in der zu entwickelnden Unterrichtseinheit um eine Kompetenzförderung in heterogenen Klassen geht und somit heterogene Gruppen gebildet werden müssen.

Im zweiten Teil der Arbeit soll in Kapitel fünf die Unterrichtseinheit geplant werden. Unter Berücksichtigung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse sollen zehn Doppelstunden entwickelt werden, die der o.g. Leitfrage gerecht werden und ein Beobachten der Entwicklung bezüglich der Sozialkompetenz ermöglichen. Dazu soll in einem ersten Schritt das Bedingungsfeld analysiert werden. In einem weiteren Schritt wird eine Struktur der Unterrichtseinheit ausgearbeitet. Anzumerken sei hier, dass aus organisatorischen Gründen die Unterrichtseinheit an zwei voneinander getrennten Tagen stattfinden soll. Im Anschluss werden die didaktisch- methodischen Entscheidungen begründet und die Zielentscheidungen ausgeführt.

Im dritten Teil findet die Auswertung/Evalution der zuvor genannten Unterrichtseinheit statt. Um hier mehr Transparenz für den Leser zu gewährleisten, sollen zuerst die Beobachtungen dokumentiert werden. Anschließend soll die Unterrichtseinheit in ihrer Gesamtheit ausgewertet werden und die anfangs aufgestellte Leitfrage beantwortet werden.

Zum Abschluss der Arbeit sollen in einem Fazit Schlussfolgerungen in Bezug auf die Standards für die Lehrerausbildung[8] gezogen und ein Ausblick für meine weitere Tätigkeit als Lehrer gegeben werden.

2. Darstellung des Konzeptes ´Kooperatives Lernen´

2.1 Was ist kooperatives Lernen?

Laut Kirsten und Sven-Olaf Miehe[9] ist ´Kooperatives Lernen´ ein Begriff, der nicht geschützt ist und somit nicht näher definiert werden kann. Ihrer Meinung nach kann sich jede Gruppenarbeit, unabhängig davon, ob eine Kooperation stattfindet, kooperatives Lernen nennen.

´Cooperative Learning´ ist dagegen eng mit den Namen Roger T. und David W. Johnson verknüpft, welche als Urväter von ´Cooperative Learning´ angesehen werden können. Somit ist das ´Kooperative Lernen´ zunächst eine Unterrichtsstrategie, welche über bestimmte Parameter definiert werden kann. Kirsten und Sven-Olaf Miehe sprechen hier von den drei Säulen[10] des ´Cooperative Learning´: 1. Die sichere Lernatmosphäre, 2. die Gestaltung der Unterrichtsprozesse und 3. die einzelnen unterrichtlichen Aktivitäten.[11]

Margit Weidner gibt demgegenüber eine präzisere Begriffsklärung. Sie erläutert den Begriff des ´Kooperativen Lernen´ wie folgt:

Kooperatives Lernen´ ist eine besondere Form von Kleingruppenunterricht, der – anders als der traditionelle Gruppenunterricht – die sozialen Prozesse beim Lernen besonders thematisiert, akzentuiert und struktuiert. Der Entwicklung von der losen Gruppe zum „echten“ Team mit erkennbarer Identität kommt hohe Bedeutung zu. Durch vielfältige Maßnahmen und Aktivitäten wird die Eigenverantwortlichkeit für die Gruppenprozesse angebahnt und ausgebaut. Durch sensibel geplante Prozesse wird eine positive gegenseitige Abhängigkeit der Gruppenmitglieder erzeugt, was sich sowohl auf die sozialen Interaktionsprozesse als auch auf die Arbeitsergebnisse oder -produkte günstig auswirkt.

Hervorzuheben ist: Die Gruppenprozesse beim ´Kooperativen Lernen´ sind mindestens genauso wichtig wie das Arbeitsprodukt.“[12]

Ein Vergleich zum traditionellen Gruppenunterricht wird deutlich, wenn man sich eine Definition dessen anschaut. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport gibt folgende Definition heraus:[13]

- die zeitlich begrenzte Teilung des Klassenverbandes in mehrere arbeitsfähige Kleingruppen,
- die Bearbeitung von - vom Lehrer oder selbst gestellten - Aufgaben,
- die Vorstellung der Arbeitsergebnisse und deren weitere Nutzung im Klassenunterricht,
- mithin durch zielgerichtete Arbeit, soziale Interaktion und sprachliche Verständigung

Somit ist ´Kooperatives Lernen´ Gruppenarbeit, aber nicht jede Gruppenarbeit ist ´Kooperatives Lernen´.[14] Welche Parameter ´Kooperatives Lernen´ zu dem machen, was es ist, soll im nächsten Kapitel erläutert werden.

2.2 Basiselemente des ´kooperativen Lernens´

Im Folgenden sollen verschiedene Elemente des ´Kooperativen Lernens´ näher beschrieben werden. Sowohl Margit Weidner[15] als auch Kirsten und Sven-Olaf Miehle[16] sprechen von fünf Basiselementen:

- Erwerb sozialer Fähigkeiten
- direkte Interaktion
- individuelle und Gruppen-Verantwortlichkeit
- positive Abhängigkeit
- Bewerten in Gruppen

In dieser Arbeit sollen alle fünf Basiselemente angesprochen werden, wobei die Elemente positive Abhängigkeit und individuelle und Gruppen-Verantwortlichkeit m. E. eine besondere Bedeutung bei der Kompetenzförderung in heterogenen Kassen haben und somit etwas genauer erörtert werden sollen.

Erwerb sozialer Fähigkeiten

Soziale Fähigkeiten sind für das kooperative Lernen in Gruppen von entscheidender Bedeutung. Nur wenn die Schüler über soziale Kompetenzen wie aktiv zuhören, Hilfe erbitten und anbieten, kommunizieren, Kompromisse finden oder Entscheidungen treffen verfügen, können sie in ihren Teams erfolgreich arbeiten. Aus diesem Grunde wird das Erlernen dieser Fähigkeiten ausdrücklich zum eigenen Lerninhalt erklärt. In heterogenen Lerngruppen spielt dieser Punkt eine besondere Rolle. Gerade hier ist es wichtig, dass Schüler diese genannten Fähigkeiten nicht nur kennen, sondern auch anwenden, um sich letztendlich gegenseitig zu unterstützen und voneinander lernen zu können.[17]

Direkte Interaktion

Um eine direkte Interaktion herzustellen, sammelt sich die Lerngruppe nicht nur im Geiste, sondern auch real um den Lerngegenstand. In einer Sitzordnung, in der jeder jeden ansehen kann, soll sichergestellt werden, dass alle Äußerungen, auch eine nonverbale, wahrgenommen werden. Eine solche Sitzordnung hat den Vorteil, dass stille oder leistungsschwächere Schüler eine wesentlich höhere Chance haben, am Gruppenprozess teilzunehmen.[18]

Individuelle und Gruppen-Verantwortlichkeit

Die Übernahme persönlicher Verantwortung ist ein wesentlicher Bestandteil im kooperativen Lernen. Diese äußert sich folgendermaßen:[20][19]

-Um eine erfolgreiche Gruppenarbeit zu gewährleisten, muss sich jedes Gruppenmitglied in den gemeinsamen Lernprozess einbringen. (Hier ist besonders darauf zu achten, dass die lernschwächeren Schüler ihre Ziele erreichen können.)
-Jedes Gruppenmitglied muss in der Lage sein, die Aufgaben und Lernwege der Gruppe zu nennen.
-Alle Mitglieder in der Gruppe haben die Aufgabe, ihren Teil beizutragen und ggf. anderen Gruppenmitgliedern bei deren Aufgabe zu unterstützen; dies gilt besonders dann, wenn von anderen Gruppenmitgliedern Bedarf signalisiert wird oder diese sich aus dem Gruppenarbeitsprozess ausschließen wollen.

Um diese Bestandteile umsetzen zu können, reicht es nicht, einfach durch Gruppenarbeit eine Thematik zu bearbeiten. Vielmehr muss ein Umgehen miteinander in Bezug auf die individuelle und Gruppen-Verantwortlichkeit thematisiert und erarbeitet werden. Zudem spielt die Motivation eine erhebliche Rolle. Wenn es gelingt, sich auf ein gemeinsames Ziel hin zu bewegen, ist persönliches Engagement jedes Einzelnen nicht mehr weit. Ziel ist es, Neugier und Interesse am Gesamtziel zu entwickeln. Wenn dieses gelingt, kann davon ausgegangen werden, dass sich jeder Einzelne auf seine Aufgaben konzentriert und bemüht ist, diese zu lösen, um das Gesamtziel zu erreichen. Hier ist darauf zu achten, dass leistungsschwächere Schüler hinreichend motiviert werden und auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Im Folgenden sollen einige Bedingungen genannt werden, welche zu solch einer günstigen Beeinflussung hinsichtlich einer positiven Motivierung führen:[21]

Angemessenes Anforderungsmaß

Nur wenn die Schüler erkennen, welche Relevanz der Lerninhalt hat, machen diese für ihn Sinn und werden mit der nötigen Einsatzfreude behandelt. Es herrscht ein so genanntes Angesprochen-Sein.

Erfolg

Insbesondere lernschwache Schüler verlieren schnell die Lust, sich mit komplexen Aufgabenstellungen und Inhalten auseinanderzusetzen, wenn sie diese nicht überschauen können und nicht wissen, ob sie das Ziel erreichen werden. Nur wenn sie überzeugt sind, letztendlich Ergebnisse präsentieren zu können, gehen sie mit einer erfahrungsgemäß notwendigen Bereitwilligkeit vor.

Sozial förderliches Lernklima

Hier ist darauf zu achten, dass eine Lernumgebung geschaffen wird, in der sich alle Gruppenmitglieder wohlfühlen. Bei möglichen Schwierigkeiten oder einer Hemmnis, eine Aufgabe zu Ende zu bringen, muss das Lernklima so gestaltet werden, dass sich einzelne Schüler nicht ausgeschlossen fühlen. Ein positives Lernklima erlaubt es Fehler zu machen, so dass ein Misserfolg einzelner Schüler nicht zu einer Blamage führt und sie von anderen Gruppenmitgliedern ausgelacht werden. Wenn ein solches Lernklima geschaffen werden kann, ist die Bereitschaft sich einzubringen ungemein höher. Dies gilt vor allem für lernschwächere Schüler, die es ggf. gewohnt sind, Lernziele nicht zu erreichen und sich aus diesem Grunde lieber ganz zurückziehen, um keine Fehler zu machen. Auch sollte ein positives sozial förderliches Lernklima die Bereitschaft unterstützen, sich gegenseitig zu helfen. Gerade in leistungsheterogenen Gruppen ist dieses wichtig, um den leistungsschwächeren Schülern zu erleichtern, Fragen an die leistungsstärkeren Schüler zu stellen, ohne sich zu bloßzustellen.

Um ein solch sozial förderliches Lernklima herzustellen, ist ein gewisses Maß an Sozialkompetenz notwendig. Dieses kann in der Regel nicht als selbstverständlich angenommen werden, sondern muss erst geschaffen werden.

Positive Abhängigkeit

Eine positive Abhängigkeit der einzelnen Gruppenmitglieder und damit ein Erarbeiten spezifischer Beiträge jedes Gruppenmitglieds, ist grundlegend für die Zusammenarbeit im kooperativen Lernen. Der Erfolg der kooperativen Gruppenarbeit, und damit auch der Lernzuwachs aller in heterogenen Gruppen, lebt von der Annahme, dass jedes Gruppenmitglied genau weiß, was die anderen in seiner Gruppe erarbeiten. Jeder ist in den kooperativen Arbeitsprozess eingebunden und alle arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin. Damit ist der Erfolg jedes Einzelnen an den Erfolg der Gruppe gekoppelt. Je stärker diese konstruktive gegenseitige Abhängigkeit ist, desto stärker wird sich eine förderliche Kooperation und damit ein gegenseitiges Unterstützen in einer Lerngruppe entwickeln.[22]

Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich diese positive Abhängigkeit automatisch entwickelt. Daher müssen u. a. folgende Maßnahmen[23] im Gruppenunterricht erfolgen.

Erstens sollten die Gruppen ein gemeinsames Ziel verfolgen, welches nur erreicht werden kann, wenn alle Gruppenmitglieder ihre Teilaufgaben erfolgreich behandeln. Wie schon bei der individuellen und Gruppen-Verantwortlichkeit angesprochen, ist hier besonders darauf zu achten, dass leistungsschwächere Schüler ihr Ziel erreichen können und die Aufgaben nicht von anderen Schüler einfach mit übernommen werden können. Wenn diese Schüler merken, sie können ihr Ziel erreichen und so einen notwendigen Anteil zum Gruppenergebnis beitragen, ermutigt sie das in einem erheblichen Maße.

Zweitens kann eine positive Abhängigkeit durch eine Belohnung oder einen Anreiz geschaffen werden. Diese ist nur dann gegeben, wenn das Gruppenziel erreicht worden ist. Somit ist die gesamte Gruppe auf alle einzelnen Mitglieder angewiesen, um ans Ziel zu gelangen. In einem von mir geplanten Unterricht, der später noch ausführlich beschrieben wird, soll der Erfolg mit dem Kenntlichmachen der Arbeiten belohnt werden. Da diese im Computerraum aufgehängt werden, und dort auch hängen bleiben sollen, „verewigt“ sich jeder Schüler mit seiner guten Leistung.

Eine weitere Möglichkeit, positive Abhängigkeit zu entwickeln, besteht darin, nur ein Set an Materialien und Informationen herauszugeben. Die Schüler müssen sich diese teilen. Dadurch ist die Gruppe gezwungen Absprachen zu tätigen und ist somit zum gemeinsamen Handeln verpflichtet.

Viertens ist eine sinnvoll geplante räumliche Gestaltung / Sitzordnung unerlässlich für die Gruppenverbundenheit. Ein bestimmter Arbeitsbereich, an dem die Gruppen sich in regelmäßigen Abständen treffen und dort arbeiten oder ihren Zwischenstand besprechen, dient nicht nur der Kommunikation untereinander, sondern schafft zudem einen Gruppenplatz, an dem sich die Schüler miteinander verbunden fühlen.

Durch diese Maßnahmen soll eine Verbundenheit geschaffen werden, in der ein Wir-Gefühl entsteht. Ziel ist es, eine spezifische Gruppenidentität zu entwickeln, in der die leistungsschwächeren Schüler von den anderen ´mitgezogen werden´ und von diesen lernen. Das erfordert eine Bereitschaft der leistungsstärkeren Schüler, sich für die anderen zu interessieren und ihnen ausführlich Inhalte zu erklären. Eine solche Situation soll durch die positive Abhängigkeit geschaffen werden und ist in leistungsheterogenen Klassen m. E. ein notwendiges Verhältnis, bei dem alle Schüler Vorteile für sich herausziehen können. Die leistungsschwächeren Schüler lernen von den leistungsstärkeren und umgekehrt vertiefen die leistungsstärkeren Schüler ihr Wissen, wenn sie dieses an andere weitergeben.

Bewerten in Gruppen

Die Bewertung der Ergebnisse bzw. der Leistungen der Lerngruppe ist ein weiterer wichtiger Aspekt des kooperativen Lernens. Durch ein Analysieren und Bewerten vorher vereinbarter Lernziele soll festgestellt werden, ob die Schüler diese erreicht haben. Dazu gehört neben der Fachkompetenz auch die Sozialkompetenz wie beispielsweise das Einbringen persönlicher Verantwortung und die Unterstützung leistungsschwächerer Schüler. Ziel einer Bewertung im kooperativen Lernen sollte aber nicht ausschließlich die Bewertung der Schüler durch Noten sein. Eine Reflexion von Gruppenprozessen steht mit an erster Stelle und soll die Effektivität von Beiträgen zur Erreichung des Gruppenziels der einzelnen Gruppenmitglieder verbessern. Nur durch ständiges Austauschen und Reflektieren kann eine gute Kooperation funktionieren. Die Schüler lernen dabei die Probleme ihrer Mitschüler kennen und werden sensibilisiert, ihre Mitschüler zu unterstützen. Durch einen kontinuierlichen Prozess dieser Gruppenreflexion kann somit das gegenseitige Unterstützen in heterogenen Lerngruppen verbessert werden.[24]

2.3 Kompetenzbereiche

Wie bereits im Kapitel 2.2 – „Erwerb sozialer Fähigkeiten“ erwähnt, spielt die Sozialkompetenz eine wichtige Rolle im kooperativen Lernen. Laut dem Rahmenlehrplan[25] für Tischler / Tischlerinnen soll gleichzeitig die Fach- und die Humankompetenz gefördert werden. Diese wird folgendermaßen beschrieben:

Fachkompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen.“[26]

Humankompetenz bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte.“[27]

Hier wird deutlich, dass neben der Sozialkompetenz zwei weitere Kompetenzen stehen und nicht vernachlässigt werden dürfen. Sie müssen somit beim Konzept des ´Kooperativen Lernen´ mit berücksichtigt werden. Somit werden für jede kooperative Unterrichtseinheit sowohl fachliche Ziele als auch ein oder mehrere Sozialziele verbindlich festgelegt und am Ende reflektiert, überprüft und bewertet.[28]

Kirsten und Sven-Olaf Miehe sprechen von Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen[29]. Sie sind der Meinung, ´Kooperatives Lernen´ setzt genau hier an und schafft ein Unterrichtsumfeld, das methodisches, fachliches, persönliches und soziales Lernen in den Vordergrund stellt und miteinander verknüpft.

Eine wichtige Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob und wieweit das Lernfeldkonzept der Rahmenrichtlinien und das Konzept des ´Kooperativem Lernen´ in einem Zusammenhang gesehen werden kann. Dieser Frage soll im nächsten Kapitel nachgegangen werden.

[...]


[1]Zitat aus: Weidner, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung GmbH, 2. Auflage 2005, S. 30

[2]Für eine flüssigere Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nur die männliche Form als Bezeichnung für beide Geschlechter verwendet.

[3]KMK: Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Tischler / Tischlerin. Beschluss vom 13.01.2006

[4]KMK: Die Ständige Konferenz der Kultusminister und -senatoren der Länder

[5]Zitat aus: a.a.O. KMK: Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Tischler / Tischlerin. S. 4

[6]Vgl. Weidner, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung GmbH, 2. Auflage 2005, S. 29

[7]Auto-CAD 2002

[8]Vgl. Studienseminar Stade (Hrsg.): Standards für die Lehrerausbildung, o.J.

[9]Vgl. Miehe, Kirsten und Sven-Olaf: Praxishandbuch – Cooperative Learning. Meezen: Dragonboard publishers, 2. erweiterte und überarbeitete Auflage, 2005, S. 27 ff.

[10]Vgl. ebd. S. 86

[11]Da sich diese Arbeit auf die Planung, Durchführung und Evaluation einer Unterrichtseinheit bezieht, wird von mir weitestgehend nur auf die zweite Säule eingegangen.

[12]Zitat aus: a.a.O. Weidner, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. S. 29

[13]Vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport: Die Gruppenarbeit. URL: http://bebis.cidsnet.de/weiterbildung/sps/allgemein/bausteine/gestaltung/gruppenarbeit.htm, Stand der Abfrage: 17.05.2007

[14]Vgl. a.a.O. Weidner, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. S. 30

[15]Vgl ebd. S. 34

[16]Vgl. a.a.O. Miehe, Kirsten und Sven-Olaf: Praxishandbuch – Cooperative Learning. S. 102 - 110

[17]Vgl a.a.O. Weidner, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. S. 36 - 45

[18]Vgl. ebd. S. 45 - 46

[19]Vgl. ebd. S. 46 - 53

[20]Vgl. ebd. S. 46

[21]Vgl. ebd. S. 47

[22]Vgl. ebd. S.53 - 65

[23]Vgl. ebd. S. 54

[24]Vgl. ebd. S. 65 - 78

[25]Vgl. a.a.O. KMK: Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Tischler / Tischlerin. S. 4

[26]Zitat aus: Ebd. S. 4

[27]Zitat aus: Ebd. S. 4

[28]Vgl. a.a.O. Weidner, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. S. 29

[29]Vgl. a.a.O. Miehe, Kirsten und Sven-Olaf: Praxishandbuch – Cooperative Learning. S. 30

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Kooperatives Lernen. Unterrichtsprinzip zur Kompetenzförderung in leistungsheterogenen Klassen
Untertitel
Planung, Durchführung und Evaluation einer Unterrichtseinheit zur CAD-Schulung im BGJ Holztechnik
Note
2,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
84
Katalognummer
V75684
ISBN (eBook)
9783638736008
ISBN (Buch)
9783638736114
Dateigröße
1912 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kooperatives, Lernen, Unterrichtsprinzip, Kompetenzförderung, Klassen
Arbeit zitieren
Wilfried Lübben (Autor:in), 2007, Kooperatives Lernen. Unterrichtsprinzip zur Kompetenzförderung in leistungsheterogenen Klassen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75684

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