Zertifikate als Instrument der Klimapolitik


Hausarbeit, 2006

31 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zertifikate als Instrument der Umweltökonomik
2.1 Ausgabemechanismen
2.2 Kriterien der umweltökonomischen Instrumentendiskussion
2.2.1 Kosteneffizienz
2.2.2 Ökologische Treffsicherheit
2.2.3 Dynamische Anreizwirkung

3. Besonderheiten des Klimaschutzes

4. Kyoto

5. Mängel und Schwächen - Kritik am Kyoto-Protokoll

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Von den zahlreichen Umweltproblemen, die unseren Planeten am Anfang des 21. Jahrhunderts bedrohen, stellt der Treibhauseffekt derzeit das international bedeutendste dar. Experten sind sich darüber einig, dass die anthropogen bedingten Treibhausgasemissionen weiter ansteigen werden und diese Entwicklung zu einer Erwärmung der Erdatmosphäre führen wird. Deutliche Anzeichen hierfür sind der Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen und des Meeresspiegels sowie das zunehmende Auftreten von extremen Wetterereignissen und Naturkatastrophen. Werden keine politischen Gegenmaßnahmen ergriffen, ist davon auszugehen, dass sich die mittlere globale Lufttemperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius erhöhen wird.[1] Volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe wären die Folge. Aufgrund des globalen Maßstabs des Treibhauseffekts und der Besonderheiten des Klimaschutzes kann dieses Problem effizient und effektiv nur auf globaler Ebene gelöst werden. Bei der Instrumentenwahl zur Lösung dieses Problems verdient das Zertifikatsmodell, das oft als Königsweg der Umweltpolitik bezeichnet wird, besondere Aufmerksamkeit. Die Besonderheiten des Klimaschutzes machen aber Modifikationen an diesem Modell erforderlich.

Daher wird zuerst die Zertifikatslösung vorgestellt und anhand der Kriterien der umweltökonomischen Instrumentendiskussion analysiert. Nach diesen theoretischen Grundlagen werden Besonderheiten und Probleme des Klimaschutzes dargestellt, die bei der Ausgestaltung des Zertifikatmodells für den Klimaschutz berücksichtigt werden müssen. Im dritten Teil wird dann das erste und einzige globale und völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzabkommen, das Kyoto-Protokoll, vorgestellt, das auf dem Prinzip des Zertifikatmodells basiert. Besondere Beachtung erhält hierbei die Implementierung des Emissionshandels.

2. Zertifikate als Instrument der Umweltökonomik

Der Grundgedanke von Zertifikaten besteht darin, eine für eine bestimmte Region zulässige Umweltbelastung zu definieren und das Recht auf Ausnutzung dieser Umweltkapazität auf handelbare Zertifikate aufzuteilen. Es werden somit Märkte für die Inanspruchnahme von Umweltgütern geschaffen. Eine Lizenz genehmigt ihrem Inhaber, die Umwelt im durch das Zertifikat bestimmten Maße zu beanspruchen.[2] Im Zusammenhang mit der Klimapolitik verbrieft ein Zertifikat dem Besitzer häufig das Emissionsrecht einer bestimmten Schadstoffmenge. Die Eigenschaft der Handelbarkeit solcher Zertifikate ermöglicht es den Unternehmen, weitere Anrechte auf die Emission von Schadstoffen zu erwerben oder einen Teil ihres Besitzes zu veräußern.[3] Da diese Austauschprozesse über einen Markt abgewickelt werden, ist der Zertifikatpreis abhängig von Angebot und Nachfrage. Ein betroffenes Unternehmen steht also vor der Entscheidung, ob es die Emission von Schadstoffen vermeiden oder Zertifikate kaufen soll. Letzteres wird es solange tun, wie seine Grenzvermeidungskosten oberhalb des Zertifikatspreises liegen. Falls die Grenzvermeidungskosten des Unternehmens unterhalb des Preises liegen, wird es solange Zertifikate verkaufen bis die Grenzvermeidungskosten gleich dem Zertifikatspreis sind.[4]

Generell sind unterschiedliche Aspekte hinsichtlich der zeitlichen und mengenmäßigen Ausgestaltung der Zertifikate zu beachten. Zum einen können zeitlich unbefristete Lizenzen ausgegeben werden, die dem Inhaber dauerhaft die Emission einer bestimmten Schadstoffmenge pro Periode genehmigen.[5] Zum anderen können Zertifikate so ausgestaltet werden, dass sie dem Unternehmen die Emission einer bestimmten Schadstoffmenge pro Periode verbriefen, aber nach einer bestimmten Anzahl von Perioden ihre Gültigkeit verlieren und erneuert werden müssen.[6] Darüber hinaus kann die Gültigkeit von Zertifikaten zwar zeitlich nicht befristet sein, die Lizenz aber nur zu einer einmaligen Emission berechtigen.[7] Wann von dieser Einmallizenz Gebrauch gemacht wird, bleibt in diesem Fall dem Inhaber überlassen.

Für die erste Variante besteht die Möglichkeit, das Gesamtniveau der Emissionen zu steuern, indem die durch die Lizenzen verbriefte Emissionsmenge von Periode zu Periode abgewertet wird. So wird die Gesamtemissionsmenge stetig reduziert und die Umweltqualität verbessert. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der Emissionsmenge besteht darin, dass die zuständige Umweltbehörde Zertifikate im Zeitverlauf zurückkauft.[8]

Werden die beiden letzten Ausgestaltungsmöglichkeiten umgesetzt, hat die Umweltbehörde die Möglichkeit, nur einen bestimmten Anteil der verfallenden Zertifikate wieder neu auszugeben, um das vorgegebene Reduktionsziel zu erreichen.

2.1 Ausgabemechanismen

Der Handel mit Schädigungsrechten setzt voraus, dass Emittenten und prinzipiell auch Nicht-Emittenten, die durch den Erwerb von Emissionslizenzen den Umweltstandard über das festgelegte Niveau hinaus verbessern können, im Besitz von Zertifikaten sind. Es tritt somit die Frage auf, wie die Erstausgabe erfolgen soll. Hierfür existieren zwei sich gegenüberstehende theoretische Varianten: die grandfathering- Methode und das Auktionsverfahren.

Die Idee des grandfathering besteht darin, den Emittenten zunächst den Erhalt des Status quo zu ermöglichen. Jedes Unternehmen bekommt folglich in dem Umfang Zertifikate, in dem es bisher emittiert hat. So wird ein Handel zwischen den Unternehmen zustande kommen, bei dem eine kosteneffiziente Schadstoffreduktion realisiert wird. Durch diesen Schritt wurde die Umweltqualität allerdings noch nicht erhöht. Es wird lediglich eine zunehmende Belastung durch den regulierten Schadstoff vermieden. Eine Verbesserung der Emissionssituation müsste beispielsweise durch eine Abwertung der Emissionslizenzen im Zeitverlauf oder deren Aufkauf durch die zuständige Umweltbehörde geschehen.

Ein Vorteil dieser Methode ist die Tatsache, dass ökonomische Härten für die Unternehmen vermieden werden. Problematisch ist allerdings, dass Emittenten mit umweltfreundlichen Technologien, die bereits hohe Forschungs- und Entwicklungskosten gezahlt haben, benachteiligt werden. Des Weiteren entsteht durch das grandfathering -Modell der Anreiz für Emittenten, vor der Einführung eines Zertifikatmodells in möglichst großem Umfang zu emittieren, um so eine größere Zertifikatsmenge zugeteilt zu bekommen.[9]

Das Auktionsverfahren sieht vor, die Zertifikate zu versteigern. So ist theoretisch gesichert, dass die Zertifikate an die Unternehmen gehen, für die sie den größten Nutzen stiften. Problematisch ist allerdings, dass der so entstehende Kostenschub die Konkurrenzfähigkeit der betroffenen Unternehmen gegenüber Unternehmen anderer Regionen, in denen keine Internalisierungsmaßnahmen stattfinden, reduziert.[10]

2.2 Kriterien der umweltökonomischen Instrumentendiskussion

Nach der Skizzierung des Zertifikatmodells werden nun Kriterien der umweltöko­nomischen Instrumentendiskussion vorgestellt, anhand derer die Zertifikatslösung analysiert und beurteilt werden kann.[11]

2.2.1 Kosteneffizienz

Das Kriterium der Kosteneffizienz beurteilt die Fähigkeit eines Instruments, die vorgegebene ökologische Zielsetzung mit den geringstmöglichen Kosten zu erreichen.[12] Hierfür sind die zur Realisierung eines vorgegebenen Umweltziels insgesamt entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten ausschlaggebend. Ein Instrument gilt dann als kosteneffizient, wenn kein anderes Instrument die gleiche Umweltqualität mit geringeren Kosten realisieren kann.[13]

Die in Kapitel 2.1 beschriebene Tatsache, dass die Zertifikatsnachfragekurve eines Unternehmens genau dem Verlauf seiner Grenzvermeidungskostenkurve entspricht, bewirkt, dass sich die Lizenzen letztendlich im Besitz der Unternehmen mit den höchsten Vermeidungskosten befinden. Schadensvermeidungsaktivitäten werden damit dort durchgeführt, wo die geringsten Kosten anfallen. Daher sorgt die Zertifikatslösung für eine effiziente Allokation der Emissionsrechte und trägt so zu einer gesamtwirtschaftlich kostenminimierenden Aufteilung der insgesamt erforderlichen Emissionsminderungen bei.[14] Zertifikate ermöglichen also eine kosteneffiziente Internalisierung externer Effekte.[15]

Ergänzend muss hier noch angeführt werden, dass eine Erstvergabe der Zertifikate durch das grandfathering zunächst weniger kosteneffizient wäre als durch eine Auktion. Allerdings wird sich unabhängig vom Vergabemechanismus spätestens bei der Sekundärverteilung der Lizenzen die oben beschriebene Kosteneffizienz einstellen.[16]

2.2.2 Ökologische Treffsicherheit

Anhand des Kriteriums der ökologischen Treffsicherheit kann beurteilt werden, ob ein Instrument in der Lage ist, die vorgegebene ökologische Zielsetzung zu erreichen und zu sichern. Durch die Zertifikatslösung lässt sich die gewünschte Umweltqualität sehr zuverlässig realisieren, da die Summe der ausgegebenen Zertifikate genau dem zulässigen Emissionswert entspricht und die Unternehmen daher insgesamt nicht mehr als die von den Umweltbehörden vorgegebene Menge an Schadstoffen emittieren dürfen.[17] Der Emissionszielwert kann folglich legalerweise nicht überschritten werden. Ein besonderer Vorteil des Zertifikatmodells ist seine hohe Flexibilität hinsichtlich sich ändernder Emissionsziele. Eine Anpassung der Zertifikatsmenge an sich verschärfende ökologische Zielvorgaben kann durch eine schrittweise Abwertung der Emissionsrechte oder den Aufkauf von Zertifikaten durch die zuständige Umweltbehörde geschehen.[18]

2.2.3 Dynamische Anreizwirkung

Dynamische Anreizwirkung bezeichnet die Fähigkeit eines Instruments umwelttechnischen Fortschritt zu induzieren. Dieser liegt dann vor, wenn mit gleichem Aufwand höhere Emissionsreduktionen bzw. mit geringerem Aufwand gleiche Emissionsreduktionen realisiert, die Grenzvermeidungskosten also reduziert werden können.[19] Emissionszertifikate üben eine solche Anreizwirkung aus. Je weiter die Emissionen durch umwelttechnische Innovationen (dies betrifft sowohl die Verbesserung von Alt- als auch die Anschaffung von Neuanlagen) verringert werden können, desto mehr Ausgaben für Zertifikate kann das entsprechende Unternehmen einsparen. Dies erklärt sich dadurch, dass die Grenzvermeidungskosten eines Unternehmens im Ausgangszustand gleich dem Zertifikatspreis sind. Umwelttechnischer Fortschritt führt aber zu einem Rückgang der Grenzvermeidungskosten. Damit liegen die Grenzkosten unter dem Zertifikatspreis. Ein Unternehmen wird solange Zertifikate veräußern und Emissionen einsparen, wie seine Grenzvermeidungskosten unterhalb des Zertifikatpreises liegen, da ihm so geringere Kosten entstehen. Das Unternehmen wird daher solange auf Emissionen verzichten und die freiwerdenden Lizenzen auf dem Markt verkaufen bis seine Grenzkosten wieder dem Zertifikatspreis entsprechen.[20] Die Zertifikatlösung entfaltet also eine dynamische Anreizwirkung, da Unternehmen durch umwelttechnischen Fortschritt ihre Grenzvermeidungskosten senken und somit sich in ihrem Besitz befindliche Zertifikate veräußern können. Ein solcher Anreiz wird aber nur geschaffen, wenn die Kosten, die durch die umwelttechnischen Innovationen entstehen, niedriger sind als die Erlöse aus dem Verkauf der freiwerdenden Zertifikate. Die dynamische Anreizwirkung von Zertifikaten wird daher durch die Verbesserung der Vermeidungstechnik im Zeitverlauf verringert, denn umwelttechnischer Fortschritt ermöglicht es den Unternehmen, immer mehr Emissionen zu vermeiden und damit Ausgaben für Zertifikate einzusparen. Aufgrund der sinkenden Nachfrage nach Zertifikaten sinkt ihr Kurs und somit auch die dynamische Anreizwirkung. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und den Zertifikatspreis nicht zu stark absinken zu lassen, könnte die Umweltbehörde Zertifikate aufkaufen, sie im Zeitverlauf abwerten oder zeitlich befristete Zertifikate nur vermindert erneuern.[21]

[...]


[1] Das IPCC (2001), S. 527-529, geht von einer Erwärmung der mittleren globalen Lufttemperatur um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius bis zum Ende des 21. Jahrhundert aus.

[2] Zur umfangreicheren Literatur vgl. beispielsweise Heister/Michaelis (1991); Cansier (1993); Feess (1998).

[3] Vgl. Feess (1998), S. 119.

[4] Vgl. Kreis-Hoyer (2000), S. 100.

[5] Vgl. Endres (2000), S. 128.

[6] Vgl. Endres (2000), S. 129.

[7] Vgl. Kreis-Hoyer (2000), S. 107f.

[8] Vgl. Endres (2000), 128.

[9] Vgl. Feess (1998), S. 120.

[10] Vgl. Feess (1998), S. 121; Endres (2000), S. 127-130.

[11] Auf eine vergleichende Analyse von Zertifikaten und anderen umweltpolitischen Instrumenten (Auflagen, Abgaben) wird hier verzichtet. Für umfangreichere Literatur wird hierzu auf Endres (2000) und Feess (1998) verwiesen.

[12] Vgl. Hartwig (1999), S. 157.

[13] Vgl. Feess (1998), S. 50.

[14] Vgl. Hartwig (1999), S. 152f.

[15] Vgl. Endres (2000), S. 145-148; Feess (1998), S. 121f.

[16] Vgl. Weimann (1995), S.233; Endres (1999), S. 420.

[17] Vgl. Hartwig (1999), S. 157f.

[18] Vgl. Kreis-Hoyer (2000), S. 107.

[19] Vgl. Endres (2000), S. 155.

[20] Vgl. Hartwig (1999), S. 161f.

[21] Vgl. Endres (2000), S. 161.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Zertifikate als Instrument der Klimapolitik
Hochschule
Universität Münster
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
31
Katalognummer
V75443
ISBN (eBook)
9783638812443
ISBN (Buch)
9783638813969
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zertifikate, Instrument, Klimapolitik
Arbeit zitieren
Tim Wamer (Autor:in), 2006, Zertifikate als Instrument der Klimapolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75443

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