Die betriebsbedingte Änderungskündigung aus innerbetrieblichen Gründen


Studienarbeit, 2005

69 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1
1 Einleitung

Kapitel 2
2 Das Rechtsinstitut der Änderungskündigung
2.1. Das Vorliegen einer Änderungskündigung
2.2. Die Entwicklung des Rechtsinstituts der Änderungskündigung
2.3. Die Änderungskündigung im Normensystem des KSchG
2.4. Die Funktion des Rechtsinstituts der Änderungskündigung im KSchG
2.5. Das Verhältnis der Änderungs- zur Beendigungskündigung

Kapitel 3
3 Die Systematik der Änderungskündigung
3.1. Die Konstruktion der Änderungskündigung
3.2. Die Innere Einheit der Änderungskündigung
3.3. Die Instrumente zur Anpassung von Arbeitsbedingungen im Vergleich
3.4. Die Anpassung unterschiedlicher Leistungspflichten via Änderungskündigung

Kapitel 4
4 Die Rechtsfolgen der Änderungskündigung
4.1. Annahme und Änderungsvertrag
4.2. Ablehnung der Änderungskündigung
4.3. Annahme unter dem Vorbehalt der „sozialen Rechtfertigung“

Kapitel 5
5 Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Änderungskündigung
5.1. „Sonstige“ Wirksamkeitsvoraussetzungen
5.2. Ausschluss der Änderungskündigung durch „mildere Mittel“
5.3. Die Unwirksamkeit des Kündigungselements bei Annahme unter Vorbehalt

Kapitel 6
6 Die betriebsbedingte Änderungskündigung
6.1. Der Prüfungsmaßstab für die „soziale Rechtfertigung“
6.2. Die „soziale Rechtfertigung“ bei betriebsbedingter Änderungskündigung
6.3. Die Prüfung der „sozialen Rechtfertigung“

Kapitel 7
7 Die Erforderlichkeit der betriebsbedingten Änderungskündigung
7.1. Das „dringende betriebliche Erfordernis“
7.2. Außer- und innerbetriebliche Erfordernisse
7.3. Die „unternehmerische Entscheidung“ bei innerbetrieblichem Erfordernis
7.4. Die gerichtliche Überprüfung der Erforderlichkeit „an sich“
7.5. Die Erforderlichkeit nach Art und Umfang
7.6. Die Sozialauswahl bei betriebsbedingter Änderungskündigung
7.7. Darlegungs- und Beweislast bei innerbetrieblichen Erfordernissen

Kapitel 8
8 Zusammenfassung
Anhang I

Verzeichnis der Abkürzungen
Anhang II

Literaturverzeichnis

Kapitel 1

1 Einleitung

Globale Trends haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einer tiefgehenden Veränderung in den Wirtschaftsstrukturen Deutschlands geführt. Tertiärisierung, Globalisierung und Internationalisierung brachten neue Organisationsformen der Produktion hervor, die einen rapiden Wandel in der menschlichen Arbeit nach sich zogen. Das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist hiervon nicht unbeeinflusst geblieben. Die durchschnittliche Dauer von Beschäftigungsverhältnissen sinkt, das lebenslange Arbeitsverhältnis scheint ein Relikt der Vergangenheit zu sein. Unternehmen verlangen zunehmend nach einer höheren Flexibilität im Arbeitsverhältnis und verweisen auf die für einen dauerhaften Erfolg am Markt unabdingbare Flexibilität.

Unter diesen gewandelten Bedingungen ändert sich auch die Bedeutung des Arbeitsvertrages als Basis des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Anpassung von Vertragsbedingungen scheint angesichts kürzerer Produktzyklen und einer schnelleren Entwertung des menschlichen Wissens häufiger erforderlich zu sein, als es noch zu Zeiten der fordistischen Produktionsweise der Fall war.

Die praktische Bedeutung von rechtlichen Instrumenten zur Anpassung von Arbeitsbedingungen steigt konsequenterweise weiter an. Dennoch müssen zur Änderung von Arbeitsverträgen immer noch beachtliche rechtliche Hürden überwunden werden, gilt es doch einst ausgehandelte und beidseitig akzeptierte Vertrags­bedingungen umzustoßen und durch neue zu ersetzen. Ein hohes immanentes Konfliktpotential kann nicht verleugnet werden, statuiert der Arbeitsvertrag doch Leistungspflichten beider Vertragsparteien, die mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses zu deren vitalen Interessen avancierten. Zudem sind Vertragsan­passungen oft aus Sicht einer Vertragsseite – namentlich des Arbeitnehmers – negativ zu bewerten, stellt doch eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder die Verminderung übertariflicher Leistungen immer einen Eingriff in dessen individuelle Rechte dar.

Das einschneidendste, wenngleich auch wirkungsmächtigste Instrument zur Änderung von individualvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen, das dem Arbeitgeber zur

Verfügung steht, ist die Änderungskündigung gem. § 2 KSchG. Nach Hromadka stellt das Rechtsinstitut der Änderungskündigung das „Mittel der Wahl zur Änderung von Arbeitsbedingungen” dar.[1] Mit dem Ausspruch der Änderungskündigung strebt der Arbeitgeber an, den bestehenden Arbeitsvertrag zu beenden und das Arbeitsverhältnis auf eine neue vertragliche Basis zu stellen. Zunächst scheint dies eine einschneidende Handlung zu sein. Im Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann die Änderung der Arbeitsbedingungen via Änderungskündigung aber das weniger einschneidende und ergo eher hinzunehmende Mittel sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber sein.

Wenngleich die Änderungskündigung zumindest aus normativer Sicht der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzuziehen ist, scheint die Rechtsrealität hiermit nicht in Einklang zu stehen. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Beendigungskündigung die Regel und die Änderungskündigung die Ausnahme im heutigen Wirtschaftsleben darstellt. Im Angesicht der letzten Wirtschaftskrisen mussten viele Unternehmer erkennen, dass die Änderungskündigung „kaum geeignet“ ist, den Weg aus wirtschaftlichen Nöten zu bahnen, weshalb wiederum verstärkt auf die Beendigungskündigung zurückgegriffen wurde.[2] Häufig wird deshalb der Vorwurf erhoben, dass die Änderungskündigung als Rechtsinstitut zu komplex, fehleranfällig, unkalkulierbar und kaum handhabbar für den Arbeitgeber sei.[3]

In der hier vorliegenden Arbeit soll dem Vorwurf nachgegangen werden, wonach es aufgrund dieser (angeblichen Wesensmerkmale und Konstruktionsfehler der Änderungskündigung, wie Kittner behauptet, leichter sei zu kündigen als zu änderungskündigen.[4] Nicht außer Acht darf dabei die Grundkonzeption des KSchG geraten, die den Bewertungsmaßstab für den geäußerten Vorwurf bietet. Insofern der Vorwurf stichhaltig ist, aber vom Gesetzgeber als materielle Grundsatzentscheidung beabsichtigt wurde, sind aus dem Verhältnis von Änderungs- und Beendigungskündigung andere Schlüsse zu ziehen, als wenn keine rechtliche Grundlage hierfür existierte.

Im Folgenden soll der Fokus auf der betriebsbedingten Änderungskündigung liegen, zum einen, weil diese den „Normalfall“ der drei Formen der Änderungskündigung darstellt[5] und zum anderen, weil die betriebsbedingte Änderungskündigung durch die zuvor beschriebenen globalen Trends an Relevanz gewonnen hat. Um die Funktion der Änderungskündigung im KSchG nachvollziehen zu können, soll zunächst die Einbindung dieses Rechtsinstituts in die Systematik des KSchG nachvollzogen und sowohl ihr Aufbau als auch die ihr immanenten Grundprinzipien erläutert werden. Die Beschreibung der möglichen Rechtsfolgen einer Änderungskündigung bilden den Abschluss des ersten Teils dieser Arbeit.

Anschließend soll der Blick auf die Systematik der (betriebsbedingten) Änderungskündigung mit ihren Wirksamkeitsvoraussetzungen und Prüfungsmaßstäben – insb. hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung – gelenkt werden. Durch die Ableitung der Wirksamkeitsvoraussetzungen der Änderungskündigung nach § 2 Satz 2 KSchG (Klammersatz) aus dem § 1 Abs. 2 KSchG sowie dem ultima-ratio- Prinzip ist es unabdingbar, die Änderungskündigung immer in ihrem Bezug zur Beendigungskündigung zu betrachten.

Wiederum soll aber eine Schwerpunktsetzung vorgenommen werden, indem die Änderungskündigung aus innerbetrieblichen Gründen in den Mittelpunkt der Analyse gestellt wird. Derartige Gründe resultieren aus der unternehmerischen Tätigkeit, die sich in konkreten „unternehmerischen Entscheidungen“ manifestiert, weshalb der Fokus nachfolgend auf die Analyse dieses rechtstheoretischen Konstrukts gelegt werden soll. Zur Bewertung der tatsächlichen Funktionstüchtigkeit der Änderungskündigung bedarf es aber des Weiteren der Berücksichtigung des durch das Vorliegen einer derartigen Entscheidung determinierten gerichtlichen Prüfungsmaßstabes sowie der resultierenden Darlegungs- und Beweislast für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Da der Verfasser dieser Arbeit der Ansicht ist, dass der begründeten und unter Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers angewandten Änderungskündigung der Vorrang gegenüber der Beendigungskündigung einzuräumen ist, soll schließlich rekapituliert werden, ob sich der Leitsatz des Vorrangs der Änderungskündigung in der rechtlichen Konstruktion dieses Rechtsinstituts widerspiegelt. Inwiefern eine derartige Abstufung rechtstheoretisch und rechtspraktisch durch die Wesensmerkmale der Änderungs­kündigung oder die dieser inhärenten Konstruktionsfehler konterkariert wird, soll die letzte zu beantwortende Frage dieser Arbeit sein. Vielleicht gelingt es hieran die Änderungs­kündigung, dieses „unbekannte Wesen des Arbeitsrechts“[6], mit seinen Stärken und Schwächen durchschaubarer zu machen.

Kapitel 2

2 Das Rechtsinstitut der Änderungskündigung

Die Änderungskündigung ist nach § 2 KSchG „... eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, mit welcher der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet“[7]. Demnach kann die Änderungskündigung zwar theoretisch ebenso vom Arbeitnehmer ausgesprochen werden, § 2 KSchG regelt aber – entlang dem Schutzzweck des KSchG – nur die Änderungskündigung durch den Arbeitgeber.

Die ordentliche Änderungskündigung wirkt in die Zukunft und zielt nicht auf die sofortige Änderung, sondern auf die Änderung nach Ablauf der regulären Kündigungsfrist.[8] Dabei steht dem Arbeitgeber die Nutzung des Instruments der Änderungskündigung nicht gänzlich frei, vielmehr berechtigen nur bestimmte, im KSchG gesetzlich festgelegte Tatbestände zu dessen Einsatz.

Das KSchG befasst sich mit der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und der aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien. Alle Modalitäten, die zum rechtlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehören, genießen den vollen Schutz des KSchG und sind nur nach dem in diesem Gesetz statuierten Grundsätzen und Verfahren einer Änderung im Laufe des Arbeitsverhältnisses zugänglich.[9] Der Arbeitsvertrag enthält aber regelmäßig nur ein Grundgerüst von Rechten und Pflichten, die allerdings den Kern des Arbeitsverhältnisses ausmachen. Das Mittel der Wahl zur Änderung der im Arbeitsvertrag definierten Rechte und Pflichten ist nach dem KSchG die Änderungskündigung, ihr sind alle Bedingungen, die zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien stehen, zugänglich. Es versteht sich von selbst, dass hiervon ebenso wenig Leistungen ausgenommen sind, die der Arbeitgeber freiwillig, ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs, gewährt.[10]

2.1. Das Vorliegen einer Änderungskündigung

Im Kontext des KSchG ist als Änderung jede qualitative oder quantitative Abweichung vom bisherigen Inhalt des Arbeitsvertrages aufzufassen.[11] Ohne eine derartige Abweichungen ermangele es am gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der „Änderung“, weshalb eine Änderungskündigung nicht vorläge. Einer Änderung kommt es demnach nicht gleich, wenn lediglich bisher geltende Vertragsbedingungen schriftlich fixiert werden und diese durch konkludente Vereinbarung oder durch betriebliche Übung in der Vergangenheit ohnehin bereits wirksam waren.

Als Grundvoraussetzung für das Aussprechen einer Änderungskündigung ist wohl zunächst die Existenz eines wirksamen Arbeitsvertrages zwischen änderungskündigendem Arbeitgeber und dem gekündigten Arbeitnehmer zu nennen. Wie bei jeder Kündigung gilt auch hier das Prinzip der Erklärungsklarheit, wonach eine wirksame (Änderungs-)Kündigung nur dann vorliegt, wenn der Kündigende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er mit seiner Erklärung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder – im vorliegenden Fall – die Änderung der Arbeitsbedingungen zu einem bestimmten Zeitpunkt und, insofern der Arbeitnehmer das unterbreitete Änderungsangebot nicht annimmt, dessen Beendigung anstrebt.[12] Andernfalls könnte der Arbeitnehmer annehmen, der Arbeitgeber habe ihm ein Angebot zur einvernehmlichen Vertragsänderung unterbreitet, dessen Ablehnung ohne direkte rechtliche Folge bliebe.[13] Der erkennbare Beendigungswille des Arbeitgebers für den Fall der Nichtannahme des Änderungsangebots ist das „diagnostische Kriterium der Änderungskündigung“.[14] Für das Vorliegen einer Änderungskündigung ist es in diesem Zusammenhang elementar, dass für den Arbeitnehmer eindeutig erkenntlich wird, dass im Falle der Ablehnung des Änderungs­angebots die Beendigungskündigung als kausale Folge steht, mithin vom Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausgesprochen wurde.[15] Grundlage für die Beurteilung, ob eine Änderungskündigung vorliegt, ist der „objektive Empfängerhorizont des Arbeitnehmers“.[16]

Für das Vorliegen einer Änderungskündigung ist ebenso die Bestimmtheit des Änderungsangebots entscheidend. Ist das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt, liegt nur eine Beendigungskündigung vor.[17] Das Angebot muss in der Art inhaltlich eindeutig bestimmt bzw. bestimmbar sein, dass es als solches durch den Arbeitnehmer eindeutig erkennbar und durch bloße Zustimmung annehmbar ist. Dabei müssen die Auswirkungen einer Annahme auf die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber deutlich werden.

Als Ausschließungskriterium kann die Maßgabe der §§ 133, 157 BGB dienen, wonach ein Angebot mit einem schlichten „Ja“ angenommen werden können muss. Fehlt ein eindeutiges Angebot oder ist das Angebot aufgrund fehlender Bestimmbarkeit nicht durch ein schlichtes „Ja“ anzunehmen oder lässt es die Bedingungen einer Weiterbeschäftigung gänzlich offen, so kann demnach schon begrifflich nicht von einer Änderungskündigung gesprochen werden.[18]

Die Änderungskündigung kann bedingt oder unbedingt sein; so geht § 2 KSchG direkt zwar von einer unbedingten Kündigung aus, da aber die Ablehnung des Angebots unabhängig einer ggf. ausgesprochenen Bedingung sachlich auf das selbe Ergebnis hinausläuft, ist diese keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungskündigung.[19] Die h.M. fasst die Änderungskündigung folgerichtig als zulässig bedingte Kündigung auf.[20]

Unzulässig ist eine bedingte Änderungskündigung hingegen, wenn der Arbeitnehmer durch die Bedingung in eine „ungewisse Lage“ versetzt wird, indem er das Eintreten der Bedingung nicht selbst kontrollieren kann.[21] Zulässig sind demnach nur sog. Potestativbedingungen, deren Eintreten allein vom Willen des Empfängers abhängig ist. Die Wirksamkeit der Kündigung ist abhängig von der Ablehnung des Änderungsangebots und damit allein vom Verhalten des Kündigungsadressaten.

2.2. Die Entwicklung des Rechtsinstituts der Änderungskündigung

Zwar wurde die Änderungskündigung erstmals durch das „Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz“ von 1969 kodifiziert[22], doch war die Zulässigkeit durch die h. M. bereits anerkannt, mit „erheblicher Rolle“ in Praxis und Literatur versehen und Gegenstand diverser Urteile.[23] Bei In-Kraft-Treten des KSchG im Jahr 1951 wurde die Änderungskündigung zwar nicht kodifiziert, doch herrschte weitgehende Einigkeit darüber, die Anwendung des KSchG auf die Änderungskündigung auszudehnen.[24] Während zunächst noch an die Änderungskündigung gleiche Bedingungen gestellt wurden, wie an die Beendigungskündigung, wurde bald das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot berücksichtigt und die Abwägung der Interessen vom Arbeitgeber an der Änderung und vom Arbeitnehmer an der Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Leistungen ins Zentrum der Prüfung gestellt.[25] Allerdings konnte die Diskussion um den richtigen Prüfungsmaßstab, bedingt durch die uneindeutige Formulierung des § 2 Satz 1 KSchG, bisher nicht zu einer allseits akzeptierten Lösung geführt werden (vgl. Kap. 6).[26]

2.3. Die Änderungskündigung im Normensystem des KSchG

Durch den zweiten Halbsatz des § 2 Satz 1 KSchG gab der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer das Recht, ein Arbeitgeberangebot auf Änderung der Arbeitsbedingungen i. V. m. einer Beendigungskündigung unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung und ergo gerichtlichen Überprüfung annehmen zu können.[27] Hierdurch wurde die Bedrohungswirkung der mit dem Änderungsangebot verbundenen Kündigung verringert und dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Wahlmöglichkeit jenseits der vorbehaltlosen Annahme ohne gerichtliche Prüfung und der Ablehnung mit der Folge des Arbeitsplatzverlustes gewährt.[28] Ohne eine derartige Regelung würde eine Annahme unter Vorbehalt nach der Fiktion des § 150 Abs. 2 BGB einer Ablehnung des Änderungsangebots und Unterbreitung eines neuen Angebots durch den Arbeitnehmer gleichkommen, was bei Ablehnung durch den Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat.

Dies würde der ratio legis der Änderungskündigung zuwider laufen, da beide Vertragsparteien mit der Änderungskündigung sowie der Annahme unter Vorbehalt gerade keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstreben.[29]

Mit dem § 2 Satz 1 KSchG wurden weitere §§ in das KSchG eingeführt, durch die das Rechtsinstitut der Änderungskündigung und die mit diesem verbundenen Rechtsmittel näher konkretisiert werden. Dabei statuiert der § 2 Satz 2 KSchG den zulässigen Zeitrahmen innerhalb dessen der Arbeitnehmer den Vorbehalt erklären kann. Insofern der Arbeitnehmer die Änderung unter Vorbehalt angenommen hat, verlangt § 4 Satz 2 KSchG für die gerichtliche Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung die Erhebung einer Feststellungsklage durch den Arbeitnehmer, wobei die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG einzuhalten ist. Zuletzt wurde der Feststellungsantrag nach § 4 Satz 2 KSchG durch das „Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt“[30] um alle sonstigen Gründe für eine Rechtsunwirksamkeit erweitert, weshalb nach § 13 Abs. 3 KSchG alle sonstigen Unwirksamkeitsgründe innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 KSchG geltend zu machen sind.[31]

Versäumt der Arbeitnehmer die Frist zur Erhebung der Feststellungsklage erlischt nach § 7 KSchG der Vorbehalt nach § 2 Satz 1 KSchG und die Änderungskündigung wird als von Anfang an wirksam betrachtet. § 8 KSchG regelt den entgegen gesetzten Fall, wenn der Arbeitnehmer unter Einhaltung des § 4 Satz 2 KSchG Klage erhoben und gerichtlich obsiegt hat, wodurch die Änderungskündigung als von Anfang an rechtunwirksam gilt (vgl. Kap. 4).

Problematisch erscheint in der Normenkonstruktion des Rechtsinstituts der Änderungskündigung, dass § 2 KSchG keine Aussage über die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Änderungskündigung trifft, sondern nur in einem Klammersatz auf den § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3 und Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG verweist. Hierdurch wird die Wirksamkeit der Änderungskündigung mit den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Beendigungskündigung in Verbindung gebracht, ohne dass der Prüfungsmaßstab eindeutig bestimmt wird.

2.4. Die Funktion des Rechtsinstituts der Änderungskündigung im KSchG

Das KSchG beabsichtigt die Sicherung von Arbeitsplatz und Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers als dessen schützenswerte Rechtsgüter, welche die Grundlage der sozialen und wirtschaftlichen Existenz des Arbeitnehmers verkörpern.[32] Dabei wird als geschütztes Rechtsgut das Arbeitsverhältnis mit dem zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Inhalt begriffen. Vertragstreue im Dauerschuldverhältnis besteht nur für das laufend durchgeführte Vertragsverhältnis, nicht aber für die Zukunft. Das KSchG verhindert aber die jederzeitige Befreiung von vertraglichen Verpflichtungen und bewirkt nach § 1 Abs. 1 KSchG eine Ausdehnung des Grundsatzes der Vertragstreue in die Zukunft.[33]

Zu differenzieren ist in diesem Zusammenhang zwischen dem Schutz des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und dem Schutz seines Inhalts, den vertraglich vereinbarten Leistungspflichten. Allgemein hin ist unbestritten, dass § 1 KSchG gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – mithin den Bestand an sich – schützt und in gewissem Umfang einen Inhaltsschutz gewährt.[34] Ob § 2 KSchG den Schutz des Inhalts beabsichtigt oder diese Funktion ausschließlich von § 1 KSchG wahrgenommen wird, bleibt allerdings strittig. Hierbei steht der Schutz der Rechtsgüter nicht absolut, sondern nur als ein Schutz im Rahmen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren.[35] Inhaltsschutz bedeutet in diesem Sinne den Schutz der vertraglichen Vereinbarung zwischen zwei Personen vor einer einseitigen Änderung als Ausfluss des zivilrechtlichen Grundsatz des „pacta sunt servanda “, während der Bestandsschutz die reine Existenz des Vertragsverhältnisses sichert.

Nach Auffassung des BAG regelt § 1 KSchG den Bestandsschutz im Arbeitsverhältnis und § 2 KSchG den Inhaltsschutz, wobei beide gleichwertig nebeneinander stehen.[36] Diejenigen Experten, die der Auffassung des BAG zustimmen und in der Regelung des § 2 KSchG in erster Linie einen Vertragsinhaltsschutz erkennen, argumentieren, dass § 2 KSchG einen Schutz vor einseitigen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt und sich somit direkt auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses fokussiert.[37]

Dabei sei der deutliche Wille des Gesetzgebers, dem Arbeitnehmer eine angemessene Reaktionsmöglichkeit auf eine mit einer Kündigung verbundene Änderung der Arbeitsbedingungen zu geben, erkennbar.[38] So hat die Änderungskündigung im Gegensatz zur einfachen Beendigungskündigung in erster Linie eine inhaltliche Änderung der Arbeitsbedingungen und nur bei deren Misslingen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Ziel und gewährt „primär“ dem Arbeitnehmer Inhaltsschutz.[39]

Dem kann entgegen gehalten werden, dass der Inhaltsschutz sich nicht wesentlich vom Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses unterscheidet, eben nichts anderes als einen Bestandsschutz bezogen auf den Inhalt darstellt und durch diesen erst verwirklicht wird.[40] Schränkt § 1 KSchG die Kündbarkeit des Arbeitsvertrages ein, dann schützt er auch vor einer Kündigung zum Zwecke der Änderung.[41] Dem entspricht auch die frühere Rechtsprechung des BAG, die im § 1 KSchG nicht allein den Bestand geschützt sah, sondern ebenso den ursprünglich festgelegten Inhalt des Arbeitsverhältnisses.[42] Hingegen beabsichtigt die Änderungskündigung die vereinbarten Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien in dem von ihnen begründeten Arbeitsverhältnis bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verändern. § 2 KSchG durchbricht vielmehr den Inhaltsschutz des § 1 KSchG und eröffnet dem Arbeitgeber eine – wenn auch gesetzlich kontrollierte – Befugnis zur Änderung der Arbeitsbedingungen.[43] Der § 2 KSchG stellt den Inhaltsschutz teilweise zur Disposition und befreit die Vertragsparteien aus dem Dilemma zwischen ausschließlichem Erhalt des Arbeitsverhältnisses zu bisherigen Bedingungen oder dessen Beendigung.[44] So ist Hromadka zuzustimmen, wenn dieser hinsichtlich der ehemaligen BAG-Rechtsprechung lapidar bemerkt: „Das war richtig“.[45]

Der hier vertretenen Argumentation entspricht auch die tatsächliche Funktion des § 2 KSchG, soll doch verhindert werden, dass der Arbeitgeber immer eine Beendigungskündigung aussprechen muss, wenn er Vertragsbedingungen ändern wollte, deren Änderungen er sich nicht im Vorhinein vorbehalten hatte. § 2 KSchG erlaubt eben eine Änderung der Vertragsinhalte, insofern diese nicht sozial ungerechtfertigt ist und schwächt hieran den Grundsatz der Vertragstreue. Oder um es wieder mit Hromadka zu sagen: „§ 2 KSchG schützt nicht das pactum, er durchbricht vielmehr den Grundsatz des pacta sunt servanda, indem er eine Änderung erlaubt.“[46]

Dennoch schützt § 2 KSchG den Arbeitnehmer in gewissem Umfang gegen den ungewollten Verlust des Arbeitsverhältnisses, da er eine Annahme der Änderung unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung ermöglicht und der Arbeitnehmer bei begründeten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung nicht seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen muss, um die Änderungskündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Schließlich ist die ratio legis des § 2 Satz 1 KSchG allein eine unnötige Gefährdung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu verhindern.[47] Diese Funktion des § 2 KSchG stellt aber eben keinen Inhaltsschutz dar.[48] Im den folgenden Kapiteln dieser Arbeit ist zu klären, unter welchen Bedingungen das Durchbrechen der Vertragstreue gem. § 2 Satz 1 KSchG rechtmäßig ist.

2.5. Das Verhältnis der Änderungs- zur Beendigungskündigung

Insofern eine Bewertung von Änderungs- und Beendigungskündigung hinsichtlich der jeweils an diese gestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen angestrebt wird, ist es von besonderem Interesse, in welchem Verhältnis beide Rechtsinstitute zueinander stehen. Dieses wird insbesondere durch den – auch im Kündigungsschutzrecht gültigen – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit determiniert. Nach der Grundsatzentscheidung des 2. Senats des BAG vom 27.9.1984 wird die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kündigungsschutzrecht für die ordentliche Kündigung dahingehend konkretisiert, dass die Änderungskündigung Vorrang vor der Beendigungskündigung besitzt.[49] Dem schließt sich die h. M. an.[50]

[...]


[1] Hromadka, NZA 1996, 1.

[2] Hromadka, NZA 1996, 1.

[3] so vor allem Kittner, NZA 1997; ähnlicher Tenor auch bei Preis, NZA 1995; Hromadka, DB 1996; Berkowsky, Die Änderungskündigung; Zimbauer, NZA 1995; Wallner, Die Änderungskündigung.

[4] so der Titel eines Aufsatzes von Kittner, NZA 1997.

[5] Die folgenden Erläuterungen beziehen sich ausschließlich auf die betriebsbedingte Änderungskündigung, wenngleich die meisten ebenso für die verhaltens- und personenbedingte Änderungskündigung Gültigkeit besitzen. Auf eine gesonderte Ausweisung wird mit Rücksicht auf die Lesbarkeit des Textes verzichtet.

[6] Berkowsky, BB 1999, 1266.

[7] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 3; so auch Fischermeier, NZA 2000, 737.

[8] Die Regelung des § 2 KSchG besitzt nur unmittelbare Geltung für die sog. „ordentliche“ Änderungskündigung, die unter Berücksichtigung der geltenden Kündigungsfristen ausgesprochen wird. Für den Spezialfall der sog. „außerordentlichen“ Änderungskündigung, die ohne Rücksicht auf bestehende Kündigungsfristen unverzüglich wirksam wird, besteht demnach eine Regelungslücke. Durch analoge Anwendung des § 2 KSchG für die außerordentliche Änderungskündigung wird dieses Regelungsdefizit kompensiert; Fischermeier, NZA 2000, 737; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 6. Rost, KSchR, § 2 KSchG Rn 13 ff.

[9] Herschel, FS Müller 1981, 191.

[10] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 113.

[11] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 105.

[12] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 5; Rost, KSchR, § 2 KSchG Rn 9, Zimbauer, NZA 1995, 1073.

[13] Rost, KSchR, § 2 KSchG, Rn 11.

[14] Zimbauer, NZA 1995, 1073.

[15] Berkowsky, Die Änderungskündigung, § 2 Rn 42.

[16] BAG-Urteil vom 10.12.1975, AP Nr. 90 zu §§ 22, 23 BAT.

[17] Ascheid, KSchR, Rn 468.

[18] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 271.

[19] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 10.

[20] Wank, MünchArbR, § 118 Rn 44.

[21] Nach Auffassung von Berkowsky ist die Konstruktion der Änderungskündigung als bedingte Kündigung generell „... mit dem geltenden Kündigungsschutzrecht unvereinbar“. Durch eine aufschiebend bedingte Kündigung wird die Frist für die Erklärung des Vorbehalts nicht in Gang gesetzt, was durch eine aufschiebend bedingte Kündigung nicht erfolgt; Berkowsky, Die Änderungskündigung, § 2 Rn 31.

[22] Gesetz vom 14.8.1969, BGBl. I S. 1106.

[23] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 1.

[24] BAG-Urteil vom 12.1.1961, AP Nr. 10, 17 zu § 620 BGB Änderungskündigung.

[25] BAG-Urteil vom 12.1.1961 25.5.1963, AP Nr. 10, 17 zu § 620 BGB Änderungskündigung.

[26] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 3.

[27] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 5.

[28] Annuß, NZA 2005, 444.

[29] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 331.

[30] Gesetz vom 24.12.2003, BGBl. I, S. 3002.

[31] Wallner kritisiert in diesem Kontext, dass der neu formulierte Antrag nur die „Rechtsunwirksamkeit aus anderen Gründen“ für die Änderung beinhaltet, aber die in der Änderungskündigung enthaltene Kündigung ausspart; vgl. Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 7.

[32] so Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG, RdA 1951, 63.

[33] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 339.

[34] BAG-Urteil vom 19.5.1993, AP Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969.

[35] Prei s, NZA 1995, 241.

[36] BAG-Urteil vom 19.5.1993, AP Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969.

[37] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 2; zustimmend Rost, KSchR § 2 KSchG Rn 7; Hromadka, NZA 1996, 3.

[38] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 6.

[39] v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchR 1997, § 2 Rn 59a.

[40] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 340.

[41] Hromadka, NZA 1996, 3.

[42] BAG-Urteil vom 7.6.1973, AP Nr. 1 § 626 BGB Änderungskündigung.

[43] Wallner, Die Änderungskündigung, Rn 103.

[44] Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rn 484; Hromadka, NZA 1996, 3.

[45] Hromadka, NZA 1996, 4.

[46] Hromadka, NZA 1996, 3.

[47] Annuß, NZA 2005, 444.

[48] Hromadka, NZA 1996, 3.

[49] BAG-Urteil vom 27.9.1984, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

[50] statt aller Stahlhacke, DB 1994, 1362.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Die betriebsbedingte Änderungskündigung aus innerbetrieblichen Gründen
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Abteilung für Rechtswissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
69
Katalognummer
V75426
ISBN (eBook)
9783638812351
ISBN (Buch)
9783638813938
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gründen
Arbeit zitieren
Magister Artium Mathieu Schade (Autor:in), 2005, Die betriebsbedingte Änderungskündigung aus innerbetrieblichen Gründen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75426

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