Think Tanks in den USA und ihr Einfluss als Instrumente der Politikberatung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Think-Tank-Landschaft in den USA

3. Wie üben Think Tanks Einfluss aus?
3.1 Durch eigene Publikationen
3.2 Über die Medien
3.3 Durch öffentliche Auftritte
3.4 Als Experten und Berater in der Politik

4. Statistiken über die Aktivität von Think Tanks

5. Wann haben Think Tanks konkret Einfluss ausgeübt?
5.1 Die Selbsteinschätzung der Brookings Institution
5.2 Das Council on FR und die US-Außenpolitik der Nachkriegszeit
5.3 Ronald Reagan, Heritage und das „Mandate for Leadership“
5.4 Heritage und der Dauerbrenner „Missile Defense“
5.5 Think Tanks und der Zusammenbruch des Ostblocks

6. Think Tanks als Personalpool der Politik

7. Think Tanks als Wahlkampfhelfer

8. Fazit: Wie ist der Einfluss von Think Tanks zu bewerten?

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Zeiten, in denen sich Politik immer mehr in den Medien abspielt, kurzfristige Erfolge langfristige Konzepte ersetzen und das politische Tagesgeschäft die Oberhand über Planung und Entwicklung vorausschauender Strategien gewinnt, erscheint es wichtiger denn je, dass sich Politiker, Parteien und Regierungen auf ein großes Kontingent von kompetenten Beratern stützen können, die mit ihrer Expertise die Entscheidungsfindung von Parlamentariern und Kabinettsmitgliedern be-einflussen und vereinfachen und somit die Entstehung und Umsetzung einer „vernünftigen“ Politik erleichtern.

Neben den klassischen Politikberatern in Parteien, Verbänden, Ausschüssen, Universitäten oder Lobbyvertretungen, die zumeist einer bestimmten politischen Richtung angehören oder ein konkretes Anliegen vertreten, existieren die professionellen Institute für Politikberatung, im Allgemeinen Think Tanks genannt. Diese Kultur der „Denkfabriken“, die ihren Ursprung in den USA haben, steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen: Anders als die parteinahen Organisationen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung oder die Friedrich-Ebert-Stiftung, treten un-abhängige Think Tanks wie die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) in der deutschen Öffentlichkeit kaum in Erscheinung. Anders verhält es sich in den USA, in denen Think Tanks kaum noch aus der politischen Landschaft Washingtons wegzudenken sind. Ob als Berater der Regierung, Sachverständige vor dem Parlament und in Ausschüssen oder als Experten, die den Medien zu aktuellen politischen Fragestellungen Rede und Antwort stehen, in vielen Facetten treten die Mitarbeiter von Think Tanks in Erscheinung.

Es gibt also kaum Zweifel, dass sich die – im Idealfall – unabhängigen Politik-beratungsinstitute in ihrem Ursprungsland einer zunehmend wachsenden Beliebtheit erfreuen und ihre Anzahl wie auch der Grad ihrer Aktivitäten weiterhin ansteigt. Worüber es jedoch bisher, trotz einiger neuerer zu diesem Thema erschienener Veröffentlichungen, wenig Erkenntnisse gibt, ist die Frage, wie viel Gehör Think Tanks bei den politischen Entscheidungsträgern haben und wie viel Einfluss sie letztlich auf die tatsächlichen Entscheidungen in der amerikanischen Politik ausüben.

Um sich dieser Frage anzunähern, wird diese Hausarbeit zuerst die amerikanische Think-Tank-Landschaft und ihre wichtigsten Institute vorstellen, bevor es darum gehen soll, wie Think Tanks – zumindest theoretisch – Einfluss ausüben und wie man diesen Einfluss messen kann. Anschließend werden konkrete Beispiele aktiver Politikgestaltung von Seiten der Beratungsinstitute vorgestellt, wobei die verschiedenen Politikfelder Innenpolitik, Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Komplex der Präsidentschaftswahlkämpfe, in denen Think-Tank-Mitarbeiter seit etwa 30 Jahren eine gewichtige Rolle spielen, beleuchtet werden. Auch die Funktion der Think Tanks als Personalpool soll erläutert werden. Dafür werden einerseits einflussreiche Regierungsbeamte vorgestellt, die vormals in Denkfabriken aktiv waren, andererseits sollen ehemalige Politiker Erwähnung finden, deren um-fangreiche Erfahrungen und Kompetenzen mittlerweile in der Politikberatung zur Anwendung kommen.

Anhand dieser Beispiele sollte es möglich sein, konkrete Aussagen über den Einfluss von Think Tanks zu treffen und sich der wirklichen Bedeutung dieser noch immer wenig erforschten Variablen der US-Politik zu nähern.

2. Die Think-Tank-Landschaft in den USA

Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten als das Heimatland der Think Tanks. Bereits 1832 wurde in Philadelphia das Franklin Institute geschaffen, das man als einen Vorgänger späterer „moderner“ Think Tanks bezeichnen kann.[1] Zwar gab es auch in Europa bereits frühzeitig Organisationen, die sich der Planung und Beratung von Politik verschrieben hatten, so etwa die 1884 gegründete britische Fabian Society, die ein sozialistisches Gedankengut pflegte.[2] Die ersten klassischen unabhängigen Institute der Politikberatung, die später unter dem Begriff „Think Tanks“ zusammengefasst werden sollten, entstanden jedoch in den USA. Im Jahr 1910 gründete der Großindustrielle und Philanthrop Andrew Carnegie sein Carnegie Endowment for International Peace, eine erste Denkfabrik modernen Typs, die sich Konfliktbewältigung und internationale Friedenssicherung als oberstes Ziel auf die Fahnen geschrieben hatte.[3]

Im Jahr 1916 gründete sich – damals zunächst unter anderem Namen – die Brookings Institution, drei Jahre später folgte die vom ehemaligen Präsidenten Herbert Hoover ins Leben gerufene Hoover Institution on War, Revolution and Peace, 1921 schließlich das Council on Foreign Relations, welches als monatliche Gesprächsrunde beim Abendessen begann und heute eine der angesehensten Institutionen im Bereich der internationalen Beziehungen darstellt.[4]

Diesem ersten – hier aus Platzgründen nur unvollständig dargestellten – Aufkommen von Denkfabriken, dessen Vertreter zur Kategorie der akademischen Think Tanks, den „Universitäten ohne Studenten“ gehören,[5] folgte nach dem zweiten Weltkrieg eine neue Generation von Think Tanks, die „government contractors“. Diese Institute, allen voran RAND (gegründet 1948), das eng mit der Army, der Air Force und dem US-Verteidigungsministerium zusammenarbeitet, in den sechziger Jahren auch das Hudson Institute und das Urban Institute[6], werden zu großen Teilen von Regierungs-organisationen finanziert und befassen sich dementsprechend fast ausschließlich mit speziellen, von der Regierung vorgegebenen Fragestellungen.

Zu einem wahren Boom von Think Tanks kam es seit den siebziger Jahren, etwa zwei Drittel aller heute existierenden Think Tanks entstanden nach 1970.[7] Die meisten der in den letzten 35 Jahren entstandenen Denkfabriken sind advokatischer Natur, sind also – trotz formeller Unabhängigkeit – an bestimmte Gruppierungen oder Interessen geknüpft. Als Musterbeispiel hierfür kann die 1973 gegründete Heritage Foundation dienen, die aus ihrer Unterstützung der republikanischen Partei und ihrer konservativen Ideen kein Geheimnis macht.

Heute gibt es in den USA eine gewaltige Kultur der Politikberatung. Die von Experten angegebene Zahl der Think Tanks variiert zwischen „mehr als 1200“[8] und „ungefähr 2000“.[9] Die große Differenz zwischen diesen Angaben liegt vor allem darin begründet, dass die Definition dessen, was ein Instrument der Politikberatung zu einem „Think Tank“ macht, mitunter sehr unterschiedlich formuliert wird. Sicher ist jedoch, dass die Vereinigten Staaten die mit Abstand meisten, größten und einflussreichsten Think Tanks der Welt beherbergen.

Die Gründe hierfür lassen sich in den politischen und gesellschaftlichen Strukturen des Landes ausmachen. So trägt die in der Verfassung festgeschriebene Gewaltenteilung ebenso zur starken Position der Denkfabriken bei wie das Fehlen von strikter Parteidisziplin und Fraktionszwang, da es Think Tanks eher ermöglicht, mit ihren unabhängigen Ideen Gehör zu finden. Weitere Gründe für die fortgeschrittene Entwicklung von Think Tanks in den USA sind das – beispielsweise im Vergleich mit Deutschland – schwach ausgeprägte Parteiensystem, welches es den Instituten leicht macht, in die bestehenden (Beratungs-)Lücken einzudringen, die hohe personelle Fluktuation im Staatsapparat, die Mitarbeitern von Think Tanks die Möglichkeit bietet, Regierungs- und Verwaltungsämter zu übernehmen (auch der umgekehrte Weg ist möglich und geläufig), sowie die Stiftungskultur und das ausgeprägte Mäzenatentum, das für die finanziellen Grundlagen der unabhängigen Politikberatungsinstitute verantwortlich zeichnet.[10]

3. Wie üben Think Tanks Einfluss aus?

Es gibt zahlreiche Vorstellungen und Meinungen, wie ein Think Tank organisiert und verwaltet sein muss um diese Begriffsbezeichnung zu verdienen. Als kleinster gemeinsamer Nenner einer Definition soll an dieser Stelle ausreichen, dass Think Tanks nicht nach finanziellen Gewinnen streben (was sie deutlich von Wirtschaftsunternehmen unterscheidet), vom Staat unabhängig sind und es sich zur höchsten Aufgabe gemacht haben, politischen Fragestellungen und Problemen mit konkreten Vorschlägen und Plänen für bestmögliche Handlungsalternativen zu begegnen.[11]

3.1 Durch eigene Publikationen

Um diese Aufgabe zu erfüllen, haben Think Tanks verschiedene Leistungen zu erbringen. Originäre Leistung eines jeden Think Tanks ist es, nach der eigentlichen Erarbeitung von Strategien und Konzepten, die allem Weiteren voransteht, die in ihm gewonnenen Forschungsergebnisse und Analysen über politische Fragen zu publizieren und somit den zuständigen Entscheidungsträgern sowie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So verwundert es nicht, dass die großen Think Tanks wie die Brookings Institution oder die Heritage Foundation eigene Verlage besitzen, um ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in Buchform zu produzieren. Etwa 50 Buchveröffentlichungen im Jahr sind bei einem Think Tank wie Brookings nach eigener Aussage die Regel.[12]

Doch beschränken sich die publizistischen Aktivitäten der Denkfabriken bei Weitem nicht auf das Herausgeben von Büchern. Sämtliche Think Tanks größeren Ausmaßes veröffentlichen regelmäßige Zeitschriften, Magazine und Journale, in denen das Wissen und Gedankengut der Institutionen in einer kürzeren und somit schneller lesbaren Form angeboten wird. Prominentestes Beispiel hierfür ist das angesehene Journal „Foreign Affairs“ des auf Außenpolitik spezialisierten Council on Foreign Relations.

In den achtziger Jahren begann die konservative Heritage Foundation zudem, so genannte „Papers“ oder „Policy Briefs“ herauszugeben, kurze Zusammenfassungen von (oftmals stark ideologisch gefärbten) Forschungsergebnissen, die sich ins-besondere an Washingtoner Parlamentarier richtete. Ziel dieser Kurzberichte sollte es sein, die Entscheidungsträger innerhalb kürzester Zeit – „auf der Fahrt zwischen Flughafen und Kongress“[13] – über die Vorschläge der Heritage Foundation ins Bild zu setzen. Offenbar erwiesen sich die diese „Policy Briefs“ als erfolgreich, heute sind sie auch bei anderen Think Tanks der Hauptstadt gängige Praxis.

Die Verbreitung des Internet Ende der neunziger Jahre ermöglichte es kleinen wie großen Instituten, ihre Forschungsergebnisse, Denkschriften und Weltanschauungen an ein breiteres, nunmehr weltweites Publikum zu vermitteln. So sind mittlerweile nicht selten „Policy Briefs“, aber auch Zeitschriften-Artikel oder exklusiv für die Website verfasste Aufsätze online abrufbar. Außerdem findet der Vertrieb der gedruckten Veröffentlichungen weitgehend per Internet statt.

[...]


[1] Vgl. Donald E. Abelson/Evert A. Lindquist, Think Tanks in North America, in: R. Kent Weaver/James G. McGann (Hg.), Think Tanks and Civil Societies: Catalysts for Ideas and Action. New Brunswick/London 2000, S. 39.

[2] Vgl. das Internetangebot der “London School of Economics and Political Science”, http://www.lse.ac.uk/library/archive/gutoho/fabian_society.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[3] Vgl. http://www.carnegieendowment.org/about/index.cfm?fa=history, eingesehen am 1.9.2005.

[4] Vgl. Donald E. Abelson, Think Tanks and U.S. Foreign Policy: An Historical View, in: The Role of Think Tanks in U.S. Foreign Policy, U.S. Foreign Policy Agenda – An Electronic Journal of the U.S. Department of State, Vol. 7, No. 3, November 2002, http://usinfo.state.gov/journals/itps/1102/ijpe/pj73abelson.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[5] Die populäre Typologie zur Einordnung von Think Tanks, auf die ich in diesem Kapitel zurückgreife, liefern Weaver und McGann in Think Tanks and Civil Societies in a Time of Change, in: R. Kent Weaver/James G. McGann (Hg.), Think Tanks and Civil Societies: Catalysts for Ideas and Action, S. 6 ff.

[6] Vgl. Donald E. Abelson, Think Tanks and U.S. Foreign Policy: An Historical View, http://usinfo.state.gov/journals/itps/1102/ijpe/pj73abelson.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[7] Vgl. James G. McGann, Think Tanks and the Transnationalization of Foreign Policy, in: The Role of Think Tanks in U.S. Foreign Policy, U.S. Foreign Policy Agenda – An Electronic Journal of the U.S. Department of State, Vol. 7, No. 3, November 2002, http://usinfo.state.gov/journals/itps/1102/ijpe/pj73mcgann.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[8] Richard N. Haass, Think Tanks and U.S. Foreign Policy: A Policy-Maker’s Perspective, in: The Role of Think Tanks in U.S. Foreign Policy, U.S. Foreign Policy Agenda – An Electronic Journal of the U.S. Department of State, Vol. 7, No. 3, November 2002, http://usinfo.state.gov/journals/itps/1102/ijpe/pj73haass.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[9] Vgl. Donald E. Abelson, Think Tanks and U.S. Foreign Policy: An Historical View, http://usinfo.state.gov/journals/itps/1102/ijpe/pj73abelson.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[10] Vgl. Wolfgang H. Reinicke, Lotsendienste für die Politik: Think Tanks – amerikanische Erfahrungen und Perspektiven für Deutschland. Gütersloh 1996, S. 46 f.

[11] Vgl. Weaver/McGann, Think Tanks and Civil Societies in a Time of Change, a.a.O, S. 3.

[12] Vgl. die Homepage der Brookings Institution, http://www.brook.edu/index/publications.htm, eingesehen am 1.9.2005.

[13] Winand Gellner, Ideenagenturen für Politik und Öffentlichkeit – Think Tanks in den USA und in Deutschland. Opladen 1995, S. 116.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Think Tanks in den USA und ihr Einfluss als Instrumente der Politikberatung
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V75365
ISBN (eBook)
9783638738095
ISBN (Buch)
9783638795463
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Think, Tanks, Einfluss, Instrumente, Politikberatung, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Christoph Matthies (Autor:in), 2005, Think Tanks in den USA und ihr Einfluss als Instrumente der Politikberatung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75365

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