Think Tanks - Wissenschaftliche Politikberatung oder politisches Unternehmertum?


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rolle von Think Tanks in Deutschland
2.1 Definition von Think Tanks
2.2 Funktionen von Think Tanks im gesellschaftlich- politischen Prozess

3. Rahmenbedingungen für Think Tanks in Deutschland im Vergleich zu den USA

4. Typologien
4.1 Thunerts Typologie
4.2 Gellnerts Typologie
4.3 Bramls Typologie

5. Veränderungen der Think Tank Landschaft in Deutschland
5.1 Entwicklungstendenzen vom akademischen zum advokatischen Think Tank
5.2 Think Tanks der jüngeren Generation - politisches Unternehmertum?

6. Fazit

7. Anhang

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Phobie gegen Praxisnähe“, „theoretische Verspieltheit“, oder „sprachliche Abschottung“ sind nur einzelne der Vorwürfe die der Wissenschaft von Seiten der Politik in Bezug auf die Politikberatung gemacht werden. Die Wissenschaftler hingegen kritisieren die „Verarmung zukunftsgerichteten Denkens“, „Unfähigkeit zur Prioritätensetzung“ oder die „politischen Scheuklappen“ (Thunert 2003: 30). Auch der Vorwurf der technokratischen Instrumentalisierung von Forschungsergebnissen (Kümmel 2004: 9) wird häufig gemacht. Die Wissenschaft diene als Legitimitätsbeschaffung für bereits getroffene Entscheidungen und erfülle lediglich eine Entlastungsfunktion für die Politik.

Diese gegenseitige Kritik beschreibt sehr deutlich das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Bereichen, das sich aus den unterschiedlichen Funktionslogiken ergibt. Ein zentrales Merkmal für diese ist, dass der Politiker political advice erwartet, die wissenschaftlichen Berater aber meist nur policy advice geben wollen (vgl. Heilemann 1998 zit. in Thunert 2003: 30). An dieser Stelle der praxisorientierten Politikberatung wollen die sogenannten Think Tanks anknüpfen und als Brücke zwischen Politik und Wissenschaft dienen (Stone/Denham/Garnett 1998: 16). Die Grenzen der klassischen Beratung durch die Administration, welche immer noch den größten Teil der Politikberatung ausmacht, aber auch der traditionellen wissenschaftlichen Dienste, wurden erkannt und Think Tanks haben den Anspruch diese durch einen neuen Typus der Politikberatung zu überwinden: „Etablierte Beratungsformen und -akteure finden ihre Grenze dort, wo technisch-informatives Wissen mit der Vermittlung politisch-strategischer Erwägungen verschmilzt und der Entwurf von Zukunftsbildern in den Vordergrund tritt“ (Thunert 1999: 13)

Dieser Typus der Politikberatung soll im Rahmen dieser Arbeit unter der Fragestellung „Think Tanks – Wissenschaftliche Politikberatung oder politisches Unternehmertum?“ untersucht werden. Dafür wird der Begriff Think Tank zunächst definiert, um anschließend die unterschiedlichen damit verbundenen Rollen und Funktionen zu erläutern. Um diese besser zu verstehen, sollen außerdem die Rahmenbedingungen für Think Tanks in Deutschland im Vergleich zu den USA genauer betrachtet werden, da diese für das Verständnis der spezifischen Entwicklung von Think Tanks in Deutschland entscheidend sind. Daraufhin werden drei unterschiedliche Typologisierungen von dreien der wichtigsten deutschen Think Tank-Forscher vorgestellt: Martin Thunert, Winand Gellner und Josef Braml. Da diese jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht alle ausführlich vorgestellt werden können, soll der Schwerpunkt der Typologisierungen in dieser Arbeit auf die Typologisierung Thunerts gelegt werden, um anschließend kurz die wichtigsten Unterschiede zu denjenigen Gellners und Bramls darzustellen. Nach der Erläuterung dieser theoretischen Grundlagen sollen zwei unterschiedliche Veränderungstendenzen der Think Tank Landschaft in Deutschland dargestellt und anhand von kurzen Beispielen aufzeigt werden. Die erste dieser Veränderungen, ist die Entwicklung akademischer Think Tanks zu advokatischen, eine weitere die Entstehung neuer Think Tanks mit einer Neigung zum politischen Unternehmertum. Hier müssen allerdings auf Grund des großen Umfangs an Beispielen und Veränderungen bewusst lediglich einzelne wichtige Entwicklungstendenzen ausgewählt werden, es kann somit im Rahmen dieser Arbeit kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.

Abschließend soll anhand der theoretischen Grundlagen, Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen die Frage beantwortet werden können, ob Think Tanks als wissenschaftliche Politikberatung oder eher als politische Unternehmer zu charakterisieren sind.

2. Rolle von Think Tanks in Deutschland

2.1 Definition von Think Tanks

“Think tank’ is a slippery term which is applied in a haphazard fashion to organizations undertaking policy-related, technical or scientific research and analysis” (Stone/Denham/Garnett 1998: 3)

Wie dieses Zitat zeigt ist der Begriff Think Tanks schwer zu definieren und eigentlich mehr eine Selbstbeschreibung oder nach Josef Braml ein Vorstellungs-inhalt, der kulturell verschiedenartig sein kann (vgl. Braml 2004: 555). Dies wird auch an den unterschiedlichen Übersetzungen deutlich: im allgemeinen Sprachgebrauch wird häufig das Wort „Denkfabriken“ genutzt, was unter anderem von Winand Gellner abgelehnt wird, da es eine „Fließbandproduktion von Gedanken“ (Gellner 1995: 15) unterstelle. Er hat den Begriff ‚Ideenagentur’ neu eingeführt[1], eine weitere Übersetzung ist ‚Ideenmakler’[2].

Für diese Arbeit soll die von Braml für seine Untersuchung „Think Tanks versus Denkfabriken“ verwendete, sehr abstrakte Definition von Weaver/McGann zu Grunde gelegt werden: Think Tanks sind „Organisationen des Dritten Sektors, welche in rechtlicher Hinsicht einen Gemeinnützigkeitsstatus genießen, vom zentralen politischen Entscheidungssystem unabhängig sind und deren erklärte Zielsetzung es ist, auf den politischen Entscheidungsprozess Einfluss zu nehmen“ (Braml 2004: 555). Eine Spezifizierung dieser Definition soll über die Erläuterung der Rollen und Funktionen von Think Tanks in Teil 2 und schließlich über eine Typologisierung in Teil 4 geleistet werden.

2. 2 Funktionen von Think Tanks im politisch-gesellschaftlichen Prozess

Think Tanks in Deutschland haben in erster Linie eine intermediäre und kommunikative Rolle. Sie vermitteln zwischen Zivilgesellschaft, privatem Sektor und dem zentralen politischen Entscheidungssystem.

Allgemein ergeben sich für Think Tanks vier Funktionen (nach Gellner/ Glatzmeier 2004: 313): Die erste ist die Informations- und Ideengewinnung (Produktion), also die Produktion eigener oder synthetisierter wissenschaftlicher Expertisen, mit denen Think Tanks sich möglichst auch von anderen abgrenzen können. Eine immer wichtiger werdende Funktion ist die Informations- und Ideenverbreitung (Agenda-Setting). Die wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen zielgruppengerecht vermarktet werden um eine möglichst hohe Sichtbarkeit in der öffentlichen Agenda-Setting-Phase zu erreichen (vgl. Gellner/ Glatzmeier 2004: 314). Dies geschieht über sehr unterschiedliche Kanäle und Instrumente wie Bücher, Fachzeitschriften, Fernsehauftritte aber auch Seminare, Konferenzen oder Vorträge. Mit Veranstaltungen dieser Art wird an die dritte Funktion angeknüpft, die Allokations- und Netzwerkfunktion (Networking). Hier geht es v.a. um die Bereitstellung einer Infrastruktur zum Austausch zwischen Politik, Administration, Wissenschaft und Medien. Die vierte Funktion ist die Elitentransfer bzw. -rekrutierungsfunktion (Transformation). Diese ist jedoch in Deutschland kaum ausgeprägt[3].

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Selbsteinschätzung deutscher Institute zu ihrer Rolle und Funktion im Vergleich zu den USA, die Josef Braml anhand einer umfangreichen empirischen Untersuchung herausgestellt hat[4].

Deutlich wird hier, dass Think Tanks in Deutschland ihre Rolle in erster Linie als Forschungsinstitute sehen, während Think Tanks in den USA die Verbreitung ihrer Forschungsergebnisse, sowie die Netzwerk- und Elitenrekrutierungsfunktion deutlich wichtiger bewerten als dies die deutschen Think Tanks tun. Auffällig bezüglich der Forschungsrolle ist jedoch, dass die USA die Produktion originärer Politikfeldanalyse deutlich wichtiger bewerten als ihre deutschen Kollegen und dies sogar die am wichtigsten eingestufte Funktion ist. Um diese kenn-zeichnenden Unterschiede erklären zu können, müssen die institutionellen und politisch-kulturellen Rahmenbedingungen näher betrachtet werden.

3. Rahmenbedingungen für Think Tanks in Deutschland im Vergleich zu den USA

Think Tanks gibt es in den USA seit vielen Jahren; sie spielen dort eine überaus bedeutsame Rolle in Politik, Gesellschaft und Medien und es hat sich ein pluralistisches System von geschätzten 1500 Think Tanks herausgebildet (McGann/Johnson 2005: 71). Daher ist es aufschlussreich die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den beiden Ländern näher zu betrachten, um daraus die ungleichen Entwicklungen von Think Tanks, aber auch die jeweils differierenden Eigenschaften und Zielsetzungen zu verstehen. Ein wichtiger Unterschied ist das präsidentielle System der USA, mit einer strengeren Gewaltenteilung im Vergleich zum parlamentarischen System Deutschlands:

„the checks-and-balances system of the USA provides interstices through which think tanks can emerge. By contrast, parliamentary systems involve greater centralization of legislative power an accountability, supposedly allowing for greater control over policy and exclusion of external policy actors.” (Stone/Denham/Garnett 1998: 7)

Der Deutsche Bundestag bietet v.a. auch wegen seiner Parteidisziplin und Ge-schlossenheit keine so großen Einflussmöglichkeiten wie der eher kompetitive amerikanische Kongress. Hinzu kommt, dass die einzelnen Abgeordneten im amerikanischen Kongress durch ihre ausgeprägtere gesetzgeberische Tätigkeit stärker auf Beratung angewiesen sind, sich dabei aber gleichzeitig nicht auf Sachverstand und Betreuung durch Fraktionen wie in Deutschland stützen können. Dies resultiert auch aus einem weiteren charakteristischen Unterschied zwischen den beiden politischen Systemen: Die Parteien in den USA haben viele der zentralen Aufgaben wie Zielfindung, Artikulation und Aggregation von Interessen, Sozialisierung und Mobilisierung der Bürger sowie die Rekrutierung politischen Führungspersonals an andere institutionelle Träger verloren, unter anderem auch an Think Tanks (Gellner 1995: 48). Besonders die Elitenrekrutierung ist in den USA ein wichtiges Feld für Think Tanks, so dass häufig vom so genannten „Drehtür-Effekt“ gesprochen wird[5], der den Personalwechsel zwischen Administration und Think Tanks bei einem Regierungswechsel beschreibt. Die Brookings Institution, einer der ältesten Think Tanks der USA, wird häufig auch als „demokratische Regierung in Wartestellung“(Boaz zit. in: Ziegler 2007) bezeichnet, das American Enterprise Institute ist das republikanische Gegenstück. In Deutschland hingegen spielen die Parteien trotz Tendenzen zur sogenannten Parteiverdrossenheit weiterhin eine eminent wichtige Rolle und erfüllen alle der genannten Funktionen. Bei einigen der Funktionen, wie der Elitenrekrutierung, besitzen die Parteien ein Quasimonopol, so dass Deutschland sogar von einigen als Parteienstaat bezeichnet wird[6]. Allerdings sind die Erfolgschancen einer Idee im deutschen System weitaus höher als im amerikanischen, falls die Parteispitze von einer Idee überzeugt wurde, da im amerikanischen System mehr konkurrierende Vorschläge auf der legislativen Agenda möglich sind (vgl. Braml 2004: 562). Die Gatekeeping-Meachanismen sind somit zwar stärker als in den USA, aber gleichzeitig haben die „Agenda-Setting-Kräfte eine katapultartige Hebelwirkung, die ein Thema ganz weit oben auf der legislativen und öffentlichen Tagesordnung platziert“ (ebd.: 562) – allerdings ist in so einem Fall der Einfluss der Think Tanks nur sehr schwer zu erkennen bzw. nachzuweisen.

[...]


[1] Eine kritische Diskussion zum Begriff ‚Denkfabriken’ ist nachzulesen bei Gellner 1995 (s. Literaturverzeichnis).

[2] in Anlehnung an Smiths “The Idea Brokers” von 1991 (s. Literaturverzeichnis).

[3] Dazu mehr im Teil „Rahmenbedingungen in Deutschland im Vergleich zu den USA“.

[4] S. Abb. 1 „Rollenwahrnehmung deutscher und amerikanischer Think Tanks“ im Anhang

[5] s. dazu Albers/Hollstein: Die ratlose Republik, 2003.

[6] Für weitere Informationen siehe dazu u.a. Wolfgang Rudzio (2006): Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Think Tanks - Wissenschaftliche Politikberatung oder politisches Unternehmertum?
Hochschule
Universität Potsdam  (Wirtschafts-und Sozialwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Semina
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V75233
ISBN (eBook)
9783638797870
Dateigröße
824 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Think, Tanks, Wissenschaftliche, Politikberatung, Unternehmertum, Semina
Arbeit zitieren
Mareike Mayer (Autor:in), 2007, Think Tanks - Wissenschaftliche Politikberatung oder politisches Unternehmertum?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75233

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