Kultur als Form? Zwischen Ökonomisierung und subjektiver Selbstgestaltung


Seminararbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit

2. Georg Simmel – Kultur als Objektivierung des Geistes
2.1. Der Kulturbegriff
2.2. Die Tragödie der Kultur

3. Das romantische Ideal in der Werbung
3.1. Die Philosophie des Geldes
3.2. Das romantische Ideal als kulturelle Utopie in der Werbung
3.3. Das romantische Ideal im Wandel

4. Kritische Kunst am Beispiel des Aktionskünstlers „Banksy“
4.1. Die Person Banksy
4.2. Die Ironisierung des kulturellen Gegenstandes

5. Zusammenfassung und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit

Wird heutzutage von einer Ökonomisierung der Kultur gesprochen, so geht dies meist einher mit einer implizit vorgestellten Unterscheidung: Die Vorstellung von Kultur und der Anspruch an dieselbe scheinen eng mit der eigenen Identität verknüpft zu sein, die als werteschwangere Bastion gegen schablonenhafte ökonomische Mechanismen ins Feld geführt wird. Kultur wird meist nicht nur als Form erlebt, sondern muss den hohen Ansprüchen genügen, gleichzeitig ideelle Gemeinschaft wie auch persönliche Wertvorstellungen widerzuspiegeln.

Dass dieser oft vertretenen Vorstellung von Kultur ein ganz bestimmter Kulturbegriff zu Grunde liegt und inwiefern sich die Konstellation zwischen individuellem Ausdruck, gesellschaftlicher Identität und ökonomischer Form in Begriff und Praxis der Kultur zu manifestieren vermochte, möchte ich im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit auf Grundlage einiger Schriften Georg Simmels näher beleuchten. Inwiefern dieser wertbesetzte Begriff der Kultur praktische Relevanz hat, oder ob sich dahinter nicht ein deutlich komplexerer Prozess verbirgt, soll eine der Fragen sein, die ich im Rahmen meiner Arbeit versuche zu beantworten.

Das zweite Kapitel geht im Folgenden näher darauf ein, wie eine Ökonomisierung kultureller Bereiche in der Praxis bestimmte Formen annimmt. Hier werde ich explizit auf die Ökonomisierung des romantischen Ideals in der Werbung eingehen und im Rahmen dessen unter anderem auf Georg Simmels „Philosophie des Geldes“ Bezug nehmen. In diesem Zusammenhang werde ich zudem die Grenzen des Simmelschen Theorieentwurfs aufzeigen, die sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Bezug auf die mediale Eigendynamik der Medien und damit auch der Werbung, sowie die Entgrenzungsmöglichkeiten kultureller Kommunikation gezeigt haben.

Infolgedessen möchte ich exemplarisch am Beispiel des englischen Straßenkünstlers „Banksy“ und der postmodernen Kunstrichtung „Streetart“ aufzeigen, wie kulturelle Kommunikation auch abseits objektivierter Formen entstehen kann, wieso gerade das Stilmittel der Ironisierung eine derartige Möglichkeit bietet. Inwiefern dies einen dynamischen Prozess zwischen ökonomischen und kulturellen Formen darstellt, soll im vierten Kapitel anhand der Ökonomisierung von kultureller Kritik erläutert werden.

2. Georg Simmel – Kultur als Objektivierung des Geistes

2.1. Der Kulturbegriff

Spricht man von Kultur, so beinhaltet dies bereits implizit eine gewisse Vorstellung von Kultur: Die Reflexion gesellschaftlicher Geschichte. Kultur lässt sich somit als historischer Begriff fassen, den systemtheoretische Gesellschaftsperspektiven als das Gedächtnis der Gesellschaft beschrieben haben (vgl. Baecker, 158-159).

In meiner Arbeit möchte ich jedoch auf einen von Georg Simmel geprägten Begriff der Kultur Bezug nehmen, der in erster Linie die Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt und die damit verbundene Entstehung von Kulturobjekten beschreibt. Der Simmelsche Ansatz scheint mir in der Hinsicht fruchtbar zu sein, als er sich auf konkrete Wechselwirkungen zwischen Individuum und Umwelt bezieht und dem Individuum eine tragende Rolle im Kulturprozess einräumt, gleichzeitig aber systematische Tendenzen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts treffend analysierte. Dennoch werde ich später noch auf die Grenzen dieses Kulturverständnisses zu sprechen kommen. Seiner Kulturtheorie zu Grunde liegt die einfache Unterscheidung eines Dualismus zwischen Subjekt und Objekt: „Dass der Mensch sich in die natürliche Gegebenheit der Welt nicht fraglos einordnet wie das Tier, sondern sich von ihr losreißt, sich ihr gegenüberstellt, fordernd, ringend, vergewaltigend und vergewaltigt - mit diesem ersten großen Dualismus entspinnt sich der endlose Prozess zwischen dem Subjekt und dem Objekt.“ (Simmel 1919, S. 223). Simmels Vorstellung ist in diesem Rahmen eine die dem Prinzip folgt, dass ein Subjekt nur über die Objektivierung des Geistes eine Identität[1] bilden und sich durch diese in der Welt verorten kann. Kultur ist somit „der Weg von der geschlossenen Einheit durch die entfaltete Vielheit zur entfalteten Einheit“ (Simmel 1919, S. 225).

Ich werde nun im Folgenden näher beleuchten, welche Rolle die Objektivierung des Geistes bei der Bildung kultureller Formen spielt, inwiefern diese im Zuge dessen eine Art eigenen Mechanismus entwickeln und somit, laut Simmel, die eigentliche Funktion[2] der Kultur nicht mehr zu erfüllen vermag, nämlich, das Individuum in einer kontingenten Welt zu verorten und es zu sich selbst zu führen.

2.2. Die Tragödie der Kultur

„Diese Strömung von Subjekten durch Objekte zu Subjekten, in der ein metaphysisches Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt historische Wirklichkeit annimmt, kann nun aber ihre Kontinuität verlieren; das Objekt kann in prinzipiellerer Weise, als es bisher angedeutet war, aus seiner vermittelnden Bedeutung heraustreten und damit die Brücken abbrechen, über die hin sein kultivierender Weg ging.“ (Simmel 1919, 243)

In der Aufeinanderbezogenheit von Subjekt und Objekt sieht Simmel eben jene Entwicklung gegeben, die ich bereits angedeutet hatte: Eine Verselbstständigung der kulturellen Objekte und damit die letztendliche Entkopplung zwischen beiden Teilen, die eine Synthese in Form eines Dualismus zwischen Subjekt und Objekt nicht mehr möglich macht, sprich: „[…]die Entwicklung der Subjekte kann jetzt nicht mehr den Weg gehen, den die der Objekte nimmt; diesem letzteren dennoch folgend, verläuft sie sich in einer Sackgasse oder in einer Entleertheit von innerstem und eigenstem Leben.“

Ursache für diese Entwicklung sieht Simmel in der Differenzierung moderner Gesellschaften:

„Der Typus dieser Erscheinungen ist, absolut ausgedrückt, der: durch die Wirksamkeit differenter Personen entsteht ein Kulturobjekt, das als Ganzes, als dastehende und spezifisch wirksame Einheit, keinen Produzenten hat, nicht aus einer entsprechenden Einheit eines seelischen Subjektes hervorgegangen ist.“ (Simmel 1919, 244)

Diese so entstehenden Kulturprodukte, wie sie Simmel bezeichnet, unterliegen einer Eigendynamik „[…]als triebe eine innere: logische Notwendigkeit ein Glied nach dem andern hervor[…]“ (Simmel 1919, 246), die sich unabhängig von den einzelnen Produzenten entfaltet.[3]

Hervorgehoben werden muss, dass Simmel in diesem Zusammenhang dennoch von einem Kulturprozess spricht, der aber als Ausgangspunkt nicht mehr den subjektiv schaffenden Geist, sondern aus sich selbst heraus Kultur produzierende objektive Formen hat. Allerdings kann sich hier „[…]die individuelle Entwicklung aus den sozialen Normen nur noch das gesellschaftlich gute Benehmen, aus den Künsten nur noch den unproduktiven Genuss, aus den technischen Fortschritten nur noch das Negative der Mühelosigkeit und Glätte des Tagesverlaufes herausholen - es entsteht eine Art formal-subjektiver Kultur, ohne jene innere Verwebung mit dem Sachelement, durch die der Begriff einer konkreten Kultur sich erst erfüllt.“ (Simmel, 1919, 234)

Dass wir trotz allem auch in der postmodernen Gesellschaft stabile und variable Identitäten vorfinden erscheint im ersten Moment als Widerspruch, wenn man mit Simmels grundsätzlicher Regel der Synthese davon ausgeht, der subjektive Geist könne nur durch die Objektivierung zu sich selbst finden. In erster Konsequenz müsste Simmel folglich davon ausgehen, dass auch im Bezug auf den subjektiven Geist eine Vereinheitlichung in einer bestimmten Form stattfinden müsse, auf Grundlage jener „formal-subjektiven Kultur“. Tatsächlich räumt jedoch Simmel im weiteren Verlauf seiner „Tragödie der Kultur“ dem subjektiven Geist die Chance ein, ähnlich den objektiven Formen, sich aus sich selbst heraus zu stabilisieren und kulturelle Formen zu produzieren.[4] So sind laut Simmel „[…] all diese oft formulierten spezifischen Kulturleiden […] nichts anderes, als die Phänomene jener Emanzipation des objektivierten Geistes.“, der „[…]sich selbst als Objekt schafft, um mit der Bereicherung durch diese Schöpfung zu sich selbst zurückzukehren.“ (Simmel 1919, 253)

Ich werde im folgenden Kapitel nun anhand eines konkreten Beispiels untersuchen, inwiefern kulturelle Formen jener Simmelschen Eigendynamik unterliegen. Dazu werde ich näher auf das Beispiel kultureller Bilder in der Werbung eingehen.

[...]


[1] Simmel spricht in diesem Zusammenhang zwar nie von gesellschaftlicher Identitätsbildung, doch ich halte diesen Begriff für soziologisch/sozialpsychologisch äquivalent zu Simmels eher philosophischem Sprachgebrauch.

[2] Zwar ist Simmels Kulturbegriff normativ zu werten, allerdings fragt auch er bereits nach der Funktion der Kultur und beschreibt viele Aspekte eines „moderneren“ Verständnisses des Kulturbegriffs, wie er zum Beispiel von Baecker beschrieben wird.

[3] An dieser Stelle sei auf die Eigendynamik der medialen Werbung verwiesen, die sich kulturelle Werte als Bilder aneignet, diese aber nach eigener Logik in Kulturprodukte verwandelt. Ich werde darauf im dritten Kapitel noch einmal näher zurückkommen.

[4] In dieser Hinsicht wird Simmel vielleicht zu Unrecht als überzeugter Kulturpessimist bezeichnet. Vielmehr scheint ihn die Eigendynamik der objektivierten Formen durchaus beeindruckt zu haben. Deshalb spricht er in diesem Zusammenhang auch von einem „tragischen Charakter“, da eben gerade die Intensität der Schaffenskraft des subjektiven Geistes derart selbstständige Formen geschaffen hat.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kultur als Form? Zwischen Ökonomisierung und subjektiver Selbstgestaltung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Kultursoziologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V75232
ISBN (eBook)
9783638797863
ISBN (Buch)
9783638797375
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kultur, Form, Zwischen, Selbstgestaltung, Kultursoziologie
Arbeit zitieren
Florian Schulz (Autor:in), 2007, Kultur als Form? Zwischen Ökonomisierung und subjektiver Selbstgestaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75232

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