Besondere Ereignisse und Kontexte als Wegbereiter für Emmett Tills einflussreiche Rolle im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Fall Emmett Till

2. Emmett Till als Katalysator für die Bürgerrechtsbewegung

3. Besondere Ereignisse und Kontexte als Wegbereiter für Emmett Tills einflussreiche Rolle im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung
3.1 Das Alter und die Herkunft
3.2 Das Engagement von Mamie Till Bradley
3.3 Der Einfluss der Medien

4. Fazit

Bibliographie

Internetquellen

Emmett Till and the Impact of Images

Einleitung

Ähnlich wie Chris Crowe in seinem Buch Getting Away with Murder: The True Story of the Emmett Till Case beschreibt, war auch mir der Name Emmett Till, trotz zahlreicher Aufenthalte in den USA und eines Studiums der Anglistik / Amerikanistik, kein Begriff. Erst 2004, 49 Jahre nach Tills Tod, machte mich eine amerikanische Bekannte auf diesen Fall aufmerksam. Eigenartigerweise nahm auch sie nur Notiz von Emmett Till, weil Chris Crowe an der gleichen Universität wie sie tätig ist und sie dadurch bedingt auf sein Buch aufmerksam wurde.

Wie Chris Crowe, war auch mir stets Rosa Parks als „Auslöser“ – diese Zuschreibung soll später noch kurz diskutiert werden – der Bürgerrechtsbewegung beschrieben worden, die Rolle Emmett Tills hierbei fand keine Erwähnung. Eine Recherche in der Universitätsbibliothek verdeutlichte, warum sich die Aufmerksamkeit bis heute fast ausschließlich auf die – natürlich ebenfalls bedeutsame – Rolle Rosa Parks’ für die politischen Geschehnisse ab 1955 konzentriert. In vielen Werken, die sich mit amerikanischer Geschichte auseinandersetzen, wird Emmett Till gar nicht erwähnt; in den Büchern, wo der Name zu finden war, findet der Mord meist nur in einem Satz und im Zusammenhang mit anderen Geschehnissen Erwähnung. Eine ausführliche Internetrecherche zeigte, dass jedoch einige spezielle Buchpublikationen, diverse Internetseiten und seit kurzem ein Dokumentarfilm zum Thema existieren, auf die man aber sicherlich erst mit einem Vorwissen über Emmett Till stößt. Interessanterweise scheint ein Großteil der verfügbaren Veröffentlichungen aus jüngster Vergangenheit zu stammen.[1] Einerseits spiegelt dies die Bedeutsamkeit des Falles bis heute wider, anderseits vermittelt es den Eindruck, dass seine Auswirkungen erst heute durch historische Distanz umfassend erkannt bzw. aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Hierbei sollte aber angemerkt werden, dass eine Vielzahl von Publikationen sich auf einige bereits früher veröffentlichte Berichte, Zeitungsartikel und Aussagen beziehen. Es finden sich folglich oftmals schon in anderen Veröffentlichungen gelesene Fakten und Meinungen bezüglich des Falles und seiner Bedeutung; in den Bibliographien sind meist gleiche Quellen angegeben. Somit ist das Informationsangebot deutlich eingeschränkter als für andere Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung stehen. Jedoch zeigen die Publikationen, dass der Fall Emmett Till zur Zeit des Mordes und danach einen enormen Bekanntheitsgrad erlangte. Der Mord und die spätere Gerichtsverhandlung wurden zu einem „Medienereignis“ des Jahres 1955. Insbesondere die afro-amerikanische Bevölkerung scheint, wie noch gezeigt wird, Emmett Till über Jahrzehnte hinweg im Gedächtnis behalten zu haben. Bedeutende Künstler, wie Bob Dylan[2], setzen sich mit diesem Thema auseinander. Dennoch scheint der Fall und seine Auswirkungen vielen bis heute weitestgehend unbekannt zu sein.

Aus diesem Grund war es mein Ziel mich intensiv mit diesem Fall und seiner Bedeutung auseinander zu setzen. Da die Signifikanz des Mordes für politische Geschehnisse in den USA, hier hauptsächlich der Einfluss auf die Bürgerrechtsbewegung, in verschiedenen Publikation bereits beschrieben wurde, ist es das Ziel dieser Arbeit einige Umstände und Ereignisse zu analysieren, die Emmett Till überhaupt zu dieser historisch bedeutsamen Person machten. Die Themenwahl erfolgte, da ich mir bei meinen Recherchen die Frage stellte, wie eine Einzelperson zu einem Katalysator für soziale und politische Veränderungen in den USA werden konnte. Es galt zu hinterfragen, wie die Welt auf Emmett Till aufmerksam wurde, obwohl Lynchmorde zu jener Zeit als „Normalität“ in den Südstaaten galten und Täter kaum strafrechtliche Verfolgung fürchten mussten.

Zur Vervollständigung der Arbeit soll im Anschluss kurz auf den Fall Emmett Till und seine Rolle als Katalysator für die Bürgerrechtsbewegung eingegangen werden.

1. Der Fall Emmett Till

Emmett Louis Till reiste am 21.08.1955 als Vierzehnjähriger aus seiner Heimatstadt Chicago nach Money, Mississippi, um dort den Sommer bei Verwandten zu verbringen. Am 24.08. beschloss er gemeinsam mit Freunden zum Bryant’s Grocery and Meat Market in Money – einem Treffpunkt Einheimischer – zu fahren. Angestachelt durch Freunde, vor denen er über seine Erlebnisse mit weißen Frauen in Chicago geprahlt hatte, betrat er den Laden von Roy und Carolyn Bryant. Seine aus dem Süden stammenden Freunde hatten bezweifelt, dass er sich trauen würde mit der im Laden stehenden Carolyn zu sprechen. Dies war im nach wie vor durch strikte Segregation geprägten Süden ein „Jim Crow Tabu“[3]. Trotz Warnungen seiner Mutter schien er sich der sich vom Norden unterscheidenden gesellschaftlichen Situation und ihrer Konsequenzen nicht bewusst zu sein. Die genauen Geschehnisse und der Inhalt der Konversation zwischen Emmett Till und Carolyn Bryant im Geschäft müssen aufgrund nicht unmittelbar anwesender Zeugen bis heute ungeklärt bleiben. Als sicher gilt jedoch, dass Emmett Till Carolyn Bryant beim Verlassen des Geschäfts nachpfiff und „Bye Baby“ sagte. Carolyn Bryant zufolge machte Emmett zuvor im Geschäft „schmutzige“ Bemerkungen und hatte Körperkontakt zu ihr. Einige Tage später erfuhr Roy Bryant von den Geschehnissen, die ihn und seinen Halbbruder J. W. Milam dazu veranlassten Emmett Till am 28.08.1955 aus dem Hause seines Großonkels Mose Wright zu entführen und auf abscheuliche Weise zu ermorden. Milam und Bryant mussten sich einer Gerichtsverhandlung stellen. Trotz mehrerer belastender Zeugenaussagen und der Identifikation der Leiche durch Emmetts Mutter und Mose Wright wurden die Verdächtigen am 23.09.1955 von den ausnahmslos weißen, aus dem Süden stammenden Geschworenen freigesprochen. Der Freispruch war im Voraus geplant; die Verhandlung, Zeugenaussagen etc. wurden dementsprechend „gesteuert“. Als Begründung wurde angegeben, dass die Identität der Leiche nicht gesichert und die Ermordung Tills durch die zwei Angeklagten nicht nachzuweisen sei. In einem Artikel der Zeitschrift Look bekannten sich Milam und Bryant im Januar 1956 ohne rechtliche Konsequenzen zu dieser Tat.

Der Tod und die spätere Verhandlung richteten erstmals intensiv das nationale und auch internationale Augenmerk auf die Situation in den Südstaaten. Dem Mord und dem Freispruch der Mörder folgten umfangreiche nationale Proteste, die Politik wurde diesbezüglich aktiver, Bürgerrechtsbewegungen erhielten durch diesen Fall eine Plattform und konnten dadurch ihre Zielsetzungen erweitern und massiver verfolgen.

2. Emmett Till als Katalysator für die Bürgerrechtsbewegung

Insbesondere in aktuelleren Quellen, die sich mit Emmett Tills Tod auseinandersetzen, wird der Mord oftmals als Auslöser für die Bürgerrechtsbewegung in den USA beschrieben.[4] Sicherlich kann Emmett Till nicht als (alleiniger) Auslöser der Bürgerrechtsbewegung betrachtet werden. Es war nicht erst Emmett Till, der auf die Situation der Afro-Amerikaner im Amerika der 1950er Jahre aufmerksam machte und die Gründung von Organisationen oder politische Entscheidungen beeinflusste. Zum Zeitpunkt seines Mordes waren Bürgerrechtsorganisationen, wie die NAACP, bereits gegründet und die Aufmerksamkeit bewusster auf die Situation der Afro-Amerikaner als Bürger zweiter Klasse gelenkt worden. Im Mai 1954, etwas über ein Jahr vor dem Tod Emmett Tills, traf das oberste Bundesgericht die Entscheidung Brown vs. Board of Education of Topeka – die die Integration an Schulen durchsetzte – und forderte deren schnelle Umsetzung erneut nachdrücklich im Mai 1955. Dies zeigt, dass die Bewegung bereits, in einem bis dahin kleineren Rahmen, aktiv war und erste Teilerfolge, wenn auch fast ausschließlich den Norden beeinflussend, erzielte. Dennoch ist der Fall Emmett Till, wenn nicht als ein Auslöser doch als ein Katalysator[5] für den Kampf der Bürgerrechtsbewegung zu sehen. Crowe beschreibt Emmett Tills Bedeutung für die Bewegung folgendermaßen: „The senseless murder of the boy from Chicago was the last straw for all people opposed to racism. [...] The trial of Emmett’s killers was the necessary and final catalyst for a united effort against racial discrimination in America.“[6]

Im Folgenden sollen die Umstände, die Emmett Till überhaupt erst zu einer bedeutenden Person der Zeitgeschichte werden ließen, analysiert werden.

3. Besondere Ereignisse und Kontexte als Wegbereiter für Emmett Tills einflussreiche Rolle im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung

3.1 Das Alter und die Herkunft

Bei der Analyse der Gründe für Emmett Tills besonderer Rolle im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung und darüber hinaus muss zunächst das Alter das Jungen in Betracht gezogen werden.

Rassistisch motivierte Morde an Afro-Amerikanern waren insbesondere im Süden der USA bis in die 1950er Jahre keine Seltenheit. Mehr als 500 Afro-Amerikaner waren, einer seit 1882 geführten Statistik zufolge, bis 1955 im Staat Mississippi Lynchmorden zum Opfer gefallen. Von Tausenden weiteren nicht gemeldeten Morden wird ausgegangen.[7] Gado gibt an, dass die Region des Mississippideltas zwischen 1880-1930 die in der gesamten Nation höchste Zahl von Lynchmorden verzeichnete.[8] Am 13.08., rund zwei Wochen vor Emmetts Tod, wurde Lamar Smith, der sich für die Durchsetzung des Wahlrechts für Afro-Amerikaner im Süden engagierte, am Tage vor einem Gerichtsgebäude erschossen. Für das Verbrechen gab es keine Zeugen, die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen.[9] Somit war Lynchjustiz, wie im Fall von Emmett Till, auch 1955 noch eine traurige Realität im Süden der USA. Der Mord an einem Vierzehnjährigen[10] zog jedoch, neben anderen beeinflussenden Faktoren, besondere Aufmerksamkeit auf diese Praxis. Durch die Bedrohung von Kindern kam es zu einer zusätzlichen Dramatisierung der Situation der Afro-Amerikaner. Eltern mussten nun auch um das Leben ihrer Kinder fürchten und diese waren von jetzt an unmittelbar betroffen. Die folgenden zwei Zitate verdeutlichen die Auswirkungen des Mordes auf Erwachsene und Kinder, die sicherlich repräsentativ für große Teile der afro-amerikanischen Bevölkerung sind. Myrlie Evers, die Frau des 1963 ermordeten NAACP-Sekretärs Medgar Evers, beschrieb die psychologische Wirkung des Mordes wie folgt: „The Emmett Till case was one that shook the foundations of Mississippi [...] because it said that even a child was not save from racism, bigotry, and death.“[11] In ihrer Autobiographie Coming of Age in Mississippi setzt sich Anne Moody mit ihren Erlebnissen, die im Zusammenhang mit Tills Tod standen auseinander: „Up until his death, I had heard of Negroes found floating in a river or dead somewhere with their bodies riddled with bullets. But I didn’t know the mystery behind these killings then.“ Ihre Mutter verbot es Anne über die Angelegenheit zu sprechen, um Ärger zu vermeiden. Mrs. Burke, für die Anne Moody zu dieser Zeit arbeitete, verdeutlichte ihr, dass Till zurecht starb, da er gegen Regeln verstieß und Unruhe stiften wollte. Den Einfluss der Ermordung und des Verhaltens ihres Umfelds auf die kindliche bzw. jugendliche (Gedanken-) Welt beschreibt Anne Moody so: „Before Emmett Till’s murder, I had known the fear of hunger, hell, and the Devil. But now there was a new fear known to me – the fear of being killed just because I was black. [...] I didn’t know what one had to do or not to do as a Negro not to be killed.“[12]

[...]


[1] Es ist auffällig, dass eine große Anzahl der Publikationen entweder relativ unmittelbar nach dem Mord (1955-1960er Jahre) oder dann wieder ab den 1990er Jahren, viele sogar erst ab 2000, verfasst wurden.

[2] Bob Dylan veröffentlichte 1963 The Death of Emmett Till Text unter: www.bobdylan.com; Text und weitere Informationen www.h-b-u.de/werke_songs_emmett.htm

[3] Crowe 2003, S. 52

[4] Wie bereits in im Text erwähnt, werden oftmals bereits getroffenen Aussagen in späteren Publikationen wiederholt.

[5] Katalysator für mich hier im Sinne von „reaktionsauslösend“, „beschleunigend“ oder „verstärkend“. Dieser, meiner Meinung nach, sehr treffend gewählte Begriff wird (in Englisch) sowohl in der Internetveröffentlichung Emmett Till and the Impact of Images als auch von Chris Crowe verwendet, um die Rolle des Todes Emmett Tills für die Bürgerrechtsbewegung zu beschreiben. vgl.: www.npr.org Crowe 2003, S. 112

[6] Crowe 2003, S. 112

[7] vgl. Hampton / Fayer 1990, S. 2

[8] vgl. Gado 2004

[9] vgl. Crowe 2003, S. 34

[10] Der Verdacht liegt nahe, dass bereits in den Jahren vor Tills Ermordung afro-amerikanische Kinder und Jugendliche Opfer von Lynchmorden wurden. Sie finden jedoch keine explizite Erwähnung in den verwendeten Quellen, weshalb in dieser Arbeit von Till als erstem - wenn auch wahrscheinlich erstem „offiziellen“ - Opfer ausgegangen wird. Lediglich die von Crowe dokumentierte Aussage eines ehemaligen NAACP-Mitgliedes unterstützt diesen Verdacht: „[...] White men had been killing Black boys down here for years without anybody making much of a fuss. The Emmett Till case became a cog in the wheel of change. [...]“ In: Crowe 2003, S. 21

[11] zitiert in: Hampton / Fayer 1990, S. 6

[12] Ausschnitte aus Coming of Age in Mississippi in: Carson et al. 1991, S. 41-43

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Besondere Ereignisse und Kontexte als Wegbereiter für Emmett Tills einflussreiche Rolle im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: „It don’t mean a thing...“
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V75119
ISBN (eBook)
9783638796286
ISBN (Buch)
9783656206996
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Besondere, Ereignisse, Kontexte, Wegbereiter, Emmett, Tills, Rolle, Rahmen, Bürgerrechtsbewegung, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Anja Dinter (Autor:in), 2004, Besondere Ereignisse und Kontexte als Wegbereiter für Emmett Tills einflussreiche Rolle im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75119

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