Die vermeintliche Revolution Darwins bei Daniel C. Dennet

Anmerkungen zu Dennetts "Darwin's dangerous idea"


Essay, 2005

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Darwins gefährliche Idee

2. Meme als Kulturträger

3. Über den Ursprung der Moral
3.1 Thomas Hobbes
3.2. Friedrich Nietzsche

4. Dennetts Ausblick auf eine heutige Moral
4.1. Der Utilitarismus
4.2. Die Kantianer
4.3. Der gute Kandidat-Evaluation-Prozess

5. Kritik an Dennetts Theorie
Die Mem-Theorie
Dennetts Moralansicht

Literaturverzeichnis

Die vermeintliche Revolution Darwins

In seinem Buch „Darwin’s dangerous idea“[1] * stellt Daniel C. Dennett seine These vor, nach der Darwins Theorie der Evolution durch natürliche Selektion eine Theorie sei, durch die wesentlich mehr als nur biologische Zustände in der Welt ihrer Entstehung nach erklärt werden können. Dies gipfelt in der Ansicht, auch Moral sei evolutionär erklärbar. Ich werde in meinem Text versuchen, die Argumente Dennetts, die zu dieser Ansicht geführt haben, und ihre Hintergründe näher zu erläutern. Abschließend werde ich eine Kritik zu diesen Annahmen anbringen, da ich grundsätzliche Fehler in diesen Annahmen sehe. Ich werde zunächst erläutern, was Dennett unter der gefährlichen Idee Darwins genau versteht, danach den Begriff der Meme als Träger von kultureller Information erläutern, dann Dennetts Ansicht über den Ursprung von Moral darlegen, seine eigene Ansicht über eine moderne Moral vorstellen und abschließend eine eigene Kritik an der Theorie Dennetts geben.

1. Darwins gefährliche Idee

Dennett zeigt sich begeistert von der Idee Darwins der Evolution durch natürliche Selektion: „Let me lay my cards on the table. Iflwere to give an awardfor the single best idea anyone has ever had, I’d give it to Darwin, ahead of Newton and Einstein and everyone else. In a single stroke, the idea of evolution by natural selection unites the realm of life, meaning and purpose with the realm of space and time, cause and effect, mechanism andphysical law. But it is not just a wonderful scientific idea. It is a dangerous idea.”[2]

Man sieht meiner Meinung nach schon an dieser Stelle die grundlegenden Schwierigkeiten, die Dennetts philosophischer Stil mit sich bringt: Dennett schreibt polemisch und ungenau. Dass jemand polemisch schreibt, spricht noch nicht gegen ihn. Dass er dabei ungenau ist schon. An dieser Stelle stellt sich also schon die Frage, wie Dennetts Karten auf den Tisch legen genau zu deuten ist: Was heißt es, von einer einfachen besten Idee zu sprechen? Wie soll man es überhaupt verstehen, dass eine einzelne Idee das Reich des Lebens mit dem Reich von Raum und Zeit vereinigen könne, wenn es keine rein metaphorische Konstruktion darstellen soll. Gehen wir aber zunächst davon aus, dass Dennett diese Unklarheiten noch aus dem Weg räumen wird. Darwins Projekt lässt sich nach Dennett wie folgt beschreiben: Es ist der Versuch zu zeigen, dass und wie moderne Arten als verbesserte Nachkommen vorhergehender Arten erklärbar sind33. Darwin hat es nicht geschafft, zu zeigen, dass es so geschah, aber mit seiner Idee hat er zumindest in der Biologie eine Wende eingeleitet. Für Dennett reicht sie allerdings weiter. Darwin sah sich inspiriert durch die von dem britischen Ökonomen Thomas Malthus4 hervorgebrachte Bevölkerungstheorie: Er beobachtete, dass Pflanzen und Tiere weit mehr Nachkommen produzieren als überleben können. Dies sei auch beim Menschen gefährlich: Weil das Bevölkerungswachstum exponentiell steige und die Nahrungsmittelproduktion aber nur geometrisch, käme es zu sozialen Krisen, die bspw. in einem Bürgerkrieg enden können. Nach Dennett gewann Darwin aus Malthus’ Theorie zwei Einsichten: 1) Wenn es in Krisenzeiten einen signifikanten Unterschied unter den Wettbewerbsteilnehmern gibt, würde jeder Vorteil, der dem Teilnehmer dadurch entstünde, auf die Reproduktion des Teilnehmers Einfluss nehmen5. 2) Wenn es ein solches „strenges Prinzip der Vererbung“ gäbe, würde sich die Ausrichtung auf diese Vorteile verstärken und Trends hervorbringen, die unendlich wüchsen6. Dennett meint nun, dass diese Ansicht Darwins auch auf andere Bereiche der Welt ausgedehnt werden könne. Das mache diese Idee gerade gefährlich, denn auch der menschliche Geist sei diesen evolutionärem Prozess untergeben.[3]

2. Meme als Kulturträger

Ein Mensch unterscheidet sich von anderen Tieren insofern, dass er auch als eine Person dargestellt werden kann. Eine Person kann seine eigenen Handlungen bewusst planen und insofern für geschehene Handlungen Verantwortung übernehmen. Für Dennett zeichnet sich der Begriff der Person dadurch aus, dass es einen Entwicklungsstatus kennzeichnet. Bei einer Person handle es sich um ein Tier, der eine neue Entität zukomme. Dieses Tier sei von Eindringlingen vereinnahmt worden, den Memen. Ein Mem ist ein Analogon[4] [5] zu Genen und als solches eine Entität, die Vorteile, die durch kulturelle Errungenschaften hervorgegangen sind, weitervererbe kann. Andere Erklärungen über das Zustandekommen von Kultur hält Dennett für einen Fehler:

„Somepeople just hate the whole idea. They like the idea that it is our human minds and human culture that distinguish us sharply from all the „thoughtless brutes“ (as Descarstes called them), but they don’t like the idea of trying to give an evolutionary explanation of the creation of this most distinguishing mark. I think they are making a big mistake. Do they want culture to be God-given?”85

Wieder gibt Dennett an dieser Stelle aus meiner sicht ein Armutszeugnis für einen in der Wissenschaft Philosophie Arbeitenden ab: Er polemisiert gegen die Gegner seiner Idee ohne deren Argumente zu entkräften, sondern spekuliert über ihre angeblichen Motive, die dem Leser absurd vorkommen sollen: Die Erklärung, dass Gott dem Menschen ihre Kultur gegeben habe, soll dem Leser als nichtakzeptable Ansicht vorkommen. Aber wer vertritt nach Dennett eigentlich heute eine derartige Theorie und soll dies wirklich die einzige Gegenposition, die für sich auch nur auf naiven Motiven beruht, sein?

Auf diese Weise gibt Dennett meines Erachtens kein Argument, weswegen man unbedingt die auf einer Analogie zu Genen herbeiargumentierte Meme überhaupt als tatsächlich existierende Entitäten ansehen sollte, die eine kulturelle Entwicklung bei Menschen überhaupt möglich macht.

3. Über den Ursprung derMoral

Um darzulegen, wie Moral entstand nimmt Dennett sich Thomas Hobbes und Friedrich Nietzsche als Gewährsmänner. Beide seien die ersten Soziobiologen gewesen. Die hätten erkannt, dass sich moralische Normen nicht an Hand von Gedankenkonstruktionen ergeben könnten, sondern dass sie sich im Verlaufe der Menschheitsgeschichte evolutionär ergeben hätten. Daher spricht Dennett auch von der Geburt der Moral9. Die Moral ist nach Dennett also etwas, was Menschen in die Welt hinein gebracht haben und nicht etwas, was sich z.B. in der Ansicht nach Kant aus metaphysischen Umständen ergibt. Was für diese Annahme spricht, und weswegen Moral in diesem Zusammenhang rein präskriptiv aufzufassen sei, lässt Dennett offen.

3.1. ThomasHobbes

Hobbes’ am Anfang seines Buches Leviathan aufgestellte Analogie des Staates als eines künstlichen, überdimensionalen Menschen nimmt Dennett zum Anlass, Hobbes als ersten Soziobiologen zu bezeichnen. Dies sei insofern gerechtfertigt, als dass das Beschreiben dieser Analogie deutlich mache, dass Hobbes das Zustandekommen menschlicher Verhältnisse als geschichtlichen Prozess ansähe und dies eine Geschichte sei, die man nacherzählen solle[6] “. Hobbes wäre nach Dennett sicherlich auch ein Bewunderer der Dawkinsschen Idee der Meme gewesen. Dass Hobbes aber tatsächlich die Staatsgründung als evolutionären Prozess angesehen hat, macht Dennett an keiner Stelle deutlich. Ein Gesellschaftsvertrag wurde von den Menschen irgendwann als Notwendigkeit angesehen, weswegen es zu einer Staatsgründung kam. Diese Notwendigkeit scheint mir allerdings bei Hobbes ein Ergebnis geistiger Überlegung zu sein und nicht Ergebnis von Evolution. Seine Absicht, den Staat als Leviathan zu zeigen, war meines Erachtens nicht, den Staat als eigenständigen Organismus zu zeigen, sondern, dass dieser Staat nur in Abhängigkeit des einzelnen Individuums gedacht werden kann.

Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit erklärt Dennett als bestes Beispiel aus derjüngeren Vergangenheit für ein gescheitertes Gedankenexperiment, wie eine Gesellschaft zu formen sei. Nach Dennett habe Rawls’ Theorie im 20. Jahrhundert mehr Aufmerksamkeit bekommen als jede andere Theorie über Moral. Die bedeutsamste Erneuerung in ihr sei der Schleier der Unwissenheit: Die Personen, die zu einer Gesellschaft gehören, sollten unter diesem Schleier, d.h. in Unkenntnis ihrer eigenen späteren Position in der Gesellschaft, entscheiden, wie die Lebensumstände der einzelnen Mitglieder zu regeln seien. Für Dennett ist dieses Experiment allerdings nur „ein netter Versuch“. Der Versuch könne nur zeigen, wie Verhältnisse in einer Gesellschaft sein sollen, aber nicht, was tatsächlich richtig und falsch ist. Letzteres zu zeigen wäre der Versuch von Hobbes gewesen[7]

Hobbes’ lüde demnach seine Leser ein, den Staat ernsthaft als einen biologischen Organismus zu betrachten12. Die Frage, die sich Dennett an dieser Stelle aufdrängt ist: „In welcher Hinsicht ist eine Gesellschaft ein großer Organismus und in welchen Hinsichten unterscheidet er sich von ihm?“ Er beantwortet diese Frage, indem er die Person mit Zellen vergleicht. Unter Zellen gäbe es Wirtszellen und Besucher, deren Bedeutsamkeit unterschiedlich sei. Ihnen sei aber gemein, dass sie dem summum bonum des Körpers, seiner Erhaltung, zuträglich seien. Der Unterschied zwischen diesen Personen und den Zellen sei aber, dass Personen „gesteuerte Flugkörper“ („guided missiles“) seien: Personen könntenjederzeitüber ihren weiteren Lebensweg neu entscheiden: „(...) because we live in a world of memes, no consideration is alien to us or a foregone conclusion (...) Any theory of the birth of ethics is going to have to integrate culture with biology.“[8] Ich möchte nochmals aufUnklarheiten in Dennetts Ausdrucksweise hinweisen.

[...]


[1] Daniel C. Dennett, Darwin’s dangerous idea, Penguin books, 1996. Die Seitenangaben sind identisch mit der Simon& Schuster Ausgabe, 1996

[2] ebd. S. 21, Z. 33ff.

[3] ebd., S. 39, Z. 27ff.

[4] Mir ist unklar, ob auch Dennett Meme als mehr als bloße Analogien betrachtet. Dem Erfinder der Mem- Threorie, Richard Dawkins, schreibt er auf S.345 zu, dass er die Meme als tatsächliche Phänomene betrachtet und eben nicht nur als metaphorische Bezeichnungen. Einen Beweis hierfür sucht der Leser allerdings vergeblich.

[5] S. 341, Z. 17ff.

[6] ebd., S.454, Z. 23ff.

[7] ebd., S.456,Z.19ff.

[8] ebd. S.460, Z. 21ff.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die vermeintliche Revolution Darwins bei Daniel C. Dennet
Untertitel
Anmerkungen zu Dennetts "Darwin's dangerous idea"
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V75090
ISBN (eBook)
9783638695589
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Revolution, Darwins, Daniel, Dennet
Arbeit zitieren
Carsten Herkenhoff (Autor:in), 2005, Die vermeintliche Revolution Darwins bei Daniel C. Dennet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75090

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