Der Einfluss der Verbände auf die Politik - Der Bundesverband der Deutschen Industrie


Seminararbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Verbände und Staat
2.1. Rolle & Funktion der Verbände in der Gesellschaft
2.2. Adressaten der Einflussnahme
2.2.1. Das Parlament
2.2.2. Die Parteien
2.2.3. Die Exekutive
2.3. Mittel der Einflussnahme
2.3.1. Die Mitgliederstärke und das Mittel des Wählerpotentials
2.3.2. Die Finanzkraft und ihre Anwendungsbereiche
2.3.3. Die Organisationsfähigkeit, bzw. Zerreißfestigkeit
2.3.4. Die Konfliktfähigkeit
2.3.5. Die verfassungsrechtlich privilegierten Machtchancen
2.3.6. Exklusive Informationen
2.4. Schwierigkeiten bei der Bestimmung gesellschaftlicher Machtverteilung
- Die Methode des entscheidungsgenetischen Ansatzes -
2.5. Pluralismustheorie contra Theorie der Kapitalmacht
2.5.1. Pluralismustheorie
2.5.2. Theorie der Kapitalmacht
2.5.3. Übereinstimmung von Theorie und Praxis?

3. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
3.1. Mitglieder und Organisationsgrad
3.2. Zielsetzung und Aufgabenbestimmung
3.3. Mittel und Möglichkeiten der Einflussnahme
3.4. Fünf grundsätzliche, taktische Verhaltensformen
3.5. Adressaten der Einflussnahme

4. Schlussbemerkungen und Ergebnis

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unter dem Begriff organisierte Interessen werden in einer Gesellschaft viele, verschiedene soziale Erscheinungen erfasst. Bestimmte, übereinstimmende Interessen und gemeinsame Interessenvertretung finden sich sowohl in der Familie, in zahlreichen Vereinen, in Religionsvereinigungen bis hin zum „Staatsverband“ wieder. Im folgenden sind mit organisierten Interessen solche Interessenverbände oder Interessengruppen gemeint, bei denen es sich um freie Zusammenschlüsse von natürlichen oder juristischen Personen aber auch Personengruppen, d.h. Verbände, handelt, die - auf Dauer angelegt - Einfluss auf staatliche Entscheidungen zu nehmen suchen, ohne Parteien zu sein.[1]

Im Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher Forschung über Interessenverbände steht bisher ihre Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen. Ebenso soll auch hier die Beziehung zwischen Staat und Verbänden untersucht werden. Besonderes Interesse gilt dem Einfluss und den Interaktionen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) auf die politische Willensbildung.

Die Frage nach der Macht und des Einflusses des Geldes, der Unternehmen, der Wirtschaft auf die Gestaltung der Politik, war Ursprung dieser Arbeit. Grundlage der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der Unternehmer ist das Eigentum, insbesondere das Eigentum an Produktionsmitteln. Unternehmer verkörpern ein mächtiges, gesellschaftliches Interesse in kapitalistischen Industriegesellschaften, da sie einen wesentlichen Teil der Investitionsmittel und der Arbeitsmärkte kontrollieren. Grundinteressen der Unternehmer sind das Streben nach Gewinn und freier, unbehinderter Verfügung über Kapital und Arbeit. Es existieren jedoch zwei gesellschaftliche Komponenten, die der freien Disposition darüber im Wege stehen: die Gewerkschaften und der Staat. Die Gewerkschaften werden in dieser Arbeit außenvorgelassen. Blickpunkt ist der Staat, der mit Steuern die Unternehmen belastet und durch Gesetze und Vorschriften die Freiheit ihrer Entfaltung einschränkt. Die Interessen der Unternehmerschaft sind in vielen Bereichen, etwa in Fragen des Arbeitsrechts, der Unternehmensverfassung, Steuer- und Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und auch Außenwirtschaftspolitik, betroffen. Die Unternehmerverbände, besonders ihr Spitzenverband BDI, vertritt die industriellen Interessen gegenüber dem Staat. Folglich seines Selbstverständnisses arbeitet er gegen die Regulierung des Marktes durch den Staat, wenn unternehmerische Gewinnchancen dadurch reduziert werden und plädiert für das Eingreifen des Staates, insofern Kosten abgewandt werden können.

Geht man von einer großen Bedeutung der Wirtschaft und der Unternehmer für die Gesellschaft aus, und nimmt den BDI, der den Großteil industrieller Interessen hinter sich vereint, als Repräsentant wirtschaftlicher Interessen, kann davon ausgegangen werden, dass dieser erheblichen Einfluss auf die Politik besitzt und er jegliche Möglichkeit, seine Interessen durchzusetzen, nutzt. Es stellt sich die Frage wie groß dieser Einfluss wirtschaftlicher Interessen ist und ob er so weit geht, dass er die Politik beherrscht. Ziel dieser Arbeit ist es dieser Frage nachzugehen. Hierfür werden in einem ersten Teil die Verbände allgemein, ihre Adressaten, ihre Mittel und ihre Rolle in der Gesellschaft beleuchtet. In einem zweiten Teil wird auf den BDI speziell eingegangen.

Da es wenig empirisches Material über die Arbeit der Verbände und gerade bezüglich prekärer Details ihrer Aktivitäten gibt, der BDI selbst keine Auskunft über Erfolge oder Misserfolge seiner Tätigkeit gegeben hat, verbleibt nur der Rückgriff auf die gängige Literatur.

2. Verbände und Staat

2.1. Rolle & Funktion der Verbände in der Gesellschaft

Eine moderne Gesellschaft ist heute kaum mehr ohne Interessengruppen und Verbände vorzustellen. Es stellt sich nun die Frage, ob sie dem Gemeinwesen und dem Gemeinwohl dabei eher zum Nutzen oder zum Schaden sind.[2] Edgar Grande beschrieb auf der wissenschaftlichen Tagung des BDI im März 1999 die Verbände als unverzichtbar für die staatliche Aufgabenerfüllung. Große Bedeutung kommt den Verbänden in ihrer „Entlastungsfunktion“ für den Staat zu und längst werden sie nicht mehr als lästige Begleiterscheinung oder als Einschränkung der staatlichen Souveränität gesehen.[3]

In der Wissenschaft herrscht mittlerweile wohl weitgehend Einigkeit über die durchaus wichtige Funktion der Verbände in unserer Gesellschaft. Die Vielzahl der Verbände, die auf der Lobbyliste des Bundestages aufgezeichnet sind, etwa 1.500 an der Zahl, ist Ausdruck der vielen, unterschiedlichen Interessen in unserer Gesellschaft und gleichzeitig Grundstein einer Demokratie. Vereinigungs,- Meinungs,- und Versammlungsfreiheit sind Basis freier, politischer Willensbildung und schaffen zugleich die verfassungsrechtliche Grundlage für die Existenz und das Wirken der Verbände.[4]

Diese positive Ausgangsposition darf allerdings nicht über die Mängel und Defizite des Verbandswesens hinwegtäuschen. Zwar sind Interessenagregierung, Interessenartikulation, Rekrutierung und Sozialisation sowie die Systemerhaltung zentrale Funktionen organisierter Interessen im politischen System, doch heben diese Funktionen vorherrschende soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten oftmals nicht auf.[5] Gerade schlecht organisierte Interessen oder Minderheitengruppen bedürfen der Parteien und eines starken, staatlichen Apparates zur Wahrung ihrer Interessen.

2.2. Adressaten der Einflussnahme

Interessenverbände sind durch ihre Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen gekennzeichnet. Die wichtigsten hier zu nennenden Adressaten der Verbandstätigkeit sind das Parlament, die Parteien und die Ministerialverwaltung.

2.2.1. Das Parlament

Verbandsvertreter werden vielfach als „Lobbyisten“ bezeichnet. Der Begriff hat geschichtlichen Ursprung und lehnt sich an den Ort an, wo früher vorrangig Interessen- und Volksvertreter aufeinander trafen, die Wandelhalle oder Lobby des Parlaments. Die Einflussnahme oder Druckausübung auf die Parlamentarier in der Lobby hat allerdings heute zugunsten der Ministerialverwaltung an Bedeutung verloren. Gute Kontakte werden jedoch auch weiterhin auf informellen Wege zu den Abgeordneten unterhalten.[6] Wichtiger als die kurzfristige Beeinflussung eines Gesetzes ist die langfristige Bearbeitung der Parlamentsfraktionen, d.h. die personelle Durchdringung der Bundestagsfraktionen und die daraus resultierende, sogenannte „Verbandsfärbung“ der Parteien.[7]

2.2.2. Die Parteien

Wichtiger als die Einflussnahme auf den einzelnen Abgeordneten ist meist die direkte Präsenz der Interessenvertreter im Bundestag selbst. Über die Parteimitgliedschaft bekommen die Interessenvertreter Zugang zu den von den Parteien aufgestellten Landeslisten und können sich so in das Parlament wählen lassen. Die Vertreter der großen Verbände finden sich oftmals in den Ausschüssen mit entsprechender, interessengerechter Aufgabenzuteilung wieder.[8] Von einer einseitigen Druckausübung der Verbände auf die Parteien auszugehen ist dabei jedoch nicht realistisch. Vielmehr muss von einer gegenseitigen Beeinflussung gesprochen werden.

2.2.3. Die Exekutive

Die Ministerien bzw. deren Fachreferate stellen wohl die bedeutsamsten Adressaten des Verbandseinflusses dar. Hintergrund ist der Kompetenzzuwachs des Bundes und der damit einhergehende Bedeutungsverlust des Parlaments zugunsten der Exekutive.[9] Das Parlament entscheidet zwar über Gesetzgebungsvorhaben, vorbereitet werden diese jedoch in den Ministerien. Die Verbände haben diese Veränderung erkannt. Daher gilt die Exekutive als der Hauptadressat des Verbandseinflusses. Auch hier wäre es ungerechtfertigt von einer einseitigen Beziehung zu sprechen. Rudolf Steinberg spricht in seinem Aufsatz von einer „informationellen Seite“ und einer „Machtseite“ .[10] Die Verbände profitieren von der Mitwirkung oder Einflussnahme in ihrem Sinne auf neue Regelungen der Regierung, und im Gegenzug liefern sie den Ministerien wertvolle Informationen und Details, wodurch diese Fehlschläge bei der Realisierung der Gesetze im besten Fall vermeiden können. Darüber hinaus kann die Regierung von einer gewissen Rückendeckung durch die Verbände ausgehen. Die Interessenvertreter wirken bei der Entstehung der Gesetzesvorlage mit und so ist eine größere Durchsetzungschance für diese Gesetze im Bundestag gegeben.

2.3. Die Mittel der Einflussnahme

Eine allgemeingültige Aussage über die Macht eines Verbandes zu treffen ist schwierig. Es gibt einige in der Literatur immer wieder aufgegriffene Faktoren, an denen der Verbandseinfluss gemessen werden kann:

- die Mitgliederzahl bzw. die repräsentierte Kopfzahl,
- die Finanzkraft,
- die Zerreißfestigkeit der Organisation, bzw. ihre Organisationsfähigkeit
- die Konfliktfähigkeit
- die verfassungsrechtlich privilegierten Machtchancen
- exklusive Informationen

Allerdings sind dies nur grobe Anhaltspunkte, denn die einzelnen Faktoren korrelieren oft nicht miteinander und auch kleine Verbände sind unter Umständen durchaus im Stande starken Einfluss auszuüben.[11]

2.3.1. Die Mitgliederstärke und das Mittel des Wählerpotentials

Verbände haben die Möglichkeit den Parteien Wählerpotentiale zu erschließen, können diese aber auch ebenso verschließen.[12] Es liegt auf der Hand, dass mitgliedstarke Verbände ein größeres Wählerpotential hinter sich versammeln als kleinere, Parteien, bzw. Regierungen, bei Wahlen auf dieses Wählerpotential angewiesen sind und dies so ein äußerst wirksames Mittel der Einflussnahme der Verbände darstellt.[13] Je mehr Mitglieder ein Interessenverband vorweisen kann, desto eher kann er sich darauf berufen, das Gesamtinteresse und das Gemeinwohl zu vertreten.

2.3.2. Die Finanzkraft und ihre Anwendungsbereiche

Die Finanzkraft eines Verbandes hängt zum Teil direkt von seiner Mitgliederstärke ab. Ein Verband mit relativ wenigen, finanzstarken Mitgliedern kann jedoch durchaus dieselben Ergebnisse erzielen, wie ein solcher mit vielen, finanzschwachen Mitgliedern. Feststeht dagegen, dass ein Verband mit größerem finanziellen Spielraum mehr Einflussmöglichkeiten hat als ein weniger gut ausgestatteter. Die Gelder finden ihren Anwendungsbereich neben den operativen Ausgaben eines Verbandes in der Parteienfinanzierung, Unterstützung ideologisch nahestehender Parteien im Wahlkampf bis hin zu finanziellen Zuwendungen an ausgewählte Personen, wobei dies nur in Einzelfällen empirisch nachweisbar ist. Die Auswirkungen des Entzugs finanzieller Unterstützung können unterschiedlich stark oder schwach ausfallen.[14]

2.3.3. Die Organisationsfähigkeit, bzw. die Zerreißfestigkeit

Die Organisationsfähigkeit eines Interessenverbandes ist ausschlaggebend für sein Maß an Einfluss. Je mehr ein Verband die Interessen der einzelnen Mitglieder geschlossen hinter sich vereinigen kann, desto größer ist auch sein Potential seine Interessen effektiv zu vertreten.[15]

Divergieren die Interessen und Vorstellungen innerhalb der Organisation allerdings stark, schwächt dies den Verband intern und seine Zerreißfestigkeit wird auf die Probe gestellt. Eine intern uneinige Interessenorganisation wird im schlimmsten Fall handlungsunfähig.

[...]


[1] Vgl. Steinberg, S.217, Parlamentsrecht und Praxis

[2] vgl. Annette Zimmer und Bernhard Wessels, S.9

[3] vgl. Edgar Grande, S.16

[4] vgl. Steinberg, S.23

[5] vgl. von Alemann, S.187

[6] vgl. Steinberg, S.14

[7] vgl. von Alemann, 1987, S.175

[8] Steinberg S.15

[9] Steinberg S.15

[10] Steinberg S.15

[11] Adam, S.29

[12] Triesch, S. 27

[13] vgl. Triesch, ebd.

[14] vgl. Triesch , S.28

[15] vgl. Adam, S.36

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der Verbände auf die Politik - Der Bundesverband der Deutschen Industrie
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in Theorie und Praxis der politischen Ökonomie
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V7509
ISBN (eBook)
9783638147538
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einfluss, Verbände, Politik, Bundesverband, Deutschen, Industrie, Einführung, Theorie, Praxis
Arbeit zitieren
Elfi Victoria Siebert (Autor:in), 2002, Der Einfluss der Verbände auf die Politik - Der Bundesverband der Deutschen Industrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7509

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