Angst und ihre Relevanz im Schulalltag


Hausarbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen

2. Theoretische Betrachtung des Phänomens Angst
2.1. Allgemein
2.2. Angst und Ängstlichkeit
2.3. Angst und Furcht
2.4. Erlebenskomponenten der Angst
2.5. Testmethoden

3. Relevanz von Angst im Schulalltag
3.1. Allgemein
3.2. Leistungsangst
3.3. Sozialangst

4. Abschließende Bemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen

Die Emotion Angst kann man wohl als allgegenwärtig bezeichnen, weshalb sie Krohne als „die zentrale Emotion“[1] bezeichnet. Dies mag mit ihrer ursprünglichen biologischen Funktion zusammenhängen und insofern ist das Verspüren einer gewissen Angst zum Beispiel in einer vermeintlichen Bedrohungssituation durchaus normal und gewissermaßen arterhaltend. Neben diesen positiven Effekten kann Angst bzw. Ängstlichkeit jedoch auch negativ Wirken, wenn die Angstreaktion nicht mehr angemessen ist und eine Angststörung vorliegt. So kann pathologisch gewordene Angst das Leben des Betroffenen enorm einschränken. Nach Stavemann leiden schätzungsweise 15-20 Prozent der Bevölkerung an Ängsten und Angst­störungen.[2] Die Bundes-Gesundheitsurvey von 1998, die erste repräsentative Erhebung diesbezüglich, bestätigt diese Schätzung in etwa. Demnach leiden 14,2 Prozent der 18- bis 65jährigen Befragten im Zeitraum von einem Jahr unter einer klinisch relevanten Angststörung.[3] Bei dieser hohen Zahl an Erkrankten in der Bevölkerung wird die Bedeutung des Themas auch für Lehrkräfte deutlich, denn diese Zahlen implizieren, dass in jeder Schul­klasse wohl mindestens eine Form von Betroffenheit anzutreffen ist. Sei es direkt in Form einer Erkrankung eines Schülers oder indirekt in Form einer Erkrankung eines Elternteils, eines Verwandten oder Bekannten des Schülers. Eine solche Betroffenheit verlangt vom Lehrer im Allgemeinen und vom LER-Lehrer im Speziellen mindestens Informiertheit und bestenfalls Ansätze zum Umgang mit ihr. Aber auch in nicht unbedingt pathologischer Form ist Angst eine Emotion, die im Schulalltag von großer Bedeutung sein kann. So sind Prüfungs­angst und Schulangst Phänomene, welche es näher zu betrachten gilt. Ein erstes Ziel dieser Arbeit ist es jedoch, der Emotion Angst vorerst allgemein und in Abgrenzung zur Ängstlichkeit näher zu kommen. Eine nähere Betrachtung der möglichen Vorkommnisse von Angst und Ängstlichkeit in Zusammenhang mit Schule wird dann zu Überlegungen zum Umgang damit führen.

Wie vielleicht schon die einleitende Bezugnahme zu Krohne deutlich macht, folgt diese Arbeit weitestgehend den Ansätzen der Kognitiven Psychologie. Dies meint, dass andere klassische Schulen der Psychologie, wie die Psychoanalyse oder der Behaviorismus, welche sich ebenfalls ausgiebig und aus etwas anderer Perspektive mit dem Phänomen Angst beschäftigten, größtenteils ausgeklammert werden.[4] Die überwiegende Konzentration auf einen Ansatz soll Verwirrungen vermeiden und eine stringente Arbeit ermöglichen.

2. Theoretische Betrachtung des Phänomens Angst

2.1. Allgemein

In Anlehnung an Schwarzer und auch Krohne kann Angst ganz allgemein als unangenehmes Gefühl beschrieben werden, welches in Situationen auftritt, die als bedrohlich eingeschätzt werden. Zu unterscheiden sind eine Vielfalt von angstauslösenden Situationen, wobei nicht die tatsächliche Bedrohungssituation oder Gefahr maßgeblich ist, sondern deren Bewertung durch das Individuum, also die subjektive Interpretation der Situation.[5]

Dieser Ansicht liegt zu großen Teilen die kognitiv-transaktionale Theorie von Stress und Emotionen zugrunde, welche von Lazarus und anderen seit den 1960er Jahren entwickelt und weiterentwickelt wurde. Diese besagt eben, dass Emotionen aufgrund von kognitiven Bewertungs­prozessen entstehen. In einer Stress­situation wird zuerst eine Ereignis­ein­schätzung (primary appraisal) und fast gleichzeitig eine Ressourceneinschätzung (secondary appraisal) vorgenommen. Das Ereignis kann im ersten Schritt irrelevant, günstig oder stress­induzierend sein. Ist es stressinduzierend wird es je nach vorhandenen Ressourcen zum Beispiel als Bedrohung oder Herausforderung eingeschätzt. Damit verbunden ist die Über­prüfung der zur Verfügung stehenden Bewältigungs­maß­nahmen. Folgt aus diesen Einschätzungs­prozessen, dass das Ereignis relevant und eine Bedrohung ist und dass eine ungenügende Bewältigungskompetenz vorliegt, entsteht Angst, der sich Bewältigungs­prozesse und Neubewertungen anschließen. Die Bewertungsprozesse sind abhängig von interagierenden antezedenten Bedingungen, was bei Lazarus Situations­variablen und Persönlich­keitsvariablen meint. Unter Situationsvariablen werden bewusste oder unbewusste Umweltfaktoren verstanden. Persönlichkeitsvariablen sind das Ergebnis der biologischen und kulturellen Herkunft sowie der Biographie einer Person und meinen zum Beispiel die spezifische Angstneigung oder die Bewältigungsstrategien einer Person.[6]

Aus den bis hierhin angestellten Überlegungen ergibt sich eine subjektive Definition der Angst, die größtenteils auf den erlebten und von anderen nicht beobachtbaren Symptomen fußt. So sehen auch viele Definitionen die auf drei Ebenen statt­findende Reaktion auf eine vermeintliche Bedrohung als Angst. Zu unterscheiden sind dem­nach eine kognitive, eine emotionale und eine körperliche Reaktion, wobei als kognitive Merk­male die bereits erwähnten subjektiven Bewertungsprozesse aber auch die auf die eigene Person bezogenen Gedanken zu nennen sind. Die emotionale Reaktion meint das auch von Schwarzer betonte unangenehme Gefühl, welches sich auch auf der dritten Ebene, in körper­lichen Veränderungen, wie zum Beispiel beschleunigtem Herzschlag oder ähnlichem, zeigen. Sörensen betont, dass Angst als hypothetisches Konstrukt zu verstehen ist, denn die Angst selbst ist nicht messbar. Lediglich die durch die Angst ausgelöste dreigeteilte Reaktion des Individuums, also die Folge der Angst, ist messbar.[7] Die bis hierhin vorgenommene Begriffs­bestimmung ist schwierig, da sie sich hauptsächlich auf subjektives Angstempfinden und Beschreibungen des Gefühls der Angst stützt. So sind weitere Differenzierungen nötig. Eine ganz wesentliche Unterscheidung muss zwischen der Angst als Zustand (state) und der Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal (trait) vorgenommen werden. Eine weitere Spezifizierung kann durch die Differenzierung von Angst und Furcht erreicht werden und schließlich können auch zwei unterscheidbare Komponenten des Angsterlebens ausfindig gemacht werden.

2.2. Angst und Ängstlichkeit

Die zentrale Unterscheidung zwischen der Zustandsangst und der Ängstlichkeitsdisposition kann anhand des Angstauslösers vorgenommen werden. Bestimmt man diesen eher als einen situativen Reiz, kann von der Angst als Zustand gesprochen werden und handelt es sich dabei eher um eine ausgeprägte Disposition, von Ängstlichkeit im Sinne eines Persönlichkeits­merk­mals. Diese Unterscheidung und die damit verbundenen jeweiligen Bezeichnungen als ‚anxiety state’ (‚A-STATE’) und ‚anxiety trait’ (‚A-TRAIT’) wurde bereits in den 1960ern unter anderem von Spielberger vorgenommen.[8] Etwas ausführlicher kann man auch fest­halten, dass die aktuelle Angstemotion (state) als affektiver Zustand des Organismus bezeichnet wird, der mit bestimmten Situationsveränderungen innerhalb des Individuums sowohl in Bezug auf seine Intensität variiert als auch zeitlich instabil ist. Er ist durch eine erhöhte Aktivität des autonomen Nervensystems, die Selbstwahrnehmung von Erregung, das Gefühl des Angespanntseins und die Erlebniskomponenten der Besorgnis und des Bedroht­werdens gekennzeichnet. Das Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit (trait) dagegen zeichnet sich im Gegensatz dazu dadurch aus, dass es keine akute Reaktion auf bestimmte Situationen ist, sondern eine innerhalb des Individuums relativ stabil vorhandene, aber interindividuell variierende Tendenz, eine Situation als bedrohlich wahrzunehmen. Die Reaktion auf eine solche Wahrnehmung ist dann ein erhöhter Angstzustand. Diese Tendenz eines Individuums eine Vielzahl von Situationen als Gefahr oder Bedrohung wahrzunehmen und darauf mit Angstzuständen zu reagieren wird, unter anderem in Anlehnung an Spielberger, als erhöhte Angstneigung beschrieben. Unterschieden werden Personen mit hoher Angstneigung von solchen mit niedriger Angstneigung.[9]

Schwarzer macht darauf aufmerksam, dass dieses zeitlich überdauernde und situations­­über­greifende Persönlichkeitsmerkmal Ängstlichkeit in unterschiedlicher Ausprägung bei jedem Menschen anzunehmen ist, es entwickelt sich im Laufe der Lebensgeschichte. Entscheidend ist dabei eben die Ausprägung der Ängstlichkeit, also die Angstneigung, welche in der Regel mit Hilfe von Fragebögen ermittelt wird, wie nachfolgend noch verdeutlicht und begründet werden wird.[10]

2.3. Angst und Furcht

Trotz beinahe synonymer Verwendung im alltäglichen Sprachgebrauch ist eine Differen­zierung der Begriffe Angst und Furcht sinnvoll. So kann man unterschiedliche Merkmale ausmachen, obwohl beide Begriffe eine emotionale Erregung bei wahrgenommener Gefahr bezeichnen. Diese Unterscheidungskriterien variieren allerdings zum Teil von Forscher zu Forscher. Für viele Angsttheoretiker ist Angst in Abgrenzung zu Furcht eher unbestimmt und ohne Bezug zu einem Objekt, welches die Angst auslöst. Der auslösende Stimulus wäre also für Furcht klar und für Angst unklar. Furcht ist demnach konkreter als Angst, bezieht sich auf eine eindeutig zu bestimmende Gefahr, auf die mit einer angemessenen Reaktion wie Flucht oder Vermeidung zu reagieren möglich wäre. Angst dagegen wäre das Empfinden einer Situation als Bedrohung mit gleichzeitiger Hemmung einer solchen adäquaten Reaktion, was zum einen an der schon angesprochenen Stimulusunsicherheit liegen kann, das heißt Infor­ma­tionen wie zum Beispiel Art, Intensität oder Auftretenszeitpunkt der vermeintlichen Gefahr sind nicht vorhanden, oder aber an einer sogenannten Reaktionsblockierung, was bedeuten würde, dass diese Informationen zur Bedrohung durchaus vorliegen, eine angemessene Reak­tion jedoch trotzdem nicht möglich ist. Beispielhaft für Furcht wäre damit die Furcht vor großen Hunden, nachdem man gebissen wurde, denn hier liegt eine eindeutige Gefahrenquelle vor und sicher wäre eine Flucht- bzw. Vermeidensreaktion zu beobachten. Das Gefühl eines Kindes, welches sich gerade verlaufen hat, wäre dagegen eher Angst, denn die emotionale Reaktion wäre wohl diffus und ungerichtet.

[...]


[1] Krohne 1996, S. 3.

[2] Vgl. Stavemann 1995, S. 5.

[3] Vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 21, 2004, S. 11.

[4] Eine sehr umfassende Darstellung der verschiedenen Theorien und Modelle zu Angst und Angstentstehung findet sich bei Krohne 1996, S. 153-269.

[5] Vgl. Schwarzer 2000, S. 88 und Krohne 1996, S.8.

[6] Zur Stressbewältigungstheorie von Lazarus vgl. u.a. Stöber/Schwarzer 2000, S. 189 und Sörensen 2002, S. 21-32.

[7] Zur Gegenüberstellung unterschiedlicher Definitionsansätze von Angst vgl. Sörensen 2002, S. 2-3.

[8] Vgl. Sörensen 2002, S. 6.

[9] Zur Unterscheidung von Angst und Ängstlichkeit vgl. Krohne 1996, S. 4-8 und Kerres 1993, S. 17-19.

[10] Vgl. Schwarzer 2000, S. 90-91.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Angst und ihre Relevanz im Schulalltag
Hochschule
Universität Potsdam  (Psychologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V75087
ISBN (eBook)
9783638786539
ISBN (Buch)
9783638795326
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Nach einer allgemeinen theoretischen Betrachtung der Emotion Angst wird auf die Angstarten nach Schwarzer, im besonderen auf Leistungs- und Sozialangst eingegangen. Dies wird dann auf den schulischen Alltag bezogen, um Konsequenzen für den Unterricht ziehen zu können.
Schlagworte
Angst, Relevanz, Schulalltag, Schulangst, Ängstlichkeit, Schulphobie, Angststörung, psychische Störung, Prävention, Intervention
Arbeit zitieren
Stefan Grzesikowski (Autor:in), 2006, Angst und ihre Relevanz im Schulalltag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75087

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