Strategisches Management durch systemisches Denken und Modellieren

Einführung in die Methode und in die Systemmodellierung der Outsourcing-Problematik


Diplomarbeit, 2007

87 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ziel der Arbeit
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Systemisches Denken und Modellieren
2.1. Einführung in Systemisches Denken
2.1.1. System
2.1.2. Systemisches Denken
2.1.3. Prinzipien des systemischen Denkens
2.1.3.1. „Das große Bild“
2.1.3.2. Kurz- und Langfristigkeit
2.1.3.3. Weiche Indikatoren
2.1.3.4. System als Ursache
2.1.3.5. Zeit und Raum
2.1.3.6. System versus Symptom
2.1.3.7. „Und“ versus „oder“
2.2. Qualitative Systemmodellierung
2.2.1. Systemische Darstellungsformen
2.2.2. Causal-Loop-Diagramme
2.2.2.1. Rückkopplungskreise
2.2.2.2. Unterscheidung der Rückkopplungsarten
2.2.2.3. Verzögerung in Systemen
2.2.2.4. Potenzielle Probleme bei Modellierung und Interpretation
2.2.3. Behaviour over time
2.3. Systemarchetypen
2.3.1. Fehlkorrekturen (Fixes that fail)
2.3.2. Die Grenzen des Wachstums (Limits to growth)
2.3.3. Problemverschiebung (Shifting the burden)
2.3.4. Tragödie der Gemeingüter (Tragedy of the commons)
2.3.5. Erodierende Ziele (Eroding goals)
2.3.6. Eskalation (Escalation)
2.3.7. Erfolg den Erfolgreichen (Success to the successful)
2.3.8. Wachstum und Unterinvestition (Growth and underinvestment)
2.3.9. Widersacher wider Willen (Accidental Adversaries)
2.3.10. Grenzen der Archetypen

3. Outsourcing – eine strategische Entscheidung
3.1. Begriffliche Grundlagen
3.1.1. Outsourcing
3.1.2. Make-or-Buy-Entscheidung
3.1.3. Leistungstiefe
3.2. Strategische Bedeutung der Leistungstiefe
3.3. Ansätze zur Optimierung der Leistungstiefe
3.3.1. Unternehmenspolitische Ansätze
3.3.2. Konzept der Kernkompetenzen
3.3.3. Das Konzept der Erfahrungskurve
3.3.3.1. Anwendbarkeit der Erfahrungskurve auf die Leistungstiefe
3.3.3.2. Abgrenzung zur Lernkurve
3.3.3.3. Die Ursachen der Kostenreduktion
3.3.3.4. Erfahrungskurve und Marktanteil
3.3.3.5. Erfahrungskurve und Kernkompetenz
3.3.4. Transaktionskostenansatz
3.3.4.1. Verhaltensannahmen
3.3.4.2. Transaktionsmerkmale

4. Qualitative Systemmodellierung der Leistungstiefenentwicklung
4.1. Modellierung der Erfahrungskurve
4.2. Modellierung der Transaktionskosten
4.3. Gesamtmodell aus Stück- und Transaktionskosten

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anlagen

Ehrenwörtliche Erklärung

Vorwort

Als Frau Prof. Dr. Kreitel mit dem Thema systemisches Denken und Modellieren an mich herantrat, war es das erste Mal, dass ich davon gehört hatte. In der Tat ist es ein Thema, dass im deutschsprachigen Raum noch wenig Beachtung findet. Beson­ders in den USA, wurde in den letzten 50 Jahren intensiv an diesem Thema gearbei­tet und allmählich gewinnt es auch in Deutschland an Bedeutung. In der deutschen Hochschullehre ist systemisches Denken und Modellieren noch kaum zu finden, obwohl einige Dozenten wie Prof. Dr. Bradl an der Fachhochschule Würzburg Wahl­fächer zu diesem Thema anbieten.

Schon bei der Einarbeitung konnte ich feststellen, dass systemisches Denken und Modellieren bei mir großes Interesse weckt. Der Kontakt mit Frau Prof. Dr. Kreitel und zahlreiche Fachgespräche und -diskussionen darüber haben dieses Interesse weiter verstärkt. Durch sie kam auch der Kontakt mit Herrn Prof. Dr. Merkel zustande. Bei einem gemeinsamen Treffen wurde dann die Idee geboren, die Prob­lematik des Outsourcings systemisch darzustellen und damit zu zeigen, wie syste­misches Denken und Modellieren strategisches Management unterstützen kann. Ich hoffe mit meiner Arbeit dazu beitragen zu können, dass systemisches Denken und Modellieren als Unterstützung für die Entscheidungsträger der Wirtschaft wahr­genommen und praktiziert wird.

Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen danken, die mich beim Erstellen dieser Arbeit unterstützt haben. Weiter gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Merkel, der als prak­tizierender „Systemdenker“ mit langjähriger Erfahrung stets ein konstruktiver Ansprechpartner war. Im Besonderen möchte ich Frau Prof. Dr. Kreitel danken, die mich in dieses Thema eingeführt hat und die durch ihre Inspiration und fachliche Unterstützung maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat.

Berlin, im März 2007

Daniel Sabel

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ereignisorientierte und systemische Sichtweise

Abbildung 2: Kausale Zusammenhänge

Abbildung 3: Causal-Loop-Diagramm der Wettbewerbsfähigkeit

Abbildung 4: Beispiel Sparbuch: Positives Feedback

Abbildung 5: Beispiel Anzahl der Kunden: Negatives Feedback

Abbildung 6: Heroinmarkt

Abbildung 7: Heroinmarkt inkl. Heroinpreis

Abbildung 8: Interpretationsprobleme von CLDs

Abbildung 9: Beispiel eines BOT-Graphen

Abbildung 10: Fehlkorrekturen

Abbildung 11: Fehlkorrektur: Beschleunigung von Lieferungen

Abbildung 12: Die Grenzen des Wachstums

Abbildung 13: Die Grenzen des Wachstums: Servicekapazität

Abbildung 14: Problemverschiebung

Abbildung 15: Problemverschiebung: Personalentwicklung

Abbildung 16: Tragödie der Gemeingüter

Abbildung 17: Erodierende Ziele

Abbildung 18: Eskalation

Abbildung 19: Erfolg den Erfolgreichen

Abbildung 20: Wachstum und Unterinvestition

Abbildung 21: Wachstum und Unterinvestition: People Express

Abbildung 22: Widersacher wider Willen

Abbildung 23: Widersacher wider Willen: Wal-Mart und P&G

Abbildung 24: Alternativen der Leistungstiefenoptimierung (Beispiele)

Abbildung 25: Erfahrungskurve bei k1 = 100,– und α = 0,25

Abbildung 26: Versorgungslage bei Vernetzungsstufe I

Abbildung 27: Versorgungslage bei Vernetzungsstufe II

Abbildung 28: Verstärkende Rückkopplung der Erfahrungskurve

Abbildung 29: Erfahrungsvorsprung des Konkurrenten

Abbildung 30: Eigenschaften der Leistungen

Abbildung 31: Modell der Erfahrungskurve

Abbildung 32: Erweitertes Modell der Erfahrungskurve

Abbildung 33: Modell der Transaktionskosten

Abbildung 34: Gesamtmodell aus Stück- und Transaktionskosten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Eigenschaften der Modellierungsparadigmen

Tabelle 2: Systemische Darstellungsformen und ihre Eigenschaften

Tabelle 3: Begriffe systemischen Denkens und Modellierens

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Das Wort Strategie stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich die Kunst der Kriegsführung.[1] Diese versucht vor der Schlacht planvoll und langfristig Maßnah­men zu erarbeiten, um diese zu gewinnen. Bezogen auf das Management eines Unternehmens bedeutet Strategie die Festlegung von grundlegenden langfris­tigen Zielen und die Durchführung von Maßnahmen, die zur Zielerfüllung beitra­gen.[2] Bei strategischen Entscheidungen geht es also darum herauszufinden, welche Maßnahmen geeignet sind, um die gesetzten Ziele langfristig zu erreichen. Doch wie können verschiedene Maßnahmen bewertet werden? Woher kann ein Manager wissen, welche Handlung zum gewünschten Ziel führt? In der Regel werden die erwarteten Auswirkungen der Maßnahme erörtert und dann gefolgert, ob sie ziel­führend ist. Doch durch die zunehmende Vernetzung der Welt entsteht eine immer höher werdende Komplexität, sodass Auswirkungen einer strategischen Maßnahme kaum vollständig überblickt werden können. Business-Intelligence-Methoden wie Data-Mining kön­nen Managern durch die Verdichtung und Auswertung erheblicher Datenmengen als Basis für Entscheidungen dienen. Diese vergangen­heits­orien­tier­ten Informationen sind jedoch nicht ausreichend, um die komplexen Auswirkungen einer stra­tegischen Entscheidung ganzheitlich zu verstehen.

Systemisches Denken ist die Fähigkeit, die Welt als ein komplexes System zu se­hen, in dem alles miteinander verbunden ist.[3] Damit unterscheidet es sich von ereig­nisorientiertem Denken. Abbildung 1 soll verdeutlichen, wie sich die ereignis­ori­en­tierte von der systemischen Sicht unterscheidet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Folgendes Beispiel soll die Unvollständigkeit der ereignisorientierten Sichtweise zeigen: Ein Unternehmen hat für eine Periode ein Umsatzziel festgelegt (Ziel). Die Umsätze waren jedoch geringer als erwartet (Situation) und so konnten die Ziele nicht erreicht werden (Problem). Als Gegenmaßnahme sollen die Preise reduziert werden um so den Absatz anzukurbeln (Entscheidung) wodurch sich der Umsatz erhöht (Ergebnis).

An diesem Punkt endet der Horizont der ereignisorientierten Sichtweise. Das Sys­tem reagiert jedoch auf die eigenen Handlungen. Sobald der eigene Umsatz steigt, werden die Wettbewerber reagieren, in dem auch sie die Preise senken, wo­durch der eigene Umsatz wieder fällt, oder um es mit den Worten Stermans zu sa­gen: „Yesterday’s solution becomes today’s problem.“[4]

Die im strategischen Management eingesetzten Standardmethoden wie Glei­chungssysteme, Ursache-Wirkungs-Ketten und Balanced Scorecards sind allesamt ereignisorientiert. Rückkopplungen, die im komplexen Unternehmens­umfeld eine große Bedeutung spielen, werden von keiner dieser Methoden berücksichtigt.[5] Dem Management fehlen offensichtlich Methoden, die auch Rückkopplungen in Syste­men berücksichtigen und verständlich machen.

1.1. Ziel der Arbeit

Zielgruppe dieser Arbeit sind Entscheidungsträger der Wirtschaft, die noch nicht mit systemischem Denken und Modellieren vertraut sind. Die vorliegende Arbeit soll systemi­sches Denken und Modellieren vorstellen und verständlich machen. Sie zeigt, wie durch eine systemische Sicht komplexe Zusammenhänge im Unterneh­men und in der Unternehmensumwelt besser verstanden und damit strategische Entschei­dungen unterstützt werden können.

Wie systemisches Denken und Modellieren angewendet werden kann, um damit komplexe Situationen besser zu verstehen, soll am Thema „Outsourcing“ gezeigt werden. Ein Unterziel ist es darzustellen, wie durch eine systemische Sicht auf dieses Thema das Problem der optimalen Leistungstiefe um­fassend verstanden werden kann. Das Management soll durch eine systemische Sichtweise auf die Leistungstiefenproblematik im Entscheidungs­pro­zess unterstützt werden.

Eine Form des systemischen Denkens ist die von Jay Forrester am MIT entwickelte Methode „System Dynamics“ (SD).[6] Diese überschneidet sich teilweise mit der in dieser Arbeit vorgestellten Modelliermethode, ist jedoch weiter gefasst und legt den Schwerpunkt besonders auf quantitatives Modellieren anhand von Computersimu­lationen. Ziel der Arbeit ist es nicht, die Methode SD zu beschreiben, es wird jedoch auf Teile dieser Methode zurückgegriffen.

1.2. Aufbau der Arbeit

Wie oben beschrieben ist ein Teilziel dieser Arbeit, Menschen die noch nicht mit systemischem Denken und Modellieren vertraut sind, in diese Methode einzufüh­ren. Daher wird im zweiten Kapitel (S. 5 ff.) eine Einführung in systemisches Denken gege­ben. Anschließend wird auf der Grundlage des systemischen Denkens die Methode des qualitativen Modellierens erläutert. Abgeschlossen wird das Kapitel durch die Vorstellung der Systemarchetypen, die grundlegende, immer wiederkeh­rende Mechanismen beschreiben. Die Bedeutung dieser Archetypen wird anhand von betriebs­wirt­schaft­lichen Beispielen verdeutlicht.

Im dritten Kapitel (S. 46 ff.) werden anschließend die theoretischen Grundlagen des The­mas Outsourcing geschaffen. Nach der Klärung der begrifflichen Grundlagen des Themas wird die strategische Bedeutung der Leistungstiefe diskutiert, worauf dann verschiedene Ansätze der Leistungs­tiefen­opti­mierung vor­gestellt werden.

Die Kapitel zwei und drei stellen die Basis dar, um im vierten Kapitel (S. 67 ff.) dann die Outsour­cing-Problematik systemisch zu modellieren. Durch die Betrachtung der Erfahrungskurve auf der einen und der Transaktionskostentheorie auf der anderen Seite wird ein Gesamtmodell erarbeitet, welches zu einem besseren Verständnis der Leistungstiefenentwicklung führen soll.

2. Systemisches Denken und Modellieren

Sowohl das systemische Denken als auch das systemische Modellieren sollen zum besseren Verständnis von Systemen führen. Systemisches Denken stellt dabei die Voraussetzung für das systemische Modellieren dar. Somit kann das Modellieren als eine Methode des systemischen Denkens beschrieben werden, es bietet Werk­zeuge an, um komplexe Systeme zu begreifen und zu beschreiben.

2.1. Einführung in Systemisches Denken

Jedes Problem, jede Aufgabe und jede Entscheidung ist Teil eines größeren Sys­tems, welches es beeinflusst und von welchem es beeinflusst wird. Im Folgenden werden die Begriffe System und systemisches Denken erläutert, um anschließend auf die Prinzipien des systemischen Denkens einzugehen.

2.1.1. System

Das Wort System bezeichnet ein Gebilde aus mehreren Elementen, die sich gegen­seitig beeinflussen. Ein System grenzt sich gegenüber der Um­welt als eine aufgaben-, sinn- oder zweckbezogene Einheit ab.[7]

Beispiele für Systeme sind

- biologische Organismen,
- die Atmosphäre,
- Krankheiten,
- Fabriken,
- Chemische Reaktionen,
- Politische Einheiten,
- Gemeinschaften sowie
- alle Organisationen.

2.1.2. Systemisches Denken

Systemisches Denken (auch: Systemdenken; engl.: systems thinking) ist eine Me­thode, die Informationen und Instrumente enthält, die das Verstehen von Komplexi­tät und Verände­rungen ermöglichen sollen.[8] Im Gegensatz zu linearem Denken, in dem hauptsächlich Ursache und Wirkungen von isolierten Ereignissen betrachtet werden, versucht das systemische Denken größere Zusammenhänge und die grundlegenden Strukturen zu erkennen, die menschliches Handeln beeinflussen und bestimmte Ereignisformen verursachen. Die Erkenntnis, dass ein System sein Verhalten selbst verursacht, wird durch die Betrachtungsweise des systemischen Denkens erlangt.[9]

Maani und Cavana unterteilen systemisches Denken in die drei Teilbereiche Para­digmen, Sprache und Methode.[10]

Paradigmen

Systemisches Denken ermöglicht es, dynamische Zusammenhänge, die die Reak­tion von Sys­temen beeinflussen, zu beschreiben und darüber zu reflektieren.

Teile systemischen Denkens sind dynamisches Denken, operationales Denken und das Denken in geschlossenen Regelkreisen (closed-loop thinking). Beim dynami­schen Denken steht die Erkenntnis im Vordergrund, dass Systeme nicht statisch sind und sich in ständigem Wan­del befinden. Das Verständnis, wie Vorgänge wirk­lich funktionieren, wird durch operationales Denken ermöglicht. Denken in ge­schlossenen Regelkreisen würdigt die Tatsache, dass Ursache und Wirkung nicht linear verlaufen und dass oft das Ergebnis (die Wirkung) die Ausgangssituation (die Ursache) beeinflusst.[11]

Sprache

Die Sprache des systemischen Denkens ist ein Instrument für die Beschreibung von Systemen. Sie ermöglicht systemweite Wechselbeziehungen und Veränderungs­muster zu erkennen und zu beschreiben. Indogermanische Sprachen (z. B. Deutsch oder Englisch) beruhen auf einer Subjekt-Prädikat-Objekt-Struktur, mit der es schwer fällt komplexe, dynamische Systeme zu beschreiben.[12] So wie normale Sätze auf Substantiven und Verben aufbauen, so baut die Sprache des Systemden­kens auf Feedbackprozessen (stabilisierende und verstärkende Rückkopplungen) und Verzögerungen auf.[13]

Die Sprache des Systemdenkens erfüllt folgende Kriterien:

- Sie ist visuell und diagrammatisch,
- es bestehen präzise Regeln;
- Erkenntnisse werden in detaillierte Bilder übersetzt und
- geschlossene, wechselseitige Abhängigkeiten werden betont.

Zur Sprache des systemischen Denkens gehören auch bestimmte fachliche Be­grif­fe, die sich in der Literatur unterscheiden. Aufgrund der Tatsache, dass haupt­säch­lich englische Literatur zu diesem Thema verfügbar ist, werden in dieser Arbeit auch hauptsächlich englische Begriffe verwendet. Im Anhang findet sich daher eine Ta­belle, in der die gebräuchlichsten englischen und deutschen Begriffe aufgeführt sind.

Methode

Das systemische Denken bein­haltet verschiede Modellierungs- und Lernmethoden. Modellierungsmethoden helfen zu verstehen, wie die verschiedenen Ele­mente eines Systems miteinander verbunden sind und wie sie sich gegenseitig be­einflus­sen. So können anhand von Modellierungstechniken Veränderungen gemes­sen und vorhergesagt werden. Auch kann durch Modellierungstechniken das Ler­nen in einer Gruppe gefördert werden, indem mehrere Teilnehmer Systembilder entwickeln und mit diesen experimentieren.

Folgende Methoden werden eingesetzt:[15]

- Causal-Loop-Diagramme (Wirkungsdiagramme)

Diese Diagramme helfen Systeme zu beschreiben und das Verhalten von Systemen zu erklären (siehe Kapitel 2.2.2, S. 13 ff.).

- Stock-and-Flow-Diagramme (Flussdiagramme)

Mit Stock-and-Flow-Diagrammen kann das Verhalten von Systemen simuliert werden. Es werden quantifizierte Größen verwendet, die in Fluss- und Be­standsgrö­ßen unterteilt werden.

- Microworlds

Microworlds bieten eine anwendungsfreundliche Oberfläche, mit der das Verhalten von Systemen experimentell erforscht werden kann. Dem liegt ein Computermodell der jeweiligen Systeme zugrunde.

- Learning laboratory (LLab)

Ein LLab ist ein Prozess und ein Rahmen, indem Lernen in einer Gruppe er­möglicht wird. Als Grundlage dafür dienen Microworlds.

2.1.3. Prinzipien des systemischen Denkens

Anderson und Johnson beschreiben eine Anzahl universeller Prinzipien des systemi­schen Denkens, die einen Rahmen für Theorie und Praxis darstellen.[16]

2.1.3.1. „Das große Bild“

Jede Situation oder jedes Problem ist stets Teil eines grö­ßeren Systems und sollte als solches betrachtet werden sollte. Menschen versuchen häufig Probleme und Aufgaben in Einzelteile zu zerlegen, da diese Einzelteile dann einfacher zu handha­ben scheinen. Dabei entsteht die Gefahr, dass sich ein ver­fälschtes Bild ergibt, wenn diese Einzelteile später wieder zusammengesetzt wer­den.[17]

2.1.3.2. Kurz- und Langfristigkeit

Kurzfristig angelegte Maßnahmen können langfristige Effekte haben, die nicht igno­riert werden dürfen. In manchen Fällen erleben Organisationen existenz­bedrohliche Situationen. In solchen Fällen sind kurzfristige Maßnahmen anzuwen­den um die Organisation zu retten. Auch dann, wenn durch drastische Maßnahmen langfristig unerwünschte Nebeneffekte hervorgerufen werden, muss es Priorität sein, die Or­ganisation am Leben zu halten. Keineswegs sollten diese Maßnahmen als normale Handlungsbasis angesehen werden, da sonst die Nebenwirkungen der kurzfristigen Maßnahmen die Existenz der Organisation bedrohen.

2.1.3.3. Weiche Indikatoren

Ein Problem kann aus mehreren Elementen bestehen, die teilweise nicht offen­sichtlich sind. Die üblichen Kennzahlen aus dem Rechnungswesen eines Unter­nehmens können nur einen Teil eines Problems aufzeigen. Doch eine Reihe von anderen, weniger offensichtlichen Faktoren können im Hinter­grund eine überaus wichtige Rolle spielen und das Verhalten und die Leis­tung von Organisationen in großem Maße beeinflussen. Zu diesen weichen Indikatoren zählen beispielsweise Engage­ment, Loyalität, Lernbereitschaft und Zuversicht. Diese und ähnliche Indika­toren können den Zustand und die Vitalität einer Organi­sation anzeigen, lange bevor die harten Fakten dazu in der Lage sind. Prob­lema­tisch ist allerdings die Erhebung und Quantifizierung dieser Indikatoren.

2.1.3.4. System als Ursache

Dieses Prinzip besagt, dass Menschen oder Systeme nicht nur durch die ungewoll­ten Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Handlungen, sondern auch durch ihre mentalen Modelle (Annahmen, Glauben, Werte usw.) zu ihren Problemen bei­tragen. So entstehen Probleme oft aus Systemen heraus, obwohl sie als exogen angesehen werden.

2.1.3.5. Zeit und Raum

Da Ursache und Wirkung oft zeitlich und räumlich auseinander fallen, ist die Ver­bindung von Ursache und Wirkung nicht immer offensichtlich. Viele der heutigen Probleme wurden durch die Lösungen der Vergangenheit her­vorge­rufen.

2.1.3.6. System versus Symptom

Eine Problemlösung kann nur dann effektiv sein, wenn das System hinter dem Problem verstanden wird. Dieses Prinzip ist auch Grundlage des kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Qualitäts­manage­ment. Es wird angenommen, dass die grundlegenden Ursachen eines Problems identifiziert werden müssen, be­vor eine dauerhafte Lösung gefunden werden kann. Das Gegenteil dieses Prinzips spiegelt sich in folgendem Sprichwort wider: „Wir haben keine Zeit den Zaun zu re­parieren, weil wir ständig die Hühner einfangen müssen.“

2.1.3.7. „Und“ versus „oder“

Für eine Situation oder ein Problem gibt es häufig mehrere Ursachen. In der Gesell­schaft und im Management wird sich oft auf eine Ursache konzentriert oder be­schränkt. Häufig ist ein Entweder-oder-Denken zu beobachten.

2.2. Qualitative Systemmodellierung

Ein Modell stellt ein Abbild der Wirklichkeit dar und so ist die Modellierung der Pro­zess dieses zu erschaffen.[18] Bei der Systemmodellierung werden die Wirkungs­zu­sammen­hänge eines Systems erarbeitet und dargestellt. Es existieren verschiedene Möglichkeiten der Modellierung und Darstellung. Generell kann zwischen zwei grundlegenden Modellierungsparadigmen unterschieden werden.

Beim quantitativen Modellieren werden Größen verwendet, die zahlenmäßig fest­legbar und damit quantifizierbar sind. Mit den verwendeten Größen werden Simula­tionsrechnungen und Prognosen durchgeführt. Ziel einer solchen Modellierung ist, die zukünftige Entwicklung von Systemelementen zahlenmäßig vorauszusagen.[19]

Beim qualitativen Modellieren werden Größen verwendet, für die kein zahlen­mäßi­ger Wert festgelegt ist. Diese Größen können Begriffe der Umgangssprache dar­stellen. Ziel dieses Verfahrens ist es, die Zusammenhänge eines Systems zu visua­lisieren und dadurch ganzheitlich zu verstehen. Als Darstellungsform werden haupt­sächlich Causal-Loop-Diagramme (siehe Kapitel 2.2.2, S. 13 ff.) benutzt.[20] In der Literatur wird qualitatives Modellieren häufig als Vorstufe zu quantitativem Model­lieren beschrieben.[21] Es stellt sich also die Frage, ob das qualitative Modellieren als eigene Modellierform angesehen werden kann. Nach Ansicht des Autors kann quali­tatives Modellieren komplexe Systeme auf einfache Art darstellen und die Wirkun­gen der Systemelemente sichtbar machen. So trägt diese Form des Modellierens zu einem tiefen Systemverständnis bei. Ist das Sys­temverständnis Ziel der Modellie­rung, kann eine anschließende Quantifizierung überflüssig sein. Somit erkennt der Autor dieser Arbeit qualitatives Modellieren als eigenständige Modellierform an. Auch Ossimitz kommt zu dem Schluss: „Qualitati­ves Modellieren (etwa in Form von Wirkungsdiagrammanalysen) sollte als legitime […] Modellier­tätig­keit anerkannt und praktiziert werden.“[22]

In der Tabelle 1 werden die Eigenschaften der verschiedenen Modellierungs­para­dig­men zusammenfassend dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Mischform der oben genannten Modellierparadigmen beschreibt Ossimitz mit der qualitativen Quantifizierung. Es werden qualitative Sachverhalte (z. B. Sach­ver­halte der Psychoanalyse) quantifiziert und anhand von Simulationssoftware model­liert. Mit den quantitativen Ergebnissen der Simulation wird jedoch qualitativ argu­mentiert. Dabei geht es nicht darum, genaue Zahlenwerte, sondern die tendenzielle Entwicklung der Größen vorauszusagen. Häufig werden dabei Graphen benutzt, die ohne Skalierung der Achsen die Ergebnisse der Simulation darstellen (siehe Kapitel 2.2.3, S. 25 f.).[23]

In dieser Arbeit wird der Schwerpunkt auf qualitativem Modellieren anhand von Causal-Loop-Diagrammen (CLD) liegen, die auch im praktischen Teil dieser Arbeit an­gewendet werden. Die Methode der qualitativen Modellierung anhand von Causal-Loop-Diagrammen wird vorher unter Kapitel 2.2.2 (S. 13 ff.) theoretisch erör­tert und konkrete Anwendungsbeispiele und Muster unter Kapitel 2.3 (S. 26 ff.) aufgezeigt.

2.2.1. Systemische Darstellungsformen

Wie oben aufgezeigt, werden bei der Modellierung die Wirkungsbeziehungen der Systemelemente qualitativ oder quantitativ beschrieben und dargestellt. Eng ver­knüpft mit der Form der Modellierung ist auch die Form der Darstellung. Es kann zwischen vier Arten systemischer Darstellungsformen unterschieden werden:[24]

- Verbale Beschreibungen

Mit Hilfe der Umgangssprache wird ein qualitatives Systemmodell beschrie­ben. Es bestehen keine spezifischen Regeln, wodurch sie für viele verständ­lich, aber auch verschieden auslegbar sind. Qualitative Zusammenhänge können an­hand verbaler Beschreibungen nicht in ausreichender Eindeutig­keit darge­stellt werden.

- Causal-Loop-Diagramme

Hierbei handelt es sich um eine qualitative Darstellungsform, in der Kausali­täten mit Hilfe von Pfeilen und Notationen visualisiert und die Art der Rück­kopplungen identifiziert werden (siehe Kapitel 2.2.2, S. 13 ff.).

- Stock-and-Flow-Diagramme

Im Gegensatz zu CLDs werden bei Stock-and-Flow-Diagrammen zwischen den Typen der Systemelemente und den Beziehungen unterschieden. Bei den Systemelementen wird zwischen Bestandsgrößen (z. B. Bevölkerungs­zahl) und Flussgrößen (z. B. Geburtenrate) unterschieden.[25]

- Gleichungsdarstellungen

Hierbei werden die Systemzusammenhänge ausschließlich durch mathema­tische Gleichungen dargestellt, sie enthalten also ausschließlich quantifi­zierte Größen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für die qualitative Systemmodellierung eigenen sich vor allem Causal-Loop-Diagramme. Diese werden in dieser Arbeit neben verbalen Beschreibungen für die Systemmodellierung verwendet und im nächsten Kapitel genauer ausgeführt.

2.2.2. Causal-Loop-Diagramme

Ein CLD ist eine Darstellungsform, die es ermöglicht, die Wirkungsbeziehungen zwi­schen Systemelementen deutlich zu machen und die Rückkopplungen von Syste­men darzustellen. Die zwei Hauptelemente eines jeden CLDs sind Variablen und Pfeile. Eine Variable kann einen Zustand, eine Situation, eine Aktion oder eine Ent­scheidung darstellen und sowohl quantitativ messbar (z. B. Umsatz, Kapitalstock, Anzahl der Mitarbeiter), als auch qualitativ beschreibbar (z. B. Motivation, Moral, Loyalität, Kundenzufriedenheit) sein. Variablen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie andere Variable beeinflussen und/oder von anderen Variablen beeinflusst wer­den. Dieser Zusammenhang der Beeinflussung wird in CLDs durch Pfeile darge­stellt.[26] In Abbildung 2 wird die Annahme dargestellt, dass sowohl die Qualität als auch der Preis eines Produktes den Absatz beeinflussen.

[...]


[1] Vgl. Meyers enzyklopädisches Lexikon (1981) S. 663.

[2] Vgl. Chandler, A. D. (1991) S. 13.

[3] Vgl. Sterman, J. D. (2000) S. 4.

[4] Ebenda S. 10.

[5] Mit Ausnahme rekursiver Gleichungssysteme, vgl. Bradl, P. (2004) S. 12.

[6] Vgl. Senge, P. M. et al. (2004) S. 102.

[7] Vgl. ebenda S. 102.

[8] Vgl. Senge, P. M. (2003) S. 15.

[9] Vgl. ebenda (2003) S. 57, 94.

[10] Vgl. Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 7 f.

[11] Vgl. Richmond, B. (1997); zitiert nach Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 7.

[12] Vgl. Senge, P. M. (2003) S. 95.

[13] Vgl. ebenda S. 102.

[14] Vgl. Anderson V.; Johnson L. (1999) S. 20 f. zitiert nach Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 7.

[15] Vgl. Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 8.

[16] Anderson, V.; Johnson, L. (1997) S. 18 ff. zitiert nach Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 8.

[17] Vgl. Senge, P. M. (2003) S. 11.

[18] Vgl. Maani, K; Cavana, R. (2000) S. 20.

[19] Vgl. Ossimitz, G. (1997) S. 3 f.

[20] Vgl. ebenda S. 4 f.

[21] Vgl. Maani, K; Cavana, R. (2000) S. 14 f. sowie Sterman, J. D. (2000) S. 85 ff.

[22] Ossimitz, G. (1997) S. 7.

[23] Vgl. ebenda S. 6 f.

[24] Vgl. ebenda. S. 1 ff.

[25] Zusätzlich können bei Stock-and-Flow-Diagrammen noch Hilfsgrößen unterschieden werden, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll.

[26] Vgl. Sterman, J. D. (2000) S. 137 ff.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Strategisches Management durch systemisches Denken und Modellieren
Untertitel
Einführung in die Methode und in die Systemmodellierung der Outsourcing-Problematik
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt; Würzburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
87
Katalognummer
V75042
ISBN (eBook)
9783638689779
Dateigröße
741 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strategisches, Management, Denken, Modellieren
Arbeit zitieren
Diplom-Betriebswirt (FH) Daniel Sabel (Autor:in), 2007, Strategisches Management durch systemisches Denken und Modellieren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75042

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