Mode als soziales Phänomen - Unterschiede der männlichen und weiblichen Mode zur Jahrhundertwende


Hausarbeit, 2007

31 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Mode als soziales Phänomen

2. Ursachen der Mode als soziales Phänomen
2.1. Mode als Nachahmung
2.2 Mode als Phänomen des Abschluss und Anschluss

3. Die soziale Funktion der Mode
3.1. Mode als Ersatz sozialer Bedürfnisse
3.2. Mode als Zeichen des Prestiges

4. Die Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts
4.1. Deutschland um 1900
4.2. Geschlechterrollen
4.2.1. Sozialer Status und soziale Identität der Frau
4.2.2. Sozialer Status und soziale Identität des Manns
4.3. Geschlechterspezifische Unterschiede in der Mode
4.3.1. Mode der Frau
4.3.2. Mode des Manns
4.4. Verhältnis zwischen Mode und sozialem Status

5. Vergleich mit gegenwärtiger Gesellschaft
5.1. Wandel der Geschlechterrollen
5.2. Annäherung der männlichen und weiblichen Mode

6. Abschließende Bewertung

Bibliographie

1. Mode als soziales Phänomen

Wenn man von Mode als sozialem Phänomen spricht, so ist dabei zu beachten, dass hier nicht etwa Kleidung gemeint ist, also das Produkt an sich, das konsumiert und getragen wird, sondern die Auswirkungen, die sich für den Träger oder ganze Gruppen ergeben, die Absichten und sozialen Regelungen, die durch Mode sichtbar werden.[1]

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen der Mode ausgehend von der Theorie Georg Simmels.[2] Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Dualität des Menschen, die sich in verschiedenen Bereichen des menschlichen Seins wiederspiegelt . Dualität beschreibt bei Simmel Zweiheit, Gegensätzlichkeit oder auch rivalisierendes Nebeneinander. So ist die physiologische Grundlage des Menschen von Bewegung und Produktivität, aber auch von Ruhe und Rezeptivität bestimmt und auch der Geist ist von der Bestrebung nach dem Allgemeinen und dem Bedürfnis das Einzelne zu erfassen geprägt. Selbst das Gefühlsleben bleibt von diesen entgegengesetzt wirkenden Kräften nicht ausgeschlossen, denn so wollen wir uns ruhig anderen Menschen hingeben, versuchen aber gleichzeitig uns energisch gegen sie zu behaupten. Es lässt sich also sagen, dass der Mensch in all seinen Aspekten ein dualistisches Wesen ist, das erst durch die Vereinigung der unterschiedlichsten Elemente zu einer kraftvollen Einheit wird. Genau wie die Dualität bereits im Menschen angelegt ist, spielt sie auch in der gesamten Gesellschaft eine wichtige Antriebskraft und zeigt sich in den verschiedensten sozialen Phänomenen. Wie später noch ausführlich gezeigt wird ist der Abschluss von der Gruppe[3], ebenso wie der Anschluss des Individuums an die Gruppe eine der wichtigen Ursachen der Mode als soziales Phänomen und gleichzeitig Bestandteil der Geschichte der Gesellschaft, in der es um die Versöhnung zwischen der Verschmelzung mit der sozialen Gruppe und der individuellen Abhebung des Individuums geht. Laut Simmel ist jede Lebensform daran interessiert Dauer und Gleichheit mit Veränderung und Einzigartigkeit zu verbinden. Wie später gezeigt werden soll „erweist sich die Mode nur als ein einzelnes, besonders charakterisiertes unter jenen mannigfachen Gebilden, in denen die soziale Zweckmäßigkeit die entgegengesetzten Strömungen des Lebens zu gleichen Rechten objektiviert hat.“[4]

So viel zu dem zentralen Element der Mode als sozialem Phänomen, im Folgenden werden nun die Ursachen und auch die sozialen Funktionen der Mode näher betrachtet. Der Fokus liegt hierbei auf der Aufgabe der Mode als Ersatz sozialer Bedürfnisse und wird ergänzt durch die Theorie Thorstein Veblens, für den Mode ein Zeichen sozialen Prestiges darstellt. Der gewählte Aspekt wird zeigen, wie das soziale Phänomen der Mode sich bei Mann und Frau auf verschiedene Weise auswirkt. Aufgrund der kontextuellen Gebundenheit des Aufsatzes Philosophie der Mode, d.h. der Zeit, in der er entstand und der damaligen sozialen und kulturellen Denkweisen, wird ein Blick auf die deutsche Gesellschaft der Jahrhundertwende geworfen um so später einen Vergleich mit der gegenwärtigen Gesellschaft ziehen zu können und gegebenenfalls Teile der Theorie Simmels als kontextgebunden zu identifizieren.

2. Ursachen der Mode als soziales Phänomen

2.1. Mode als Nachahmung

Wie bereits erwähnt ist der Mensch ein dualistisches Wesen, das von zwei entgegengesetzt wirkenden Strömungen oder auch Kräften geprägt wird. Bis jetzt wurde nur die rein individuelle Ebene, also die dualistischen Prinzipien, die innerhalb des Individuums wirken, betrachtet. Auf der Ebene der Gruppen hingegen lässt sich ein für die Mode unabdingbares Phänomen beobachten, nämlich das der Nachahmung [5], die Simmel als psychologische Tendenz innerhalb dieser Gegensätze bezeichnet. Auf diese Weise wird das Bleibende im Wechsel betont. Durch Nachahmung wird das Individuum Teil der Gruppe, es ist also der „Übergang des Gruppenlebens in das individuelle Leben“[6]. Somit wird ein Stück der Individualität aufgegeben und durch ein Stück Gruppenzugehörigkeit ersetzt. Das bietet dem Individuum die Möglichkeit sich der Qual der Wahl zu entziehen. Es wird entlastet, muss sich nicht mehr Selbsttragen und kann Verantwortung für sein eigenes Handel auf andere übertragen. Die Sicherheit beim Handeln nicht allein zu sein ist ebenso eine Motivation der Nachahmung. Das Individuum befindet sich auf einer Entwicklungsstufe, in der es den Drang nach persönlicher Tätigkeit verspürt, jedoch noch nicht fähig ist diese umzusetzen, es tut dies durch Nachahmung. In der Mode werden gegebenen Muster und Trends nachgeahmt um dem Bedürfnis nach sozialer Anlehnung nachzugehen.

Natürlich steht auch der Nachahmung eine ihr entgegen wirkende Kraft gegenüber. Der Gegenspieler des Nachahmenden ist der teleologische Mensch, dessen Handlungen auf die Zukunft gerichtet sind und der immer zweckrationale Ziele verfolgt. Dies geschieht durch individuelle Differenzierung, d.h. dem Wunsch sich von der Masse abzuheben. Wenn bei der Nachahmung das Bleibende im Wechsel gesucht wird, steht hier der Wechsel im Bleibenden im Vordergrund. „Wo aber umgekehrt der Wechsel im Bleibenden gesucht wird, die individuelle Differenzierung, das Sich- Abheben von der Allgemeinheit, da ist die Nachahmung das negierende Prinzip.“[7] Das Individuum versucht nach etwas neuem und ihm eigenen zu streben, etwas, das ihn von der Masse unterscheidet und ihm Unabhängigkeit von gleicher bietet. Das Moment des Unterschiedsbedürfnisses wird in der Mode durch den ständigen Wechsel ihrer selbst und ihrer Inhalte, sowie durch Klassenmoden, die im nächsten Anschnitt noch genauer betrachtet werden, erreicht.

Nachahmung und individuelle Differenzierung bilden die Lebensbedingungen der Mode als durchgängige Erscheinung, „[s]o ist die Mode nichts anderes als eine besondere unter den vielen Lebensformen, durch die man die Tendenz nach sozialer Egalisierung mit der nach individueller Unterschiedenheit und Abwechslung in einem einheitlichen Tun zusammenführt.“[8] Das nachahmende Verhalten entspricht hierbei dem Wunsch nach sozialer Anerkennung und steht dem Prinzip der Differenzierung hemmend gegenüber, das durch das Unterschiedsbedürfnis des Individuums geprägt wird.

Allerdings bleibt hierbei zu beachten, dass Nachahmung keinesfalls soziale Beziehungen auslöst oder schafft, sie ist lediglich ein Anzeichen für eine bereits bestehende Verbindung zwischen dem Nachahmenden und dem Nachgeahmten.

„Eine ihrer wichtigsten Funktionen liegt dabei in der intensiveren Ausgestaltung der bestehenden Beziehungen (»Bezugsperson«)“.[9] Das, was sie also bewirkt, ist eine intensivere Ausgestaltung der bestehenden Beziehung. Nachgeahmt wird nur, wenn bereits Gemeinsamkeiten vorhanden sind und der Nachzuahmende dem gleichen oder einem ähnlichen Kulturkreis angehört. Auch die Strukturierung und der Aufbau einer Gesellschaft können dabei eine Rolle spielen, dies wird jedoch erst im folgenden Abschnitt, der u.a. Klassenmode behandelt, ausgeführt.[10]

2.2 Mode als Phänomen des Abschluss und Anschluss

Das Phänomen des Abschluss und Anschluss wurde bereits im letzten Abschnitt mehrmals kurz vorgestellt, so dass nun näher darauf eingegangen werden soll. Dazu muss zu erst die Ebene der Individuen verlassen werden und die im letzten Abschnitt besprochenen Verhaltensweisen auf der Ebene der Gruppen betrachtet werden, d.h. es wird nicht mehr das Verhältnis von Individuum zu Gruppe untersucht, sondern es geht im Folgenden um die Beziehung verschiedener Gruppen zueinander. Differenzierung und Nachahmung sind die beiden Motive, die dem Phänomen des Abschluss und Anschluss zugrunde liegen, ihre Folgen sind für Simmel der Zusammenschluss innerhalb einer Gruppe und die gleichzeitige Abtrennung dieser Gruppe von anderen. Mode wird somit zu Klassenmode[11], also zu „ein[em] Produkt klassenmäßiger Scheidung.“[12]

In seiner letzten Konsequenz bedeutet dies, dass die Mode der höheren Schichten einer Gesellschaft sich von der ihr untergeordneten Schichten unterscheidet. Der Ursprung der Mode liegt also in den oberen Schichten, von wo aus sie ihren Weg nach unten nimmt.[13] Dies geschieht durch Nachahmung und dem Streben nach sozialer Gleichstellung der unteren Klassen. Dem Wunsch nach oben zu gelangen wird durch Mode Ausdruck verliehen, da es auf dem Gebiet der Äußerlichkeiten weitaus einfacher zu erlangen ist, als auf Gebieten des Lebensstils, der Sprache oder der Umgangsformen. Sobald die untere Schicht beginnt die Mode der höheren Schicht nachzuahmen, wendet sich diese ab. Es übt also immer nur ein kleiner Teil der Gesellschaft Mode aus, der Rest befindet sich noch auf dem Weg zu ihr. Wenn die Mode von der breiten Masse erschlossen wurde, spricht man nicht mehr von Mode, da ihr Zweck, nämlich die Unterscheidung verschiedener Gruppen, nicht mehr erfüllt ist. Die Mode endet also und es entsteht eine neue, die es wieder nachzuahmen gilt. So sind die beiden Grundfunktionen der Mode also Verbinden und Unterscheiden. Durch Mode werden die Mitglieder einer Gruppe oder Schicht als ihr zugehörig gekennzeichnet während nicht Angehörige als solche identifiziert werden können. Drei Aspekte sind hier von besonderer Bedeutung. Mode steht und fällt mit den beiden Momenten der Absonderung und des Anschluss. Wenn nur eines fehlt, kommt es nicht zur Bildung einer Mode. Das Phänomen lässt sich nicht nur in hierarchisch geordneten Gruppen beobachten, sondern auch bei gleichgelagerten Gruppen, bei denen sich die Ausbildung scharf getrennter Moden beobachten lässt. Und Drittens, auch wenn Mode von der oberen Schicht aus nachgeahmt wird, inhaltlich entsteht sie jedoch nicht dort. Simmel nennt hier die Beispiele der Pariser Mode oder auch die Mode der Demimonde, die dadurch besonders geschätzt werden und eine Art der Sozialisation von außen bewirken, so dass es scheint, als ob „der exotische Ursprung der Mode den Zusammenhalt der Kreise, auf den sie angelegt ist, mit besonderer Stärke zu begünstigen.“[14]

Während also die unteren Schichten versuchen durch Nachahmung soziale Gleichstellung zu erlangen, sind die oberen Schichten daran interessiert genau das zu verhindern, indem sie immer wieder neue Moden für sich entdecken. „Die Sicherung des »Niveaus« verlangt die Einhaltung der »Barriere« nach unten.“[15] Vorraussetzung der Nachahmung ist ein offenes soziales System, in dem der Aufstieg aus einer Schicht in eine höher gelegene möglich ist und nicht, wie z.B. in ständischen Gesellschaften, die soziale Ordnung als von Gott gegeben, verstanden wird.[16]

3. Die soziale Funktion der Mode

3.1. Mode als Ersatz sozialer Bedürfnisse

Das Phänomen der Nachahmung hat gezeigt, dass Individuen Mode anderer imitieren um soziale Anerkennung zu erlangen. Die Nachahmung wurde somit zu einem wichtigen Faktor der Mode, der zusammen mit der individuellen Differenzierung die Lebensbedingungen der Mode als durchgängige Erscheinung bildet. Jedoch bietet die Mode dem Einzelnen noch weitaus mehr als reine soziale Anerkennung, sie ermöglicht es dem Individuum ein Stück seiner Freiheit zu behalten, sie als Maske zu benutzen und sie dient ihm als Ersatz sozialer Bedürfnisse. Dass die Mode ein Produkt sozialer Bedürfnisse ist, lässt sich ganz einfach feststellen, denn sie folgt in ihren unzähligen Formen in keiner Weise zweckmäßigen Zielen. „[G]erade die Zufälligkeit, mit der sie einmal das Zweckmäßige, ein andermal das Abstruse, ein drittes Mal das sachlich und ästhetisch ganz Indifferente anbefiehlt, zeigt ihre völlige Gleichgültigkeit gegen die sachlichen Normen des Lebens [...].“[17] Ihre Motivation ist rein formal-sozial, ihr zu folgen geschieht nicht um einen Zweck zu erfüllen, es wird zur Pflicht.

[...]


[1] Vgl. Kawamura, S. 22

[2] Grundlage der Arbeit bildet der von Georg Simmel 1904 verfasste Aufsatz Philosophie der Mode

[3] Simmel benutzt hier den Begriff des Kreises anstatt der Gruppe. In der vorliegenden Arbeit werden diese Begriffe synonym behandelt.

[4] Simmel, S.37

[5] Nachahmung bezeichnet ein grundlegendes Verhaltensprinzip zur Erklärung sozialer Phänomene. Durch Nachahmung werden bestimmte Orientierungs- und Verhaltensmuster an ein Individuum, z.B. durch Bezugsgruppen weitergegeben. Für eine ausführliche Beschreibung siehe Hartfiel S.462 f.

[6] Simmel, S. 10

[7] Simmel, S.11

[8] ebd., S.11

[9] König, S.124

[10] Siehe hierzu auch R. König S.122 ff.: Nach König gibt es bei der Nachahmung sowohl fördernde, als auch hemmende Einflüsse. Förderlich ist die Verbundenheit zwischen Menschen, wobei nur gleich- oder höhergestellte Personen imitiert werden, die in irgendeiner Weise respektiert oder bewundert werden. Hemmend hingegen wirkt jegliche Art von Abneigung oder Unverständnis für bestimmte Arten zu Handeln oder zu Denken. Nachahmung ist für ihn ein Akt des Verstehens und Aufnehmens, der eine gemeinsame Basis voraussetzt, „sozusagen ein[] kulturelle[s] Kontinuum, dessen Grenzen in den meisten Fällen leicht abzusehen sind.“ (S.124)

[11] Klasse ist bei Simmel das zentrale Differenzierungsmerkmal der Mode. Gegenwärtig lassen sich aber auch Unterschiede bezüglich des Alters, Geschlechts und des Wohnorts feststellen. Vgl. König S. 180 ff.

[12] Simmel, S.12

[13] Simmel zählt zu den typischen Vertreter der Trickle-Down-Theorie oder auch Tröpfeltheorie, nach der die neuesten Modetrends in den höheren Schichten beginnen und von dort durch die unteren Schichten nachgeahmt werden. Allerdings haben sich seit den 1970ern auch alternative Ansätze durchgesetzt, wie z.B. die Trickle-Up- (z.B. George A. Field) oder Trickle-Across-Theorie, auf die hier nur verwiesen werden kann. Für eine ausführliche Einführung in die verschiedenen Ansätze der Modetheorie siehe Schnierer, Thomas. Modewandel und Gesellschaft. Die Dynamik von "in" und "out", Opladen: Leske + Budrich.

[14] Simmel, S.14

[15] König, S.125

[16] vgl. König, S.125

[17] Simmel, S. 13

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Mode als soziales Phänomen - Unterschiede der männlichen und weiblichen Mode zur Jahrhundertwende
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
31
Katalognummer
V74990
ISBN (eBook)
9783638743181
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mode, Phänomen, Unterschiede, Mode, Jahrhundertwende
Arbeit zitieren
Mirja D. Dauphin (Autor:in), 2007, Mode als soziales Phänomen - Unterschiede der männlichen und weiblichen Mode zur Jahrhundertwende, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74990

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