Der Komet als Prodigium im Spiegel von Kometenflugblättern des 17. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

47 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
A. Thema und Aufbau der Arbeit
B. Literatur
C. Quellen

II. Der Komet als Prodigium im 17. Jahrhundert
A. Prodigenliteratur bei Protestanten und Katholiken
B. Der Komet als Prodigium
C. Kometen als Instrument der Sozialdisziplinierung

III. Der Komet als Vorzeichen von Krieg
A. Der Dreißigjährige Krieg
B. Die Furcht vor den Türken

IV. Die Kometenfurcht als Indikator einer Krise des 17. Jahrhunderts
A. Prodigienliteratur und Krise
B. Der Komet als positives Vorzeichen
V. Der Wandel des Kometenbildes
A. Vom Wunderzeichen zum erklärbaren Phänomen
B. Die neue Kometenfurcht

VI. Fazit

VII. Abbildungen

VIII. Abbildungsverzeichnis

IX. Quellenverzeichnis

X. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

A. Thema und Aufbau der Arbeit

Das illustrierte Flugblatt war in der Frühen Neuzeit ein weit verbreitetes Massenmedium. In der vorliegenden Arbeit wird mit den Kometenflugblättern eine Gattung aus dem vielfältigen Themenspektrum der Flugblätter jener Zeit vorgestellt. Die Untersuchung beschränkt sich zwar, bis auf eine Ausnahme, auf Flugblätter aus dem deutschen Sprachraum, jedoch lassen sich viele der an deutschen Flugblättern gewonnen Ergebnisse auch auf die Nachbarländer übertragen.[1] Bei der Betrachtung der Kometendrucke wird der Frage nachgegangen, ob die Kometenflugblätter als ein Symptom einer Krise des 17. Jahrhunderts betrachtet werden können. Wenn dem so ist, müsste die Kometenfurcht im 17. Jahrhundert besonders groß gewesen sein und sich der Prodigienglaube in dieser Zeit verstärkt haben. Im Folgenden soll dagegen gezeigt werden, dass die Furcht vor Kometen zu allen Zeiten und bis in die Gegenwart ein Teil der menschlichen Gesellschaft war und die Flugblätter selber zum Krisenbewusstsein im 17. Jahrhundert beitrugen, indem sie Ängste schürten und als Instrument der Sozialdisziplinierung und Propaganda benutzt wurden.

Die Prodigieneigenschaft von Kometen steht also im Mittelpunkt dieser Untersuchung, was dazu führt, dass eine Eingrenzung bei den zu behandelnden Flugblättern vorgenommen werden muss. Behandelt werden ausschließlich Kometenblätter, welche die Kometen als göttliche Vorzeichen betrachten. Rein deskriptive, um wissenschaftliche Nüchternheit bemühte Drucke können im Rahmen dieser Hausarbeit nicht berücksichtigt werden, auch wenn es solche Einblattdrucke durchaus im 17. Jahrhundert gegeben hat.

Die nachfolgende Untersuchung ist in vier Hauptabschnitte unterteilt. Im ersten Kapitel wird zunächst der unterschiedliche Stellenwert von gedruckten Veröffentlichungen bei Protestanten und Katholiken beleuchtet, bevor die Rolle des Kometen als Prodigium zur Sprache kommt.

Anschließend wird die Instrumentalisierung der Kometenfurcht für die Sozialdisziplinierung erläutert. Im zweiten Kapitel steht die Rolle von Schweifsternen als Vorboten von Krieg im Focus der Betrachtung, da der Krieg neben den anderen befürchteten Kometenfolgen, welche hier nicht behandelt werden können, die vielleicht wichtigste ist. Anhand der Beispiele des Dreißigjährigen Krieges und der Bedrohung durch die Türken im Spiegel von Kometenflugblättern soll dieser Aspekt illustriert werden. Im dritten Teil der Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie sich die Prodigienliteratur auf das Krisenbewusstsein in der Frühen Neuzeit auswirkte und es wird erläutert, dass Kometen nicht nur negativ gedeutet wurden, sondern auch als positive Vorzeichen, gerade in Hinsicht auf die Bedrohung durch die Türken verstanden werden konnten. Im vierten Punkt soll auf die Fragestellung eingegangen werden wie sich das Bild des Kometen ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wandelt, die Kometenfurcht aber nicht verschwindet, sondern weiter besteht, wenn auch in einer abgewandelten Form. Ein abschließendes Fazit fasst anschließend noch einmal die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt eine abschließende Bewertung der Ergebnisse.

B. Literatur

Zum illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit ist 1990 mit Michael Schillings Untersuchung „Bildpublizistik der Frühen Neuzeit“[2] ein Standardwerk erschienen, welches die Rolle des Flugblattes in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit in umfassender Weise untersucht. Des Weiteren ist mit dem Sammelband „Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit“[3] ein Buch erschienen, welches dem Leser neue Forschungsdesiderate zur Bildpublizistik bis 1700 bietet. Besonders erwähnenswert ist im Zusammenhang mit der folgenden Hausarbeit der Aufsatz von Michael Schilling in diesem Buch, der sich mit dem Phänomen „Flugblatt und Krise in der Frühen Neuzeit“[4] auseinandersetzt. Die Literatur zu Kometen ist vielfältig, neben den vielen astrophysikalischen Betrachtungen gibt es auch einige Untersuchungen, in denen die Haarsterne auf ihre historischen Auswirkungen und ihre Rezeption hin betrachtet werden. Markus Griesser thematisiert in seiner Dokumentation „Die Kometen im Spiegel der Zeiten“[5] sowohl die Prodigiengläubigkeit der Menschen bis zum 18.Jahrhundert, als auch die „neue Kometenfurcht“, welche im 18. Jahrhundert eingesetzt hat. Gustav A. Tammann und Philippe Veron verfolgen im zweiten Teil ihrer Arbeit „Halleys Komet“[6] ebenfalls die Entwicklung der Kometenfurcht bis in die Neuzeit, jedoch nur auf den Halleyschen Kometen bezogen. Elisabeth Heitzer untersucht hingegen die ikonologische und ikonographische Tradition der Kometendarstellung bis zum 18. Jahrhundert und kommt hierbei auch auf die zeitgenössische Ausdeutung von Kometenerscheinungen zu sprechen.[7] Die Kometenschriften des 17. Jahrhunderts als historische Quellen hat Hartmut Lehmann in einem 1985 veröffentlichten Aufsatz thematisiert und diese auch im Hinblick ihrer Signifikanz als Anzeichen einer Krise des 17. Jahrhunderts betrachtet.[8] Wer sich einen Überblick über die bis 1997 erschienen Literatur zu Kometen machen möchte, sei an die „Bibliographie der Kometenliteratur“[9] von Volker Fritz Brüning verwiesen, in der sämtlichen bekannten Veröffentlichungen zum Thema von der Antike bis zum Jahr 1997 aufgeführt sind. Diese umfassende Aufstellung der Literatur bietet daher beides: Eine Aufzählung der historischen Schriftquellen zu Kometen und eine Auflistung der Forschungsliteratur zu diesem Thema.

C. Quellen

Wer sich mit der Bildpublizistik der Frühen Neuzeit auseinandersetzt, stößt beinahe zwangsläufig auf den Namen Wolfgang Harms. Neben zahlreichen Darstellungen zur Thematik hat sich Harms auch durch die Edierung von Flugblättern einen Namen gemacht. Das umfangreichste seiner Projekte ist die von ihm herausgegebene Reihe „Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts“[10]. In dem Großprojekt wurden bisher die Flugblattsammlungen der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel (Bd.1-3), die Sammlung der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt (Bd.4) und die Sammlung der Zentralbibliothek Zürich (Bd. 6-7) ediert. In dieser umfangreichen Sammlung von Flugblättern finden sich auch einige Kometendrucke aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Neben den Abbildungen sind auch die Kommentare zu den Flugblättern sehr informativ und bieten eine sehr gute Verständnishilfe bei der Bildinterpretation. Eine weitere ergiebige Quelle für Kometendrucke der Frühen Neuzeit sind die 1917 von Friedrich S. Archenhold veröffentlichten „Alte[n] Kometen-Einblattdrucke“. Hier werden 25 Drucke aus dem 15. bis 18. Jahrhundert als Faksimiles präsentiert.[11] Neben den gedruckten Medien kann man auch elektronische Ressourcen als Quellen für Kometenflugblätter des 17. Jahrhunderts heranziehen. Insbesondere das „Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts“[12] (VD 17) ist hier zu erwähnen. Mit dem VD 17 wird dem Benutzer eine umfangreiche Datenbank an die Hand gegeben, mit der sich ein Großteil der im 17. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erschienen Drucke finden lässt. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass bei den meisten Drucken die Titelblätter als Bilddateien abrufbar sind. Eine weitere ergiebige Onlineressource für Flugblätter der Frühen Neuzeit ist die „Sammlung Gustav Freytag“[13], die von der Universität Frankfurt am Main teilweise online gestellt ist, das Angebot befindet sich noch im Aufbau. Die Flugblätter sind auch hier als Bilddateien abrufbar. Solche Datenbanken bieten eine gute Ergänzung zu den gedruckten Editionen, können diese aber noch nicht völlig ersetzten, da zum Einen die im Internet bereitgestellten Flugblätter nicht kommentiert sind und zum Anderen die Qualität von gedruckten Bildern meist besser ist, als die Scans im Internet

II. Der Komet als Prodigium im 17. Jahrhundert

A. Prodigenliteratur bei Protestanten und Katholiken

Kometenflugblätter waren - wie auch andere Prodigienflugschriften - ein weit verbreitetes Phänomen im 17.Jahrhundert. In der gesamten Prodigienliteratur dieser Zeit haben die Schriften von protestantischen Autoren ein deutliches Übergewicht gegenüber denen von katholischen Verfassern. Die starke Dominanz protestantischer Autoren besagt aber nicht, dass der Prodigienglaube im 17. Jahrhundert ein konfessionsspezifisches Phänomen des Protestantismus war. In den erhaltenen Selbstzeugnissen katholischer Autoren aus dieser Zeit kommen auch Schilderungen von Prodigien vor, so dass man von einem konfessionsübergreifenden Prodigienaberglauben sprechen kann.[14] Der Grund hierfür ist von der Forschung nicht zur Gänze gefunden worden, sicherlich spielt aber neben den oftmals protestantischen Druckorten solcher Schriften auch die protestantische Auffassung eine Rolle, dass jeder Laie Prodigien und besonders Kometen auf ihre Kernbotschaft hin deuten könne. Es war geradezu die Pflicht eines Christen die Botschaft der Kometen als Zeichen Gottes den Mitmenschen zu verkünden und auszulegen, um ihnen dadurch einen Anteil an der göttlichen Offenbarung zukommen zu lassen. Dabei wurde im Protestantismus neben der mündlichen Tradierung vor allem auch dem neuen Mittel des Buchdruckes zur raschen und weiten Verbreitung der göttlichen Botschaft eine zentrale Bedeutung zugemessen, während bei den Katholiken die Verwendung dieses neuen Mediums noch nicht sehr verbreitet war.[15] Während sich protestantische Städte wie Augsburg, Nürnberg, Leipzig oder Frankfurt am Main zu Zentren der des Druck- und Verlagswesens entwickelten, zeigte die katholische Seite nur punktuell, dass auch sie sich auf die Produktion von Flugschriften verstand.[16] Viele der Kometenschriften stammen von Pfarrern, aber auch Astronomen, Mathematiker und Mediziner verfassten solche Texte und Flugschriften.[17]

B. Der Komet als Prodigium

Himmelsphänomene wie Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse wurden in der Frühen Neuzeit oftmals als Vorboten der kommenden Endzeit gedeutet. Der Komet wurde von den Zeitgenossen „Zornrute und Zornflamme oder –fackel“ genannt oder auch als „Gottesrute, Gottes brennender Besen, Christrute, Himmelsrute, Racheschwert“ bezeichnet.[18] Die einseitig negative Deutung von Kometen als Vorboten von Unheil kam im Mittelalter auf und wurde vor allem im 17. Jahrhundert auf die Spitze getrieben.[19] Ein Beispiel für die negative Sinngebung von Kometen im Mittelalter findet sich auf dem Teppich von Bayeux, wo abgebildet ist, wie über König Harold der Halleysche Komet steht, während ihm die Nachricht von der Landung Wilhelms des Eroberers in England überbracht wird.[20] Allerdings kann der Komet auch genau andersherum gedeutet werden, nämlich dass der Eroberungsfeldzug des normannischen Herzogs Wilhelm unter einem guten Stern stand, gerade auch deshalb, weil der Teppich eine Auftragsarbeit vom Hofe des Eroberers ist.

Die Interpretation von Kometen als Prodigien des Jüngsten Gerichts stützte sich auf die Bibel. So heißt es beispielsweise im Lukasevangelium: „Da sprach er zu ihnen: Ein Volck wirdt sich erheben uber das ander / und ein Reich uber das ander / Und werden geschehen grosse Erdebunge hin und wider / Thewre Zeit und Pestilenz / auch werden Schrecknuß und grosse Zeichen vom Himmel geschehen.“[21] Kometen gehören nach biblischer Tradition auch zu diesen Vorzeichen der Endzeit, werden aber nicht explizit als solche in der Bibel erwähnt. Gleichwohl gibt es in der Offenbarung des Johannes Andeutungen eines Kometen- oder Asteroideneinschlags. „Und der ander Engel posaunete / und es fuhr wie ein grosser Berg mit Fewer brennend / ins Meer. Und das dritte theil des Meers ward Blut / und das dritte theil der lebendigen Creature im Meer sturben / und das dritte theil der Schiff wurden verderbet.

Und der dritte Engel posaunete / Und es fiel ein grosser Stern vom Himmel / der brandte wie eine Fackel / und fiel auff das dritte Theil der Wasserströme / und uber die Wasserbrunne / Und der Name des Sterns heisset Wermut / und viel Menschen sturben von den Wassern/ daß sie waren so bitter worden.“[22]

Kometen wurden im 16. und 17. Jahrhundert von den Menschen in zweierlei Hinsicht gedeutet. Einerseits waren sie Anzeichen der Endzeit, andererseits konnten sie aber auch als Zeichen göttlichen Zorns interpretiert werden. Während im 16. Jahrhundert die Endzeiterwartung in der Kometenrezeption vorherrschend war, wurden die Haarsterne im 17. Jahrhundert vorwiegend als Zornzeichen Gottes gedeutet.[23] Die von den Reformatoren prophezeiten Daten für das Weltende -beispielsweise 1588 - hatten sich offensichtlich als falsch erwiesen und die anhaltende Parusieverzögerung bewirkte, dass Kometen nun stärker als Strafandrohungen Gottes für unbußfertige Menschen betrachtet wurden.[24] In der Antike sind Kometen hingegen manchmal auch als positive Zeichen der Götter verstanden worden, beispielsweise ließ Ovid in den Metamorphosen Julius Caesar als Haarstern in den Himmel aufsteigen (vgl. Abb. 1).

Für den Betrachter des 17. Jahrhunderts war ein Komet freilich ein „Göttlicher Buß-Wecker/ oder feurige Straff-Rute“ (Vgl. Abb.2) welcher Verheerung und Unglück nach sich zog. Neben diesen Himmelskörpern gab es aber auch noch andere unerklärliche Phänomene, wie etwa Missgeburten, Luftzeichen oder kosmische Zeichen wie Sonnenfinsternisse und Halos. Noch zum Ende des 17. Jahrhunderts hin, im Jahr 1697, wurden auf einem Flugblatt gleich drei Prodigien vorgestellt, die in der Vergangenheit beobachtet worden waren. Neben dem Kometen von 1680, welcher als „Zorn-Ruthen“ bezeichnet wird, sind auf dem Druck noch eine „Feuer-Kugel“ als Luftzeichen und eine „Missgeburt“ abgebildet (Abb. 3). Es sind also drei scheinbar offensichtliche Zornzeichen Gottes abgebildet, was für die Zukunft nichts Gutes verheißen konnte. Da der Komet im Bildteil des Flugblattes den größten Teil einnimmt und auch sonst auf dem gesamten Druck an erster Stelle steht, liegt der Schluss nahe, dass der Komet als stärkstes der drei göttlichen Zeichen gedeutet wurde.

Die Erwartung von Unglück, welches als Folge von Kometenerscheinungen auftritt, war allerdings kein Phänomen, welches ausschließlich im 17. Jahrhundert verbreitet war. Auf einem Einblattdruck aus dem Jahr 1665 werden für die Deutung von Kometen als Vorboten von Unheil antike, heidnische Autoren, wie Cicero, Claudian und Lucan zitiert und auch der „Christlich-gelehrte Camerarius“ wird als Autorität des 16. Jahrhunderts herangezogen[25] (vgl. Abb. 4). Im 15. Jahrhundert wurden die Wandelsterne ebenfalls von Autoren als Unheilbringer charakterisiert, wie etwa in der ‚Weltchronik’ des Hartman Scheldel aus dem Jahr 1493: „Diser zeit schine ein comet drey monat aneinader. der zaiget an großen nachfolgenden iamer. dann es kommen groß regen vnnd thonrsleg. […] vil vihs starb danon den menschen große beschedigung entstünd.“[26]

Im Allgemeinen wurde von acht möglichen Arten des Übels ausgegangen, welche 1681 in einem „Kometenspiegel“ in acht Punkten zusammengefasst wurden:

Achterley Unglück insgemein entsteht,

Wenn in der Luft brennt ein Comet:

1) Viel Fieber, Krankheit, Pestilentz und Todt,
2) Schwere Zeit, Mangel und grosse Hungersnoth,
3) Grosse Hitze, dürre Zeit und Unfruchtbarkeit,
4) Krieg, Raub, Brand, Mord, Auffruhr, Neid, Hass und Streit,
5) Frost, Kälte, Sturmwind, böse Wetter, Wassersnoth,
6) Viel hoher Leute Untergang und Todt,
7) Feuersnoth und Erdbeben an manchem End,
8) Grosse Veränderung der Regiment.

So wir aber Busse thun von Hertzen,

So wendet Gott auch alles Unglück und Schmertzen.[27]

C. Kometen als Instrument der Sozialdisziplinierung

Dieser Kanon von Heimsuchungen taucht immer wieder auf den Flugblättern in verkürzter Form auf (vgl. Abb. 2) und gibt die Schrecknisse wieder, welche die Menschen in der Frühen Neuzeit zu fürchten hatten. Die Auswirkungen der Kometen mussten aber nicht zwangsläufig eintreten, sondern der Himmelskörper fungierte als eine Warnung Gottes an die Menschheit, ihr sündiges Leben hinter sich zu lassen und sich wieder Gott zuzuwenden. Die Kometenfurcht wurde so zu einem wirksamen Mittel zur Sozialdisziplinierung des Volkes und auch als solches genutzt. Selbst auf kleinen Flugblättern wurde der Leser an die Wirkung der Kometen erinnert. Auf einem kleinen Flugblatt zu einer Kometensichtung über Regensburg aus dem Jahr 1665 (Abb. 5) steht zum Beispiel folgendes geschrieben:

Nuhn lest sich widerum

ein COMETH sehen zu

Regensburg, […]

die Wirkung ist Gott bekannt A0 1665.

Auch in umfangreichen, wissenschaftlichen Erörterungen von Kometen, deren Form, Aussehen und Bahn, fehlt selten ein Kapitel über die Bedeutung des Wandelsterns, „um dessentwillen wohl die meisten dieser Schriften verfaßt und gekauft wurden und welches die Regierungen bzw. Fürsten offensichtlich ebenso interessierte wie den gemeinen Mann.“[28]

Außer auf Flugblättern wurde die Furcht vor den „Zornesfackeln“ auch in zahlreichen Kometenpredigten aufgegriffen.[29] Die Geistlichen konnten die Kometen als Warnzeichen Gottes an die verderbte Menschheit auslegen und so die Kirchgänger in ihrer Furcht noch enger an die Kirche binden, indem sie zu Buße und Gebet aufriefen.. Aber auch den Astrologen kam der Kometenaberglaube zugute, da die Deutung der „Zuchtruten“ zum Einen ihren Berufsstand gegenüber der Kirche legitimierte, zum Anderen aber auch durch die Vielseitigkeit der möglichen Folgen von Kometen (siehe oben) die Treffsicherheit der Prognosen immens erhöhte. Denn man konnte fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass nach dem Auftauchen eines solchen Himmelsphänomens ein Ereignis eintraf, welches die astrologische Deutung des Himmelszeichens stützte. Wenn die erwartete Strafe hingegen ausblieb, konnte dies mit der Reue und Buße der Menschen erklärt werden, welche den Zorn Gottes abgewendet hatten.[30] „Der Glaube an die Möglichkeit der Abwendung des Unheils ist für den Warncharakter des Kometenmotivs grundlegende Voraussetzung.“[31]

Allerdings gab es auch Autoren, die auf Kometenflugblättern die Vorraussagen der Astrologen anzweifelten. Auf einer Flugschrift zur Sichtung eines Kometen im Jahr 1665 über Augsburg wird nicht nur die Himmelserscheinung dem „gemeinen Mann zur nachricht“ gebracht, sondern auch, dass die Deutung durch die Astrologen „aber nur ein Menschliches Gedicht / und eine bloße Muthmassung [ist] / welches die alte [sic!] Sternseher aus underschidlichen begebenheiten abgenommen“.[32] Und mit Blick auf die angebliche Wirkung der Himmelsfackel wird lapidar festgestellt, „ daß dergleichen Ding anjetzo auch notwendiger weiß geschehen sollen.“[33] Der Aberglaube war also nicht so verfestigt, dass nicht doch zumindest vereinzelt Stimmen im 17. Jahrhundert laut wurden, welche die Kometen nicht als Unheilszeichen sahen, sondern mehr als das, was sie tatsächlich sind: Ein außergewöhnliches Naturschauspiel.

III. Der Komet als Vorzeichen von Krieg

Die Angst vor Kriegen war im 17. Jahrhundert - wie zu allen Zeiten - eine weit verbreitete und berechtige Furcht. Und so verwundert es nicht, dass im oben schon zitierten „Kometenspiegel“ der Krieg eine gewichtige Rolle einnimmt. Die Voraussage von Kriegen ist auf vielen Kometenflugblättern ein zentraler Themenpunkt und soll im folgenden anhand zweier zentraler militärischer Konflikte, dem Dreißigjährigen Krieg und der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich, und deren angenommenen Verbindungen mit Schweifsternen illustriert werden.

A. Der Dreißigjährige Krieg

Der Dreißigjährige Krieg war für die von ihm betroffenen Menschen ein einschneidendes Erlebnis, durch seine extrem lange Dauer gab es Leute, die seit ihrer Geburt bis ins Erwachsenenalter den Friedenszustand gar nicht kannten. Der Krieg brachte für Mitteleuropa eine tief greifende demographische Rezession und die wirtschaftliche Tätigkeit ging in vielen Teilen Deutschlands stark zurück.[34]

Die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung war bereit, die scheinbar ausweglose Situation als Folge menschlichen Fehlverhaltens und göttlicher Ratschläge zu sehen.[35] Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass dieser Konflikt als Strafe Gottes gedeutet wurde und man glaubte, er sei von einem Kometen angekündigt worden, der 1618 über Europa zu sehen gewesen war.[36] Auf einen Flugblatt aus dem Jahr 1619, dem „Böhmischen Unrüh Schauspiegel“, das einen elfteiligen Bildbericht mit kommentierendem Text enthält, welcher die Ereignisse in Böhmen aus der Sicht eines königstreuen Protestanten wiedergibt, wird ein Komet als Prodigium für den Krieg dargestellt. Im zehnten Akt des Berichtes (vgl. Abb. 6 und 7) wird der Komet des Jahres 1618 von Jesus Christus persönlich als ein göttliches Warnzeichen, welches er an den Himmel gestellt hat, benannt. Da die sündige Menschheit aber nicht durch das Prodigium zur Einsicht gekommen sei, habe er „Krieg / Theurung / Pestilenz“ auf die Erde geschickt. Bemerkenswert ist an dem Text, dass Jesus denjenigen, die sich nun, nach Erscheinen des Kometen und dem Ausbruch des Kriegs, Gott zuwenden - also die Protestanten - , die Gegner mit der Hilfe des Herrn besiegen werden (Abb. 7).

„Wer noch buß thut und anrufft Gott /

Begert zu halten mein Gebot /

Den wil ich retten aus der noht /

Und geben in dem größten Krieg /

Die überwindung und den Sieg /

Daß sein Feind vor ihm niderlig.“

Der Leser des Flugblattes kann also immer noch auf die Gnade und Gunst Gottes hoffen, auch wenn er die Warnung durch den Kometen nicht beachtet hat. Wenn er sich Gott zuwendet wird ihm Schonung und sogar der Sieg im Krieg gegen die Gottesverächter versprochen.

Der Schweifstern von 1618 wurde auch nach Ende des Dreißigjährigen Krieges als das Prodigium gesehen, welches den Ausbruch des Konfliktes und sogar dessen Dauer angezeigt hatte. Denn dem Kometen sei „eine grosse uneinigkeit und harter Krieg erfolget / welcher so viele Jahren gewehret / als Tag so der Comet geleuchtet hatte“.[37] Aber nicht nur die Dauer des Krieges, sondern auch seine europaweite Ausdehnung wurde vom Haarstern angezeigt, der „über alle Länder Europae“[38] gezogen ist. Der Rückschluss auf die Dauer der Wirkung und auf das betroffene Gebiet wurde aber nicht nur bei dieser speziellen Himmelserscheinung gezogen, sondern es wurde allgemein geglaubt, dass man aus Sichtbarkeitsdauer und Bahn der Kometen auf deren Wirkungsdauer und Wirkungsgebiet schließen konnte. Neben diesen beiden Faktoren gab es noch mehr Möglichkeiten eine Kometenerscheinung zu deuten. An der Geschwindigkeit meinte man die Stärke der Wirkung erkennen zu können. Je schneller der Komet, desto schlimmer seine Wirkung und der Lauf des Schweifsterns gegenüber der Sonne sagte etwas über den Zeitpunkt des Eintretens seiner Nachwirkungen aus, also konkret wie viel Zeit den Menschen noch zur Buße blieb. An seiner Größe und Farbe konnte man schließlich die Art seiner Wirkung erkennen, wobei es auch Kometen gab, die ihre Farbe änderten, was auf mehrere Wirkungsarten schließen ließ.[39]

[...]


[1] Vgl. Michael Schilling, Bildpublizistik der Frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland bis um 1700, Tübingen 1990, S. 4.

[2] Ebd.

[3] Wolfgang Harms, Alfred Messerli (Hrsg.), Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit (1450-1700), Basel 2002.

[4] Schilling, Michael: Flugblatt und Krise in der Frühen Neuzeit, in: Ebd., S. 33-56.

[5] Markus Griesser, Die Kometen im Spiegel der Zeiten. Eine Dokumentation, Bern 1985.

[6] G. A. Tamman und Philippe Véron, Halleys Komet, Basel 1985

[7] Elisabeth Heitzer, Das Bild des Kometen in der Kunst. Untersuchungen zur ikonographischen und ikonologischen Tradition des Kometenmotivs in der Kunst vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Berlin 1995.

[8] Hartmut Lehmann, Die Kometenflugschriften des 17. Jahrhunderts als historische Quelle, in: Wolfgang Brückner, Peter Blickle und Dieter Breuer (Hrsg.), Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland Teil II, Wolfenbüttel 1985, S. 683-700.

[9] Volker Fritz Brühning,: Bibliographie der Kometenliteratur, Stuttgart 2000.

[10] Wolfgang Harms, Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, 6 Bände (Band 5 noch nicht erschienen), Tübingen 1985-2005.

[11] Friedrich S. Archenhold, Alte Kometen-Einblattdrucke, Berlin 1917.

[12] http://www.vd17.de, gesehen am 29.1.2007.

[13] http://gfr.ub.uni-frankfurt.de/cgi-bin/uebersicht.rb, gesehen am 29.1.2007.

[14] Vgl. Benigna von Krusenstjern, Prodigienglaube und Dreißigjähriger Krieg, in: Hartmut Lehmann und Anne-Carlott Trepp (Hrsg.), Im Zeichen der Krise. Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts, Göttingen 1999, S. 53-78, hier: S. 55.

[15] Vgl. Marion Gindhart, Das Kometenjahr 1618. Antikes und zeitgenössisches Wissen in der frühneuzeitlichen Kometenliteratur des deutschsprachigen Raumes, Wiesbaden 2006, S. 22 f.

[16] Wolfgang Harms, Einleitung zu: Wolfgang Harms (Hrsg.), Illustrierte Flugblätter aus den Jahrhunderten der Reformation und der Glaubenskämpfe, Coburg 1983, S. X.

[17] Vgl. Rosemarie Zeller, Wunderzeichen und Endzeitvorstellungen in der Frühen Neuzeit. Kometenschriften als Instrumente von Warnung und Prophezeiung, in: Morgen Glantz 10, Bern 2000, S. 95-132, hier: S. 107.

[18] Stegemann (Vorname nicht bekannt), Artikel über Kometen, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Bd. V, Sp. 89-170, hier Sp. 122.

[19] Vgl. Hartmut Lehmann, Die Kometenflugschriften des 17. Jahrhunderts als historische Quelle, in: Wolfgang Brückner, Peter Blickle und Dieter Breuer (Hrsg.), Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland Teil II, Wolfenbüttel 1985, S. 683-700, hier: S. 689.

[20] Vgl. G. A. Tamman und Philippe Véron, Halleys Komet, Basel 1985, S. 133 f.

[21] Evangelium nach Lukas 21,10 f. in: Martin Luther (Übersetzer), Biblia Das ist/ Die gantze Heylige Schrifft. - Jetzo aber nicht allein der Text mit Fleiß vberlesen ... verbessert vnd gemehret: Sondern auch neben den Psalmen Dauids vnd geistlichen Liedern, wie sie von D. Luther, Lobwasser, vnd andern gottseligen Leuthen, gestellet, vnd hiebevor, samt der Churfürstl. Pfaltz Catechismo, KirchenCeremonien vnd Gebetten in quarto gedruckt ... mit angehengt / Durch Herrn Dauid Pareum, der heiligen Schrifft Doctorn, Neustadt an der Hardt 1594.

[22] Offenbarung des Johannes 8, 8-12 in: Ebd.

[23] Vgl. Zeller, Wunderzeichen und Endzeitvorstellungen, S. 102 f.

[24] Vgl. Gindhart, Das Kometenjahr 1618, S. 18f.

[25] Auf dem Flugblatt wird der zitierte „Camerarius“ nicht näher vorgestellt, doch ist wegen der Betonung der ‚christlichen Gelehrtheit’ davon auszugehen, dass der Humanist und Theologe Joachim Camerarius (* 12.4. 1500 Bamberg; † 17.4. 1574 Leipzig) gemeint ist, der ein Freund von Phillip Melanchthon war. Vgl. Friedrich Wilhelm Bautz, Artikel über Joachim Camerarius, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 1, Hamm 1990, Sp. 891-892.

[26] Zitiert nach Markus Griesser, Die Kometen im Spiegel der Zeiten. Eine Dokumentation, Bern 1985, S. 126 f.

[27] Zitiert nach Lehmann, Kometenflugschriften, S. 688.

[28] Zeller, Wunderzeichen und Endzeitvorstellungen, S. 108.

[29] Vgl. Lehmann, Kometenflugschriften S. 685 f.

[30] Vgl. Elisabeth Heitzer, Das Bild des Kometen in der Kunst. Untersuchungen zur ikonographischen und ikonologischen Tradition des Kometenmotivs in der Kunst vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Berlin 1995, S. 122.

[31] Ebd. S. 150.

[32] Flugblatt von 1665: Beschreibung / des sehr nachdenklichen Comet-Sterns, in: Friedrich S. Archenhold, Alte Kometen-Einblattdrucke, Berlin 1917, Blatt 17.

[33] Ebd.

[34] Vgl. Geoffrey Parker, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt 1987, S. 300 ff.

[35] Vgl. Ernst Walter Zeeden, Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe 1556-1648. Propyläen Geschichte Europas Bd. 2, Berlin 19992, S. 328.

[36] Der große Komet von 1618 wurde in Wirklichkeit von zwei Kometen gebildet, die als ein Komet wahrgenommen worden sind. Vgl: Krusenstjern, Prodigienglaube und Dreißigjähriger Krieg, Anm. 25.

[37] Flugblatt von 1681: Himmels Kartten in welcher vorgestelt wirdt der großer [Sic!] Cometstern, in: Wolfgang, Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, Band IV, Tübingen 1987, IV 291a.

[38] Ebd.

[39] Vgl. Zeller, Wunderzeichen und Endzeitvorstellungen, S. 109 ff.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Der Komet als Prodigium im Spiegel von Kometenflugblättern des 17. Jahrhunderts
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Historisches Seminar)
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
47
Katalognummer
V74270
ISBN (eBook)
9783638690300
ISBN (Buch)
9783638712125
Dateigröße
28473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Komet, Prodigium, Spiegel, Kometenflugblättern, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Christian Koch (Autor:in), 2007, Der Komet als Prodigium im Spiegel von Kometenflugblättern des 17. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74270

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