Autorität und Gehorsamsbereitschaft am Beispiel des Milgram Experiments


Hausarbeit, 2002

13 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufbau und Verlauf des Experiments

3. Gehorsam

4. Autorität

5. Fazit

Literaturangaben

1. Einleitung

Die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland und vor allem die Blindheit ihrer unzähligen Mitläufer in der Bevölkerung bewegten den Sozialpsychologen Stanley Milgram dazu, sein bekanntes aber aus ethischen Gründen heftig umstrittenes Experiment durchzuführen. In dem sogenannten „Milgram-Experiment“ wollte er die Gehorsamsbereitschaft gewöhnlicher Bürger gegenüber Autorität untersuchen. In welchem Ausmaß sind diese bereit, anderen Menschen Gewalt anzutun? Das Ergebnis seiner Untersuchung erschreckte Milgram selbst. Milgrams zahlreichen Vergleiche zur Judenverfolgung in Dritten Reich geben Aufschluss über menschliches Verhalten im kleineren Rahmen.

Warum stellen Menschen ihre eigene Moral und ihr Gewissen zurück? Wie kommt es zum scheinbar grenzenlosen Gehorsam? Was genau ist Autorität, und mit welchen Mitteln kann sie Macht über andere Menschen ausüben?

2. Aufbau und Verlauf des Experiments

Anfang der sechziger Jahre inserierte die Yale Universität in der Lokalzeitung New Havens eine Anzeige, in der die Leser aufgefordert wurden, sich für eine Untersuchung über Gedächtnis und Lernvermögen zu melden. Die Versuchspersonen sollten aus verschiedenen Berufsgruppen kommen und von unterschiedlichem Alter und Bildungsniveau sein. Sie wurden in das Laboratorium für zwischenmenschliche Beziehungen der Yale-Universität eingeladen, wo ihnen das weitere Verfahren erklärt wurde. Es fand zunächst ein Losverfahren statt, mittels dessen die Anwesenden in „Lehrer“ und „Schüler“ eingeteilt wurden. Diese Verlosung war allerdings manipuliert, die Schüler waren nämlich allesamt eingeweihte Studenten der Universität, und die Lehrer waren die eigentlichen ahnungslosen Versuchspersonen für das Experiment. In einem Nebenraum startete nun der Versuch. Der Schüler sollte eine Liste von Assoziationspaaren auswendig lernen, und der Lehrer hatte ihn im Anschluss abzufragen. Dabei wurde der Schüler an einen Stuhl gefesselt, der an einen elektrischen Stuhl erinnert, und außerdem an Elektroden angeschlossen, die mit einem Schockgenerator im Nebenraum verbunden waren. Mit diesem Schockgenerator sollte der Lehrer dem Schüler bei jeder falschen Antwort einen Stromstoß versetzen. Zuvor wurde jedem Lehrer ein Probeschock über 45 Volt verabreicht, damit er an die Echtheit des Generators glaubte. In Wirklichkeit war der Schüler nicht an den Generator angeschlossen und erlitt keinen einzigen Stromschlag während des ganzen Experiments. An der Schalttafel des Schockgenerators befanden sich 30 Schalter, mit denen der Lehrer Stromstöße von 15 bis 450 Volt verabreichen konnte. Zudem waren an den Kippschaltern verschiedene Bezeichnungen von „Leichter Schock“ über „Kräftiger Schock“ bis zu „Gefahr: Bedrohlicher Schock“ zu lesen. Bei jeder falschen Antwort des Schülers sollte der Lehrer eine Stufe höher schalten. Bei der Betätigung der Schalter leuchtete eine rote Lampe auf, ein Zeiger schlug aus, und ein elektrisches Summen war zu hören. Die Lehrer waren sich also absolut sicher, dass alles funktionierte und der Schüler tatsächlich seine Strafe erhielt. Zudem hörte er bei jedem vermeintlich erteilten Stromschlag eine Reaktion des Schülers, die allerdings nur von einem Tonband abgespielt wurde. Bei 75 Volt hört der Lehrer ein Stöhnen und Klagen, bei 150 Volt bittet der Schüler, das Experiment abzubrechen, bei 180 Volt schreit er, dass der Schmerz nicht mehr auszuhalten sei, und bei 330 Volt verstummt der Schüler schließlich. Viele Lehrer zögerten zwischendurch, wurden aber meist von dem Versuchsleiter, der in einem weißen Kittel neben ihnen stand, wieder dazu gebracht fortzufahren. Dieser Versuchsaufbau wurde in zahlreicher Weise variiert. Gab es keine akustische Rückkopplung des Schülers, fuhren die Lehrer seelenruhig bis zum Ende der Skala fort. Selbst wenn er seine Herzbeschwerden erwähnte oder auf erbärmlichste Weise schrie, setzten oft mehr als die Hälfte der Lehrer das Experiment bis zum Ende fort. Nach jedem Versuchsdurchlauf wurde mit den Versuchspersonen eine ausführliche Nachbesprechung durchgeführt, in der sie auch darüber aufgeklärt wurden, dass der Schüler zu keiner Zeit den Stromschlägen ausgesetzt war.[1]

3. Gehorsam

Jede der Versuchspersonen gerät zwangsläufig in einen Gewissenskonflikt: Soll er den Forderungen des Versuchsleiters nachkommen und den Schüler weiterhin bei falschen Antworten mit Stromschlägen bestrafen, oder soll er auf das Bitten und Flehen des Schülers eingehen, das Experiment sofort abzubrechen? Der Lehrer hat zwar eine niedriges Entgelt für die Teilnahme an dem Experiment bekommen, aber das ist nicht der wirkliche Grund dafür, dass er den Schüler weiter quält. Stanley selbst ist überrascht und bestürzt, wie lange sich die Versuchspersonen den Anordnungen des Versuchsleiters beugen.[2] Konservative Philosophen glauben, dass Ungehorsam die Struktur einer Gesellschaft bedroht. Bevor eine Autoritätsstruktur untergraben wird, fügen sich die Menschen lieber und begehen eine Tat, die ihrer eigenen Moral widerspricht. Stanley Milgram zieht einen Vergleich zu den Gaskammern der Nationalsozialisten, die allerdings von gewöhnlichen Bürgern erbaut und betrieben wurden. Sie gehorchten den Befehlen von oben nicht aus Überzeugung, dass es nötig sei gegen die Juden vorzugehen, sondern weil sie es als ihre Pflicht betrachteten, erteilten Befehlen einfach zu gehorchen.[3] Jeder bewertet das Verhalten dieser Menschen von Außen betrachtet als verachtungswürdig, aber Milgram glaubt, dass das Moralgefühl des Menschen nicht stark genug in seiner seelischen Struktur verankert ist, um in einer ähnlichen Situation anders zu handeln. In dem Experiment war es den Versuchspersonen zum einen zu peinlich auszuscheiden. Des weiteren durchlaufen sie in ihren Denkprozessen eine Reihe von Anpassungen, die ihnen helfen, nicht mit dem Versuchsleiter als Autorität zu brechen, und gleichzeitig den inneren Konflikt zu schwächen. Die Versuchsperson sieht sich bald als nichtverantwortlich für ihr Handeln. „Als Werkzeug einer Autorität“ glaubt sie nicht, dass sie „moralisch haftbar“ ist, sondern dass der Versuchsleiter als Initiator die Verantwortung für das Handeln der Versuchsperson trägt. Eine typische Aussage der Versuchspersonen in der Nachbesprechung war: „Ich selber hätte das ja nicht gemacht. Ich habe nur gemacht, was man mir befohlen hat“. Hier zieht Milgram einen Vergleich zu den Nürnberger Prozessen, bei denen sich Angeklagte mit ähnlichen Worten verteidigt hatten. Milgram sieht hier den gleichen „fundamentalen Denkmodus“, den Menschen in einer untergeordneten Stellung in einer Autoritätsstruktur entwickeln. Das Verantwortungsgefühl für die eigenen Taten schwindet, der Untergeordnete glaubt, nur seine Pflicht zu tun.[4]

[...]


[1] Vgl. Stanley Milgram: Das Milgram-Experiment. Reinbek, 1974, 12. Auflage 2001. S. 30-41

[2] Vgl. Milgram, S. 21

[3] Vgl. Milgram, S. 17 f.

[4] Vgl. Milgram, S. 23 ff.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Autorität und Gehorsamsbereitschaft am Beispiel des Milgram Experiments
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)  (Soziologie)
Veranstaltung
Herrschaft
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
13
Katalognummer
V7425
ISBN (eBook)
9783638146913
ISBN (Buch)
9783640098903
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Milgram-Experiment, Autorität, Gehorsam, Milgram, autoritär
Arbeit zitieren
Stephan Holm (Autor:in), 2002, Autorität und Gehorsamsbereitschaft am Beispiel des Milgram Experiments, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7425

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