Der Gegenentwurf zu Huntingtons „Kampf der Kulturen“

Harald Müllers Kritik am Huntingtonkonzept


Seminararbeit, 2005

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.Kurzvorstellung von Huntingtons Theorie

3. Kultur und Globalisierung: Definitionsansätze

4. Harald Müller und sein Werk „Das Zusammenleben der Kulturen“
4.1 Zur Person Harald Müller
4.2 Aufbau des Buches „Das Zusammenleben der Kulturen“

5. Müllers Huntingtonkritik
5.1 Einfachheitskult
5.2 Zivilisations- und Kulturbegriff
5.3 Der islamische Kernstaat?
5.4 Gründe für kriegerische Konflikte

6. Abschlussbemerkung

Internetquellen

1. Einleitung

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte im Jahr 2002, dass Ausländer die deutsche Leitkultur anerkennen müssen.

Der umstrittene Begriff der "Leitkultur" ist von Friedrich Merz (CDU), im Zusammenhang mit der Diskussion um das Zuwanderungsgesetz, erstmals geäußert wurden. So fordert die CDU in ihrer Präambel zum Zuwanderungsgesetz die Loyalität gegenüber den grundlegenden Wertvorstellungen des Aufnahmestaates und entsprechendem gemeinsamen Identitätsbewusstsein. Zur Integration gehört demnach, neben dem Erlernen der deutschen Sprache, sich für die Staats- und Verfassungsordnung klar zu entscheiden und sich in die deutschen sozialen und kulturellen Lebensverhältnisse einzuordnen.[1]Doch ist es in einer Zeit der zunehmenden globalen Verknüpfungen auf verschiedensten Ebenen berechtigt, eine Kultur als Leitkultur zu bezeichnen und deren vorrangigen Einhalt einzufordern? Nach zahlreichen empörten Reaktionen auf den Begriff „deutsche Leitkultur“ taucht dieser in der Präambel der CDU nicht auf und wird durch „unsere sozialen und kulturellen Verhältnisse“ ersetzt. Eine genauere Definition der „deutschen bzw. westlichen sozialen und kulturellen Verhältnisse“ sucht man in der Präambel der CDU vergeblich. Günther Beckstein definierte diese Verhältnisse in einem Radiointerview folgendermaßen:

„Unsere westliche Zivilisation, geprägt durch Christentum, Aufklärung und den Humanismus, die muss jeder anerkennen, sonst hat er bei uns nichts zu suchen“

(SZ, 1. 7. 2002, S. 6).[2]

Doch kann man „die westliche Zivilisation“ auf die Werte des Christentums, der Aufklärung und des Humanismus reduzieren?

Bereits 1980 warnte Otto F. Best, ein renommierter Literaturwissenschaftler an der University of Maryland:

Vom “christlichen Europa” zu sprechen ist obsolet geworden. Nicht nur die Faktizität der Entwicklungen, die zu der Katastrophe unseres Jahrhunderts führten, mahnen zu Zurückhaltung, (...) . Wobei es, dezenterweise, angebracht wäre, vom jüdisch-christlichen Erbe zu sprechen und auch der relevanten islamischen Tradition den ihr gebührenden Platz zuzubilligen." (Otto F. Best, 1980, S.1)[3]

Bei der Debatte um den Begriff der deutschen Leitkultur, im Zusammenhang mit der fortschreitenden Globalisierung, fühlte man sich zugleich an die Diskussion über Huntingtons Werk „Kampf der Kulturen“ erinnert. Mit seinem Werk entfachte Huntington ebenfalls eine rege Diskussion über die Rolle von Kulturen in der Weltpolitik. Huntingtons Theorie über die Welt rief viele Kritiker auf den Plan. Harald Müller, einen seiner schärfsten Kritiker und seine Huntingtonkritik möchte ich in dieser Arbeit genauer vorstellen. Er entwickelt in seinem Werk „Das Zusammenleben der Kulturen. Ein Gegenwurf zu Huntington“ eine eigene Theorie über die Welt, dabei kritisiert und falsifiziert er immer wieder Huntingtons Ansatz. Im Vordergrund dieser Arbeit soll Müllers Huntingtonkritik stehen, auf Müllers eigene Theorie kann im Rahmen dieser Arbeit nicht genauer eingegangen werden. Allerdings lässt sich eine Verflechtung von Müllers Kritik und Müllers Theorie nicht immer komplett vermeiden, da er die beiden Inhalte miteinander verbunden darstellt. Um seine Huntingtonkritik explizit darzustellen, müssen zuerst kurz Huntingtons Welttheorie und die in diesem Zusammenhang wichtigen Begriffe „Kultur und Globalisierung“ vorgestellt werden, um ein Grundverständnis beim Leser herzustellen. Danach werde ich auf die Person Harald Müller und sein Buch „Das Zusammenleben der Kulturen“ eingehen, um anschließend die wichtigsten Kritikpunkte aus Müllers Buch zu abstrahieren und zu erläutern. Zum Abschluss der Arbeit werde ich auch meine eigene Einstellung zu diesem Thema zum Ausdruck bringen.

Neben dem bereits genannten Buch von Harald Müller, dienten mir Huntingtons „Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21 Jahrhundert“ und „Der Tanz der Kulturen. Kulturelle Identität in einer globalisierten Welt“ von Joana Breidenbach und Ina Zukrigl als Basisliteratur.

2. Kurzvorstellung von Huntingtons Theorie

Im folgenden Abschnitt sollen die wichtigsten Punkte aus Huntingtons Theorie kurz dargestellt werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass an dieser Stelle keine ausführliche Darstellung von Huntingtons Theorie erfolgen kann, da dieses den thematischen sowie den quantitativen Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.[4]

Der Professor der Politikwissenschaft und Berater des US-Außenministeriums Samuel P. Huntington entwarf 1996 eine Theorie über die zukünftige Weltordnung. Huntington sieht die zukünftigen Konflikte an den Grenzen bzw. Bruchlinien der großen Weltkulturen, also zwischen chinesischer, japanischer, hinduistischer, islamischer, westlicher, lateinamerikanischer, sinischer, slawisch-orthodoxer und afrikanischer Kultur. Hierbei hebt er besonders das Konfliktpotential zwischen „dem Westen“ und dem Islam sowie „dem Westen“ und China hervor. Hierbei stehen besonders die Themen Kernwaffenlieferungen und die Einhaltung der Menschenrechte im Vordergrund. Huntington meint, dass die asiatische Kultur ihre wirtschaftliche, militärische und politische Macht verstärkt und der Islam eine bedrohliche Bevölkerungsexplosion erlebt. Dabei geht er davon aus, das die Macht des Westens schwindet und alle anderen Hauptkulturkreise erstarken. Huntington sieht alle nicht-westlichen Kulturen als Bedrohung für die westliche Welt, er spricht von “the west against the rest“. Konflikte entstehen demnach nur noch zwischen Hauptkulturkreisen und nicht mehr zwischen Nationalstaaten.

Huntington spricht von einer Weltordnung, die zunehmend auf kulturellen Werten beruht. Kulturelle Unterschiede werden bei ihm soweit generalisiert, als ob die kulturellen Differenzen etwas naturgegebenes sind und zwingend zu Konflikten führen müssen. Er sieht Kultur als Urkraft, die mit einer Bedrohung gleichgesetzt wird.[5]In der Welt nach dem Kalten Krieg sind die Unterschiede zwischen den Völkern nicht mehr ideologischer, politischer oder ökonomischer Art, sondern sie sind kultureller Art. Mögliche Konfliktursachen sind für ihn z.B. die grundlegenden kulturellen Unterschiede (Geschichte, Religion, unterschiedliche Bedeutungszuschreibung bei Schlagworten wie Rechte, Freiheit, Autorität etc.), die Zunahme der interkulturellen Interaktion und der Verlust von Nationalstaat als Identifikationsquelle, durch zunehmende Modernisierungstendenzen und soziale Wandlungsprozesse. In seiner „Welttheorie“ kooperieren die Gesellschaften mit kulturellen Verwandtschaften miteinander und die „kulturell gleichgesinnten“ Länder gruppieren sich um einen Führungsstaat ihrer Kultur. Diese Annahme Huntingtons wird häufig als Kernstaatentheorie bezeichnet.

Besonders im zunehmenden islamischen Fundamentalismus sieht er eine Bestätigung seiner Theorie, er führt den religiösen Fundamentalismus in nicht-westlichen Kulturen auf das Abwehrverhalten dieser Kulturen gegen den universalistischen Anspruch des Westens zurück. Huntington unterscheidet insgesamt fünf Reaktionsweisen auf den universalistischen Anspruch des Westens und die damit verbundenen globalen Prozesse, wie z.B. Modernisierung, die meist eine Verwestlichung mit sich bringt. Die fünf möglichen Reaktionsweisen, die Huntington als Reaktion auf diesen Prozess sieht, sind in nachfolgender Graphik dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 (Quelle)[6]

In Huntingtons Theorie wird besonders die tragende Rolle der USA hervorgestellt:

„Das Überleben des Westens hängt davon ab, dass die Amerikaner ihre westliche Identität bekräftigen und die Westler sich damit abfinden, dass ihre Kultur einzigartig, aber nicht universal ist, und sich einigen, um diese Kultur zu erneuern und vor der Herausforderung durch nichtwestliche Gesellschaften zu schützen.“ (Huntington, 1996, S.19/20)[7]

Zum westlichen Kulturkreis zählt Huntington die USA und Europa und zu dessen Kerninhalten zählt er u.a. das Christentum, die Säkularisierung, die Rechtsstaatlichkeit und den Individualismus. Huntington plädiert für ein Bündnis zwischen den USA und Europa, um die westlichen Werte zu erhalten bzw. zu verteidigen. Multikulturalismus sieht er als Gefahr für die Einheit der westlichen Kultur auf Basis des Christentums. Huntington schreibt nur der westlichen Kultur das Privileg und Potential zu, durch deren Vermittlung, Bruchlinienkriege einzudämmen und zu beenden. In den letzten Kapiteln seines Buches inszeniert Huntington ein detailliertes kriegerisches Zukunftsszenario, in dem er den Einsatz von Atombomben nicht ausschließt.

3. Kultur und Globalisierung: Definitionsansätze

Kultur, ein Schlagwort was man überdurchschnittlich oft in Huntingtons Theorie findet. Eine konkrete Definition sucht man in seinem Werk jedoch vergeblich. Die Wichtigkeit aber auch das „Unklare“ des Begriffes zeigen die unzähligen Definitionsversuche. Sucht man im Internet mit dem Suchbegriff „Definition Kultur“ erhält man allein 255.000 Ergebnisse. Beim Suchbegriff „Definition Globalisierung“ sieht das nicht anders aus, man erhält 87.100 Treffer.

[...]


[1]www.glasnost.de/docs00/0010leitkultur.html: Arbeitsgrundlage für die Zuwanderungs-Kommission der CDU Deutschlands, Präambel

[2]www.gavagai.de/skandal/HHD0808.htm

[3] vgl. Best, Otto F.(1980): Das Groteske in der Dichtung. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, S. 1

[4]alle Informationen im Kapitel 2 vgl.: Huntington, Samuel P. (1996) und www.kongress2004.soziokultur.de/content/ download/80/193/file/ThesenHuntingtonMerkel.pdf

[5]vgl. Breidenbach, Joana/Zukrigl, Ina (2000), S.19

[6]www.fvw.de/_pdf/nahrstedt.pdf

[7]Huntington, Samuel P. (1996), S. 19-20

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Gegenentwurf zu Huntingtons „Kampf der Kulturen“
Untertitel
Harald Müllers Kritik am Huntingtonkonzept
Hochschule
Technische Universität Dresden
Veranstaltung
Clash und Tanz der Kulturen
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V74201
ISBN (eBook)
9783638784405
ISBN (Buch)
9783656024026
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gegenentwurf, Huntingtons, Kulturen“, Harald, Müllers, Kritik, Huntingtonkonzept, Clash, Tanz, Kulturen
Arbeit zitieren
Lina Arnold (Autor:in), 2005, Der Gegenentwurf zu Huntingtons „Kampf der Kulturen“ , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74201

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