Sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen


Hausarbeit, 2007

26 Seiten, Note: "keine"


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung

3. Forschungen
3.1 Sexuelle Aufklärung
3.2 Sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt
3.3 Täter und Täterinnen
3.4 Umfeld von Gewalt
3.5 Maßnahmen

4. Folgen von sexueller Gewalt
4.1 Folgen für den Täter
4.2 Folgen für das Opfer

5. Therapie
5.1 Therapeutischer Prozess

6. Präventionsmaßnahmen
6.1 Präventionsprogramm: Anatomische Puppen

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sexuelle Gewalt gegen Menschen mit einer Behinderung gilt in unserer Gesellschaft immer noch als ein großes Tabuthema. Dieses Tabu ist geprägt durch die Einstellung, Menschen mit Behinderungen haben keine Sexualität und seien „geschlechtslose Wesen“. Auch heute noch wird in vielen Einrichtungen das aktive Ausleben von Sexualität von Menschen mit einer Behinderung unterdrückt, teilweise sogar verboten u.a. durch die Vorgaben der jeweiligen Institutionen.

Menschen mit einer Behinderung werden viel zu selten aufgeklärt und ihnen mangelt es an Wissen über sexuelle Gewalt. Dadurch haben sie Schwierigkeiten Grenzüberschreitungen als solche wahrzunehmen.

Aufgrund ihrer besonderen Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit sind sie besonders gefährdet Opfer von sexueller Gewalt zu werden. In existentiellen Lebensbereichen, wie etwa bei der täglichen Körperpflege, bei Toilettengängen etc. sind sie vom Betreuungspersonal abhängig. Sexuelle Übergriffe sind hier ohne direkte körperliche Gewaltanwendung leicht möglich.

Um zielgerichtet die Thematik meiner Hausarbeit zu behandeln, habe ich zunächst eine Begriffsdefinition von sexueller Gewalt vorgenommen und in einem nächsten Schritt diesen feministischen Definitionsansatz begründet. Mich hat besonders die Fragestellung interessiert, weshalb gerade Menschen mit einer Behinderung zu der Risikogruppe Opfer von sexueller Gewalt zu werden, zählen. Anschließend führe ich eine Studie von den Autoren Zemp et al. auf, die sich mit dem Thema sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit einer Behinderung auseinandergesetzt haben. Diese Studie belegt, dass sehr viele Menschen mit einer Behinderung von sexueller Gewalt betroffen sind. Weiterhin hat mich die Frage interessiert, welche Auswirkungen sexuelle Gewalt auf Menschen mit einer Behinderung haben? Sind diese Auswirkungen vergleichbar mit den Auswirkungen bei nichtbehinderten Menschen?

Ein sehr wichtiger Punkt ist für mich die Präventionsarbeit. Denn nur so können sexuelle Übergriffe verhindert werden. Deswegen stelle ich in einem weiteren Punkt zunächst allgemeine Präventive Maßnahmen dar, um daran anschließend ein konkretes Präventionsprogramm vorzustellen.

2. Begriffsklärung

In der Literatur gibt es keine einheitlichen Begriffsverwendungen. Verschiedene Begriffe wie „sexueller Missbrauch“, „sexuelle Gewalt“, „sexuelle Ausbeutung“, „sexuelle Misshandlung“ stehen synonym nebeneinander. Die jeweiligen Definitionen haben ihre Vor- und Nachteile.

Von den Autoren Zemp et al. wird sexuelle Ausbeutung von Menschen mit Behinderung folgendermaßen definiert:

„Sexuelle Ausbeutung von Kindern und/oder physisch und/oder geistig abhängige Menschen durch Erwachsene (oder ältere Jugendliche) ist eine sexuelle Handlung des Erwachsenen mit einem abhängigen Menschen, der aufgrund seiner emotionalen, intellektuellen oder physischen Entwicklung nicht in der Lage ist, dieser sexuellen Handlung informiert und frei zuzustimmen. Dabei nützt der Erwachsene, der/die HelferIn die ungleichen Machtverhältnisse zwischen sich und der/dem Abhängigen aus, um es/sie/ihn zur Kooperation zu überreden oder zu zwingen. Zentral ist dabei die Verpflichtung zur Geheimhaltung, die das Kind/die abhängige Person zu Sprachlosigkeit, Wehrlosigkeit und Hilflosigkeit verurteilt“ (Zemp, Pircher und Neubauer 2005, S. 827).

Die Autoren haben eine weit gefasste Definition gewählt, um zu verdeutlichen, dass sexuelle Ausbeutung beginnt, wenn eine Person von einer anderen Person als Objekt zur Bedürfnisbefriedigungen benutzt wird. Dazu gehören respektlose Bemerkungen über den Körper, Berührungen von Geschlechtsorganen bis hin zum Geschlechtsverkehr. All diese Handlungen geschehen gegen den Willen der Person. (vgl. Zemp et al. 2005, S. 827).

Meiner Meinung nach ist diese Definition sehr angemessen, da sie besonders gut das Machtverhältnis ausdrückt, den Menschen mit einer Behinderung unterliegen. Dieses Machtverhältnis entsteht durch die physische oder psychische Abhängigkeit durch nichtbehinderte Betreuungspersonen. Zudem beinhaltet der Begriff, dass sowohl psychische als auch physische Gewalt stattfinden kann.

Aus diesen Gründen werde ich auch in meiner Ausführung die Begriffe „sexuelle Gewalt“ oder „sexuelle Ausbeutung“ verwenden.

2. Risikogruppe: Menschen mit einer Behinderung

Menschen mit Behinderungen sind aus verschiedenen Gründen gefährdet, Opfer von sexueller Gewalt zu werden. „Sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderung auszuüben ist auf Grund ihrer großen Abhängigkeit, Pflegebedürftigkeit, ihrer erschwerten oder unmöglichen Artikulation leichter möglich als gegenüber nichtbehinderten Kindern, und das Risiko der Aufdeckung ist besonders gering“ (Zemp 1996, S. 146). Sexuelle Gewalt hat immer etwas mit einem Machtverhältnis zu tun. Diesem Machtverhältnis unterliegen Menschen mit Behinderungen im besonderen Maße.

Einerseits wird Menschen mit einer Behinderung jegliche Art von Sexualität abgesprochen. In vielen Einrichtungen verhindern Institutionelle Rahmenbedingungen den sexuellen Kontakt oder es wird ihnen explizit verboten. Andererseits und vielleicht auch gerade deshalb erfahren Menschen mit Behinderungen überall sexuelle Gewalt: Von behinderten und nichtbehinderten Menschen in der Familie, in der Werkstatt, in Heimen, beim Arzt etc. (vgl. Kwella/Mayer 1996, S. 166).

Da Sexualität und Behinderung für viele nicht zusammenpasst, werden Menschen mit Behinderungen auch nur selten Aufgeklärt und wissen nur wenig über ihren eigenen Körper (vgl. Kwella/Mayer 1996, S. 165). Auch mangelt es ihnen an Aufklärung über sexuelle Gewalt. Umso schwieriger ist es für die behinderte Person Grenzüberschreitungen wahrzunehmen und sich gegen diese zu wehren.

Kinder mit einer Behinderung entwickeln schon sehr früh ein negatives Körperbewusstsein. Dieses entsteht durch die allgemeine negative Bewertung der Gesellschaft und entwickelt sich durch die häufigen Arzt- und Krankenhausbesuche weiter aus. In ihnen verstärkt sich das Gefühl mit ihnen sei etwas nicht in Ordnung (vgl. Zemp 1996, S. 146). Häufig führt dies zu einem geringen Selbstwertgefühl und erschwert es Menschen mit Behinderungen sich bei sexuellen Übergriffen angemessen zur Wehr zu setzen.

Die Bedingungen in den Institutionen bedeutet häufig eine weitere Gefährdung. Menschen mit Behinderungen sind in verschiedenen Lebensbereichen, wie zum Beispiel beim Waschen, bei Toilettengängen oder beim telefonieren von ihre Betreuungspersonal abhängig. Das Betreuungspersonal kann sexuelle Gewalt in alltägliche Situationen unauffällig anwenden. „[…] die schmale Grenze zwischen Zärtlichkeit und Zudringlichkeit, zwischen Pflegehandlung und Ausbeutung macht es für die Opfer schwer, Übergriffe sofort zu erkennen und als solche einzuordnen […]“ (Hallstein 1996, S.174).

Eine Feststellung von sexueller Ausbeutung wird umso schwerer, wenn der Misshandler eine Vertrauensperson ist. Genauso wie auch nichtbehinderte Menschen, können sich auch Menschen mit einer Behinderung nicht vorstellen, dass Vertrauenspersonen ihnen gegenüber gewalttätig werden.

Menschen mit einer Behinderung erfahren häufig täglich Eingriffe in ihre Intimsphäre, da sie auf die Hilfe von anderen Personen angewiesen sind. „Dieses alltägliche Ausgeliefertsein erschwert nicht nur die Wahrnehmung und das Zulassen von Scham und Wut, sondern fördert die Unterdrückung solcher Gefühle […]“ (Hallstein 1993, S. 36). Sexuelle Gewalt wird unter diesen Gesichtspunkten meist nur als ein weiterer Eingriff unter vielen Grenzverletzungen aufgefasst.

Auch haben Menschen mit Behinderungen häufig keinen Einfluss auf das Geschlecht der helfenden Person und sie müssen sich den Gegebenheiten fügen. Nicht selten werden sie wie kleine Kinder behandelt und es wird ihnen ihre Mündigkeit und Selbstständigkeit abgenommen. Sie ordnen sich dem Betreuungspersonal völlig unter und folgen ihren Anweisungen. Dementsprechend äußern sie selten ihre Bedürfnisse und lassen diese auch seltener zu (vgl. Hallstein 1996, S. 174).

Weiterhin sind Menschen mit einer Behinderung besonders bedroht Opfer sexueller Gewalt zu werden, da die Möglichkeit einer Aufdeckung sehr gering ist. Sexuelle Gewalt ist in der Gesellschaft immer noch ein Tabuthema und die Aussagen von Menschen mit Behinderungen sie hätten sexuelle Gewalt erfahren, werden häufig bagatellisiert oder als Phantasiedenken abgetan. Zudem fehlen Ansprechpartner, denen sie sich anvertrauen können. Dies schützt die Täter und macht es für sie umso einfacher sexuelle Gewalthandlungen fortzuführen (vgl. Hallstein 1993, S. 39 f.).

3. Forschungen

Zu dem Thema sexuelle Gewalt an Menschen mit Behinderungen mangelt es an Forschungen. In ganz Europa gibt es keine empirischen Daten oder Untersuchungen. Lediglich in den USA und in Kanada sind Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt worden (vgl. Zemp et al. 2005, S. 228). Dieser enorme Forschungsrückstand macht deutlich, dass ein erheblicher Informationsmangel zu diesem Thema herrscht und es weiterer Untersuchungen bedarf.

Aufgrund dieses Forschungsdefizits haben die Autoren Zemp et al. eine Studie zu dem Thema sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen mit Behinderungen durchgeführt. Die Autoren haben hierfür Bewohnerinnen, die sich freiwillig gemeldet haben, aus Einrichtungen in Österreich zu dem Thema sexuelle Gewalt befragt. Die Erhebung wurde mittels eines Fragebogens durchgeführt. Im Folgenden werde ich die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie zusammenfassen.

3.1 Sexuelle Aufklärung

Den Aspekt sexuelle Aufklärung haben die Autoren in ihrem Fragebogen mit aufgenommen, da sie einen Zusammenhang zwischen mangelnder Aufklärung und sexueller Gewalt vermutet haben.

Die Befragung zeigte, dass ungefähr die Hälfte der Frauen mit einer Behinderung nicht aufgeklärt ist. Am ehesten ist ihnen der Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau bekannt. Das Betreuungspersonal fühlt sich überwiegend mit dem Thema sexuelle Aufklärung von Menschen mit Behinderung überfordert. In vielen Einrichtungen gibt es demnach auch keine Aufklärungsprogramme (vgl. Zemp et al. 2005, S. 233 f.).

Die These, dass zwischen sexueller Gewalt und mangelnder Aufklärung ein Zusammenhang besteht, konnte nicht belegt werden. Ganz im Gegenteil: Es zeigte sich, dass vor allem die aufgeklärten Frauen sexuelle Gewalt erfahren haben. Dieser Befund scheint zunächst erstaunlich, nicht jedoch, wenn man sich vor Augen führt, dass die Aufklärung von Frauen mit einer Behinderung häufig durch die sexuelle Gewalthandlung selbst geschieht (vgl. Zemp et al. 2005, S. 240).

3.2 Sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt

Ca. 62% der Befragten gaben an, ein- bis mehrmals sexuell belästigt worden zu sein. Sexuelle Gewalt haben 64% der befragten Frauen ein- bis mehrmals erfahren. „Nach diesen Ergebnissen sind Frauen mit Behinderungen in weit höherem Ausmaß von sexueller Gewalt betroffen, als Frauen ohne Behinderung“ (Zemp et al. 2005, S. 235).

Am häufigsten wurden bei der sexuellen Belästigung „blöde Bemerkungen über den Körper“ genannt. Darauf folgen unangenehme Berührungen wie „über die Haare streichen“ und „anzügliche Witze“ (vgl. Zemp et al. 2005, S. 235 f.).

Hinsichtlich der sexuellen Gewalt nannten die Frauen mit 44,6% am häufigsten, dass sie gegen ihren Willen oder auf eine unangenehme Weise an ihren Brüsten oder Geschlechtsteilen berührt werden (vgl. Zemp et al. 2005, S. 236).

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
"keine"
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V74177
ISBN (eBook)
9783638686082
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sexuelle, Gewalt, Menschen, Behinderungen
Arbeit zitieren
Lena Giller (Autor:in), 2007, Sexuelle Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74177

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