Das Scheitern der Aussenpolitik Johnsons in Vietnam


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I Einleitung

Während meines Aufenthalts als Rucksackreisender in Vietnam erfuhr ich wie stark das Land auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges an dessen Folgen leidet. Wirtschaftliche, ökologische und soziale Schäden des Krieges sind immer noch präsent. Auf dieser Reise stellte ich fest wie differenziert die Geschichte des Krieges be­trachtet wird. In den zahlreichen Kriegsmuseen wird die Geschichte aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet als es in der westlichen Welt üblich ist. Immer wieder werden das Heldentum und der unbeugsame Wille der Kämpfer Nordvietnams heroisiert. Es könnte der Eindruck entstehen, dass es primär diese Eigenschaften waren, die den Nordvietnamesen zum Sieg verhalfen. Es drängte sich mir die Frage auf, in wie fern dies der Wahrheit entspricht. Konnte das tatsächlich die Erklärung dafür liefern wie ein kleines, unterentwickeltes und armes Entwicklungsland der größten Macht der Welt standhalten konnte? Parallelen zum biblischen Kampf Davids gegen Goliath liegen nahe. Nur konnte ich nicht wirklich erkennen was das Äquivalent zu Davids Steinschleuder bei den Vietna­mesen war.

In dieser Arbeit soll eine mögliche Antwort darauf gefunden werden. Da es sich um ein sehr weitgefasstes Themenfeld handelt, beschränkt sich diese Arbeit auf den Zeitraum, in dem die Johnson Administration (1963-69) die außenpolitischen Geschicke der Vereinig­ten Staaten lenkte. Es wird zwischen drei verschiedenen elementaren Faktoren diffe­renziert, die jeweils ein komplexes Problemfeld für Präsident Lyndon B. Johnson mit sich brachten. Hierbei handelt es sich um die militärischen Probleme in Vietnam, die zivilen Unruhen in den Vereinigten Staaten und den Ansehensverlust der Amerikaner in der Weltöffentlichkeit. In seinen Reden im März und Oktober 1968 (siehe Kapitel 5) gestand Präsident Johnson das Scheitern seiner Außenpolitik ein. In diesem Rahmen sollen folgende Fragen beantwortet werden: Welche der drei Felder führten zu einem Scheitern der Außenpolitik der Johnson Regierung? Hatte das Scheitern in erster Linie militärische, in­nenpolitische oder internationale Gründe?

Zunächst wird im Teil A ein kurzer historischer Abriss der Geschichte wiedergegeben. Dieser soll das generelle Verständnis für das Folgende ermöglichen. In Teil B werden dann die spezifischen Begebenheiten der drei Felder beschrieben. Dies soll eine Ge­wichtung selbiger ermöglichen.

II Hauptteil

A. Historische Hintergründe

1. Die US- Regierung unter Eisenhower, Kennedy und Johnson

Seit 1954 unterstützten die US-Regierungen vorbehaltlos die Regierungen Südvietnams. Verfolgt wurde eine Politik mit dem Ziel, den 17. Breitengrad, welcher die militärisch neu­trale Zone zwischen Nord- und Südvietnam darstellte, zur letzten Frontlinie der „Freien Welt“ in Südostasien, gegen den Kommunismus, zu machen. So ergibt sich, dass die Ent­stehung des zweiten Vietnamkrieges auf die Politik der USA und Nordvietnams zurückzu­führen ist. Den ersten Schritt tat Präsident Eisenhower. 1954 entsandte er 327 Militärbe­rater nach Saigon. Er leitete damit den asiatischen Waffengang der USA ein.[1] Dabei störte es keinen amerikanischen Präsidenten, dass die Regierung in Südvietnam diktato­risch und unpopulär war. Von Interesse war lediglich, dass eine proamerikanische- und anti­kommunistische Politik eingeschlagen wurde. Dies war auch im Sinne der von Eisenhower entwickelten Domino Theorie. Nach dieser Theorie könnte ein Land, das kommunistisch geprägt werden würde, so starken Einfluss nehmen, dass viele weitere Länder in Süd­ostasien folgen würden. Diese Theorie wurde zum Kernstück der Rechtfertigunsideologie der amerikanischen Vietnampolitik. Anlässlich einer Pressekonferenz äußerte sich Eisen­hower wie folgt:

„ You had a row of dominoes set up, and you knocked over the first one, and what would happen to the last one was certainly that it would go over very quickly. So you could have a beginning of disintegration that would have the most profound influences. “[2]

Die Domino Theorie bildete auch für seine Nachfolger die Handlungsgrundlage. Präsident Kennedy ging Eisenhowers Weg weiter. Er beorderte 16 500 Soldaten nach Südvietnam.[3] Der Übergang von Kennedy zu Johnson war ebenfalls von politischer und personeller Kontinuität gekennzeichnet: John­son stieg vom Vizepräsidenten zum Präsidenten auf und versprach die Politik seines Vor­gängers nahtlos fortzuführen. Im Gegensatz zu Kennedy hegte Johnson jedoch keine Zweifel an der Richtigkeit des amerikanischen Engagements in Vietnam und machte den Krieg zu einem amerikanischen Krieg.[4]

2. Johnsons außenpolitische Einstellungen

Nach der Ermordung Kennedys gab Johnson in seiner Antrittsrede als US-Präsident am 27. November 1963 zu verstehen, was für eine Außenpolitik seine Regierung verfolgte. Er erklärte, dass er die Politik von Kennedy fortsetzen würde und versprach: „This Nation will keep its commitments from South Vietnam to West Berlin.“[5] Des weiteren zog er vier mögliche, ne­gative Auswirkungen, die eintreten könnten, wenn Südvietnam an Hanoi fallen würde, in Betracht. Er befürchtete, dass ganz Südostasien langsam aber sicher unter kommunis­tische Herrschaft geraten würde. Auch sah er unter diesen Umständen eine entzweiende und zerstörerische Diskussion in den USA voraus. Die Erschütterung des Vertrauens der US-Verbündeten in Asien und der ganzen Welt gegenüber den Vereinigten Staaten sah er als eine weitere Folge an. Des weiteren glaubte er, dass Peking und Moskau das ent­stehende Machtvakuum ausnutzen konnten.[6]

Aus diesen Gründen spielte die Domino Theorie für Johnson eine wesentlich gewichtigere Rolle als für Eisenhower und Kennedy. Im Gegensatz zu Eisenhower und Kennedy war Johnson davon überzeugt, dass sich der Domino Effekt auf die ganze Welt auswirken und sie unter kommunistische Herrschaft stellen würde:

„ [...] Ich war sicher, dass die kommunistische Welt nicht halt machen würde. Wenn wir aus Südostasien davonliefen, könne ich auf jedem Teil des Globus Ärger voraussehen, nicht bloß in Asien, sondern auch in Nahost und Europa, in Afrika und Lateinamerika. Ich war überzeugt, unser Zurückweichen vor dieser Herausforderung würde den Weg für den dritten Weltkrieg freimachen [...]“[7]

Für ihn stand fest, dass der Zweite Weltkrieg hätte vermieden werden können, wenn die USA vor Kriegsausbruch ihre klare Haltung gezeigt hätte. Des weiteren erklärte er seinem Regierungsstab:

„Ich werde es nicht zulassen, dass Vietnam den gleichen Weg nimmt wie China. Ich empfahl ihnen (den Beratern) dorthin zu gehen und diesen Generälen in Sai­gon zu erklären, dass Lyndon Johnson zu unserem Worte steht. Aber, bei Gott ich wün­sche, dass sie sich zusammenreißen, in diesen Dschungel rausgehen und die Kommunis­ten das Fürchten lehren.“[8]

Entsprechend dieser unbedingten Entschlossenheit Johnsons zu einem siegreichen Krieg, kam es zur militärischen Involvierung der Amerikaner in Vi­etnam.

3. Die Amerikanisierung des Vietnamkrieges

3.1. Die Tonking-Resolution

Im März 1964 zeichnete sich eine düstere Lage für die Amerikaner ab. Die politischen Verhältnisse innerhalb Vietnams waren sehr instabil geworden. Die Regierung hatte ihren Einfluß innerhalb von Bevölkerung und Armee verloren. Vierzig Prozent der Gebiete in Südvietnam befanden sich unter Kontrolle des Nordvietnamesischen Militärs, der soge­nannten „National Liberation Front“ (NLF). Dennoch wurden weder von den Amerikanern noch von der Südvietnamesischen Junta ernstzunehmende Maßnahmen gegen die NLF ergriffen. Johnson scheute sich jedoch erstmal, aus Furcht vor einem möglichen Kriegs­eintritt Chinas und der Sowjetunion, die militärische Hilfe für Südvietnam weiter aufzusto­cken. Dementsprechend beschränkte sich die Johnson Administration zunächst darauf, verdeckte Operationen gegen Nordvietnam durchzuführen. Diese wurden unter dem Decknamen „Oplan 34A“ durchgeführt. Auf diplomatischer Ebene gab es keine Annä­herungen. Jegliche Vermittlungsversuche zwischen Hanoi und Washington schlugen fehl. So weiteten sich die verdeckten Operationen immer weiter aus, bis der Zwischenfall am Golf von Tonkin den Vereinigten Staaten Gelegenheit bot, offener zu agieren. Am 2. Au­gust 1964 wurde ein amerikanischer Zerstörer, der sich auf Aufklärungsfahrt in internatio­nalen Gewässern befand, von nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen. Die Nordvietnamesen sahen einen Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt des Zerstörers und den Kämpfen der Südvietnamesen auf einer nahegelegenen Insel. Washington such­te nun die direkte Konfrontation und ließ einen zweiten Zerstörer auffahren. Dies ging kon­form mit der von Johnson in den amerikanischen Kongress eingebrachten Resolution:

“We must make it clear to all that the United States is united in its determination to bring about the end of Com­munist subversion and aggression in the area. We seek the effective restoration of the international agree­ments signed in Geneva in 1954, with respect to South Vietnam, and again in Geneva in 1962, with respect to Laos.“

Er stellte auch seine vier Intentionen vor dem Senat klar: „1. America keeps her word. 2.The issue is the future of southeast Asia as a whole. 3. Our pourpose is peace. 4. This is not just a jungle war, but a struggle for freedom on every front of human activity.“[9] Die Resolution wurde fast einstim­mig im Senat und im Repräsentantenhaus angenommen. Johnson erhielt als erster Prä­sident der USA durch diese Resolution die Blankovollmacht, ohne formelle Kriegserklä­rung des Kongresses Krieg zu führen.[10]

„It has been said that the Tonkin Gulf incident represented a psychological ,crossing of the threshold' and made further U.S. escalation in Vietnam not only easier but almost inevitable.“[11] Am 5. August 1964 bombardierten amerikanische Flugzeuge Marinebasen und Treibstofflager. Hanoi war mit seiner Bestrebung eine Konfrontation mit den USA zu vermeiden gescheitert. Dies war der Auftakt zu einer langwierigen militärischen Auseinandersetzung und der Weg für eine of­fene Einmischung war geebnet.

3.2. Die „Rolling-Thunder“ Operation

Zunächst beschränkte sich die Amerikaner auf Vergeltungsmaßnahmen. Die Nordvietna­mesischen Einheiten agierten und die Amerikaner reagierten. Da in den Vereinigten Staa­ten eine Präsidentschaftskampagne abgehalten wurde, verzögerte sich die schwere Bom­bardierungsaktion. Johnson wollte sich vor den Wählern als ein von Vernunft geleiteter gemäßigter Kandidat vorstellen. So dauerte es relativ lange bis am 10. Februar 1965 eine US-Basis angegriffen wurde und die so genannte „Rolling-Thunder“ Operation in Gang gesetzt wurde. Zunächst begannen die Bombardierungen auf militärische Einrichtungen sowie der Infrastruktur südlich des 20. Breitengrades. 1966 wurden sie dann erweitert. Öl­lager, Elektrizitäts- und Stahlwerke und Eisenbahnlinien zwischen Nordvietnam und China wurden zerbombt.

Insgesamt gab es während des Bombardierungszeitraums acht Unterbrechungen. John­son wollte damit bei der Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten und in der Welt den Ein­druck erwecken, als hätte er sich um den Frieden bemüht und wäre beim Gegner auf Ab­lehnung der Friedensbemühen gestoßen.[12] Wegen der Effektivlosigkeit wurde die „Rolling-Thunder“ Operation am 1.November 1968 eingestellt. Parallel zu dem Kampf in der Luft begann auch der Kampf zur Erde.

3.3. U.S.Streitkräfte in Vietnam

Entsprechend der Forderungen General Westmorelands wurden zeitgleich zur „Rolling-Thunder“ Operation Bodentruppen nach Südvietnam geschickt. Dies entsprach dem Willen des Präsidenten und seinen höchsten Beamten. Geplant war es einen schnellen Sieg zu erreichen und die Truppen 1968 wieder abzuziehen. Dieses Ziel wurde nicht im entferntesten erreicht. Seit des Amtsantritts Johnsons im Jahre 1963 stieg die ame­rikanische Präsenz kontinuierlich an: Ende 1965 betrug die Truppenstärke schon 200.000 Mann. Im September 1966 waren es 300.000, und am Ende des Jahres 385.000. Die Streitkraft der verbündeten Armee der Republik Vietnam (ARVN) hatte eine Stärke von 650 000 Mann.

Die Nordvietnamesischen Soldaten sollten aufgespürt und vernichtet werden. In der Um­gebung von Saigon und im Mekong-Delta wurde das sogenannte „Befriedungsprogramm“ durchgeführt. Politische und militärische Untergrundstrukturen des Gegners sollten in den Dörfern ausgeschaltet werden. Auch die Produktion der Landwirtschaft sollte verbessert werden. Die militärische Lage in Südvietnam blieb jedoch trotz der massiven Präsenz der USA kritisch. General Westmoreland forderte 1966 eine weitere Entsendung von 200.000 Mann. Er wollte auch in Kambodscha und Laos militärisch intervenieren. Aufgrund der Be­fürchtung, dass China und die Sowjetunion sich in den Krieg einmischen könnten und der allgemeinen Unzufriedenheit in den USA, lehnte Johnson diese Forderung ab. Der konträ­re Standpunkt von Westmoreland war nicht der Einzige mit dem sich Johnson arrangieren musste. Hinzu kamen viele Querelen innerhalb seiner Administration.

[...]


[1] Vgl. Kogelfranz, Siegfried, An Vietnam gescheitert: Johnson, Der Spiegel, Nr.15, 22 Jahrgang 1968, S.110.

[2] Siehe Eichholz, Anita, Der Vietnamkrieg im Spiegel, Hamburg 1979, S.10.

[3] Vgl. Kogelfranz, Siegfried, An Vietnam gescheitert: Johnson, Der Spiegel, Nr.15, 22 Jahrgang 1968, S.110.

[4] Vgl. Frey, Marc, Geschichte des Vietnamkriegs, München 1998, S.99 f.

[5] Siehe Arenth, Joachim, Johnson Vietnam und der Westen, München 1994, S.8.

[6] Vgl. Au Duong The, Die Vietnampolitik der USA, von der Johnson- zur Nixon-Kissinger-Doktrin oder die Neu­orientierung der amerikanischen Außenpolitik, Frankfurt am Main 1979, S. 117 f.

[7] Siehe Au Duong The, Die Vietnampolitik der USA, von der Johnson- zur Nixon-Kissinger-Doktrin oder die Neu­orientierung der amerikanischen Außenpolitik, Frankfurt am Main 1979 S. 118 f.

[8] Siehe Frey, Marc, Geschichte des Vietnamkriegs, München 1998, S.99 f.

[9] Siehe Commager, Henry Steele, Documents of American History, New York 1973, S.689 f.

[10] Vgl. Kogelfranz, Siegfried, An Vietnam gescheitert: Johnson, Der Spiegel, Nr.15, 22 Jahrgang 1968, S.110.

[11] Siehe Duiker, William J., U.S. Containment Policy and the Conflict in Indochina, Stanford 1994, S. 324.

[12] Vgl. Au Duong The, Die Vietnampolitik der USA, von der Johnson- zur Nixon-Kissinger-Doktrin oder die Neu­orientierung der amerikanischen Außenpolitik, Frankfurt am Main 1979, S. 125 ff.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Das Scheitern der Aussenpolitik Johnsons in Vietnam
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Poltikwissenschaftliches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V74132
ISBN (eBook)
9783638685498
ISBN (Buch)
9783638689359
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Scheitern, Aussenpolitik, Johnsons, Vietnam, Amerika, USA, Politik, Geschichte, Krieg, Vietnamkrieg, Medien, ho chi min, doktrin
Arbeit zitieren
Roland Lochte (Autor:in), 2006, Das Scheitern der Aussenpolitik Johnsons in Vietnam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74132

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