Die Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung nach deutschem und englischem Recht


Seminararbeit, 2006

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung Insolvenzverschleppung kein Limited-Thema ?

Inzwischen ist es zulässig, sich für die Geschäftstätigkeit in eigenem Land auch der Gesellschaftsformen anderer Mitgliedsländer der Europäischen Union zu bedienen. In diesem Zusammenhang wurde die englische Limited vor allem auch wegen ihrer Flexibilität in der Kapitalausstattung zunehmend populär. In England gibt es keine organisatorisch der deutschen GmbH entsprechende Form der Kapitalgesellschaft. Die wirtschaftliche Funktion der GmbH wird hier von den privaten Formen der Aktiengesellschaft (Private limited company) ausgefüllt. Teilweise wird verbreitet, dass wenn die Insolvenz durch den Geschäftsführer verschleppt wird, bei der Limited keine persönliche Haftung und Strafbarkeit bestehe. Tatsächlich darf das deutsche GmbH-Gesetz grundsätzlich nicht auf die englische Limited angewendet werden, was der BGH am 13.03.2005 unter Az. II ZR 5/03 nochmals feststellte und den Fall zurückwies. Daher greift auch die Insolvenzverschleppung nach § 64 GmbHG bei der Limited nicht. Für diese gilt das englische Gesellschaftsrecht (Companies Act).[1] Die eigentlichen Insolvenzverfahren, die Rechte der Gläubiger und auch die Haftungen der Geschäftsführer in einem europäischen Nachbarstaat unterscheiden sich zum Teil erheblich von der Lage in Deutschland.

Nun stellt sich die Frage, welche Haftungsregelungen im Falle der Insolvenzverschleppung durch den Geschäftsführer im englischen Recht gelten. Dies soll in dieser Seminararbeit am Beispiel der deutschen GmbH und englischen Ltd. veranschaulicht werden.

Erstes Kapitel: Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung nach deutschem Recht

A. Der Geschäftsführer in der Insolvenzkrise

In einer insolvenzrechtlichen Krise befindet sich ein Unternehmen, wenn mindestens einer der Eröffnungsgründe: Zahlungsunfähigkeit[2] gem. § 17 InsO Abs. 1 u. 2 , drohende Zahlungsunfähigkeit[3] § 18 InsO Abs. 2, § 283 ff. StGB oder Überschuldung[4] gem. § 19 InsO, § 63 GmbHG a.F. vorliegt. Liegt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung objektiv vor, hat der Geschäftsführer bei Eintritt der Insolvenzreife ohne schuldhaftes Zögern innerhalb drei Wochen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht zu beantragen; vgl. § 64 Abs. 1 GmbHG (sog . Insolvenzantragspflicht). Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Geschäftsführer Insolvenzantrag für die Gesellschaft stellen (§ 18 InsO); er ist hierzu jedoch gesetzlich nicht verpflichtet.

Gerät eine Gesellschaft in eine solche Krise, wird der Geschäftsführer mit erheblichen, kaum von ihm zu überblickenden Gefahren konfrontiert. Er wird sowohl mit zusätzlichen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen als auch mit strafrechtlichen Tatbeständen konfrontiert. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das Amt das Geschäftsführer niederzulegen und sich somit bewusst seiner Verpflichtung, Insolvenzantrag zu stellen, zu entziehen. Allerdings neigen die Registergerichte dazu, in Einzelfällen die Amtsniederlegung dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn sie ihrer Meinung nach zur Unzeit erfolgt.[5]

B. Die strafrechtliche Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung

Eine strafbare Handlung setzt stets Verschulden des Täters voraus. Der Insolvenzantrag kann vorsätzlich oder fahrlässig unterblieben sein. Der Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, dass er nicht gewusst hätte, dass das Unterlassen des Antrags strafbar ist. (vgl. § 84 GmbHG). Die sanktionierte Pflicht nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, erhebliche Verluste des Gesellschaftsvermögens anzuzeigen, kann zwar nicht als Insolvenzverschleppungshaftung bezeichnet werden, dennoch stellt dieser Straftatbestand eine wichtige Schutzvorkehrung gegen Insolvenzverschleppung dar.[6]

C. Die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung

Die Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung hat in der Krise große Bedeutung. Anspruchsgrundlage ist der § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG. Es handelt sich um einen Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung. § 64 Abs. 1 GmbHG ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.[7] Eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung setzt zunächst voraus, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten oder überschuldet Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ist bzw. war und der Geschäftsführer es versäumt hat, rechtzeitig das Insolvenzverfahren zu beantragen. Der Geschäftsführer muss gegen das Schutzgesetz, hier also § 64 Abs. 1 GmbHG schuldhaft verstoßen haben. Hierbei ist fahrlässiges Verhalten ausreichend. Eine Haftung des Geschäftsführers besteht schon dann, wenn er trotz objektiver Anzeichen einer Krise der Frage, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, nicht nachgeht. Hier besteht das Prinzip der Mitverantwortung. Jeder Geschäftsführer hat sich über die Geschäfte und die Lage der Gesellschaft auf dem Laufenden zu halten. Kein Geschäftsführer kann sich darauf berufen, dass er nicht über die Situation der Gesellschaft informiert war.[8] Der Gläubiger, der seinen Anspruch gerichtlich geltend macht, hat zu beweisen, dass die objektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht bestanden haben, dass also die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt zahlungsunfähig bzw. rechnerisch überschuldet war. Dann ist es Sache des Geschäftsführers darzulegen, dass trotz rechnerischer Überschuldung wegen einer positiven Fortführungsprognose[9] ein Insolvenzverfahren nicht beantragt werden musste („Umkehr der Beweislast“). Wird die Gesellschaft trotz positiver Fortführungsprognose insolvent, wird es dem Geschäftsführer schwer fallen, sich hierauf zu berufen.[10]

Auch der sog. faktische Geschäftsführer, also derjenige, der die Geschäftsführung der GmbH faktisch übernommen hat ohne zum Geschäftsführer oder Mitgeschäftsführer bestellt zu sein, ist zum Antrag berechtigt. Die Verpflichtung zu Stellung des Insolvenzantrages gem. § 64 Abs. 1 GmbHG und die Verantwortung für die Verletzung besteht für den faktischen Geschäftsführer entsprechend dem tatsächlichen Geschäftsführer.[11] Eine völlige Verdrängung des gesetzlichen Geschäftsführers ist hierbei nicht erforderlich.

I.) Rechtsfolgen

1.) Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern

Hat der Geschäftsführer schuldhaft gegen § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßen, so wird zwischen den Rechtsfolgen zwischen den Alt- und Neugläubigern unterschieden. Altgläubiger haben ihre Forderung bereits vor dem Zeitpunkt erworben, in dem der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Gläubiger, die ihre Forderungen erst nach dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes und nach Eintritt der Antragspflicht erworben haben, sind Neugläubiger.

Der Geschäftsführer haftet gegenüber den geschädigten Gesellschaftsgläubigern aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG wenn er schuldhaft die Insolvenzantragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG verletzt hat.[12] Die sich hieraus ergebende Haftung ist gegenüber Altgläubigern auf den Betrag beschränkt, um den sich die Quote, die sie bei rechtzeitiger Antragstellung erhalten hätten, durch deren Verzögerung verringert (sog. Quotenschaden[13]). Die Haftung setzt Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus.[14] Neugläubiger haben einen Anspruch auf Ersatz des vollen, nicht durch den Quotenschaden begrenzten Schadens; d.h. sie sind so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie das Geschäft nicht getätigt hätten. Dieser Schaden ist ihnen dadurch entstanden, dass sie in Rechtbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH getreten sind.

Eigentlich braucht ein Geschäftsführer einen Vertragspartner über die Krise der Gesellschaft nicht aufklären. Auf Anfrage ist der Geschäftsführer jedoch verpflichtet, einem Lieferanten, von dem er einen Warenkredit in Anspruch nimmt, die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens zu offenbaren. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann einen Ersatzanspruch des Lieferanten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen („culpa in contrahendo“) gegen den Geschäftsführer begründen, wenn der Lieferant im Rahmen der Insolvenz der GmbH mit Forderungen aus Warenlieferungen ausfällt.[15]

2.) Haftung gegenüber der Gesellschaft

Im Mittelpunkt der Insolvenzverschleppungshaftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft steht die Vorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG (Haftung wegen Masseschmälerung). Die nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen hat der Geschäftsführer hiernach zu erstatten, sofern diese Zahlungen nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprachen. Ist die Masse zur Zeit der Verteilung an die Gesellschaftsgläubiger geringer, als sie wäre, wenn diese Zahlungen nicht geleistet worden wären, könnte dies ein möglicher Erstattungsanspruch ergeben. Nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG sind nur die geleisteten Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, nicht mittelbar durch die Geschäftsweiterführung entstandene Schäden zu ersetzen.[16]

[...]


[1] Quelle: http://www.akademie.de/existenzgruendung/tipps/gruendung/limited-falle-haftung.html (10.04.2006)

[2] Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Auch ist Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

[3] Drohende Zahlungsunfähigkeit: Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

[4] Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.

[5] Vgl. Rocco, Jula; Die Haftung von GmbH-Geschäftsführern und Aufsichtsräten, 1998, S. 64

[6] Vgl. Pernice, Christina; Die Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft im deutschen, französischen und englischen Recht, 2002, S. 127

[7] Vgl. Rocco, Jula: Die Haftung von GmbH-Geschäftsführern und Aufsichtsräten, 1998, S. 66

[8] Vgl. Rocco, Jula; Die Haftung von GmbH-Geschäftsführern und Aufsichtsräten, 1998, S. 72

[9] Bei einer positiven Fortführungsprognose ist das Reinvermögen (Vermögensgegenstände abzügl. Schulden) in dem Überschuldungsstatus nach den Fortführungswerten unter Berücksichtigung der stillen Reserven und Belastungen zu ermitteln. Reinvermögen positiv: Keine Überschuldung liegt vor. Reinvermögen negativ: Überschuldung liegt vor; Insolvenzverfahren muss eröffnet werden.

[10] Vgl. Rocco, Jula; Die Haftung von GmbH-Geschäftsführern und Aufsichtsräten, 1998, S. 73

[11] Vgl. BGH, Urt. vom 22.09.1982, S. 43 f.

[12] Vgl. BGH, Urt. vom 07.11.1994, GmbHR, S. 226

[13] Quotenschaden: Besteht aus der Differenz zwischen dem Masseerlös, den die Gläubiger bei rechtzeitiger Beantragung des Insolvenzverfahrens erlangt hätten, und dem Betrag, den sie nunmehr nach verspäteter Einleitung des Verfahrens erhalten. Die Messung des Schadens kann auch im Wege der Schadensschätzung durch das Gericht erfolgen.

[14] Vgl. BGH, Urt. vom 06.06.1994, GmbHR 1994, S. 539; Zur Berechnung des Quotenschadens vgl. BGH Urt. vom 28.04.1997, GmbHR 1997, S. 898 ff.

[15] Vgl. Spörlein u.a.; Handbuch für den Geschäftsführer der GmbH, 18. Auflage, 2004, S. 186, 187

[16] Vgl. Pernice, Christina; Die Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft im deutschen, französischen und englischen Recht, 2002, S. 59

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung nach deutschem und englischem Recht
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Veranstaltung
Wirtschaftsrecht-Seminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V74052
ISBN (eBook)
9783638735551
ISBN (Buch)
9783638802932
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haftung, Geschäftsführers, Insolvenzverschleppung, Recht, Wirtschaftsrecht-Seminar
Arbeit zitieren
B.A. BWL- Corporate Finance Nicole Dickgiesser (Autor:in), 2006, Die Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung nach deutschem und englischem Recht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74052

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