Hypermedia und Interfiction: Digital - die Literatur der Zukunft?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Intention und Aufbau der Arbeit
1.2. Verwendete Literatur

2. Hypertext und Internet
2.1. Historische Entwicklung
2.2. Begriffserklärungen
2.3. Hyperfiction – ein neues literarisches Genre?

3. Hypertextuelle Strukturen und ihre Auswirkungen
3.1. Die neuen Rollen von Autor und Leser
3.2. Lektüreerfahrungen mit digitaler Literatur

4. Ein praktisches Beispiel – The Egg The Cart The Horse The Chicken

5. Schlußbemerkung

1. Einleitung

1.1. Intention und Aufbau der Arbeit

„ Ein Gespenst geht um in den Verlagen und Bücherstuben der abendländischen Welt, es ist das Gespenst der digitalen Literatur. Alle Kräfte des traditionellen Literatursystems haben sich zu einem Kampf gegen die Feinde der Buchkultur verschworen oder sind dabei, sich mit ihnen zu verbünden.“[1]

Dieses Zitat aus der Einleitung zu Roberto Simanowskis Buch Interfictions. Vom Schreiben im Netz. (Suhrkamp 2002) verdeutlicht die aktuellen Debatten und Ängste, die scheinbar mit der Entwicklung und Verbreitung der neuen Medien einhergehen

Die immer weiter fortschreitende Entwicklung der Computertechnologie und der nicht mehr aufzuhaltende Einzug des Internets in eine Vielzahl der Bereiche des täglichen Lebens verursacht vielerorts gemischte Gefühle. Während die einen den Beginn eines neuen, des digitalen Zeitalters feiern, fürchten andere den Untergang von Tradition und Kultur

Im Zentrum dieser Ängste scheint zunehmend auch insbesondere die Literatur zu stehen. Das Buch mußte sich im 20. Jahrhundert gegen zahlreiche Konkurrenten, nicht zuletzt vor allem Film und Fernsehen, behaupten. Seit der Erfindung der bewegten Bilder wird dem Buch immer wieder sein bald bevorstehendes Ende prophezeit

Als Folge der technischen Weiterentwicklung steht nun anscheinend die nächste „Bedrohung“ vor der Tür – die digitale Literatur. Es handelt sich dabei nicht in erster Linie um Literatur, die irgendwie ihren Weg in das Internet gefunden hat – so liegen zum Beispiel von zahlreichen Werken der Literaturgeschichte mittlerweile auch HTML Versionen vor. Die neue „Literatur“ ist gar nicht für den Druck auf Papier vorgesehen, beziehungsweise in vielen Fällen sogar undruckbar

Diese „Literatur“ entsteht im und aus dem Netz des digitalen Codes, sie ist interaktiv und zunehmend auch multimedial. Es handelt sich um ein neues „literarisches“ Feld, das mit den spezifischen Mitteln der digitalen Medien neue ästhetische Ausdrucksformen entwickelt: kollaborative Mitschreibeprojekte, Hyperfictions und multimediale Werke, die Wort, Bild und Ton zu einer neuen Sprache mixen.[2]

Die vorliegende Arbeit soll dieses neue „literarische“ Phänomen einmal genauer beleuchten, und dabei insbesondere der Frage nachgehen, ob das Buch von seinem digitalen Konkurrenten in der Zukunft tatsächlich etwas zu befürchten hat

Nach einem kurzen Blick auf die historische Entwicklung digitaler Literatur und der Klärung einiger wichtiger Begriffe geht es zunächst um die Frage, ob es sich bei der digitalen Literatur überhaupt um ein „literarisches Genre“ handelt. Im dritten Teil der Arbeit sollen die hypertextuellen Strukturen dieser neuen „Literatur“ und besonders deren Auswirkungen auf die Rollen von Autor und Leser analysiert werden. Im vierten Teil folgt die Verdeutlichung dieser Merkmale an einem konkreten Beispiel, nämlich Hazel Smith und Roger T. Dean’s hypermediales The Egg The Cart The Horse The Chicken

Abschließend soll gezeigt werden, dass die Leseerfahrung, die man mit digitaler Literatur macht, sich in vielen Faktoren grundsätzlich von der mit einem klassischen Buch unterscheidet, und dass schon allein aus diesem Grund in digitaler Literatur eher eine kreative Bereicherung des literarischen Feldes, als eine Konkurrenz für das Buch gesehen werden sollte

1.2. Verwendete Literatur

Für ein Thema, das sich explizit mit Computertechnologie und dem Internet beschäftigt, bietet sich letzteres natürlich auch als Quelle wichtiger Informationen an. Die Adressen der im Einzelnen verwendeten Internetseiten finden sich in den Fußnoten und natürlich im Literaturteil am Ende der Arbeit. Besondere Erwähnung verdienen jedoch vor allem das Online Magazin dichtung-digital und das Interactive Multimedia Electronic Journal of Computer-Enhanced Learning der Wake Forest University

Auch wenn die Forschung zu diesem Thema noch relativ am Anfang steht, gibt es mittlerweile auch Veröffentlichungen in klassischer Buchform, die sich dem Schreiben im Netz widmen. Als Hauptquellen für die vorliegende Arbeit dienten in erster Linie das von Beat Suter herausgegebene Buch hyperfiction. Hyperliterarisches Lesebuch: Internet und Literatur., Nina Hautzingers Vom Buch zum Internet? und Liter@tur. Computer – Literatur – Internet., herausgegeben von Hansgeorg Schmidt-Bergmann und Torsten Liesegang

2. Hypertext und Internet

2.1. Historische Entwicklung

Der Ursprung der Hypertexte, zumindest der nicht-künstlerischen Variante, geht bereits auf die 1960er Jahre zurück. Hypertexte dienten zunächst ganz praktischen Zwecken: der CIA Agent Vannevar Bush wollte seine Mikrofiches aufarbeiten, und Theodor Holm Nelson, der Mann der den Begriff „Hypertext“ prägte, wollte Ordnung in der Archivierung von Literatur schaffen.[3]

Seit den späten 1980er Jahren wurden diese nicht-linearen Textgrundlagen auch für die Schaffung literarischer Texte verwendet. Klassische Beispiele für erste Hyperfictions sind Michael Joyces „Afternoon. A Story.“ (1987) und „Victory Garden“ von Stuart Moulthrop (1991). Diese Werke wurden zunächst für den Vertrieb über Diskette programmiert und vom amerikanischen Eastgate Verlag veröffentlicht

1984 äußerte sich Nelson konkret zur Definition des von ihm geprägten Begriffs:

“By Hypertext I simply mean non-sequential writing; a body of written or pictoral material interconnected in such a complex way that it could not be presented or represented on paper. Hypertext is the generic term for any text, which cannot be printed.”[4]

Mit der Entwicklung und Verbreitung des Internets gesellte sich zu den Hypertexten, die für die Vermarktung auf Disketten und CD-Roms vorgesehen waren, digitale Literatur, die online im world wide web veröffentlicht wurde. Diese Hyperfictions sind dank technologischer Neuentwicklungen zunehmend gekennzeichnet von medialer Verschmelzung, der Überlagerung der verschiedenen Erzählstrategien von Text, Bild, Ton und Film.[5]

2.2. Begriffserklärungen

Eine erste Definition des bereits mehrfach verwendeten Begriffs Hypertext ist die von Nelson im vorangegangenen Abschnitt. Bergmann und Liesegang definieren Hypertext in der Einführung zu dem von ihnen herausgegebenen Buch Liter@tur wie folgt: „Hypertext ist ein Medium der nicht-linearen Organisation von Informationseinheiten, deren Elemente durch Hyperlinks verbunden sind. Im Gegensatz zu einem linearen herkömmlichen Buchdruck ermöglicht Hypertext eine komplexe Anordnung von Textelementen, deren Verknüpfung frei definiert werden kann. Textelemente können dabei auch Bilder, Animationen oder Töne sein.“[6] Im Gegensatz zu Nelson gehen sie jedoch davon aus, dass Hypertext auch in Papierform existiert, nämlich in Form von analogen Montagen.[7]

In den Fällen, in denen es sich bei den verknüpften Textelementen um Bilder, Animationen, Töne oder gar Filme handelt, spricht man nicht mehr nur von Hypertexten, sondern von Hypermedia. Hypermedia ist also Hypertext in einem weiteren Sinne, sozusagen die Verknüpfung von Hypertextstruktur mit Multimediaelementen. Der Unterschied zwischen Multimedia und Hypermedia liegt beispielsweise auch in der passiven Rezeption verschiedener Filmclips einerseits, und der im Vergleich dazu interaktiven Kontrolle der dynamischen Verbindungen zwischen den Informationsteilen in Hypermedia – Projekten andererseits.[8]

Der Dachbegriff für Hypertext, beziehungsweise Hyperfiction, und Hypermedia ist digitale Literatur, die Simanowski zusammenfassend so definiert: „Digitale Literatur ist eine künstlerische Ausdrucksform, die der digitalen Medien als Existenzgrundlage bedarf, weil sie sich durch mindestens eines der spezifischen Merkmale digitaler Medien – Interaktivität, Intermedialität, Inszenierung auszeichnet.“[9] Hypertext und Hypermedia sind also Subkategorien, die durch eine bestimmte Verfasstheit digitaler Literatur charakterisiert sind

2.3. Hyperfiction - ein neues literarisches Genre?

Bei der von Simanowski vorgenommenen Definition digitaler Literatur stellt sich die Frage, ob es sich bei dieser neuen digitalen Ausdrucksform überhaupt um ein neues „literarisches“ Genre handelt, und inwiefern sich dieses von digitaler Kunst abgrenzt

Bereits 1989 diskutierte Richard Ziegfeld dieses Problem. Er benutzte dabei jedoch den Terminus „Interactive Fiction“, den er folgendermaßen definierte:

„Interactive Fiction is literature delivered via software rather than print books. Available software permits options of three types: graphical / visual, audio, and those that involve author / reader dialogue.“[10]

In dieser Definition hat sich Ziegfeld nicht nur darauf festgelegt, dass es sich bei dem neuen digitalen Phänomen um Literatur handelt, er schließt sogar nicht rein auf Text basierende Hypermedia mit ein. Dabei muß man allerdings bedenken, dass 1989 die Dominanz des Wortes über rein visuelle oder Audioelemente noch sehr deutlich war

„Interactive fiction addresses language concerns with visible – rather than oral words – that readers can contemplate for so long as they wish and to which they may return for further study. While interactive fiction offers potent possibilities in the visual realm, it presents a proportion of word in relation to graphic device that sharply distinguishes it from the visual electronic media

[...]


[1] Simanowski, Roberto. Interfictions. Vom Schreiben im Netz. Einleitung. Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp. 2002 ; auch unter www.dichtung-digital.com/2002/07-19-Simanowski

[2] vgl. Simanowski (2002)

[3] cf. Nelson, Th.Holm. „Getting it Out in Our System“ In: Georg Schecter (Hgg.) Information Retrieval. A Critical View., Washington DC, 1967

[4] Nelson, Th.Holm. Literary Machines. Selbstverlag 1987, (I/17)

[5] Simanowski, R. „Interactive Fiction und Software-Narration. Begriff und Bewertung digitaler Literatur.“ In: Schmidt-Bergmann, Hansgeorg / Liesegang, Torsten.(Hgg.) Liter@tur. Computer-Literatur-Internet. Aisthesis Verlag: Bielefeld 2001, S. 117-140

[6] Schmidt-Bergmann, Hansgeorg / Liesegang, Torsten. Liter@tur. Computer-Literatur-Internet. Aisthesis Verlag: Bielefeld 2001, S. 17

[7] Schmidt-Bergmann, Hansgeorg / Liesegang, Torsten, S. 12

[8] vgl. Simanowski (2001), S. 123

[9] Simanowski (2002)

[10] Ziegfeld, Richard. „Interactive Fiction: A New Literary Genre?“ In.: New Literary History. A Journal of Theory and Interpretation. 1989, 20/2 S. 341-372

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Hypermedia und Interfiction: Digital - die Literatur der Zukunft?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V73976
ISBN (eBook)
9783638679008
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hypermedia, Interfiction, Digital, Literatur, Zukunft
Arbeit zitieren
Franziska Böttcher (Autor:in), 2002, Hypermedia und Interfiction: Digital - die Literatur der Zukunft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73976

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