"Der Mensch wird am Du zum Ich". Martin Bubers Verständnis von Erziehung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Biographischer Abriss

2. Das dialogische Prinzip
2.1 Ich-Es
2.2 Ich-Du

3. Bubers Verständnis von Erziehung
3.1 Definition von Erziehung laut Buber
3.2 Erziehungsbedürftigkeit des Menschen
3.3 Bubers „Erziehungsziele“
3.4 Welche Bedeutung hat das dialogische Prinzip für Bubers Erziehung
3.4.1 Anerkennung der „Uranderheit“
3.4.2 Unmittelbarkeit
3.4.3 Ausschließlichkeit
3.4.4 Umfassung
3.4.5 Vertrauen
3.4.6 Dialogische Verantwortung

4. Fazit
4.1 Mögliche Kritik an Martin Bubers Erziehungsverständnis
4.2 Bewertung

5. Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur
5.2 Sekundärliteratur
5.3 Internetquellen

0. Einleitung

In einer Zeit, in der sich Egoismus und Selbstbezogenheit der Menschen immer mehr ausbreiten und die Mitmenschen immer unwichtiger werden ist es wohltuend, sich in einem universitären Seminar mit nicht-subjektivistischen Ansätzen der Pädagogik zu beschäftigen. Mir persönlich wurde dadurch wieder einmal bewusst, dass sich die Welt nicht nur um uns dreht, sondern dass wir für die Welt, die Dinge und die Mitmenschen verantwortlich sind und dementsprechend handeln sollten. Im Zentrum der Studien standen dabei die Pädagogen Theodor Ballauf, Klaus Schaller und der Religions- und Sozialphilosoph Martin Buber. Im Rahmen dieser Veranstaltung habe ich mich mit dem Erziehungsverständnis Martin Bubers näher befasst. Dazu werde ich in aller Kürze auf Bubers Biographie eingehen, bevor ich den Hauptaspekt seines Denkens, das dialogische Prinzip, vorstelle. Dessen Einfluss auf Bubers Vorstellung von Erziehung soll im Hauptteil der Arbeit ausführlich dargelegt werden, ohne dabei kritische Aspekte auszusparen, um so abschließend zu einer umfassenden Bewertung von Bubers erzieherischem Denken zu gelangen. Ziel der Arbeit ist es, verständlich zu machen was es bedeutet, wenn Buber sagt, dass der Mensch nur „am Du zum Ich“[1] werden kann.

1. Biographischer Abriss

Bevor ich nun auf des Zentrum von Martin Bubers Denken eingehe, lege ich kurz wichtige Daten seiner Biographie dar, um so seine Ansichten auf eine Grundlage zu stellen. Der jüdische Martin Buber wurde 1878 in Wien geboren und starb 1965 in Jerusalem. Buber wuchs nach der Scheidung seiner Eltern bei den religiösen Großeltern auf. Diese legten den Grundstock für seine vielseitigen Interessen. Der Chassidismus, der die Omnipräsenz Gottes anstelle strengen Gesetzesglaubens betont, wird Bubers geistige Überzeugung. Deshalb finden sich auch die Ursprünge seiner Pädagogik in alttestamentlicher und chassidischer Tradition.[2] Ab 1896 studierte er Philosophie, Kunstgeschichte, Literatur, Germanistik, klassische Philologie sowie Nationalökonomie. In dieser Zeit wandte sich Buber auch dem Zionismus zu und setzte sich von da an für die Wiedererrichtung eines eigenen jüdischen Staates in Palästina ein. Ein weiteres Anliegen war ihm das Miteinander von Juden und Arabern sowie das Verhältnis zwischen Juden und Deutschen. Von 1925 an übersetzte er gemeinsam mit Franz Rosenzweig die Bibel vom Hebräischen ins Deutsche. Neben publizistischen Tätigkeiten nahm Bubers pädagogisches Engagement einen großen Raum ein: er bemühte sich um die Gründung einer freien Hochschule und des jüdischen Volksheims in Berlin, nahm an Treffen des Hohenrodter Bundes teil, lehrte am Freien Jüdischen Lehrhaus, an der Universität Frankfurt am Main und hatte den Lehrstuhl für Sozialphilosophie und allgemeine Soziologie an der Hebräischen Universität in Jerusalem inne. Des Weiteren war er Mitbegründer des Kulturbundes Deutscher Juden für Frankfurt am Main und der Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung.[3] In den Jahren von 1925 bis 1939 entstanden die Drei Reden über Erziehung mit den Titeln: Über das Erzieherische, Bildung und Weltanschauung und Über Charaktererziehung. Diese Schriften bilden die Grundlage, auf der ich nun Bubers Verständnis von Erziehung darlegen möchte.

2. Das dialogische Prinzip

Bei der Problematik was den Menschen ausmache, distanziert sich Martin Buber von vielen bekannten Philosophen wie Hegel, Marx, Feuerbach, Nietzsche oder Heidegger. Diese trennen bei der Beantwortung jener anthropologischen Frage den Menschen vom Ganzen ab und betrachten nur einen kleinen Aspekt.[4] Buber versucht hingegen den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen. Er bemüht sich die Frage, was der Mensch sei, mit dem dialogischen Prinzip , dem Kerngedanken seiner Philosophie, zu beantworten. Buber berücksichtigt dabei die komplette Lebenswirklichkeit des Menschen: die Beziehung zur Natur, zu den Mitmenschen und zu den geistigen Phänomenen. Dabei geht Buber jedoch weder von einer individualistischen, noch von einer kollektivistischen Sichtweise, sondern vielmehr von einer dritten Instanz, dem „Zwischen“, aus.[5] Dies bezeichnet die echte Zwischenmenschlichkeit. Den Punkt, an dem sich zwei Menschen wirklich begegnen. Dieser Gedanke ist der Hauptaspekt von Bubers Schaffen. Der Mensch ist auf ein Du hin ausgerichtet und kann erst in der Begegnung mit dem Gegenüber zu sich selbst, zum Ich, finden:

„[...] erst der Mensch mit dem Menschen ist ein rundes Bild.“[6]

Um aber mit anderen Menschen in Beziehung treten zu können, bedarf es der „Urdistanz“ als Voraussetzung. Diese Fähigkeit, sich von Dingen und Menschen zu distanzieren, ist jedem Einzelnen gegeben. Es ist das Verhältnis zu sich selbst gemeint, denn erst wenn man sich selbst kennt und sich als Person annimmt, dann erst kann man in eine Beziehung zu anderen treten. „Urdistanz“ ist für Buber die Bedingung für Beziehung. Diese beiden Begriffe bilden die menschliche Wirklichkeit:[7] die Urdistanz stellt die Basis für menschliche Beziehungen dar und in diesen Beziehungen wird der Mensch erst zum Menschen. In welche Form der Beziehung getreten wird hängt nun davon ab, für welches der beiden Grundworte Bubers man sich entscheidet: für das Wortpaar Ich-Es oder den Begriff Ich-Du. Diese Grundworte sind die beiden möglichen Haltungen, wie wir unserem Gegenüber begegnen, das heißt, das Ich der beiden Varianten ist jeweils ein anderes.

2.1 Ich-Es

Das Ich des Grundwortes Ich-Es ist ein anderes, als das Ich des Grundwortes Ich-Du. Sprechen wir Ich-Es, so bleibt das Ich bei sich selbst und das Es, das auch durch Er oder Sie ersetzt werden kann, ist der Anlass zu einem Ergebnis:

„Wer Ich-Es spricht, der erfährt die Welt. Sie ist für ihn nutzbar, sie dient seinen Zwecken.“[8]

Das heißt unser Gegenüber ist der Andere der in das Gesamtgefüge eingeordnet werden soll. Das Ich fragt in diesem Moment nach Ursache und Wirkung, nach Reaktion und Berechenbarkeit. Der Mensch erfährt hier die Welt nach Gesetzmäßigkeiten, er kann aus diesen Erfahrungen Schlüsse ziehen und so die Es-Welt verstehen. Dabei steht der Einzelne, der Ich-Es spricht, in Distanz zu seiner Umwelt, um sie so beobachten, betrachten und erfahren zu können. Es ist also das passive Objekt, das sich das aktive Ich zu Nutze macht.[9] Die Welt dient den Zwecken des Menschen, er gebraucht sie, um mehr über sie und ihre Verhältnisse zu entdecken. Dabei bleibt er jedoch stets an der Oberfläche der Dinge, er erkennt nicht ihr Wesen, ihr Sein, sondern nur den äußeren Schein. Man wird sein Gegenüber nicht erkennen, es wird immer Es bleiben. Dieses Ich-Es ist der primäre Zustand der Menschheit, aber keine wirkliche Begegnung. Allerdings bietet sie dem Menschen Sicherheit,

Vertrautheit und Verlässlichkeit, denn die Es-Welt ist streng geordnet und zuverlässig, sie ist konkret fassbar und enthält überprüfbare Aussagen. Obwohl das Grundwort Ich-Es nicht zum wahren Sinn führt, lehnt Buber es nicht ab. Er erkennt, dass die Es-Welt für den Menschen wichtig ist, damit er Halt in der Welt und im Leben findet. Allerdings sieht er die Gefahr, dass das wirkliche Verhältnis der Menschen zueinander, das Ich-Du, auf diese Weise verkümmern könnte und deshalb stellt er dieses zweite Grundwort der Ich-Es-Beziehung voran, denn nur so kann der Mensch zu seinem Ich finden.[10]

2.2 Ich-Du

Das Ich des Grundwortes Ich-Du unterscheidet sich vom Ich des Grundwortes Ich-Es dadurch, dass das Ich nun in eine wirkliche Ich-Du-Beziehung zu einem Ding oder zu einem Menschen tritt. Es gibt drei Sphären, aus denen dem Menschen das ganzheitliche Du entgegentreten kann: aus der Natur, den Mitmenschen und dem Geistigen. Es treffen sich also zwei Subjekte und so entsteht die volle menschliche Wirklichkeit. Diese Begegnung kann der Mensch nicht erzwingen, „sie geschieht aus Wille und Gnade“.[11] Die restliche Welt ist von dieser Begegnung ausgeschlossen, sie passiert nur ganz unmittelbar und ohne einen bestimmten Zweck. Es handelt sich um einen flüchtigen Moment, der die Alltagssituation des Ich-Es für kurze Zeit unterbricht und sich zwei Menschen beziehungsweise ein Mensch und ein Ding in ihrem tiefsten Wesen erkennen. Die Begegnung beruht auf Gegenseitigkeit, in einem gemeinsamen Du-Sagen. Ein solches mitmenschliches Zusammentreffen kann nur dadurch entstehen, dass der andere so angenommen wird, wie er ist. Er wird in seiner ganzen „Anderheit“ akzeptiert, es ereignet sich das bereits erwähnte „Zwischen“:

„Jenseits des Subjektiven, diesseits des Objektiven, auf dem schmalen Grat, darauf Ich und Du sich begegnen, ist das Reich des Zwischen.“[12]

In diesem Aufeinandertreffen verwirklicht sich das Prinzip des Menschseins, das dialogische Prinzip Martin Bubers. Die Wirkung dieser Beziehung beruht also auf der völligen Annahme des anderen. Die Gegenüber versetzen sich ineinander hinein und umfassen sich gegenseitig. Sie entsprechen sich.

[...]


[1] Ebd.

[2] Wolf, Siegbert, Martin Buber zur Einführung. Hamburg, 2000, S. 11

[3] Ebd. S. 20 – 27 und http://www.buber.de/de/ueberblick_leben.shtml Stand: 26.02.2007 und http://www.buber-gesellschaft.de/buber.shtml Stand: 26.02.2007

[4] Faber, Werner, Das dialogische Prinzip Martin Bubers. Ratingen, 1967, S. 49f.

[5] März, S. 632

[6] Buber, Martin, Das Problem des Menschen. Heidelberg, 1954, S. 170

[7] Faber, S. 62

[8] Suter, Alois, Menschenbild und Erziehung bei M. Buber und C. Rogers. Bern, Stuttgart 1986, S. 83

[9] Suter,. S. 83 und Faber, S. 59 - 64

[10] Danner, H., Martin Buber – Dialogische Erzeihung zu Verantwortung. In: Danner, H., Müller, O., Müller-Wieland, M., Wehr, G., Zum Menschen erziehen. Frankfurt am Main, 1985, S. 65f.

[11] Suter, S. 86

[12] zitiert nach: März, S. 632

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
"Der Mensch wird am Du zum Ich". Martin Bubers Verständnis von Erziehung
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V73944
ISBN (eBook)
9783638728935
ISBN (Buch)
9783638903554
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mensch, Martin, Bubers, Verständnis, Erziehung, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Beate Sewald (Autor:in), 2007, "Der Mensch wird am Du zum Ich". Martin Bubers Verständnis von Erziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73944

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