Interpretation des Altars von Mauer bei Melk: Menschliches in göttlicher Vision


Hausarbeit, 2007

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Wallfahrtskirche zur hl. Maria am grünen Anger

3. Der Typus des holzsichtigen Retabels

4. Die Altarkonzeption

5. Ikonographie und Gestaltung des Figurenprogramms
5.1 Die Flügelreliefs und ihre Vorlagen
5.2 Die Szene im Mittelschrein
5.2.1 Die himmlische Zone
5.2.2 Die irdische Ebene

6. Interpretation des Mittelschreins

7. Die ungeklärte Meisterfrage

8. Menschliche Züge der Schreinszene und ihre Bedeutung

9. Schlussbemerkung

10. Literaturverzeichnis

Anhang:

Abbildungen

1. Einleitung

Flügelaltäre waren in gotischer Zeit die wichtigsten Ausstattungsgegenstände der Kirchen und erforderten die Bewältigung verschiedenster Aufgaben. Ihre Herstellung setzten höchstes handwerkliches und gestalterisches Geschick der Schreiner, Bildschnitzer und Maler, sowie komplexe geistige Fertigkeiten der Entwerfer für die Konzeption der theologischen Bildprogramme voraus.[1]

Der Flügelaltar von Mauer bei Melk ist einer der herausragendsten Altäre seiner Art. Er beeindruckt sowohl durch seine bildhauerische Qualität und seine ausdrucksstarke Schnitzkunst, als auch durch sein außergewöhnliches ikonographisches Programm.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Wissenschaft auf den Altar von Mauer aufmerksam und begann sich für seine Historie zu interessieren. Seitdem bestehen in der Forschung eine Reihe offener Fragen, zum Beispiel nach dem ursprünglichen Bestimmungsort des Retabels, seiner ikonographischen Deutung oder nach dem Meister des Schnitzwerkes. Da zu dem Retabel nur wenig schriftliche Überlieferungen existieren, konnten die genannten Problematiken bislang nur teilweise geklärt werden. Jene Bereiche, in denen die Forschung noch zu keiner übereinstimmenden Antwort gelangt ist, sollen in der vorliegenden Arbeit durch das Gegenüberstellen der unterschiedlichen Positionen verdeutlicht werden.

Der Fokus der Betrachtung soll in der folgenden Ausarbeitung vor allem auf der Deutung und der Gestaltung des ikonographischen Programms des Retabels liegen. Dies schließt die Interpretation der einzelnen figürlichen Bestandteile ebenso ein wie die Untersuchung des Gesamtkonzeptes des Altars. Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, wie die gemeinsame Darstellung von Menschlichem und Göttlichem im Zusammenhang mit dem Frömmigkeitsanspruch eines Retabels zu verstehen sein könnte. Da der Schwerpunkt der Aufgabenstellung im Bereich der Altardeutung liegt, wird auf die Klärung der Meisterfrage lediglich in Form einer Abhandlung der meistvertretenen Thesen eingegangen werden.

Die Begrifflichkeiten „Altar“ und „Retabel“ werden im Text synonym verwendet. Die Abbildungen, auf die im Text verwiesen wird, wurden der Arbeit als Anhang in numerischer Reihenfolge beigefügt.

2. Die Geschichte der Wallfahrtskirche zur hl. Maria am Grünen Anger

Die Kirche, welche der Jungfrau Maria geweiht ist, liegt im niederösterreichischen Mauer bei Melk und wird 1096 erstmals schriftlich erwähnt. Ihr Beiname „Maria am grünen Anger“ bezieht sich auf die Lage der Kirche auf einer Anhöhe außerhalb des Ortes. Durch einen Güteraustausch gelangte die Kirche 1110 in den Besitz der Benediktinerabtei Göttweig, zu der sie noch heute gehört. Von dem ursprünglich romanischen Bau der Kirche ist heute nichts mehr erhalten. Die ältesten Elemente im Inneren der Kirche sprechen für die Stilgeschichte um 1500. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich Mauer zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort.

Eine Weihurkunde aus dem Stiftsarchiv des Klosters Göttweig liefert erste Anhaltspunkte zum Standort, zur Datierung und zur Deutung des Marienaltars von Mauer: Am 15. Oktober 1509 weihte der Passauer Weihbischof Bernhard den damals neu erbauten Chor und einen Altar „[...] zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit, aller Heiligen und im besonderen der Jungfrau Maria“[2]. Da der Marienaltar am selben Tag wie der Chor geweiht wurde und die Kirche zudem eine Marienkirche ist, handelt es sich bei dem geweihten Altar vermutlich um den Hochaltar der Kirche.[3] Ob es sich jedoch bei dem 1509 geweihten Retabel tatsächlich um den heutigen Marienaltar von Mauer handelt, kann allerdings nicht mit Gewissheit gesagt werden. Die Datierungsangaben des Retabels schwanken zwischen 1509 und 1518.

Im 18. Jahrhundert erhielt die Kirche eine einheitliche Innenausstattung im barocken Stil. Der gotische Marienaltar wurde damals an seine heutige Stelle an der Nordostecke des Langhauses versetzt.[4] Bei einer Renovierung der Kirche 1953-1956 wurde neuer Raum für den Schnitzaltar geschaffen, dessen Wirkung sich dadurch verbessern konnte.[5]

3. Der Typus des holzsichtigen Retabels

In der Zeit ab 1500 wurde ein Großteil der Schnitzaltäre monochrom gefasst. Dabei wurde auf die Kreidegrundierung, den Metallüberzug und die Farbfassung der Retabel verzichtet, so dass Schärfe und Feinheiten der Holzskulptur stärker hervortreten.[6]

Es gibt verschiedene Gründe, die für den Wandel der Flügelaltäre vom polychrom gefassten, reich vergoldeten Werk, hin zur natürlichen Holzansicht verantwortlich sind. Eine Ursache waren die hohen Kosten einer Farbfassung. Diese führten dazu, dass ungefasste Retabel in der Hoffnung aufgestellt wurden, das notwendige Geld für eine Farbfassung durch eine spätere Stiftung zu erhalten. Darüber hinaus muss es im 16. Jahrhundert einen grundsätzlichen Wandel in der ästhetischen Bewertung von Skulptur gegeben haben. Eine Farbfassung galt inzwischen nicht mehr als Bereicherung und Vollendung, sondern vielmehr als Ablenkung vom Wesentlichen und somit als eine Gefährdung des Werkes.[7] „Die reine plastische Form der Schnitzarbeit hatte [...] eine neue, eigenständige Wertigkeit erlangt“[8]. Der Künstler konnte zeigen, dass er alleine mit seinen Mitteln Wirkungen erzielen kann, die der Unterstützung durch die Malerei nicht mehr bedurften.[9]

Die Holzoberfläche des Altars von Mauer ist mit einer Leimlösche überzogen. Es finden sich Teilbemalungen an den Wolken, sowie Farbakzente an Mündern, Augen und einzelnen Gewanddetails. Im Sinne des Konzeptes holzsichtiger, ungrundierter Skulpturoberflächen der Zeit um 1500 wird auf Vergoldungen oder andere Metallauflagen verzichtet. Der Altar von Mauer bei Melk gehört demnach zur Gruppe der holzsichtigen Retabel mit teilpolychromer Fassung.[10]

4. Die Altarkonzeption

Dem Betrachter präsentiert sich der Altar heute nicht mehr in seiner originalen Zusammenstellung aus Corpus, Flügeln, Predella und Aufsatz, da die Komposition dieser Elemente im Laufe der Jahre verändert wurde (Abbildung 1).

Im Kernstück des Retabels, dem Corpus, ist das zentrale Geschehen des Altars dargestellt.[11] Durch eine Vertiefung des zentralen Kastens erhalten die Figuren, die den Schrein in vollem Ausmaß füllen, mehr Raum zur Darstellung lebendig wirkender Plastizität.[12]

In seiner äußeren Erscheinung zeigt der Corpus eine Variation der klassischen, rechteckigen Kastenform. Der obere Abschluss des Schreins hat eine im flachen Halbrund schließende Form, die in den Flügeln wieder aufgenommen wird.[13]

Die Flügel befinden sich in untergeordneter Funktion an den Seiten des Schreins und bereiten inhaltlich auf die Szene im Zentrum vor. Die Fläche der Flügel ist durch horizontale Unterteilungen in vier Relieffelder untergliedert. Die Außenseiten der Flügel bleiben unverziert, sind aber mit Scharnieren ausgestattet, um den Altar verschließen zu können. Durch den Verzicht auf eine Bearbeitung der Flügelaußenseiten, kann das ikonographische Programm des Retabels nicht verändert werden. Demnach konnte der Flügelaltar von Mauer, trotz vorhandener Beweglichkeit der Flügel, nicht als Wandelaltar genutzt werden.[14]

Der Mittelschrein und die Flügelreliefs werden von Girlanden, die mit charakteristischen Renaissance-Ornamenten wie Blattbündeln, Blüten und Früchten gefüllt sind, umrahmt. Diese grenzen die einzelnen Bilder voneinander ab, füllen darstellungsfreie Flächen im Retabel und verleihen ihm eine einheitliche Wirkung des Aufbaus.[15]

Die Predella des Altars ist nicht mehr vorhanden. Was in der verloren gegangenen Predella dargestellt war, lässt sich nicht rekonstruieren, da die Themen spätgotischer Predellen zu unterschiedlich sind.[16]

Die Erscheinung der auf dem Altar angebrachten Kreuzigungsgruppe ist sowohl unter inhaltlichen, als auch stilistischen Aspekten inadäquat (Abbildung 2). Der Grund für diesen Eindruck ist, dass es sich bei dem Aufsatz, nach Erkenntnissen der letzten Restaurierung, nicht um den Originalbestand des Retabels handelt. Der Aufsatz befand sich ursprünglich auf einem anderen Retabel und wurde erst in sekundärer Verwendung auf dem Marienaltar von Mauer angebracht. Deshalb wird die Kreuzigungsszene des Aufsatzes und ihre Gestaltung in dieser Arbeit nicht näher erläutert werden.[17]

5. Ikonographie und Gestaltung des Figurenprogramms

5.1 Die Flügelreliefs und ihre Vorlagen

Die Flügelreliefs sind von hinten auf ein Trägerbrett aufgeschraubt. Da die Flügelfelder größer sind als die Reliefs, entsteht der Eindruck, als seien diese Reliefs ursprünglich für kleinere Flügelfelder bestimmt gewesen. Da sie aber zum ikonographischen Pogramm des Mittelschreins passen, ihre Breite denen der Flügel entspricht und der freibleibende Raum mit Ornamenten gefüllt ist, besteht kein Zweifel daran, dass sie sich schon immer an den Flügeln befanden.[18]

Die Bildideen für die Flügelreliefs sind keine künstlerisch eigenständigen Neuschöpfungen, sondern beruhen auf anderen Vorlagen. Dem Schnitzer von Mauer müssen diese Werke als direkte Vorlage vorhanden, oder über Zwischenwerke bekannt gewesen sein.[19] Die Flügelbilder sind am Retabel in der Reihenfolge von links nach rechts und von oben nach unten zu lesen und zeigen vier Szenen aus dem Leben der Heiligen Jungfrau Maria.

Auf der ersten Reliefszene ist die Verkündung an Maria dargestellt (Abbildung 3), welche gleichzeitig für den Beginn der Erlösungstat Christi steht. Als Vorbild diente dem Schnitzer ein Holzschnitt aus der Folge des Marienlebens Albrecht Dürers, den dieser um 1503 fertigte (Abbildung 4). Insgesamt dominiert bei Dürer der Raum mit einer reichen perspektivischen Architektur und dem Ausblick in die weite Landschaft. Dahingegen stehen in Mauer mehr die Figuren im Vordergrund, welche direkt vom Vorbild übernommen wurden.

Ebenso wie die erste Abbildung folgt auch die Heimsuchungsszene (Abbildung 5) einer Vorlage aus dem Marienleben von Albrecht Dürer (Abbildung 6). Vergleicht man das Relief mit seiner Vorlage, so fällt auf, dass die Szene insgesamt an Weiträumigkeit verliert. Der Meister von Mauer entwickelt die Landschaft nicht in die Tiefe, sondern in die Höhe. Die Figuren der Maria und der Elisabeth wurden kaum verändert in das Flügelrelief kopiert.

Das dritte Relief zeigt die Geburt Christi (Abbildung 7). Diesmal lehnt sich das Relief an einen Kupferstich Martin Schongauers an, welcher um 1470 entstand (Abbildung 8). Wiederum ist es die räumliche und perspektivische Wirkung, in der das Relief von seinem Vorbild abweicht.[20]

Die Darstellung des Marientods folgt keinem bekannten Vorbild (Abbildung 9). Die zusammensinkende Maria wird von einem Apostel gestützt, während die anderen Apostel um die Szene gruppiert sind. Zwei Quasten am unteren Ende des Reliefs deuten auf einen in der Mitte stehenden Schemel hin, auf dem die heilige Maria zu knien scheint.[21] Über ihr schwebt die kleine Gestalt Gottvaters, der ihre Seele in Empfang genommen hat und im Arm hält. Dieser Typus des Marientodes findet sich ausschließlich im südostdeutschen Kulturraum.[22]

5.2 Die Szene im Mittelschrein

Im Mittelschrein des Retabels rückt der architektonische Aufbau in den Hintergrund und die bildhafte Szene gewinnt an Bedeutung. Der Betrachtende hat den Eindruck „[...], als wäre hier eine gemalte Szene ins Plastische übersetzt worden“[23]. Nicht nur die nahezu vollrunde Ausarbeitung der einzelnen Figuren, sondern auch die realistische, lebensnahe Darstellung ihrer Mimik und Gestik führt zu dieser beeindruckend lebendigen Wirkung des Schnitzwerks.

5.2.1 Die himmlische Zone

Im oberen Bereich des Corpus ist Maria im Kreise der heiligen Dreifaltigkeit und umgeben von Engelsgruppen dargestellt (Abbildung 10). Maria befindet sich im Zentrum der Komposition und erscheint auf einem Wolkenthron schwebend mit dem Christuskind auf dem Schoße. Die Büste Gottvaters links, Zepter und Reichsapfel in den Händen haltend, und die Taube des Heiligen Geistes rechts, auf einer Wolke stehend, erweitern die Gruppe zu einer Darstellung der Trinität.[24] Die Figuren Gottvaters und des Heiligen Geistes sind Maria in ihrer Körperhaltung zugewendet. Auf Marias rechtem Knie balanciert das Christuskind auf einem Bein. Jesus strebt mit ausgestreckten Armen zur linken Seite des Schreins in Richtung Gottvater, wendet aber seinen Blick nach vorne. Marias Körper fängt durch eine sanfte Neigung zur rechten Seite die Bewegungsrichtung des Kindes harmonisch auf. Auf Marias Kopf liegt ein loser Schleier, der ihr Haupt dezent betont.[25]

Neben Gottvater und dem Heiligen Geist umgeben mehrere Gruppen von Engeln die Muttergottes. Ein Teil der Putten raffen Marias Mantel seitlich in einer großen Kurve hoch und breiten ihn aus, so dass er sie kreisförmig umgibt. Zwei weitere Engel halten eine Krone über Marias Haupt und lassen darin das Thema der Marienkrönung anklingen. Zu ihren beiden Seiten stimmen eng gedrängte Puttenreihen mit schwungvollen Notenblättern und Blockflöten zur Begleitmusik an (Abbildung 11).[26]

Viele der naturgetreu Ausgearbeiteten Engel sind gänzlich nackt, andere tragen ein kurzes Röckchen oder Hemdchen. Sie erscheinen mit kahlen Köpfen oder gelockten Haaren, mit lachenden Gesichtern oder grotesken, nahezu törichten Zügen (Abbildung 12). Humorvoll und mit bester Kenntnis kindlicher Verhaltensweisen wird die drolligen Puttenschar geschildert.[27]

5.2.2 Die irdische Ebene

Im unteren Teil des Mittelschreins befindet sich eine Gruppe von Heiligen und nackten Gestalten (Abbildung 13), von denen die meisten zu Maria aufblicken.

Die dicht gedrängte Schar der 15 Heiligen besteht aus knienden und stehenden Figuren und ist getrennt nach Männern und Frauen.[28] Nahezu jeder Figur der männlichen linken Gruppe antwortet in symmetrischer Anordnung eine weibliche Skulptur.[29] Die Figuren sind in lebhafter Bewegung eingefangen und von emotionaler Erregung gezeichnet. Diese findet ihren Ausdruck in den schwungvollen Körperhaltungen, wie auch in den eindrucksvoll gewölbten und abstrakt drapierten Faltenbahnen der Gewänder.[30] Die sehr unterschiedlichen Charaktere präsentieren sich über ihre individuelle Mimik und heben sich durch ihre ekstatische und ausladende Körperhaltung effektvoll hervor.[31]

Nur einige der sieben männlichen und acht weiblichen Heiligen sind anhand ihrer Attribute identifizierbar und können benannt werden. Links vorne kniet der Heilige Petrus mit dem Schlüssel in der Hand, seinen Kopf bis in die Waagerechte in den Nacken gelegt, um zu Maria aufzublicken. Hinter ihm steht Johannes der Evangelist, der einen reich verzierten Kelch in seiner rechten Hand hält. Darüber sieht man den Kopf Johannes des Täufers mit einem Lamm auf seiner Schulter. Das aus einem Baumstamm gefertigte Kreuz kennzeichnet den Apostel Andreas.[32] Im Hintergrund sieht man das ausgemergelte Antlitz eines kahlköpfigen, zahnlosen Alten im Profil. Ihm wendet sich ein Mann mit Pelzmütze zu.[33]

Der Ausdruck der markanten Männergesichter ist von inniger Ergriffenheit geprägt (Abbildung 14). Ihre Häupter sind mit lockiger Haarpracht und meist ebenso gekrausten Bärten ausgestattet. Diejenigen, welche eine nackte Gestalt in ihrem Arm beschützen, blicken senkrecht zu Maria auf, wohingegen sich die Blicke der übrigen Gestalten in allen Richtungen verteilen und Unruhe in die Gruppe bringen.[34]

Die gegenüber Petrus als große Gestalt Kniende besitzt zwar kein Attribut, könnte aber nach ihrer herausgehobenen Stellung und ihrer kostbaren Gewandung die Heilige Katharina sein, die als Meistverehrte häufig die Schar der Jungfrauen anführt.[35] Eine andere Annahme vertritt Maria Capra, indem sie in der Frauengestalt gegenüber Petrus die Heilige Ecclesia und damit die Personifizierung der streitenden Kirche sieht, während Petrus als Gegenposition das Haupt der triumphierenden Kirche darstelle.[36] Dies wiederum wird von Rupert Feuchtmüller dementiert, da seiner Ansicht nach die Ecclesia ein zu umfassendes Symbol ist, als dass sie den anderen heiligen Gestalten in dieser Konstellation beigeordnet wäre.[37] Eine endgültige Aussage kann über die kniende Frontfigur nicht getroffen werden, da zu ihrer genauen Benennung die notwendigen Kennzeichen fehlen.

In der hintersten Reihe kann die Heilige Dorothea mit dem Körbchen ausgemacht werden. Rechts außen ist die Heilige Agnes mit dem Lamm zu sehen. Die Heilige mit dem Kelch in der Hand ist Barbara. Bei ihr ist die unrealistische Darstellung der Knitterfalten ihres Gewandes besonders auffällig, welche ihren ekstatischen Gemütszustand unterstreichen sollen.[38] Die übrigen Gestalten des Schreins können nicht näher identifiziert werden.

Nur wenige der Jungfrauen blicken zu Maria auf, sie scheinen sich mit ihren gezierten Bewegungen viel eher füreinander zu interessieren (Abbildung 15). Der empor gerichtete, verträumte Blick der Heiligen zur Linken des Apostels Andreas scheint so entrückt, dass sie den Hilfeschrei der nackten Gestalt neben ihr nicht wahrnimmt. Hochmütig erscheint daneben der angehobene Kopf der gekrönten Jungfrau mit den Schnecken im Haarnetz, die sich der heiligen Barbara zuwendet. Der exzentrische Ausdruck dieser Köpfe mit ihren kunstvollen Frisuren steigert sich nochmals in der weiblichen Büste im Hintergrund zu einem beinahe unkontrollierten, närrischen Lachen.[39] In der Darstellung der manieristisch überzogenen Frauengestalten findet sich jener karikaturhafte Zug wieder, der bereits bei der Charakterisierung der Putten beschrieben wurde.[40]

[...]


[1] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 9.

[2] Wirth (1997a), S. 143.

[3] Vgl. Wirth (1997a), S. 142-144.

[4] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 324.

[5] Vgl. Feuchtmüller (1975), S. 16.

[6] Vgl. Schindler (1989), S. 16.

[7] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 36.

[8] Kahsnitz (2005), S. 39.

[9] Vgl. Schindler (1989), S. 16.

[10] Vgl. Koller (1997b), S. 9.

[11] Vgl. Baxandall (1996), S. 76-78.

[12] Vgl. Feuchtmüller (1975), S. 23.

[13] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 324.

[14] Vgl. Wirth (1997b), S. 14.

[15] Vgl. Völter (1927), S. 46.

[16] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 327.

[17] Vgl. Wirth (1997b), S. 15.

[18] Vgl. Wirth (1997b), S. 14.

[19] Vgl. Wirth (1997b), S. 10.

[20] Vgl. Wirth (1997a), S. 144.

[21] Vgl. Feuchtmüller (1975), S. 40.

[22] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 327.

[23] Feuchtmüller (1975), S. 24.

[24] Vgl. Capra (1950), S. 80.

[25] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 327.

[26] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 325-328.

[27] Vgl. Krone-Balcke (1999), S. 253-254.

[28] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 325.

[29] Vgl. Krone-Balcke (1999), S. 251.

[30] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 328.

[31] Vgl. Feuchtmüller (1975), S. 40-41.

[32] Vgl. Feuchtmüller, S. 25.

[33] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 328.

[34] Vgl. Krone-Balcke (1999), S. 252.

[35] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 325, 328.

[36] Vgl. Capra (1950), S. 80.

[37] Vgl. Feuchtmüller (1975), S. 26.

[38] Vgl. Kahsnitz (2005), S. 328.

[39] Vgl. Krone-Balcke (1999), S. 252.

[40] Schindler (1989), S. 188.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Interpretation des Altars von Mauer bei Melk: Menschliches in göttlicher Vision
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
33
Katalognummer
V73747
ISBN (eBook)
9783638881869
Dateigröße
1721 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interpretation, Altars, Mauer, Melk, Menschliches, Vision
Arbeit zitieren
Dorothea Dentler (Autor:in), 2007, Interpretation des Altars von Mauer bei Melk: Menschliches in göttlicher Vision, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73747

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