Die Phasen der Trauer bei Anne Philipe: "Nur einen Seufzer lang"


Hausarbeit, 2006

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Verena Kast: Zeit der Trauer
2.1 Todeserfahrung beim Tod eines geliebten Menschen
2.2 Die Phasen der Trauer

3 Anne Philipe: Nur einen Seufzer lang
3.1 Die Todeserfahrung in „Nur einen Seufzer lang“
3.2 Die Trauerphasen bei Anne Philipe

4 Resümee und Stellungnahme

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Motive Tod und Sterben werden in der Literatur auf unterschiedliche Weise dargestellt. Hierbei spielt es eine wesentliche Rolle, was das Sterben beziehungsweise der Tod für den Betroffenen selbst bedeutet, und wie Menschen aus dessen näherer Umgebung mit diesem Thema umgehen.

Der Tod hat in diesem Zusammenhang nicht nur eine Bedeutung für den Sterbenden selbst, sondern kann auch das Leben der Angehörigen auf drastische Weise verändern. So kann der Tod eines Menschen das eigene Selbst- und Weltbild so sehr beeinträchtigen, dass manche Menschen nie über den Verlust hinweg kommen und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Die durch den Tod eines geliebten Menschen eintretende Veränderung kann mehr oder auch weniger gut verkraftet werden; manche Menschen lernen mit ihrer Trauer umzugehen, andere verbleiben ihr ganzes Leben in einem Zustand tiefer Traurigkeit und Verzweiflung.

Der individuelle Trauerprozess eines Menschen stellt die Bewältigung des Verlustes und die Akzeptanz der dadurch hervorgerufenen Veränderung in ihrem eigenen Leben dar. Die Trauer als „psychologischer Prozess von höchster Wichtigkeit für die Gesundheit eines Menschen“ (Kast 2006: 8) verläuft bei jedem Menschen unterschiedlich, dessen Bewältigung kann einige Monate, Jahre oder ein ganzes Leben andauern.

Trotz dieser Komplexität kann Trauer in unterschiedliche Stufen unterteilt werden, um das Fortschreiten des individuellen Trauerprozesses nachvollziehen zu können. Basierend auf der Arbeit mit Trauerpatienten versucht die Psychologin Verena Kast in ihrem Werk „Zeit der Trauer“ eine Darstellung des Trauerprozesses anhand ihres Modells über die unterschiedlichen „Phasen der Trauer“ (vgl. Kast 2006: 14ff).

Im Folgenden möchte ich dieses Modell auf den individuellen Trauerprozess der Autorin Anne Philipe anwenden, um den Verlauf der von Verena Kast beschriebenen Trauerphasen herauszustellen. Anhand der Betrachtung des Werkes „Nur einen Seufzer lang“ von Anne Philipe soll die vorliegende Arbeit den literarischen Umgang mit den Motiven Tod und Trauer aufzeigen, und am Beispiel des autobiographischen Textes von Anne Philipe die praktische Anwendbarkeit des Modells der Psychologin Verena Kast zu überprüfen.

Nach einer Skizzierung der von Verena Kast dargelegten Trauerphasen werde ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit hierzu den individuellen Trauerprozess von Anne Philipe auf der Folie dieses Modells betrachten.

2 Verena Kast: Zeit der Trauer

2.1 Todeserfahrung beim Tod eines geliebten Menschen

Stirbt ein uns nahestehender Mensch, werden wir unmittelbar mit dem Tod als Teil des Lebens konfrontiert. In einer solchen Situation erfahren wir erstmals und unmittelbar, „was Tod ist“. Dieses Erlebnis widerfährt uns völlig unvorbereitet, erschüttert unsere Welt und damit unser Selbstverständnis von dieser (vgl. Kast 2006: 7).[1]

Wir definieren uns zu einem großen Teil über unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und konstruieren in Bezugnahme auf diese Bindungen unser Selbstbild. Ist eine Verbindung besonders stark und wird durch den eintretenden Tod plötzlich beendet, hat man das Gefühl mit dem geliebten Menschen auch ein Stück weit sich selbst zu verlieren. Verena Kast spricht in diesem Kontext aufgrund ihrer Arbeit mit Betroffenen von dem Gefühl, mit dem Menschen zu sterben (vgl. Seite 7).

Da das Selbst- und Weltbild der Betroffenen zerrüttet ist, zwingt dieses Todeserlebnis die Trauernden zu einer radikalen Wandlung; mit dem Tod eines Menschen und dem Ende einer identifikatorischen Bindung kann sich das Leben der Trauernden drastisch ändern. Dieser Veränderung verlangt nach einer Neuorientierung in dem Sinne, dass ein anderes und neues Verhältnis zu sich selbst und zur Welt geschaffen werden muss (vgl. Seite 8).

Diese Neuorientierung, die Verena Kast in diesem Kontext als „Wandlung“ bezeichnet, stellt dementsprechend ein wesentlicher Teil der Trauerarbeit dar.

Neben der Notwendigkeit sein Leben aus einer schmerzlich neuen Perspektive zu betrachten, sieht sich der Trauernde mit Frage nach dem Sinn des Lebens konfrontiert, eine Frage, die sich möglicherweise nie zuvor in dieser Weise für ihn stellte.

Die Betroffenen verstehen im wahrsten Sinne des Wortes die Welt nicht mehr und müssen die Realität der „Abwesenheit von Sinn“ (Seite 9) aushalten. Der Verlust kann weiter dazu führen, dass die Hinterbliebenen nicht nur an dem Sinn des Lebens, sondern auch an Gott und der menschlichen Existenz als solche zweifeln (vgl. Seite 9). Wesentlicher Teil des Trauerprozesses ist in diesem Zusammenhang die Bewältigung dieser Zweifel, sowie eine emotionale sowie lebensweltliche Neuorientierung.

Die Psychologin Verena Kast betont in ihrer Arbeit, dass Trauern nicht länger als Schwäche betrachtet werden darf, sondern ein „psychologischer Prozess von höchster Wichtigkeit für die Gesundheit eines Menschen“ darstellt (Seite 8).

2.2 Die Phasen der Trauer

Verena Kast stellt in ihrem Werk „Zeit der Trauer“ ein Modell über die verschiedenen Phasen des Trauerprozesses vor. Hierbei sind im wesentlichen vier Stufen zu unterscheiden, die jedoch nicht klar von einander abgrenzbar sind.

Die erste Phase der Trauer laut dieses Modells ist die „Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens“ (Seite 14). In dieser ersten Phase nach der Nachricht des Todes können die Betroffenen den Verlust nicht glauben; der Schock in dieser Phase kann als Empfindungslosigkeit beschrieben werden, welche durch das Nichtbegreifen-Können der Nachricht zustande kommt (vgl. Seite 14). Verena Kast erklärt diese Empfindungslosigkeit, die sich oftmals durch die Unfähigkeit zu weinen bei den Betroffenen äußert, durch eine Art Gefühlsschock (vgl. Seite 15). Dieser Schock entsteht dadurch, dass das Gefühl bei der ersten Nachricht vom Tod des geliebten Menschen so stark ist, dass die Betroffenen mit dieser Emotion schier nicht umgehen können und sie deshalb verdrängen (vgl. Seite 16). Die Phase des „Nicht-wahrhaben-Wollens“ kann von einigen Stunden bis zu etwa eine Woche dauern (vgl. Seite 14), was stark von der Situation, der Person selbst und den Umständen des Todes abhängig ist.

Nach diesem anfänglichen Gefühlsschock tritt die „Phase der aufbrechenden Emotionen“ ein (Seite 16). In dieser Phase werden die schmerzlichen Gefühle bei den Betroffenen in der Regel zugelassen. Hierbei treten verschiedene Emotionen wie Wut, Trauer, Zorn, Angst aber auch Gefühle der Freude meist unkontrolliert zu tage. Die Betroffenen sind nun traurig und wütend zugleich darüber, dass sie vom Verstorbenen allein gelassen wurden.

Oftmals sind Trauernde in dieser Phase wütend auf Dritte, und beschuldigen beispielsweise Verwandte oder Ärzte. Verena Kast deutet die Wut auf außenstehende Personen als eine Art verschobener Zorn, der sich eigentlich auf den Verstorbenen selbst richtet (vgl. Seite 17).

In diesem Verhalten erkennt die Psychologin eine Strategie der Trauernden, um den Verlust besser akzeptieren zu können. Die Untersuchungen zeigen, dass sich die Betroffenen in diesem Falle weitaus weniger hilflos und ausgeliefert fühlen, weil das Finden eines Schuldigen den Verlust weniger schicksalhaft macht (vgl. Seite 19).

[...]


[1] Da sich das gesamte Kapitel 2 dieser Arbeit auf das Buch von Verena Kast bezieht, verzichte ich im weiteren Verlauf auf genaue Quellenangaben und beschränke mich zur Vereinfachung auf die Angabe von Seitenzahlen.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Phasen der Trauer bei Anne Philipe: "Nur einen Seufzer lang"
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V73628
ISBN (eBook)
9783638781121
ISBN (Buch)
9783638794510
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phasen, Trauer, "Nur einen Seufzer lang", Anne Philipe
Arbeit zitieren
Nicole Borchert (Autor:in), 2006, Die Phasen der Trauer bei Anne Philipe: "Nur einen Seufzer lang", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73628

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