Strafe oder Prüfung? Zur Begründung des Paradigmas der Krankheit im armen Heinrich


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die Begründung der Krankheit
2.1 Die Krankheit als Strafe
2.2 Die Krankheit als Prüfung
2.3 Zusammenfassung

3. Fazit

4. Bibliographie

5. Literaturverzeichnis

Quelle

Forschung

1. Einleitung

In dem Werk Hartmanns von Aue „Der arme Heinrich“ erkrankt die Hauptperson Heinrich an einer Krankheit. Heinrich lebt bis dahin als „der vollendetet Typus der höfischen Humanität, vom Glück verwöhnt, aber durch seine Qualitäten des Glückes wert“[1] Doch dieses Glück ist nicht von langer Dauer, denn schon bald erkrankt Heinrich am Aussatz. Neben den schweren körperlichen Leiden hat dieser auch den Ausschluss aus der Gesellschaft zu Folge. Der Aussatz ist im Mittelalter keine beliebige Krankheit, sondern schon in der Bibel als Zeichen der Strafe eines Sünders bekannt. Ist die Krankheit also eine Strafe Gottes für getane Sünde?

Dem gegenüber steht der Vergleich Hartmanns mit dem biblischen Hiob, der ebenfalls eine Krankheit erleiden musste, bei dem Gott diese jedoch nicht als Strafe sondern als Prüfung seines Gottesvertrauens aussetzte.[2] Ist also auch bei Heinrich die Krankheit als Prüfung von Gott anzusehen?

Genau diese Aspekte sind Gegenstand meiner Hausarbeit. Es gilt zwei unterschiedliche Aspekte der Klärung der Begründung der Krankheit in „Der arme Heinrich“ aufzugreifen und zu erklären. „Gottes Hand treibt Heinrich ins Elend, das ist eindeutig ausgesprochen. Aber die innere Motivierung dieses göttlichen Zeichens fehlt noch. Es gibt hier nur Andeutungen, doch diese gehen nicht in eine einzige Richtung.“[3]

Als Forschungsliteratur dienten mir größtenteils Artikel und Bücher aus dem Ende der sechziger Jahre. Zu dieser Zeit wurde dieser Aspekt des Werks Hartmanns offensichtlich besonders ins Auge gefasst. Ich gehe davon aus, dass diese Texte der aktuellsten Forschungssituation entsprechen, da sie als die aktuellsten Beiträge in den Bibliographien zu finden waren und auch Autoren aktuellerer Werke, wie beispielsweise Christoph Cormeau und Wilhelm Störmer mit „Hartmann von Aue: Epoche – Werk – Wirkung“ aus dem Jahr 1993 aus diesen Texten zitieren und sie in ihre Forschung mit einbeziehen.

Meine Fragen an den Text Hartmanns drehen sich um das Warum. Warum erkrankt Heinrich am Aussatz? Worin ist dieser begründet? Ist sie nun als Strafe Gottes für getane Sünde zu verstehen? Und wenn ja, worin besteht die Sünde? Oder ist der Aussatz als eine gestellte Prüfung Gottes zu sehen, wie sie schon bei Hiob in der Bibel vorkommt? Was sagt Hartmann im Text über diese Fragen aus? Und gibt es in diese Fragen prinzipiell ein Übereinkommen?

Meine Hausarbeit hat das Ziel, genau diese Fragen zu klären. Dazu möchte ich im ersten Teil (2.1) die These, die Krankheit sei als Strafe ausgesetzt, untersuchen und sie auf der Grundlage von Forschungsliteratur unterstützen. Im nächsten Schritt stelle ich die dieser These widersprechende Argumente vor, die sich auf die Pro-Argumente beziehen und als Gegenbeweise angebracht werden. Im zweiten Punkt (2.2) schließlich bringe ich die zweite Erklärungsmöglichkeit für die Krankheit an, nach welcher die Krankheit als ausgesetzte Prüfung Gottes zu deuten ist. Auch hier stützte ich die Argumentation auf unterschiedliche Autoren. Im nächsten Schritt (2.3) fasse ich die wichtigsten Themen nochmals zusammen, bevor ich im letzten Punkt (3) versuchen werde, ein Fazit zu ziehen, welches angeben soll, womit die Krankheit begründet ist. Das Fazit soll demnach meine aufgestellten Fragen beantworten.

2. Die Begründung der Krankheit

„Auf Gottes Geheiß befällt den Freiherrn der Aussatz; Heinrich ist nicht das Opfer einer zufälligen Ansteckung. Das ermöglicht und gebietet es, weiter nach dem Sinn seines Leidens zu fragen“[4]

Wie schon in der Einleitung angesprochen, liegen zwei Paradigmen für eine mögliche Begründung des Aussatzes Heinrichs vor. In meinem Hauptteil möchte ich beide Varianten vorstellen.

Als erstes stelle ich die These vor, der Aussatz sei als Strafe Gottes zu verstehen. Begründet wird dies zum einen durch die allgemein gültige Annahme, dass eine solche Krankheit als Strafe von Gott für sündhaftes Tun zu verstehen ist. Das nächste Argument umfasst das Bekenntnis Heinrichs, der den Aussatz für sich selbst als Strafe Gottes für unterschiedliche Misstaten interpretiert. Anschließend untersuche ich sein sündhaftes Handeln, indem ich versuche die von Heinrich vollzogenen Fehltaten aufzudecken. Danach prüfe ich, ob und falls ja, welche seiner Taten eine solche Strafe legitimieren. Das letzte Argument schließlich untersucht das vorhandene Bußsakrament im „Armen Heinrich“ und argumentiert mit dessen Hilfe für das Strafmotiv.

Im nächsten Schritt bringe ich Argumente, die der Strafthese kontrastieren, hervor. Diese beziehen sich auf jeden Argumentationsansatz, der zunächst für das Strafschema sprach und widerlegen diesen somit.

Im zweiten Teil meiner Analyse prüfe ich die Annahme, die Krankheit sei als Prüfung von Gott ausgesetzt. Dabei werden entsprechende Textstellen im Primärtext angesprochen, die diese These unterstützen und anhand der Hiobsgeschichte in der Bibel einen Vergleich ermöglichen. Zu der Argumentation werden auch hier unterschiedliche Autoren herangezogen.

Den letzten Teil bildet schließlich eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente und Gegenargument und soll einen Überblick über die vorangegangene Analyse bieten.

2.1 Die Krankheit als Strafe

„Der Aussatz ist im Mittelalter eine tabuisierte Krankheit; ihn als Geißel und Strafe Gottes zu sehen, lehrt schon das alte Testament.“[5] Schon hier haben wir einen Hinweis darauf, dass wir die Krankheit Heinrichs als Strafe Gottes verstehen können. Denn schon die Bibel spricht von einer solchen Deutung. Diese Meinung unterstützen auch Autoren wie Schirokauer oder Fechter. So bezeichnet Schirokauer die Krankheit als „[symbolischen] Ausdruck der Gottverlassenheit“ oder als „Erscheinungsform einer Widersetzlichkeit gegen Gott“ und auch als „Strafe für eine extreme Sünde“.[6] Für ihn ist der Aussatz ein deutliches Anzeichen für eine Strafe Gottes für ein Leben ohne Gott. Fechter ist der Ansicht, dass Hartmann in der Krankheit eine Strafe sieht, „und zwar für die Sünde der superbia, in der Heinrich lebt, ohne dass er und die Welt es ahnen“.[7] Dazu jedoch erst später.

Der Text „Der arme Heinrich“ scheint Beweise für diese These zu liefern, Gott habe die Krankheit als Strafe ausgesetzt. Denn Heinrich selbst argumentiert in diese Richtung hin, nachdem der Bauer Heinrich nach seiner Krankheit fragt: Ich hân den schemelîchen spot

vil sol gedienet umbe got. [v.383f.]. Heinrich erklärt dem Bauern, er habe den Aussatz verdient. Das Verdienen setzt jedoch Fehlverhalten voraus. Und auch dieses reflektiert Heinrich in seinem Bekenntnis:

Wan ich in het mit vrevil gar.

Dô nam ich sîn vil kleine war,

der mir daz selbe wunschleben

von sînen gnâden hete gegeben. [v. 391ff.]

Er erkennt rückblickend, dass er überheblich war und glaubte, seinen Lebensstandard aus eigener Kraft erarbeitet zu haben, ohne dabei an Gott zu denken und ihm für sein Glück zu danken. „Gott war in seinem Leben nicht so der Mittelpunkt wie er es hätte sein müssen.“[8]

Und auch folgende Textstelle bestätigt dies: Daz si êre unde guot âne got mügen hân. [v.398f.].

[...]


[1] H. de Boor in Christoph Cormeau: Hartmanns von Aue `Armer Heinrich’ und ‚Gregorius`. Studien zur Interpretation auf einen Blick auf die Theologie zur Zeit Hartmanns, C.H. Beck’sche Verlagshandlung (Oscar Beck), München 1966, S. 9, 10

[2] Vgl. Ebd.., S. 9, 10

[3] Ebd., S. 7

[4] Werner Fechter: Über den „Armen Heinrich“ Hartmanns von Aue, in: Euphorion 49/1955, S.1-28, hier: S.2

[5] Christoph Cormeau, Wilhelm Störmer: Hartmann von Aue: Epoche – Werk – Wirkung, 2., überarbeitete Auflage, München: Beck, 1993, S.146

[6] Schirokauer in Cormeau,[Anm. 1], S.19

[7] Fechter in Cormeau [Anm.1], S. 20

[8] Ebd., S.23

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Strafe oder Prüfung? Zur Begründung des Paradigmas der Krankheit im armen Heinrich
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Einführung in die Lektüre mittelhochdeutscher Texte
Note
2,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V73436
ISBN (eBook)
9783638634540
ISBN (Buch)
9783638794268
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strafe, Prüfung, Begründung, Paradigmas, Krankheit, Heinrich, Einführung, Lektüre, Texte
Arbeit zitieren
Olivia Müller (Autor:in), 2006, Strafe oder Prüfung? Zur Begründung des Paradigmas der Krankheit im armen Heinrich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73436

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