Die Geschichte Erlebnispädagogik - Eine Betrachtung der Historie unter besonderer Berücksichtigung Kurt Hahns


Hausarbeit, 2004

22 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

1. Hinführung zum Thema

2. Geschichte der Erlebnispädagogik
2.1 Jean-Jacques Rousseau
2.2 Henry David Thoreau
2.3 John Dewey

3. Kurt Hahn – Pädagoge, Berater, Mahner, Politiker

4. Kurt Hahns Begriff der Erlebnistherapie
4.1 Die drei Stufen der Hahnschen Erlebnistherapie
4.2 Die drei Dimensionen der Erziehung zu Verantwortung

5. Umsetzung in den Kurzschulen

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

„Was man lernen muß, um es zu tun, das lernt man, indem man es tut.

(What we have to learn to do, we learn by doing.)”

Aristoteles (*384 – †322), griech. Philosoph, Begründer d. abendländ. Philosophie

1. Hinführung zum Thema

In den letzten Jahren, insbesondere nach dem Erscheinen der PISA-Studie, erfahren reformpädagogische Bildungsmodelle immer mehr Beachtung. In dem weiten Feld dieser vielen verschiedenen pädagogischen Konzepte nimmt die Erlebnispädagogik einen bedeutenden Platz ein. Einige halten Erlebnispädagogik für eine Methode, andere für eine pädagogische Denkweise und wieder anderen glauben, darin einen Lebensstil und eine Philosophie zu finden.[1] Sie hat Einzug in unterschiedlichste Bereiche des öffentlichen Lebens erhalten: in der kirchlichen und offenen Jugendarbeit, im Freizeitbereich oder in der Erwachsenenbildung. Auf der Suche im Dschungel der Literatur zu Hintergrundinformationen von erlebnispädagogischen Konzepten und Modellen, wird man stets – früher oder später - auf die Person Kurt HAHN stossen. Er gilt als Wegbereiter der der Erlebnispädagogik (Outward Bound-Erziehung) und Mitbegründer verschiedener Internate im In- und Ausland. Schnell wird klar, dass Kurt HAHN keine Theorie der Erlebnispädagogik entwickelt hat, er gibt lediglich praktische Hinweise und plausible Begründungen und erzeugt so eine Öffentlichkeitswirksamkeit wie kein Zweiter.

In dieser Arbeit möchte ich versuchen die pädagogischen Gedanken Kurt HAHNs, als Entwickler der Erlebnistherapie herauszustellen, sowie die praktische Umsetzung seines Konzepts näher zu bringen.

2. Geschichte der Erlebnispädagogik

Der Begriff der Erlebnispädagogik lässt sich in der pädagogischen Literatur häufig wieder finden, allerdings ist er keineswegs klar definiert worden. Man findet lediglich umfangreiche Ausführungen zur Geschichte der Pädagogik, jedoch vermisst man eine konkrete Definition. Dies ist dennoch keine Überraschung, da sich hinter dem Begriff „Erlebnispädagogik“ mannigfaltige Wurzeln und Praxisansätze verbergen.[2] Allein die Schriftenreihe „Wegbereiter der der modernen Erlebnispädagogik“ umfasst mehr als 50 verschiedene Personen, Bewegungen sowie praktische und theoretische Handlungsanweisungen.[3] Somit ist eine erschöpfende und einheitliche Betrachtung der historischen Entwicklung im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Die geschichtliche Darstellung erfolgt daher durch einen kurzen Überblick über die wichtigsten Vordenker und Pioniere der Erlebnispädagogik. Auf Kurt HAHN wird sich in den folgenden Punkten genauer konzentriert.

2.1 Jean-Jacques Rousseau

Schon Jean-Jacques ROUSSEAU (*1712 – †1778) lässt in seinem Werk „Emile“ erlebnispädagogische Grundmuster erkennen. Er plädiert für natürliche Erziehung, was sich in dem berühmten Zitat des Werkes „Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt, alles entartet unter den Händen des Menschen“[4] Seine Vorstellung von Erziehung in der Pädagogik war eine Erziehung ohne Erzieher. Es soll jederzeit eine Erziehung durch die Natur, der Erziehung durch (menschliche) Erzieher vorgezogen werden. Dabei sollten Lernprozesse durch eigene Erfahrung und unmittelbares Erleben mit den Sinnen geschehen. Allein durch die negativen Folgen des eigenen (unpassenden) Handelns kann sich nach seinen Vorstellungen der freie Mensch entwickeln. „Und denkt daran, dass ihr in allen Fächern mehr durch Handlungen als durch Worte belehren müsst. Denn Kinder vergessen leicht, was sie gesagt haben und was man ihnen gesagt hat, aber nicht, was sie getan haben und was man ihnen tat.“[5]

Die Aufgabe des Menschen beschränkt sich lediglich auf das Ermöglichen einer Erziehung durch die Natur und auf das fernhalten von Störungen.[6]

2.2 Henry David Thoreau

David THOREAU (*1817 – †1862) stellte sich die Frage nach der wirklichen Freiheit und den eigentlichen Lebensbedürfnissen. Sein Ziel war die ursprüngliche und unmittelbare Hinwendung zum Leben ohne Mittler. Diese Erkenntnis erlangte er durch einen zweieinhalbjährigen Selbstversuch, bei dem er in einer selbst erbauten Hütte abseits jeglicher Zivilisation, die Natur als Lehrmeisterin zu entdecken versuchte.[7] „I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived. I did not wish to live what was not life, living is so dear ... I wanted to live deep and suck out all the marrow of life ...“[8]

Er setzte mit diesem Experiment, die am Reisbrett erstellte Arbeit ROUSSEAUs sozusagen in die Praxis um. Für THOREAU standen Unmittelbarkeit und Augenblick, die eigene Erfahrung, das Lernen durch Versuch und Irrtum in realen Situationen, sowie die prägende Kraft der Natur im Mittelpunkt - Prinzipien und Gedanken, die später Einzug in die Erlebnispädagogik gehalten haben.[9]

2.3 John Dewey

John DEWEY (*1859 – †1952), ist hierzulande weniger bekannt, während er in den USA und Kanada als Vater des handlungs- und erfahrungsorientierten Lernens gilt. „Entwicklung und Wachstum sind die zentralen Begriffe bei DEWEY.“[10] Pädagogik, so Dewey, müsse zur Bewältigung konkreter Probleme dienen. Seiner Meinung nach entsteht Lernen aus der Erfahrung von Herausforderung und deren Bewältigung. Im Anschluss an die Lösung einer Schwierigkeit findet eine Reflexion des Prozesses statt, so dass das, was gelernt wurde, generalisiert und wieder benutzt werden kann.[11] Besonders DEWEYs handlungsorientiertes Prinzip des „Learning by Doing“, hat später seinen elementaren Platz in der Erlebnispädagogik gefunden.

„Mere activity does not constitute experience. It is dispersive, centrifugal, dissipating. Experience as trying involves change, but change is meaningless transition unless it is consciously connected with the return wave of consequences which flow from it. When an activity is continued into the undergoing of consequences, when the change made by action is reflected back into a change made in us, the mere flux is loaded with significance. We learn something. It is not experience when a child merely sticks his finger into a flame; it is experience when the movement is connected with the pain which he undergoes in consequence. Henceforth the sticking of the finger into flame means a burn. “[12]

3. Kurt Hahn – Pädagoge, Berater, Mahner, Politiker

Will man die historischen Wurzeln der heutigen Modelle, die auf erfahrungsorientiertem Lernen basieren, verstehen, so kommt man an der Person Kurt HAHN (*1886 – †1974) nur schwer vorbei.

Geboren wurde Kurt (Martin) HAHN, als zweiter von vier Brüdern, am 05.Juni 1886 in Berlin. Bereits beeindruckt vom LIETZ Werk „Emlohstobba“ studierte er von 1904 bis 1914 klassische Philosophie in Oxford und Göttingen. Hier fällt bereits auf, dass er nicht als klassisch studierter Pädagoge eingestuft werden kann, er sich selbst aber auch nie als solcher verstand. Während dieser Zeit wurde er auch politisch aktiv, jedoch nie als Politiker mit Mandat. Zuletzt wurde er persönlicher Berater des damaligen Reichskanzlers Max VON BADEN. Dieser gründete mit ihm 1920 die Schule Schloss Salem am Bodensee. Während des 2. Weltkriegs wanderte er nach England aus, da er aufgrund seiner Ideen und seiner jüdischen Herkunft in Deutschland nicht mehr sicher war. Er gründete 1934 im britischen Exil die "British Salem School" in Gordonstoun (Schottland), sowie 1941 die erste Outward Bound School in Aberdovey/Wales. Mit Ende des 2. Weltkrieges kehrte Kurt HAHN 1953 nach Deutschland zurück und bewirkte die Gründung mehrerer neuer gymnasialer Internatsschulen und auch heutzutage noch bedeutende politische und medizinische Institutionen, eine kleine Auswahl: Die Heidelberger Vereinigung – eine politische Arbeitsgemeinschaft prominenter Persönlichkeiten; Das Institut für auswärtige Politik – eine wissenschaftliche Einrichtung in Hamburg; Die Outward Bound Bewegung; Der Duke of Edinburgh Award – ein Abzeichen für besondere Leistungen für Jugendliche; Das George Trevelyan Scholarship – Stipendium für Oxford und Cambridge für besonders talentierte Jugendliche; Die Medical Commission on Accident Prevention – Institution die sich der Unfallverhütung verschrieben hat.[13] „Gemeinsam ist all diesen Vereinigungen der Gedanke des Dienstes an der Gesellschaft und der Verständigung über Klassen und Ländergrenzen hinweg. Stets geht es um die Überwindung von Unrecht, Not, Leid, Gewalt.“[14] Kurt Hahn starb am 14. Dezember 1974 in Ravensburg und wurde in Salem beigesetzt.[15]

Seine pädagogische Arbeit ging um die ganze Welt und beeinflusste die Praxis der deutschen Erlebnispädagogik maßgeblich. Er gilt nicht umsonst mit seinem Konzept der „Erlebnistherapie“ noch heute als geistiger Vater, Urvater oder Begründer der Erlebnispädagogik.[16] Diesen Ruf erlangte Kurt HAHN, da er es verstand wie kein Zweiter, die bisherigen Ideen und Konzepte mit handlungs- und erlebnisorientierten Ansatz, zu einem pädagogischen Gesamtkonzept zusammenzufassen.[17] Seine Gedanken sind demnach stark von den bisherigen, entscheidenden Wegbereitern der modernen Erlebnispädagogik, wie Jean-Jacques ROUSSEAU, John DEWEY, Hermann LIETZ oder Henry David THOREAU, beeinflusst. Zudem wurde er beeinflusst von den geistesgeschichtlichen Linien PLATOs: „Angetan von einem, an PLATO angelehnten, harmonischen Staatsverhältnis und einer daraus abgeleiteten Vision, durch Erziehung den dazu adäquaten (Staats-)Bürger hervorzubringen, war sein pädagogisches Verständnis in erster Linie das eines Pragmatikers.“[18] Die Basis seines pädagogischen Konzepts und seines pädagogischen Handelns und Denkens basiert somit auf den Erkenntnissen vieler bedeutender Vordenker. Dies verdeutlicht die Aussage Max VON BADENs: „Hier ist alles gestohlen, und das ist gut so, von Hermann LIETZ, der wie kein anderer wagte, Jungen zu Mitträgern der Verantwortung zu machen, von Goethe, von den englischen public schools, von den Boyscouts, von der deutschen Jugendbewegung nach den Freiheitskriegen, von Plato. Sie werden nichts finden wovon wir sagen können: das haben wir entdeckt.“[19] Doch „KURT HAHN war mehr als nur ein Pädagoge“[20] Im Laufe seines langen Lebens hat er fünf große politische Phasen der deutschen Geschichte vom Kaiserreich, dem 1. Weltkrieg, der Weimarer Republik, dem 2. Weltkrieg bis zur Gründung der Bundesrepublik durchlaufen und in Folge dessen kann er vielfältig beschrieben werden: als preußischer Jude, als Bürger mit deutschem Nationalstolz, als Internationalist mit britischer Prägung, als Berater, als Mahner, aber immer auch als Politiker.[21]

[...]


[1] vgl. ZIEGENSPECK, J., 1992, S.134ff., zit. in. FLEPER, S.: Erlebnistherapie und Verhaltensauffälligkeit, 2003, S. 4

[2] vgl. KLAWE, W., BRÄUER, W.: Erlebnispädagogik zwischen Alltag und Alaska, 1998, S. 11

[3] vgl. URL: http://www.uni-lueneburg.de/einricht/erlpaed/verlag_shop.htm#wegbereiter [Stand Juli 2005]

[4] ROUSSEAU, J.J.: Emile oder über die Erziehung, 1975, S. 9 zit. in HECKMAIR B., MICHL W.: Erleben und Lernen, Einführung in die Erlebnispädagogik, 2004, S. 18

[5] ROUSSEAU, J.J.: Emil oder über die Erziehung, 1995, S. 80

[6] vgl. HECKMAIR B., MICHL W.: Erleben und Lernen, Einführung in die Erlebnispädagogik, 2004, S. 19

[7] vgl. ebd., S. 23 ff.

[8] THOREAU, H.: The annotated Walden. 1970, S. 222

[9] vgl. URL: http://www.bautz.de/bbkl/t/thoreau.shtml [Stand: 20.04.1999]

[10] HECKMAIR, B., MICHL, W.: Erleben und Lernen, Einführung in die Erlebnispädagogik, 2004, S. 46

[11] vgl. FLEPER, S.: Erlebnistherapie und Verhaltensauffälligkeit, 2003, S. 46

[12] DEWEY, J.: Democracy and Education, 1968, 139f

[13] vgl. KNOLL, M.: Kurt Hahn ein politischer Pädagoge, in ZIEGENSPECK, J. (Hrsg.): Kurt Hahn, Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen, 1987, S. 10f

[14] ebd., S. 11

[15] vgl. SCHEUERT, H. (Hrsg.): Klassiker der Pädagogik II, 1979, S. 166

[16] vgl. HECKMAIR B., MICHL W.: Erleben und Lernen, 1993, S. 16

[17] vgl. REINERS, A.: Praktische Erlebnispädagogik, 1993 S. 10

[18] HECKMAIR, B., MICHL, W.: Erleben und Lernen, 1993, S. 22

[19] HERRMANN, U., 1987, S. 65ff., zit. in. ZIEGENSPECK, J. (Hrsg.): Kurt Hahn, Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen, 1987, S. 65ff

[20] ZIEGENSPECK, J. (Hrsg.): Kurt Hahn, Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen, 1987, S. 5

[21] vgl. ebd., S. 5

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Geschichte Erlebnispädagogik - Eine Betrachtung der Historie unter besonderer Berücksichtigung Kurt Hahns
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Ansätze und Modelle der Erlebnispädagogik
Note
2,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V73276
ISBN (eBook)
9783638741866
ISBN (Buch)
9783638742238
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Erlebnispädagogik, Eine, Betrachtung, Historie, Berücksichtigung, Kurt, Hahns, Ansätze, Modelle, Erlebnispädagogik
Arbeit zitieren
Dipl.-Päd. Alexander Geldmacher (Autor:in), 2004, Die Geschichte Erlebnispädagogik - Eine Betrachtung der Historie unter besonderer Berücksichtigung Kurt Hahns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73276

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