Die Konsolidierung des Bankenmarktes - dargestellt am Beispiel des Sparkassensektors


Diplomarbeit, 2005

69 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung

2 Der deutsche Bankenmarkt – eine Charakteristik
2.1 Das Dreisäulensystem des deutschen Bankenmarktes
2.2 Historie und Besonderheit des deutschen Sparkassenwesens
2.2.1 Entstehung des Sparkassenwesens in Deutschland
2.2.2 Regionalprinzip und öffentlicher Auftrag
2.3 Darstellung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Sparkassensektor bis 18. Juli
2.4 Brüsseler Konsens – die Modifizierung von Anstaltslast und der Wegfall der Gewährträgerhaftung im Sparkassensektor ab dem 19. Juli
2.5 Ursachen der Strukturprobleme im deutschen Bankenmarkt
2.5.1 Die Rolle des Internationalen Währungsfonds für den deutschen Bankenmarkt
2.5.2 Privatbanken – Ertragsdruck als Nebeneffekt von Strukturproblemen im deutschen Bankenmarkt
2.5.3 Genossenschaftsbanken als Konkurrenz zu den Sparkassen

3 Konsolidierungen im europäischen Bankensektor
3.1 Privatisierung von Sparkassen im italienischen Bankensektor
3.2 Eingliederung von Sparkassen in den Genossenschaftsbereich des französischen Bankensektors
3.3 Bankensektor in Großbritannien – hohe Rentabilität und Effizienz der Kreditinstitute
3.4 Konsolidierung des spanischen Bankensektors – Beständigkeit der Sparkassen

4 Die Bedeutung der Sparkassen-Finanzgruppe für die Sparkassen und für die Bundesrepublik Deutschland

5 Gedanken zur zukünftigen Umgestaltung des Bankensystems in Deutschland
5.1 Implizite Staatshaftung im deutschen Sparkassensektor – Privatbanken in Deutschland „Too big to fail“
5.1.1 Implizite Staatshaftung bei den Landesbanken
5.1.2 „Too big to fail” Status im Privatbanksektor
5.2 Ertragslage des deutschen Bankenmarktes und Möglichkeiten zur Ertragssteigerung im Sparkassensektor
5.3 Säulenübergreifende Konsolidierung als Lösung
5.4 Umwandlung von Sparkassen in Genossenschaftsbanken – die Umsetzung des französischen Modells für den deutschen Bankenmarkt
5.5 Sachsen-Finanzgruppe – strukturelle Veränderungen im Sparkassensektor
5.6 Wandel von der Universalbank zur Vertriebssparkasse

6 Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Dreisäulensystem der Universalbanken in Deutschland

Abbildung 2: Die Struktur des Bankenmarktes in Deutschland

Abbildung 3: Eigentümerstruktur der Bankgesellschaft Berlin AG

Abbildung 4: Bankendichte in Deutschland 2002 im europäischen Vergleich

Abbildung 5: Vertrauensschutz des Brüsseler Konsens

Abbildung 6: Sinkende Rentabilität deutscher Bankengruppen

Abbildung 7: Zinsüberschuss versus Provisionsüberschuss

Abbildung 8: Finanzvermögen der privaten Haushalte in Deutschland

Abbildung 9: Gründe für die Ertragsprobleme deutscher Kreditinstitute

Abbildung 10: Eigenkapitalrendite und Cost-Income-Ratio italienischer Banken

Abbildung 11: Struktur des italienischen Bankensystems

Abbildung 12: Bankensektor Jahresüberschuss 2001 vor Steuern in % der Bilanzsumme

Abbildung 13: Wirtschaftswachstum in Europa

Abbildung 14: Emittentenrating versus Finanzkraftrating

Abbildung 15: Relative Höhe der Kreditrisikovorsorge im Jahr 2001

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

Der deutsche Bankenmarkt unterliegt einer ständigen Dynamik. Ein sich fortwährend änderndes Kundenverhalten, demographische Trends, starker Konkurrenzdruck aus dem In- und Ausland, Fall der Zinsmargen und die laufende Umgestaltung von politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen dominieren die geschäftspolitische Ausrichtung vieler inländischer Kreditinstitute. Des Weiteren hat die seit Ende 2000 anhaltende Schwäche-periode der Binnenkonjunktur in Deutschland dazu geführt, dass sich die Kosten- und Ertragsstruktur der Kreditinstitute zunehmend verschlechtert hat. Spätestens seit der Übernahme der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG (HVB) durch die italienische UniCredito Italiano SpA im Jahr 2005 steht fest – der deutsche Bankenmarkt befindet sich in Mitten von Umstrukturierungs-prozessen.

Dabei sind die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland in einer besonderen Situation. Am 21. Dezember 1999 reichte die Europäische Banken-vereinigung bei der Europäischen Kommission eine Wettbewerbsbeschwerde ein. Daraufhin wurde am 17. Juli 2001 unter der Führung von EU-Wettbewerbs-kommissar Mario Monti der Brüsseler Konsens verabschiedet. Dessen Folge es ist, dass seit dem 19. Juli 2005 für die deutschen Landesbanken und Sparkas-sen geänderte Haftungsgrundlagen gelten. Somit stehen diese vor der Herausforderung, sich in einem derzeit wirtschaftlich schwierigen Umfeld und unter geänderten Rahmenbedingungen ihre Marktposition für eine erfolgreiche Zukunft zu sichern.

Die vorliegende Diplomarbeit analysiert den Wandel des deutschen Bankenmarktes. Dabei wird die Betrachtung auf die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute fokussiert. Insbesondere werden vor allem die geänderten Rahmenbedingungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf Sparkassen und Landesbanken beschrieben. Die Arbeit bietet gleichermaßen einen Überblick über die Charakteristik des öffentlich-rechtlichen Teils des Dreisäulensystems wie auch eine Betrachtung der speziellen Problematik, die eine Strukturreform des deutschen Bankenmarktes mit sich bringt.

Nach der Einführung wird im zweiten Kapitel das Dreisäulensystem des deutschen Bankenmarktes dargestellt. Es folgt ein Überblick über die Historie des deutschen Sparkassenwesens. Ebenfalls werden die mit diesem Thema häufig in Verbindung gebrachten Begriffe, wie Regionalprinzip, öffentlicher Auftrag, Gewährträgerhaftung und Anstaltslast erläutert. Die im Rahmen des dritten Kapitels durchgeführte Analyse der europäischen Bankenbranche soll Möglichkeiten für den deutschen Bankenmarkt aufzeigen, wobei die in anderen europäischen Ländern bereits erfolgten Reformen kritisch hinterfragt werden. Im Anschluss wird im vierten Kapitel die Bedeutung der Sparkassen-Finanzgruppe für die Sparkassen und die Bundesrepublik Deutschland aufgezeigt. Im fünften Kapitel werden Gedanken zur zukünftigen Umgestaltung des deutschen Bankensystems behandelt. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf den deutschen Sparkassensektor gelegt. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Diplomarbeit.

2 Der deutsche Bankenmarkt – eine Charakteristik

2.1 Das Dreisäulensystem des deutschen Bankenmarktes

Die meisten deutschen Geschäftsbanken sind als Universalbanken tätig. Deshalb wird das deutsche Bankensystem auch als Universalbankensystem bezeichnet. Universalbanken sind Kreditinstitute, die die wesentlichen Bankgeschäfte unter einem Dach vereinen.[1] Die Vorteile des Universalbankensystems liegen in der wechselseitigen Förderung des Absatzes verschiedener Produkte (Cross-Selling), dem Kundenservice „alles aus einer Hand“ und der guten Verfügbarkeit von Finanzdienstleistungen durch ein flächendeckendes Filialsystem. Als Nachteil kann die hohe Kundenbindung gesehen werden. Dadurch entsteht eine geringe Bereitschaft der Kunden zu wechseln, was nicht gerade förderlich für den Wettbewerb ist. Neben Universalbanken existieren Spezialbanken, die ihre Tätigkeiten auf bestimmte Geschäftsfelder konzentrieren.[2] Beispiele für Spezialbanken sind Bausparkassen und Investmentgesellschaften. Universalbanken und Spezialbanken können in unterschiedlichen Rechtsformen organisiert sein.[3] Da sich der Begriff „Dreisäulensystem“ auf die eigentumsrechtliche Einordnung der Universalbanken bezieht, werden Spezialbanken aus der folgenden Betrachtung ausgeblendet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Dreisäulensystem der Universalbanken in Deutschland

Quelle: eigene Darstellung

Die privaten Geschäftsbanken lassen sich in die Gruppen Großbanken, Regionalbanken, sonstige Banken, wie zum Beispiel Privatbankiers, und ausländische Banken unterteilen. Grundsätzlich betreiben Sparkassen, Genossenschaftsbanken und private Kreditinstitute alle Bankgeschäfte und stehen jeder Kundengruppe offen gegenüber.

Das in Deutschland bestehende Dreisäulensystem hat einen historischen Hintergrund. Sowohl die Gemeinwohlorientierung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, als auch die Mitgliederförderung der Genossenschaftsbanken liegen im 19. Jahrhundert. Die historischen Wurzeln begründen auch die Zielsetzungen der drei unterschiedlichen Bankengruppen. Während die Privatbanken das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen, versuchen die Genossenschaftsbanken durch ein angemessenes Gewinnstreben die Förderung des Erwerbs von neuen Mitgliedern zu gewährleisten. Aufgrund des Fürsorgegedankens des Staates verfolgen die Sparkassen öffentliche Aufgaben.

Charakteristisch für den deutschen Bankenmarkt ist auch der hohe Staatsanteil. So entfällt nahezu die Hälfte der Bilanzsumme aller Kreditinstitute auf öffentlich-rechtliche Banken. Davon 21 Prozent auf Landesbanken, 16 Prozent auf Sparkassen und zehn Prozent auf sonstige Kreditinstitute (vergleiche Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Struktur des Bankenmarktes in Deutschland

Quelle: Deutsche Bundesbank

Zu den sonstigen Kreditinstituten gehören zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Bankgesellschaft Berlin AG. Sie werden nach ihrer Rechtsform den privaten Banken zugeordnet. Die Mehrheitseigner sind jedoch öffentlich-rechtliche Banken und Institutionen[4] (vergleiche Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Eigentümerstruktur der Bankgesellschaft Berlin AG

Quelle: Bankgesellschaft Berlin AG

Häufig wird mit dem deutschen Bankensystem das Wort „overbanked“ in Verbindung gebracht. Dementsprechend gab es bis zur Jahrtausendwende in Deutschland mehr Bankfilialen als Bäcker. Unter Einbezug der Geschäftsstellen der Postbank AG besitzt dieses Beispiel, wie auch die zweite in diesem Zusammenhang oft genannte Darstellung, mehr Bankfilialen als Tankstellen, bis heute seine Gültigkeit. Zwar hat sich die Gesamtzahl der Kreditinstitute in Deutschland seit dem Jahr 1990 bis Ende 2004 um fast fünfzig Prozent auf 2.400 reduziert,[5] dennoch gibt es in Deutschland die meisten Banken in Europa. Da allein die Bankenanzahl kaum Aussagekraft besitzt, weil sie keinen Bezug zum Kundenpotential herstellt, wird für Vergleiche besser die Bankendichte herangezogen. Diese Kennzahl misst die Bankenanzahl pro 100.000 Einwohner. Dabei weist das deutsche Bankensystem den höchsten Wert im europäischen Vergleich auf (siehe folgende Abbildung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Bankendichte in Deutschland 2002 im europäischen Vergleich

Quelle: Deutsche Bank Research

Eine Ursache dafür ist die strikte Dreiteilung des deutschen Bankenmarktes, die Zusammenschlüsse, bis auf wenige Ausnahmen, derzeit nur innerhalb der jeweiligen Gruppe ermöglicht. Eine große Zahl rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Banken bedeutet, dass beispielsweise Stabs- und Verwaltungsabteilungen in jedem einzelnen Institut vorhanden sein müssen. So werden teure Kapazitäten ohne gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit vervielfacht, was die Wirtschaftlichkeit dieser Banken tendenziell trübt.

2.2 Historie und Besonderheit des deutschen Sparkassenwesens

2.2.1 Entstehung des Sparkassenwesens in Deutschland

Die erste deutsche öffentlich-rechtliche Sparkasse wurde bereits 1778 in Hamburg gegründet und ist auf die Reformbestrebungen des Armenwesens zurückzuführen. Der Sparsinn und die Kreditversorgung der Bevölkerung des Geschäftsgebietes sollte gefördert werden, um einer „Verelendung der Bevölkerung entgegen zu wirken“.[6] So sollte finanziell schwachen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit gegeben werden, kleine Geldbeträge sicher und verzinslich anzulegen. Daneben konnten Sparkassen Privatpersonen gegen einen geringen Zins Darlehen gewähren. Dies verdeutlichte den Charakter einer gemeinnützigen Einrichtung. In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich in vielen Städten ähnliche Institute. Im 19. Jahrhundert erhielt das Sparkassenwesen vor allem in Preußen starken Auftrieb. Die erste kommunale Sparkasse entstand 1818 in Berlin. Im Jahr 1884 wurde der erste Spitzenverband der Sparkassen, der Deutsche Sparkassenverband, gegründet.[7] Ein besonderes Ereignis für die Entwicklung der Sparkassen war die Verleihung der passiven Scheckfähigkeit durch das Scheckgesetz im Jahr 1908. Dadurch wurden die Sparkassen in die Lage versetzt, das Sichteinlagen- und Kontokorrentgeschäft aufzunehmen. Zehn Jahre später wurde durch die Gründung von Girozentralen ein eigenes Gironetz aufgebaut, um darüber bargeldlosen Zahlungsverkehr abzuwickeln.[8] Im Jahr 1929 begann die Gründung der Landesbausparkassen und zwei Jahre danach wurden Sparkassen und Girozentralen als Anstalten des öffentlichen Rechts rechtlich verselbständigt. Mit der Einführung des Konsumentenkredits im Jahr 1952 wurde ein wichtiger Beitrag zum Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik Deutschland geleistet. So stieg der private Verbrauch an, und Sparkassen konnten neue Geschäftsfelder erschließen. Im Rahmen dieser Entwicklung gelang den Sparkassen die Umwandlung in moderne wettbewerbsfähige Unternehmen. Ein Jahr später entstand in der Bundesrepublik Deutschland der Deutsche Sparkassen- und Giroverband e. V. (DSGV).[9] Durch die Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung 1957 erreichten Privatgirokonten breite Bevölkerungsschichten, und es konnte nahezu allen Arbeitnehmerhaushalten ein kundennaher Service geboten werden. 1958 ermöglichte das „Apotheken-Urteil“ die Errichtung von Zweigstellen ohne vorherige Bedürfnisprüfung. Die Folge war eine starke Expansion des Zweigstellennetzes der Sparkassen. Mit der Einführung der Eurocheque-Karte erfolgte 1972 ein weiterer Schritt in Richtung Automation des Zahlungsverkehrs. Im September 1990 gründeten die Sparkassen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, mit Ausnahme von Thüringen, den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband (OSGV) und lösten sich somit aus der Staatsbank heraus.[10] Um auf die zukünftigen Herausforderungen, die mit der Einführung einer europäischen Gemeinschaftswährung bevorstanden, reagieren zu können, erfolgte am 1. Januar 1999 der Zusammenschluss der Deutschen Girozentrale (DGZ) und der DekaBank zur DGZ-DekaBank.[11] Mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung durch die Länder und Kommunen und der Modifizierung der Anstaltslast fand am 19. Juli 2005 das bisher letzte bedeutende Ereignis im Sparkassenwesen statt.

2.2.2 Regionalprinzip und öffentlicher Auftrag

Das Regionalprinzip besagt, dass die Sparkassen nur Zweigstellen im Gebiet der jeweils zuständigen Kommune errichten dürfen. Eine ausnahmsweise Errichtung einer Zweigstelle im Gebiet einer anderen Sparkasse bedarf der Zustimmung der betroffenen Sparkasse, deren zuständiger Kommune und des Finanzministeriums des Landes. Des Weiteren sollen Kredite nur an Personen und Unternehmen vergeben werden, die ihren Wohnort bzw. eine gewerbliche Niederlassung im Geschäftsgebiet der zuständigen Sparkasse haben. Ausnahmen können gemacht werden, wenn der zu vergebene Kredit zur Förderung der Wirtschaft im Geschäftsgebiet beiträgt. Beiläufig hat die Sparkassenaufsichtsbehörde das Recht weitere Regelungen zu treffen, wenn sie nicht das öffentliche Wohl beeinträchtigen.[12] Da die Sparkassen der Länderaufsicht unterliegen, ist das jeweilige Finanzministerium die zuständige Sparkassenaufsichtsbehörde.[13] Auf das Einlagengeschäft hat das Regionalprinzip keinen Einfluss. So können auch Kunden aus anderen Geschäftsgebieten ihr Geld bei einer „fremden“ Sparkasse anlegen. Werbung und Akquisition von Kunden haben sich nach dem Grundsatz des Regionalprinzips auf das jeweilige Geschäftsgebiet zu beschränken. Daher ist ein Wettbewerb unter den Sparkassen ausgeschlossen.

Bei genauer Betrachtung verbergen sich hinter dem Regionalprinzip aber auch gewisse Risiken für die Sparkassen. Da die Geschäftsgebiete, die bei den Sparkassen mit dem Gebiet des Gewährträgers, der Kommune oder der Landkreise identisch sind, stecken in den Kreditbüchern enorme Klumpenrisiken. Wenn ein Unternehmen den Geschäftsbetrieb aus finanziellen Gründen einstellt, schließen auch häufig die Zulieferbetriebe. Aus dem einen Kredit, der nicht zurückgezahlt wird, werden für die Sparkasse schnell zwei oder drei. Das für Sparkassen geltende Regionalprinzip lässt sich durch eine gemeinsame Geschäftsdurchführung von Landesbanken und Sparkassen überwinden etwa bei gemeinsamer Vergabe von Krediten (Konsortialkredite).

Der öffentliche Auftrag ist der Identitätsfaktor Nummer eins und wichtigster Unterschied zu den privaten Banken, da er dem Betriebsziel Gewinnmaximierung übergeordnet ist. Der öffentliche Auftrag der Sparkassen lässt sich in sechs Kernaussagen zusammenfassen. Zum einen wäre da die Gewährleistungsfunktion. Die Sparkasse muss gewährleisten, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft, vor allem dem Mittelstand, ein umfassendes Angebot an Finanzdienstleistungen zur Verfügung steht. Dabei hat sich die Sparkasse an das Regionalprinzip zu halten. Zweitens gibt es die Struktursicherungsfunktion. Sparkassen vergeben Kredite nur in ihren Regionen, damit die Konzentration auf wenige Ballungsräume vermieden wird. Auf diese Art und Weise wird eine ausgeglichene räumliche Wirtschaftstruktur in Deutschland ermöglicht. Bei der dritten Kernaussage handelt es sich um die Hausbankfunktion. Sie besagt, dass Sparkassen ihrem kommunalen Träger bei öffentlichen Projekten mit ihrem finanzwirtschaftlichen Know-how zur Verfügung stehen. Somit wird die Handlungsfähigkeit der Kommunen sichergestellt. Die vierte Funktion befasst sich mit dem Wettbewerb. Indem Sparkassen flächendeckend präsent sind und sich ihre Konzentration auf breite Bevölkerungsschichten und den Mittelstand richtet, gewährleisten sie auch in strukturschwachen und ländlichen Gegenden einen für Kunden vorteilhaften Wettbewerb. Eine weitere Kernaussage ist die Ankerfunktion. Weil Sparkassen ihre Geschäftspolitik auf mittelständische Unternehmen und Privatkunden aller Einkommensschichten ausrichten, tragen sie zur Verankerung des Finanzsektors in der Realwirtschaft und zur Stabilität der Finanzmärkte bei. Der letzte Teil des öffentlichen Auftrages befasst sich mit der außerökonomischen Förderungsfunktion. Dabei unterstützen Sparkassen freiwillig Vereine und soziale und kulturelle Einrichtungen in den Kommunen.[14] Außerdem treten Sparkassen häufig als Sponsoren für Leistungssportler und für en Breitensport auf.

Neben dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen existiert auch ein öffentlicher Auftrag für Landesbanken. Dieser lässt sich in der Sparkassenzentral-bankfunktion, Staats- und Kommunalbankfunktion und der Geschäftsbank-funktion zusammenfassen. Sparkassen verfügen aufgrund ihrer Größe, ihrer regionalen Verankerung und des Regionalprinzips nicht über die Möglichkeit, ihren Kunden alle Finanzdienstleistungen auch überregional und außerhalb Deutschlands anzubieten. Um im Wettbewerb bestehen zu können, ist das notwendig. Durch die Sparkassenzentralbankfunktion wird den Sparkassen die Möglichkeit gegeben, mittels Landesbanken, ihre Produkte auch überregional anzubieten. Mit Hilfe der Landesbanken wird die Arbeitsteilung in einem wettbewerbsfähigen Verbund sichergestellt. So können mit der Bündelung von Serviceleistungen die Kosten auf mehrere Sparkassen verteilt werden. Ferner unterstützen die Landesbanken die Sparkassen bei der Entwicklung von komplexen Produkten, bei strukturierten großvolumigen Finanzierungen im Firmenkunden-, Wertpapier- und Auslandsgeschäft. Des Weiteren können sich die Sparkassen bei ihrer Landesbank refinanzieren.[15]

Das zur Verfügung stellen von Finanzdienstleistungen für den Staat und die Kommunen wird auch als Staats- und Kommunalbankfunktion bezeichnet. So werden zum Beispiel die Länder bei Industrieansiedlungen und beim Straßen- und Wohnungsbau über die verschiedenen Förderbereiche der Landesbanken unterstützt. Die Wohnungsbauförderung ermöglicht die Bereitstellung von Wohnraum auch für einkommensschwache Bevölkerungs-schichten und unterstützt somit die Wohnungsbaupolitik der Länder.[16]

Um den bereits genannten Funktionen des öffentlichen Auftrages der Landesbanken nachzukommen, muss auch die Geschäftsbankfunktion erfüllt werden. Die Landesbanken sind als Universalbanken tätig. Sie stellen die Technik, die fachliche Kompetenz und die sachliche und personelle Ausstattung für die Erfüllung der Sparkassenzentralbankfunktion und der Staats- und Kommunalbankfunktion bereit. Mit Hilfe ihrer nationalen und internationalen Präsenz werden im Geschäftsbankbereich der Landesbanken die Erträge erwirtschaft und binden somit die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in den Wettbewerb ein.[17]

2.3 Darstellung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Sparkassensektor bis 18. Juli 2005

Landesbanken und Sparkassen werden in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt betrieben. Folglich gilt der Grundsatz der Anstaltslast. Dieser Grundsatz beruht auf einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz des allgemeinen deutschen Verwaltungsrechts. Der Begriff der Anstaltslast wird nur in einigen Bundesländern gesetzlich definiert, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Rheinland-Pfalz.[18] Unter Anstaltslast wird die Verpflichtung von Ländern und Kommunen für ihr Unternehmen verstanden. Die Verpflichtung besteht darin, dass der Träger die Anstalt mit den zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendigen finanziellen Mittel ausstattet. Voraussetzung dafür ist eine freiwillige und jederzeit widerrufbare Entscheidung des Trägers, die jeweilige Aufgabe durch diese Anstalt erledigen zu lassen. Träger der Landesbanken sind die jeweiligen Bundesländer und/oder regionale Sparkassenverbände. Bei den Sparkassen sind die Träger einzelne oder mehrere Kommunen. Trotz der kommunalen Trägerschaft sind Sparkassen als selbständige Wirtschaftsunternehmen anzusehen.[19] Das zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit notwendige Kapital wird von den meisten Landesbanken selbst erwirtschaftet. Die Träger sind am wirtschaftlichen Erfolg über den Wertzuwachs und die Ausschüttungen beteiligt. Auch die Sparkassen haben sich das vorhandene Eigenkapital über einen längeren Zeitraum selbst erwirtschaftet und bekommen prinzipiell kein Kapital von ihren Trägern zur Verfügung gestellt. Dessen ungeachtet stellen sie ihr Kapital der örtlichen Gemeinschaft zur Verfügung indem sie ihren öffentlichen Auftrag erfüllen und Teile des erwirtschafteten Gewinns an den jeweiligen Gewährträger abführen.[20]

Wenn eine Landesbank oder Sparkasse nicht mehr in der Lage ist die Forderungen der Gläubiger, aufgrund eines zu geringen Vermögens, zu bedienen, greift die Gewährträgerhaftung. In diesem Fall übernimmt der jeweilige Anstaltsträger die Erfüllung der Gläubigerforderungen. So haften die Kommunen für die Geldeinlagen ihrer Bürger bei den Sparkassen ihres Gebietes. Aufgrund seiner Steuerhoheit und seiner Möglichkeit jederzeit Fremdkapital, zum Beispiel durch die Emission von Bundeswertpapieren, aufzunehmen, ist der Staat praktisch unbegrenzt zahlungsfähig. Bei der Gewährträgerhaftung handelt es sich nicht um die Haftung eines Dritten, sondern um eine unternehmerische Haftung. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Gewährträger selbst haftbar gemacht werden kann, wenn er selbst und nicht die öffentlich-rechtliche Anstalt für ihn die Aufgabe erfüllt. Die Gewährträgerhaftung wurde in der Praxis noch nicht in Anspruch genommen. Neben der Gewährträgerhaftung besteht noch eine Einlagen- und Institutssicherung, mit der die Sparkassenorganisation aus eigener Kraft Zahlungsschwierigkeiten abfängt.[21]

2.4 Brüsseler Konsens – die Modifizierung von Anstaltslast und der Wegfall der Gewährträgerhaftung im Sparkassensektor ab dem 19. Juli 2005

Von Vertretern der Privatbanken wurde die Haftungsgrundlage der Landesbanken und Sparkassen häufig in Frage gestellt. Sie sahen in der Anstaltslast und in der Gewährträgerhaftung eine unbefristete und unbegrenzte Garantie des Staates. Mit dieser erhielten die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute bessere Einstufungen in ihrer Bonität, weil durch die Haftungszusagen von Länder und Kommunen die Kreditwürdigkeit verbessert wurde. Die damit verbundenen günstigeren Refinanzierungskosten gegenüber Privatbanken die keine staatliche Sicherung besitzen, verschafften den Sparkassen und vor allem den Landesbanken unberechtigte Wettbewerbsvorteile. Diese Vorteile verstoßen gegen das Beihilferecht des Vertrages der Europäischen Gemeinschaft (EG).[22]

Daraufhin reichte am 21. Dezember 1999 die Europäische Bankenvereinigung bei der Europäischen Kommission eine Wettbewerbsbeschwerde ein. Die Beschwerde richtete sich zunächst gegen die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die Westdeutsche Immobilienbank und die Stadtsparkasse Köln. Nach Prüfung der Beschwerde wurde am 17. Juli 2001 unter der Führung des Wettbewerbskommissars der Europäischen Union (EU), Mario Monti, dem Bundesfinanzministerium, den Finanzministern einzelner Bundesländer und dem Präsidenten des DSGV, Dr. Dietrich H. Hoppenstedt, der Brüsseler Konsens verabschiedet. Dabei wurde die 1999 eingereichte Beschwerde von der EU-Kommission als Präzedenzfall gesehen, sodass sich der Brüsseler Konsens auf die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe bezieht.[23] Basis dieser Verständigung war die Selbstverpflichtung der deutschen Behörden, dass sich alle Landesbanken und Sparkassen dem so genannten „Plattform-Modell“ anschließen.[24] Kernaussagen des Plattform-Modells sind die Abschaffung der Gewährträgerhaftung und die Modifizierung der Anstaltslast. Der Begriff Anstaltslast bleibt bestehen. Die finanzielle Beziehung zwischen Träger und öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut wird jedoch neu definiert. So darf sich die Beziehung zwischen Anstalt und Anstaltsträger nicht mehr von einer an den Gesetzmäßigkeiten des Marktes orientierten Eigentümerbeziehung unterscheiden. Infolgedessen ist der öffentliche Eigner einer Anstalt einem Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gleichgestellt,[25] welcher lediglich in Höhe seiner Kapitaleinlage für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet. Die Pflicht des Anstaltsträgers zur Unterstützung der Anstalt bei finanziellen Engpässen ist nicht mehr vorhanden. Demgemäß besteht durch den Brüsseler Konsens zukünftig die Möglichkeit der Insolvenz eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstitutes. Obgleich es keinerlei Nachschusspflicht für die Eigentümer von Sparkassen und Landesbanken mehr gibt, ist eine Kapitalzuführung im Sanierungsfall erlaubt. Diese ist jedoch vorher von der EU-Kommission zu genehmigen.[26]

Die öffentlich-rechtlichen Banken konnten sich in einer großzügigen vierjährigen Übergangsphase bis zum 18. Juli 2005 auf die bevorstehenden Änderungen der Rahmenbedingungen einstellen. Für alle Verbindlichkeiten, die bis zu diesem Termin entstanden sind und deren Laufzeit maximal bis Ende 2015 reicht, besteht Vertrauensschutz, der auch als Grandfathering bezeichnet wird.[27] Verbindlichkeiten, die bis zum 18. Juli 2001 entstanden sind, sind vom Wegfall der Gewährträgerhaftung nicht betroffen. Für alle Verbindlichkeiten die zwischen dem 19. Juli 2001 und dem 18. Juli 2005 entstanden sind, besteht die Deckung durch die Gewährträgerhaftung unter der Bedingung, dass ihre Laufzeit nicht über das Jahr 2015 hinausgeht.[28] Ab dem 19. Juli 2005 gelten für neu entstandene Verbindlichkeiten keine staatlichen Garantien. Die Übergangsphase des Brüsseler Konsenses wird noch einmal in der folgenden Darstellung verdeutlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Vertrauensschutz des Brüsseler Konsens

Quelle: HSH-Nordbank – Anstaltslast und Gewährträgerhaftung

[...]


[1] vgl. [GAB02], S. 1299

[2] vgl. [GAB02], S. 1191 f.

[3] vgl. [SCH93], S. 216 ff.

[4] Online in Internet: URL: http://www.bankgesellschaft.de/bankgesellschaft/10_bgb/10_struktur-/index.html (Stand 11.08.2005)

[5] vgl. [BSN04], S.1

[6] vgl. [VHS00], S. 464

[7] Online in Internet: URL: http://www.dsgv.de/owx_1_105_1_7_1_00000000000000.html (Stand 10.08.2005)

[8] Online in Internet: URL: http://www.dsgv.de/owx_1_102_1_7_1_00000000000000.html (Stand 10.08.2005)

[9] Online in Internet: URL: http://www.dsgv.de/owx_1_105_1_7_1_00000000000000.html (Stand 10.08.2005)

[10] Online in Internet: URL: http://www.dsgv.de/owx_1_105_1_7_1_00000000000000.html (Stand 10.08.2005)

[11] Online in Internet: URL: http://www.dekabank.de/db/de/bank/konzernprofil/geschichte.jsp#link22 (Stand 11.08.2005)

[12] vgl. [SPK05], § 5

[13] vgl. [SPK05], § 30

[14] vgl. [BOD04], S. 57 f.

[15] vgl. [BOD04], S. 59

[16] vgl. [BOD04], S. 59 f.

[17] vgl. [BOD04], S. 60

[18] vgl. [DSG99], S. 44

[19] vgl. [BER00], § 2 Abs. 1

[20] vgl. [DSG00], S. 2

[21] vgl. [DSG00], S. 3

[22] vgl. [DSG00], S. 2

[23] vgl. [HSH05]

[24] vgl. [BRÜ01], S. 1 f.

[25] vgl. [BRÜ01], S. 1

[26] vgl. [BRÜ01], S. 1

[27] vgl. [HSH05]

[28] vgl. [BRÜ01], S. 2

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Die Konsolidierung des Bankenmarktes - dargestellt am Beispiel des Sparkassensektors
Hochschule
Berufsakademie Sachsen - Glauchau
Note
2,1
Autor
Jahr
2005
Seiten
69
Katalognummer
V73247
ISBN (eBook)
9783638635837
Dateigröße
10483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konsolidierung, Bankenmarktes, Beispiel, Sparkassensektors
Arbeit zitieren
Dipl.-Betriebswirt (BA) André Schloms (Autor:in), 2005, Die Konsolidierung des Bankenmarktes - dargestellt am Beispiel des Sparkassensektors, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73247

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