La Fontaine und das Frauenbild des 17. Jahrhunderts


Seminararbeit, 2005

25 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Biographie

2 Fabelanalyse
2.1 La jeune veuve
2.2 Le mal marié

3 Gesellschaftliche Phänomene und ihr Einfluss auf die Rolle der Frau
3.1 Die Salonkultur
3.2 Das Preziösentum

4 Zeitgenössische Literatur von Frauen
4.1 Mlle de Scudéry
4.2 Mme de Lafayette

5 Zeitgenössische Literatur über Frauen
5.1 Molière
5.2 La Rochefoucauld

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Vorwort

Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist es, einen Beitrag zum Frauenbild des Fabeldichters Jean de La Fontaine zu leisten. Dazu muss zuerst ein Blick auf sein Leben und Wirken erfolgen, da darauf das Grundverständnis seiner Persönlichkeit aufbaut und es durch die alleinige Lektüre seine Werke vermutlich verborgen bliebe (Kapitel 1). Das sich anschließende Kapitel ist der genauen, vornehmlich inhaltsbezogenen Fabelanalyse gewidmet. Kapitel 3 beleuchtet die französische Salonkultur (3.1) und das Preziösentum (3.2) als gesellschaftliche Phänomene, die starken Einfluss auf das Frauenverständnis des ‚siècle classique’ ausübten. In Kapitel 4 und 5 soll dem Leser ein Einblick in die zeitgenössische Frauenliteratur gewährt werden, die sich zum einen aus Texten von Frauen (Kapitel 4) und zum Anderen aus Texten über Frauen (Kapitel 5) zusammensetzt. Das Fazit (Kapitel 6) greift schließlich wieder auf den Verskünstler La Fontaine zurück und versucht – unter Rückgriff auf die vorangehenden Kapitel – eine Erklärung für die Existenz mehrerer misogyner Fabeln seines Gesamtwerks zu geben.

1 Biographie

Jean de La Fontaine (1621-1695) wurde in der Champagne als Sohn eines «Maître des eaux et des forêts» geboren. In einem Oranierorden genoss er eine humanistische Bildung, begann anschließend ein Jurastudium in Paris und liebäugelte zwischendurch auch mit einem Beruf als Geistlicher. Im Alter von 26 Jahren wurde zwischen ihm und Marie Héricart, einer 14jährigen Bürgerstochter (mit guter Mitgift) ein Heiratsvertrag geschlossen. Jedoch kann nicht mit Verlässlichkeit ausgesagt werden, ob La Fontaine die Ehe aus freien Stücken eingegangen war oder dazu von seinem Vater gedrängt wurde[1]. Ab 1652 bestreitete er seinen Lebensunterhalt – wie sein Vater – durch das Amt des Forst- und Gewässermeisters, was ihn der ländlichen Bevölkerung und ihrer Mentalität näher brachte.

Seine Leidenschaft jedoch galt der Literatur. Den Beginn seiner literarischen Karriere stellen die Übersetzung des Terenz und unterschiedliche Gelegenheitsgedichte dar; Auslöser für seine Fabeldichtung war nach Auffassung des französischen Forschers Réné Jasinski das sog. Foucquet-Erlebnis[2] aus dem Jahre 1658. Nicolas Foucquet, der letzte Feudalherr der den Posten des Finanzministers unter Mazarin innehatte, war ein großzügiger Mäzen, um den sich viele namhafte Künstler seiner Zeit versammelt hatten. Durch die pikante Versepistel A l’abesse du Mouzon gelang es auch La Fontaine jenen von seinen literarischen Talenten zu überzeugen und als eine Art Hofpoet unter seiner Schirmherrschaft tätig zu sein. Doch nur drei Jahre später kündete sich ein folgenschwerer Einschnitt in La Fontaines Leben an: Der seit März 1661 persönlich regierende König Ludwig XVI. ließ Foucquet unter dem Vorwand der Korruption und Verschwörung gegen die Staatsgewalt verhaften, verurteilen und schließlich lebenslänglich verbannen. Für La Fontaine bedeutete dies das Ende der wohl glücklichsten Zeit seines Lebens.

Um nicht endgültig in die Provinz zurückkehren zu müssen, wo er noch bis 1670 das Amt des „Maître des eaux et des forêts“ innehatte, gelang es La Fontaine Mitte 1664 als Zeremonienmeister im Hause der Marguérite de Lorraine (Paris) tätig zu werden. Hier und in anderen intellektuellen Zirkeln, wie dem um die Gräfin Plessis-Guénégaud begegnete er einer Grundstimmung, die sich einerseits aufgrund von Verwandtschaft durch die Nähe zum Königshof auszeichnete, andererseits jedoch in Opposition zu letzterem stand. Unter der Einwirkung dieser Atmosphäre kam es 1668 zur Veröffentlichung seiner ersten Fabelsammlung (Bücher I-VI).

Nachdem La Fontaine 1671 nicht in der Lage war erneut das Amt des Forst- und Gewässermeisters zu erwerben, und ein Jahr darauf auch das Zeremonienmeisteramt durch den Tod der Herogin verlor, stand er mittellos da; der Zufall wollte es jedoch, dass er ab 1673 im Hause der Mme de la Sablière, einer ‚Femme savante’, aufgenommen wurde und in ihrem Salon auf alte Bekannte, wie auch auf philosophisch und naturwissenschaftlich orientierte Gelehrte traf. Wie viel er selbst und somit seine zweite Fabelsammlung (1678/79; Bücher VII-XI) durch diesen Einfluss profitierten, lässt sich nur erahnen wenn man bedenkt, dass „es [...] im Paris der siebziger Jahre keinen Zirkel [gab] , der wissenschaftlich progressiver dachte und in dem eine freiere Lebensform herrschte“ (Grimm, 2000:419; Stackelberg, 1999:140).

1683 nutzte La Fontaine die Gunst der Stunde und wurde Mitglied der Académie Française; er verkehrte zunehmend in libertinistischen Zirkeln und war der stadtbekannten Lebedame Mme Ulrich zugetan; die Vermutung er wäre ehelichen Pflichten gegenüber gleichgültig eingestellt gewesen, scheint vielleicht – und allein durch seine häufige Abwesenheit – plausibel, möchte ich aber nicht ganz unterschreiben, da mir keine weiteren Informationen zum Leben und Sterben seiner Gattin bekannt sind.

1695 starb er in frommer Reue über seine teils frivolen Versnovellen im Hause d’Hervarth – wo er seit dem Tod er Mme de la Sablière logierte – zwei Jahre nach Veröffentlichung seines XII. Buches, das den Abschluss seiner Fabeldichtung darstellt. (Grimm, 2000:407-423; Stackelberg, 1999:88-90)

Aufgrund der Tatsache, dass das Leben des Fabeldichters uns über weite Strecken im Dunkeln lässt und weiterhin da die verlässlichen Tatsachen kaum Hinweise auf sein Frauenverständnis zulassen, möchte ich nun ohne Umschweife auf zwei Fabeln seines Gesamtwerks zu sprechen kommen, von denen ich mir einen Beitrag zu der hier erörterten Thematik erhoffe.

2 Fabelanalyse

Es sind die Menschenfabeln VI,21 und VII,2, „die aufgrund ihres ‚gauloisen’ Charakters und ihrer misogynen Tendenz der Tradition der Fabliaux[3] zuzuordnen sind“ (Grimm, 2000:353). Wollen wir sie einmal genauer betrachten:

2.1 La jeune veuve

„La jeune veuve“, La Fontaines 21. Fabel des VI. Buches (1. Fabelsammlung) kreist um das Thema weiblicher Trauerarbeit nach Verlust des Geliebten.

Ein solcher Titel – vorausgesetzt der zeitliche Kontext sei unbekannt – ließe sich wohl in jeder nur denkbaren Geschichtsepoche situieren. Und tatsächlich bin ich bei meinen Nachforschungen diesbezüglich auf die interessante Tatsache gestoßen, dass das Motiv der trauernden oder gar treulosen Witwe in einer langen literarischen Tradition steht[4]. La Fontaine selbst hat sich in diesem Fall laut Jean Pierre Collinet (S.491) von Abstemius Laurentius, einem Fabeldichter des 15. Jahrhunderts inspirieren lassen[5].

Die Form betrachtend stelle ich fest, dass „La jeune veuve“ aus einer einzigen Strophe zu 48 Versen besteht (stichisches Bauprinzip[6]); letztere variieren willkürlich in der Länge und weisen meist acht oder zwölf Hebungen pro Zeile auf. So unterliegen die ersten drei Verse beispielsweise dem Alexandriner, wobei die Zäsur nach der dritten Hebung der zweiten Zeile, die inhaltliche Aussage stützend, als zusätzliches Kontrastmittel verwendet wird. Auch in den beiden nächsten Zeilen ist der Jambus als Versfuß vorzufinden, jedoch sind, wie schon Zeile sechs beweist, nicht alle Verse eindeutig einem bestimmten Rhythmus zuzuordnen[7]. Was das Reimschema angeht, so halten sich der umarmende und der Kreuzreim – jeweils drei Mal vorkommend – die Waage; mehr als doppelt so oft kommt der Paarreim vor. Eine Besonderheit im Reimschema stellen jedoch die Zeilen 19-23 sowie 36-40 dar: Hier findet sich eine abbaa-Anordnung, was einer Kombination von umarmendem und Paarreim entspricht und aus diesem Grunde beide Textstellen formal wie inhaltlich hervorhebt (siehe unten).

Was La Fontaine als „roi des vers“ (Grimm, 2000:426) stilistisch zu erbringen vermag und weshalb „la beauté de son style“ und „les ornements de son invention“ die Leser seiner Fabeln schon immer beeindruckten, rate ich an anderer Stelle nachzulesen, wie zum Beispiel bei Jürgen Grimm (2000:425-431). Ich hingegen konzentriere mich eher auf eine inhaltliche Interpretation, in die ich wichtige stilistische Elemente miteinfließen lasse:

[...]


[1] Folgender Ausspruch eines Chronisten jener Zeit ist überliefert: «Son père l’a marié, et lui, l’a fait par complaisance», (Grimm, 2000:408)

[2] Siehe Stackelberg, 1999:90

[3] Interessante Ausführungen zu den ‚Fabliaux’ als altfranzösische Schwankerzählungen und zu ihrem Bezug zur Gattung der Fabel finden sich im Nachwort von Gier (1985:303-335)

[4] Vgl dazu: Grisebach, E. (1889²). Die Wanderung der Novelle von der treulosen Wittwe durch die Weltlitteratur

[5] Nähere Informationen finden sich in der Datenbank des World Biographical Information System

[6] Siehe Gewecke, F. (2004). Skriptum der Veranstaltung „Einführung in die französische Literaturwissenschaft“

[7] So beginnt Vers 19 beispielsweise mit einem Anapäst, der nach der Zäsur durch einen Jambus abgelöst wird; mit dem Hinweis auf die traditionellen Streitigkeiten um ästhetisch orientierte versus inhaltsbezogene Fabelinterpretation (Grimm, 2000:425-445; Stackelberg, 1995:11-15) vernachlässige ich eine genauere Untersuchung des Metrums und fahre mit der Analyse fort

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
La Fontaine und das Frauenbild des 17. Jahrhunderts
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
'Fables' des Jean de La Fontaine
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V73068
ISBN (eBook)
9783638735476
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenbild, La Fontaine, 17. Jahrhundert, Fabel
Arbeit zitieren
Anna Kozok (Autor:in), 2005, La Fontaine und das Frauenbild des 17. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73068

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