Griechenland - Mehrheits- oder Konsensdemokratie?


Bachelorarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mehrheits- und Konsensdemokratie nach Lijphart

3 Einordnung Griechenlands
3.1 Das Parteiensystem
3.2 Die Regierung
3.3 Das Verhältnis Exekutive-Legislative
3.4 Das Wahlsystem
3.5 Das Interessengruppensystem
3.6 Der Staatsaufbau
3.7 Die Legislative
3.8 Die Verfassungsänderung
3.9 Die Verfassungsgerichtsbarkeit
3.10 Die Zentralbank
3.11 Griechenland: eine Mehrheitsdemokratie

4 Schluss

5 Literaturverzeichnis

6 Anhang

1 Einleitung

Viele Länder der Welt haben sich als Staatsform die Demokratie gewählt. Aber Demokratie ist nicht gleich Demokratie. Es gibt verschiedene Ausprägungen von ihr, die zu verschiedenen Zeiten von Politikwissenschaftlern beschrieben und unterschieden worden sind. Eine dieser Klassifizierungen besagt, dass es zwei grundlegende Typen der Demokratie gibt: Mehrheits- und Konsensdemokratie. Der Unterschied zwischen Mehrheits- und Konsensdemokratie liegt vor allem darin, auf wen politisches Handeln ausgerichtet ist: auf die Mehrheit der Menschen, oder auf so viele Menschen wie möglich, d.h. mindestens auf die Mehrheit. Daher ist Konsensdemokratie auch ausgerichtet auf Verhandlungen und Kompromiss, während Mehrheitsdemokratie über Ausschluss und Wettbewerb funktioniert. Diese Unterscheidung taucht schon Ende der Sechziger Jahre bei Robert G. Dixon auf.[1]

Auch Arend Lijphart stützte sich auf diesen Ansatz und untersuchte 1999 in einer sehr ausführlichen Studie 36 Demokratien empirisch darauf, wie sie in das Schema von Mehrheits- oder Konsensdemokratie eingeordnet werden können. In dieser Arbeit soll nun, ausgehend von Lijpharts Studie, Griechenland – als ein relativ selten betrachtetes Beispiel westlicher Demokratie – dieser Klassifizierung unterzogen werden.

Nach einem kurzen Überblick über Lijpharts Untersuchungsansatz werden die einzelnen Punkte, anhand derer er die Zugehörigkeit der Länder zur Mehrheits- oder Konsensdemokratie misst, genauer vorgestellt. Bei jedem Faktor soll aufgezeigt werden, wie es sich mit dem griechischen Staatssystem verhält. Am Ende dieses Kapitels erfolgt eine kurze Zusammenfassung der Einordnung Griechenlands in den einzelnen Punkten. Als Fazit der vorangegangenen Analyse fällt die Entscheidung, ob Griechenland eine Mehrheits- oder Konsensdemokratie ist.

Im Folgenden soll dann abschließend kurz Kritik an Lijpharts Studie geübt und daraus Schlüsse für Griechenlands Zukunft gezogen werden.

Der Hauptteil der Arbeit stützt sich hauptsächlich auf die Studie „Patterns of Democracy“ von Arend Lijphart von 1999. Um Griechenland genau einordnen zu können, wird auf die sehr detaillierte Beschreibung seines politischen Systems durch Peter A. Zervakis zurückgegriffen.

2 Mehrheits- und Konsensdemokratie nach Lijphart

Lijphart leitet aus den beiden grundlegenden Demokratieformen zehn Faktoren ab, in denen sich diese Modelle unterscheiden. Diese Variablen fasst er wiederum in zwei Kategorien zusammen: der Exekutive/Parteien-Dimension und der Föderalismus/Unitarismus-Dimension. Die Unterscheidungsfaktoren bestimmt er als sich gegenüberliegende Pole einer Skala, auf oder zwischen denen sich die demokratischen Systeme verschiedener Länder befinden. Die Merkmale der Mehrheitsdemokratie werden dabei zuerst genannt:

Exekutiv/Parteien-Dimension:

1. Zweiparteiensystem versus Vielparteiensystem
2. Konzentration der Exekutivmacht in den Händen einer alleinregierenden Mehrheitspartei versus Aufteilung der Exekutivmacht auf eine Vielparteienkoalition
3. Dominanz der Exekutive über Legislative versus Kräftegleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative
4. Mehrheitswahlsystem mit disproportionaler Stimmen- und Sitzverteilung versus Verhält niswahlrecht
5. Pluralistisches Interessengruppensystem versus korporatistisches Interessengruppen-system

Föderalismus/Unitarismus-Dimension:

1. Unitarischer und zentralisierter Staatsaufbau versus föderalistischer und dezentralisierter Staatsaufbau
2. Einkammersystem versus Zweikammersystem
3. Verfassung mit einfachen Mehrheiten veränderbar versus schwer veränderbare Verfassung
4. Letztentscheidungsrecht der Legislative über Konstitutionalität von Gesetzen versus richter liche Nachprüfung der Gesetzgebung
5. Zentralbank von Exekutive abhängig versus autonome Zentralbank

Es gibt nach Lijpharts Erkenntnis sehr wenige reine Mehrheitsdemokratien. Nur Großbritannien, Neuseeland (bis 1996) und die früheren britischen Kolonien in der Karibik. Die meisten Demokratien heutzutage sind Konsensdemokratien.[2]

3 Einordnung Griechenlands

Lijphart betrachtet Griechenland in seiner Studie vom Jahr 1974 bis Mitte 1996. Das Ende des Betrachtungszeitraums ist bei allen 36 untersuchten Ländern gleich, aber die Startpunkte variieren, je nachdem, wann die erste demokratische Wahl nach (Wieder-)Einführung der Demokratie abgehalten wurde.

Griechenland sticht unter den 36 von Lijphart analysierten Ländern hervor, weil hier dreimal Demokratie eingeführt und zweimal wieder abgeschafft wurde – wohingegen die anderen 35 Länder nicht an allen dieser (Ent-)Demokratisierungswellen seit 1828 teilhatten.[3]

Betrachtet man den Aspekt des Pluralismus, gehört Griechenland zu den nicht-pluralistischen Gesellschaften. Das bedeutet nicht, dass die griechische Gesellschaft homogen ist, aber sehr wohl, dass nur verhältnismäßig wenige und kleine ethnische, religiöse und sonstige Minderheiten existieren. Es gibt z.B. religiöse Spannungen zwischen der griechisch-orthodoxen Mehrheit und den Minderheiten, trotzdem wird Griechenland nicht zu den pluralistischen oder semi-pluralistischen Ländern gezählt.[4]

3.1 Das Parteiensystem

Zweiparteiensysteme stehen für den Typ Mehrheitsdemokratie, Vielparteiensysteme hingegen für Konsensdemokratie. Ersteren werden traditionell einige Vorteile zugeschrieben: Sie bieten eine klare Entscheidungsmöglichkeit für den Wähler zwischen zwei alternativen Politikansätzen, sie zentrieren sich um die politische Mitte, weil dort Wechselwähler erreicht werden können, und sie sind die Voraussetzung, um Einparteienregierungen zu bilden, die stabil und effektiv arbeiten. Das Problem dieser Argumentationsweise ist, dass es unmöglich ist, gleichzeitig eine deutlich von der anderen Partei unterscheidbare Politik zu bieten und um Wähler der politischen Mitte zu werben.

Das generelle Problem der Zuordnung von Ländern zu Zwei- oder Vielparteiensystemen ist die Bestimmung der jeweiligen Anzahl von Parteien. Werden kleine Parteien mitgezählt, bzw. wie groß muss eine Partei sein, damit sie mit eingerechnet wird? Lijphart verwendet den Indikator der „effective number of parties“[5], der auf Laakso/Taagepera zurückgeht. Dieser bezieht sich auf die Zahl der Sitze, die eine Partei bei einer Wahl errungen hat – sie muss also im Parlament vertreten sein. Wenn alle Parteien eines Systems gleich stark sind, wird die errechnete effektive Anzahl dieselbe sein wie die tatsächliche, zählbare Anzahl. Sind die Parteien nicht gleich stark, verringert sich die Zahl der effektiven Parteien. Bei zwei eng miteinander verbundenen Parteien wie CDU/CSU in Deutschland, schlägt Lijphart vor, sie als eineinhalb Parteien zu berechnen, da sie weder eine einzige noch zwei eigenständige Parteien seien. Mit stark zersplitterten Parteien verfährt er ebenso.

Nach diesen Vorbetrachtungen analysiert Lijphart die 36 Demokratien und richtet sich dabei nach der Zahl der Parteien in der ersten Kammer eines Zweikammersystems, bzw. der einzigen Kammer in einem Einkammersystem. Griechenland kommt dabei auf einen durchschnittlichen Wert von 2,2 Parteien für den Zeitraum zwischen 1974 und 1996, der acht Wahlen umfasst. Der niedrigste Wert in diesem Zeitraum liegt bei 1,72 (was eine dominantere Partei innerhalb eines Zweiparteiensystems bedeutet), der höchste bei 2,4 (was ein zweieinhalb Parteiensystem mit einer stärkeren Partei anzeigt). Das griechische Parteiensystem ist also den Berechnungen nach ein Zweiparteiensystem, das relativ wenigen Schwankungen unterworfen ist – und das, obwohl es in Griechenland viele Parteien gibt. Das liegt daran, dass nur wenige dieser politischen Gruppierungen wirklich eine Rolle spielen. Bei der letzten Wahl 2004 zogen lediglich vier Parteien ins Parlament ein. Allerdings waren Kommunisten und Linke nur mit 12 bzw. 6 Abgeordneten vertreten. Die Vormacht im Parlament haben die beiden großen Parteien, die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) und die Nea Dimokratia (ND), inne. Die ND erhielt 45 Prozent der Stimmen, was ihr dank des besonderen griechischen Wahlsystems 55 Prozent der Sitze einbrachte.[6]

3.2 Die Regierung

Diese Variable kennzeichnet den grundlegenden Unterschied zwischen Mehrheits- und Konsensdemokratie: die Konzentration der Exekutivmacht in den Händen einer alleinregierenden Mehrheitspartei gegenüber der Aufteilung der Exekutivmacht auf eine Vielparteienkoalition. Oder kurz gesagt: „… concentration of power on one hand and power-sharing on the other.“[7]

Die verschiedenen Regierungsarten unterscheiden sich auch bezüglich ihrer Machtbasis: Lijphart benennt “minimal winning” Regierungen, die eine Mehrheit der Sitze im Parlament haben, aber keine dafür unnötige Partei beinhalten. Und „oversized“ Regierungen, die mehr Parteien umfassen als für die Mehrheit im Parlament nötig ist; bzw. „undersized“ oder „minority“ Regierungen, die keine parlamentarische Mehrheit haben.

[...]


[1] Vgl. Arend Lijphart, Patterns of Democracy. New Haven und London 1999, S. 5.

[2] Vgl. Lijphart (1999), S. 7.

[3] Vgl. Lijphart (1999), S. 55.

[4] Vgl. Lijphart (1999), S. 59.

[5] Lijphart (1999), S. 68.

[6] Tohki, A.: Machtwechsel in Griechenland, in: www.griechische-botschaft.de/politik/ergebnisse/index.htm, Zugriff am 8. Oktober 2006.

[7] Lijphart (1999), S. 62.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Griechenland - Mehrheits- oder Konsensdemokratie?
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V73014
ISBN (eBook)
9783638632744
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Griechenland, Mehrheits-, Konsensdemokratie
Arbeit zitieren
Monika Eder (Autor:in), 2006, Griechenland - Mehrheits- oder Konsensdemokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73014

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