Dante und der verdammte Bonifatius VIII.


Hausarbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Das politische Weltbild Dantes ist im 21. Jahrhundert immer noch aktuell. Heutige Demokratien, wie die USA, sehen sich als gesegnetes Volk - „a Nation under God“. Ihre politischen Führer haben sich, wie auch der jetzige Amtsinhaber George W. Bush jr., in ihren Reden immer wieder auf Gott bezogen und ihr Handeln dadurch gerechtfertigt. Dieser Konflikt in der religiösen Tradition der Amerikanischen Politik, spitzt sich in den Entscheidungen des Supreme Court um Trennung von Staat und Kirche zu. Inwieweit diese Trennung überhaupt vollzogen werden kann, zeigen Entscheidungen einerseits gegen das Lehren der Evolutionslehre an amerikanischen Schulen, andererseits aber auch gegen das Aufstellen von Weihnachtskrippen vor Rathäusern. Diese eher trivialen Konflikte sind ein gegenwärtiger Mikrokosmos dessen, was sich als Kampf zwischen Kaiser und Papsttum im alten Europa des 14. Jahrhunderts abspielte. Damals war ebenfalls die Frage der Trennung zwischen Staat und Kirche ein Thema, was Adel, Klerus, aber auch Literaten wie Dante Alighieri beschäftigt hat. Zwar stellt Dante sein politisches Weltbild im Traktat De Monarchia direkt dar, jedoch lassen sich seine politischen Visionen auch in der Divina Commedia lesen.

Die Göttliche Komödie, als ein Meisterstück der Weltliteratur, befasst sich neben Aspekten der Geschichte, Natur und Astronomie auch mit Politik. Dante zeichnet darin die damalige politische Landschaft mit all seinen Protagonisten und bezieht durch deren Verortung in Hölle (Inferno), Läuterungsberg (Purgatorio), oder Paradies (Paradiso) indirekt Stellung. Politik bedeutete im späten Mittelalter Europas vor allem den Machtkampf zwischen Papst und Kaiser.[1] Die Frage ob die geistliche und weltliche Sphäre getrennt sein sollten und in welcher Hierarchie sie aufgebaut sind, beschäftigte Dante, was sich in seinem Schreiben manifestierte. Dieser Aufsatz soll belegen, dass Dantes politische Ansichten über das Papsttum, speziell die Rolle von Bonifatius VIII., sich in der Divina Commedia widerspiegeln. Da eine allumfassende Aufarbeitung des kompletten Werks hier weder möglich, noch gewünscht ist, begrenze ich mich auf das trotzdem noch weite Feld des 19. Gesangs des Inferno.[2] Zunächst müssen wir uns jedoch die Vitae von Dante Alighieri und Bonifatius VIII. anschauen, sowie deren politische Ideen verstehen und in den Kontext zur damaligen Geschichte stellen. Erst dann sollen beispielhaft verschiedene Verse des XIX. Canto sowie ihre verschiedenen Bedeutungen und Bilder herausgearbeitet werden. Abschließend werden die Ergebnisse der politischen Gegenüberstellung Dantes und Bonifazius’ VIII. mit den Schlussfolgerungen der Versanalyse kontrastierend zusammengefasst. Angesichts der universalen Fülle an Literatur über Dantes Werk und Leben ist dieser Aufsatz ein kleiner Beitrag, ein kleiner Stern am danteschen Himmelszelt, neben all den anderen Sternen.

Obwohl und gerade weil wir Dantes Leben ausschließlich aus seiner Feder, oder dem Hörensagen Dritter kennen, sind seine Schriften biographische Quellen, die den Bogen zwischen Dantes Leben und Werk schlagen. Dante Alighieri wurde höchstwahrscheinlich im Jahre 1265 in Florenz in eine adelige Familie geboren.[3] Neben dem frühen Tod beider Elternteile, war Dantes Begegnung mit Beatrice um 1274 das bedeutendste Ereignis seiner Kindheit. In seinen Werken Vita Nuova und Divina Commedia verarbeitete Dante den ebenfalls frühen Tod seiner Angebeteten und stilisierte sie damit „zu einem literarischen Mythos“[4]. Nach vier bis fünf Jahren einer humanistisch geprägten, privaten Schulausbildung kam Dante mit zeitgenössischen Dichtern wie Cavalcanti in Kontakt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Dante in den frühen 90er Jahren des 13. Jahrhunderts in Fächern wie Theologie und Philosophie Schüler Brunetto Latinis war, dem er ebenfalls in der Commedia huldigt.[5] Dantes Kindheit und frühe Jugend waren in einem friedlichen Florenz eingebettet. Dies änderte sich gegen Ende der 1280er Jahre durch den Machtstreit zwischen Ghibellinen und Guelfen, zwei Parteien, die um die Vorherrschaft in Florenz kämpften. All dies prägte Dante sehr, und er engagierte sich im politischen Leben von Florenz indem er verschiedene Stadtämter bekleidete. Um 1294 teilte sich das Lager der Guelfen in „weiße – Autonomiebestrebte – Guelfen“ und „schwarze – Papsttreue – Guelfen“. Die innerstädtischen Unruhen und Streitigkeiten, aber auch die drohende Einverleibung Florenz’ in den Kirchenstaat, führten Dante als Vertreter der weißen Guelfen zu Papst Bonifatius VIII. nach Rom, während Florenz von Karl von Valois mit päpstlichen Segen besetzt wurde.[6] Gegen den „Weißen“ Dante wurde 1302 in seiner Abwesenheit das Todesurteil ausgesprochen, dass sein lebenslanges Exil begründete. In Verona, Treviso, Padua und anderen Städten fand Dante Asyl bei Gönnern wie Bartolomeo della Scala, den er ebenfalls in der Divina Commedia bedachte.[7] Seine fragmentarischen Werke De vulgari eloquentia, Convivio sowie Teile des Inferno fallen in die Schaffungsphase des frühen Exils. Nachdem sich Dante mit seinen verbliebenen Mitstreitern überworfen hatte, richteten sich seine Hoffnungen auf Frieden an die Krönung Heinrich des VII. zum Kaiser. Dieser wurde zwar 1312 in Rom vom Papst zum Kaiser erhoben, starb jedoch schon ein Jahr später. Deshalb erscheint es auch nicht als Zufall, dass Dante sein politisches Hauptwerk De Monarchia zu diesem Zeitpunkt verfasste.[8] Das Inferno soll wohl ein Jahr später abgeschlossen worden sein, wobei sich Literaturwissenschaftler und Historiker über dessen endgültige Fertigstellung bis heute streiten. Die letzten beiden Teile der Komödie, Purgatorio und Paradiso, vollendete Dante bis zu seinem Tod 1321.[9] Diese kurze Lebenslaufbeschreibung deckt nur die wichtigsten Eckdaten von Dantes Leben ab, ist aber im Hinblick auf die spätere Versanalyse wichtig. Bevor näher auf Dantes politische Visionen und Ideen eingegangen werden kann, ist es nötig das Leben von Papst Bonifatius VIII. nachzuzeichnen, denn ohne dieses Basiswissen würde eine Verknüpfung beider Gestalten und die folgende literarische Erarbeitung ihres Konflikts nur schwer verständlich sein.

Papst Bonifatius VIII., der selbst nicht direkt in der Divina Commedia auftritt, ist durch seine Kirchenpolitik die Figur des „korrupten Priesters par excellence.“[10] Sein Handeln hatte nicht nur Auswirkungen auf die damalige Weltpolitik, sondern hatte mit der Verbannung aus Florenz für Dante auch persönliche Folgen. Ob Dante durch sein Exil dazu bewegt wurde, Bonifatius in die Hölle zu versetzen ist unklar und würde der politischen Vision Dantes nicht genügend Rechnung tragen.[11] Gerade deshalb ist die die Figur des simonistischen Papstes als Sündenbeispiel in einem größeren Rahmen zu betrachten.

Bonifatius VIII., mit bürgerlichem Namen Benedetto Caetani, wurde in Anagni um 1235 geboren und wurde 1294 Nachfolger von Papst Cölestin V. Schon als Kardinal bewies er juristisches Können und kuriale Geschäftsverständnis, was unter anderem auch Einfluss auf seine Ernennung zum Papst hatte. Caetani überzeugte seinen Vorgänger Cölestin V., der ohnehin das Pontifikat nur widerwillig angenommen hatte, abzudanken und legte somit den Grundstein für seinen Sieg im folgenden Konklave.[12] Bonifazius’ Papsttum war geprägt von seiner Habgier und Herrschsüchtigkeit. Darüber hinaus war er ein sehr intelligenter und rational denkender Papst, der die Wissenschaften förderte, was ihm posthum den Vorwurf der Häresie einbrachte.[13] Das Jahr 1300 wurde von Bonifatius VIII. als „heiliges Jahr“ ausgerufen, um durch Ablasszahlungen der Pilger, die nach Rom kommen würden, die früheren Kreuzzüge zu refinanzieren. Mit seinem Machtanspruch trat Bonifatius in die Fußstapfen seiner Vorgänger.[14] Jedoch war er es, der auch angesichts eines fehlenden Kaisers, immer größere Machtansprüche stellte und dies in seiner 1302 veröffentlichten Bulle Unam Sanctam verkündete. In diesem päpstlichen Erlass stellte er den Kaiser unter den Papst.[15] Bonifatius VIII. isolierte sich politisch durch Konflikte mit dem französischen König und der römischen Adelsfamilie Colonna. Schließlich fiel er 1303 einem Attentat seiner beiden Gegenparteien zum Opfer und starb kurz darauf. Kirchenhistoriker sehen in seiner Herrschaft ein Pontifikat voller Misserfolge und übersteigertem „Machtanspruch…, [das] den Niedergang der päpstlichen Autorität unübersehbar eingeleitet [hat].“[16]

Die Lebenswege von Dante und Bonifatius VIII. kreuzten sich selten und stellen auch nicht den Fokus dieses Aufsatzes dar. Vielmehr macht das Wissen um die Biographien beider Persönlichkeiten deren politische Ideen und Visionen erst verständlich. Mit diesem Hintergrund sollen zunächst die politischen Weltbilder von Thomas von Aquin und Aristoteles, in deren Tradition Dante partiell stand, ausgeleuchtet werden.[17] Die von Dante benutzten Bilder der Zwei-Sonnen-Theorie und der Zwei-Schwerter-Theorie sollen zunächst erläutert und dann in den historischen Kontext zur vermeintlichen Konstantinischen Schenkung des Westlichen Römischen Reiches an Papst Silvester I. gestellt werden. Damit soll die historisch schwierige Beziehung von Kirche und Staat, sowie deren langfristigen Auswirkungen aufgezeigt werden. Dazu zählen die von Dante verurteilte Sünde der Simonie und der päpstliche Machtanspruch. Erst durch diesen historischen Diskurs über Politik und Moral des späten Mittelalters kann eine enge Versanalyse des 19. Inferno -Gesangs erfolgen.

[...]


[1] Miethke, Jürgen und Bühler, Arnold. Kaiser und Papst im Konflikt. 178 ff.

[2] Natürlich gibt es in vielen anderen Canti des Inferno, Purgatorio und Paradiso Verweise und Bezüge auf die politische Vision Dantes, deren Einarbeitung in den vorliegenden Aufsatz jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Jedoch wird im Folgenden auf die zum weiteren Verständnis nötigen Verse verwiesen.

[3] Prill, Ullrich. Dante. 3-16. Den Adelstitel verdiente sich Dantes Ururgroßvater Cacciaguida, der auf einem Kreuzzug 1091 starb.

[4] Ibid. 8.

[5] Inferno 15

[6] Für die päpstliche Florenz-Politik siehe auch Barclay Carter, Barbara. Dante’s Political Ideas. 341. und Enciclopedia Italiana. 677.

[7] Vgl. Woodhouse, John. Dante and Governance. 54.

[8] Für Erläuterungen zum erwarteten Erlöser, bzw. Veltro siehe. Ferrante, Joan, M. The Political Vision of the Divine Comedy. 115, 119.

[9] Vgl. Prill, Ullrich. Dante. 1-16.

[10] Foster, Kenelm. The Canto of the Damned Popes. 57.

[11] Enciclopedia Italiana. 677. Vgl. Maurer, K. Dante als politischer Dichter. 166.

[12] Siehe Enciclopedia Italiana. 676. Caetanis Anspruch auf Macht und seine Angst dieselbige wieder zu verlieren, wird in der Gewahrsamshaltung von Cölestin V. nach dessen Abdankung sichtbar, mit der er vielleicht auch ein mögliches Schisma vermeiden wollte. Siehe Schwaiger, G. und Heim, M. Kleines Lexikon der Päpste. 48.

[13] Zum Beispiel gründete er 1302 die Universität Sapienza in Rom. Die Häresievorwürfe bezogen sich jedoch eher auf ketzerische Äußerungen.

[14] Gregor VII., Innocenz III., Innocenz IV.

[15] Zur Bulle Unam Sanctam siehe auch: Miethke, Jürgen und Bühler, Arnold. Kaiser und Papst im Konflikt. 34-36, 121-124.

[16] Schwaiger, G. und Heim, M. Kleines Lexikon der Päpste. 36.

[17] Neben der Divina Commedia sind Dantes Werke De Monarchia und das Convivio Ausdruck dieser politischen Sichtweise.

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Details

Titel
Dante und der verdammte Bonifatius VIII.
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Romanische Philologie)
Veranstaltung
Dante - Inferno
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V72761
ISBN (eBook)
9783638733656
ISBN (Buch)
9783638769570
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Prüfer:"Sehr gut!"
Schlagworte
Dante, Bonifatius, VIII, Dante, Inferno
Arbeit zitieren
Paul Vierkant (Autor:in), 2006, Dante und der verdammte Bonifatius VIII. , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72761

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