Einflussfaktoren auf den Gewichtsstatus von Kindern und Jugendlichen - Präventionsansätze bei Übergewicht und Adipositas


Magisterarbeit, 2005

132 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zielstellung der Arbeit

3 Grundlagen von Übergewicht und Adipositas
3.1 Definition, Klassifikation und Diagnostik
3.2 Epidemiologie der Adipositas
3.3 Assoziierte Krankheiten
3.4 Therapie
3.4.1 Ernährungstherapie
3.4.2 Bewegungstherapie
3.4.3 Verhaltenstherapie
3.4.4 Medikamentöse Therapie
3.4.5 Chirurgische Therapie
3.4.6 Multimodale Therapie
3.5 Ursachen von Übergewicht und Adipositas
3.5.1 Genetische Ursachen
3.5.2 Umweltfaktoren
3.5.2.1 Ernährungsgewohnheiten
3.5.2.2 Körperliche Aktivität
3.5.2.3 Soziodemographische und psychosoziale Faktoren
3.5.2.4 Frühkindliche Prägung
3.6 Adipositasprävention

4 Material und Methoden

5 Ergebnisse
5.1 Zusammenhänge zwischen biologischen, sozialen und verhaltensabhängigen Parametern
5.1.1 Zusammenhänge zwischen biologischen und verhaltensabhängigen Parametern der Kinder
5.1.1.1 Gewichtsstatus
5.1.1.2 Befinden
5.1.1.3 Freizeitbeschäftigung
5.1.1.4 Ernährung
5.1.1.5 Körperliche Aktivität
5.1.2 Zusammenhänge zwischen biologischen, sozialen und verhaltensabhängigen Parametern der Eltern auf das Kind
5.1.2.1 Gewichtsstatus und frühkindliche Einflüsse
5.1.2.2 Ernährung
5.1.2.3 Körperliche Aktivität
5.1.2.4 Sozioökonomischer Status
5.1.3 Zusammenhänge zwischen biologischen, sozialen und verhaltensabhängigen Parametern der Eltern
5.1.3.1 Gewichtsstatus, Gesundheitszustand und Befinden
5.1.3.2 Sozioökonomischer Status
5.2 Einflussfaktoren auf den Gewichtsstatus
5.2.1 Einflussfaktoren auf den kindlichen Gewichtsstatus
5.2.1.1 Persönliche Parameter
5.2.1.2 Befinden
5.2.1.3 Ernährung
5.2.1.4 Körperliche Aktivität
5.2.1.5 Freizeitbeschäftigung
5.2.2 Einfluss sozialanamnestischer Parameter der Eltern auf den kindlichen Gewichtsstatus
5.2.2.1 Gewichtsstatus der Eltern
5.2.2.2 Ernährung
5.2.2.3 Körperliche Aktivität
5.2.2.4 Sozioökonomische Faktoren
5.2.3 Zusammenhang zwischen elterlichen Gewichtsstatus und Gesundheitszustand sowie Beziehungen zu sozioökonomische Faktoren
5.2.3.1 Vater
5.2.3.1.1 Gesundheitszustand
5.2.3.1.2 Sozioökonomische Faktoren
5.2.3.2 Mutter
5.2.3.2.1 Gesundheitszustand
5.2.3.2.2 Sozioökonomische Faktoren
5.3 Zusammenfassung

6 Diskussion
6.1 Prävalenz
6.2 Sozioökonomische Faktoren
6.3 Frühkindliche Einflüsse
6.4 Psychologische Aspekte
6.5 Ernährungsverhalten
6.6 Bewegungsverhalten
6.7 Präventive Maßnahmen
6.7.1 Präventive Maßnahmen der Familie
6.7.2 Präventionsmaßnahmen auf Bevölkerungsebene
6.7.2.1 Maßnahmen in Kindergärten und Schulen
6.7.2.2 Maßnahmen für Erwachsene

7 Ausblick

8 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang 1: Kinderfragebogen

Anhang 2: Elternfragebogen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI

Tab. 2: BMI-Gruppen [%, n] der Kinder nach Geschlecht unterteilt und insgesamt

Tab. 3: Mittelwert und Standardabweichung für Geburtsgewicht und Geburtslänge der Kinder

Tab. 4: Häufigkeit [%, n] der regelmäßigen Mahlzeiteneinnahme der Kinder in der Woche und am Wochenende

Tab. 5: Häufigkeit [%, n] der Einnahme ausgewählter Speisen der Kinder

Tab. 6: Spearman Korrelationsmatrix der aufgetretenen signifikanten Korrelationen zwischen verschiedenen Variablen der Kinder

Tab. 7.1-7.3: Spearman Korrelationsmatrizes der aufgetretenen signifikanten Korrelationen zwischen verschiedenen Variablen der Kinder und Eltern

Tab. 8: Alter [%, n] der Eltern

Tab. 9: Häufigkeit [%, n] ausgewählter Krankheiten der Eltern

Tab. 10: Schulabschluss der Eltern

Tab. 11: Berufsausbildung der Eltern

Tab. 12: Erwerbstätigkeit der Eltern

Tab. 13: Spearman Korrelationsmatrix der aufgetretenen signifikanten Korrelationen zwischen verschiedenen Variablen der Eltern

Tab. 14.1-12: Einflussfaktoren

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Alter [%] der Kinder

Abb. 2: Zusammenhang zwischen mittlerem BMI der Kinder und Gefallen am Sport

Abb. 3: Zusammenhang zwischen mittlerem BMI der Kinder und Mitgliedschaft im Sportverein

Abb. 4: Zusammenhang zwischen mittlerem BMI der Kinder und Freizeitbeschäftigung mit Sport

Abb. 5: Zusammenhang zwischen mittlerem BMI und Unterrichtsspaß der Kinder

Abb. 6: Häufigkeit [%] der Fernseh/Video/DVD-Zeit und Computer/Spielkonsole-Zeit der Kinder in der Woche und am Wochenende

Abb. 7: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS und dem Hunger zwischen den Mahlzeiten der Kinder

Abb. 8: Schulweg [%] der Kinder

Abb. 9: Stilldauer [%] der Kinder

Abb. 10.1: BMI-Gruppen [%] der Väter

Abb. 10.2: BMI-Gruppen [%] der Mütter

Abb. 11.1: Sportaktivität [%] der Väter

Abb. 11.2: Sportaktivität [%] der Mütter

Abb. 12: Monatliches Nettoeinkommen [€] der Familie

Abb. 13: Einfluss von Alter und Geschlecht auf den mittleren BMISDS der Kinder

Abb. 14: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS der Kinder und Anzahl der Geschwister

Abb. 15: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS und Gewichtseinschätzung der Kinder

Abb. 16: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS der Kinder und ihrer Freizeitbeschäftigung mit Fernsehen/Video/DVD in Abhängigkeit vom Geschlecht

Abb. 17.1: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS des Kindes und der BMI-Gruppe des Vaters

Abb. 17.2: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS des Kindes und der BMI-Gruppe der Mutter

Abb. 18: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS der Kinder und dem Achten der Familie auf eine gesunde Ernährung

Abb. 19: Zusammenhang zwischen mittlerem BMISDS der Kinder und der Sportaktivität der Väter

Abb. 20: Mittlerer BMI des Vaters ohne und mit einer Erkrankung

Abb. 21: Zusammenhang zwischen mittlerem BMI des Vaters und dem monatlichen Nettoeinkommen der Familie

Abb. 22: Einfluss der Sportaktivität auf den mittleren BMI der Mutter

Abb. 23: Zusammenhang zwischen mittlerem BMI der Mutter und ihrer Erwerbstätigkeit

1 Einleitung

Die kontinuierliche Zunahme von Übergewicht und Adipositas in den letzten Jahrzehnten hat weltweit besorgniserregende Ausmaße angenommen (Zwiauer 2003). „Die WHO bezeichnet das Problem der Adipositas als ein eskalierendes epidemisches, pandemisches Problem, das die meisten Länder der Welt erfasst hat und deren Auswirkungen so unterschiedlich und extrem sind, daß es sich daher derzeit um eines der größten vernachlässigten gesundheitspolitischen Probleme unserer Zeit handelt“ (Zwiauer 1998a, S.89). Auch in Deutschland nimmt die Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder in erschreckender Weise zu (Bruhn 2004).

Die Ursachen, die zur Entstehung von Übergewicht und Adipositas führen, sind multifaktoriell. Einerseits haben genetische Komponenten einen Einfluss und andererseits gibt es zahlreiche Umweltfaktoren, die zur Entwicklung beitragen (vgl. Holub und Götz 2003). So sind ein niedriger sozialer Status der Eltern, körperliche Inaktivität und eine Ernährung, die den Energieverbrauch übersteigt, wesentlich für die Manifestation einer Adipositas bei Kindern und Jugendlichen (Müller et al. 1999a). Ziel dieser Arbeit ist es daher, mittels einer Befragung von Grundschülern und deren Eltern, eine Vielzahl von möglichen Einflussfaktoren auf den Gewichtsstatus zu gewinnen, um daraus Schlussfolgerungen für effektive Präventionsansätze zu ziehen. Die Notwendigkeit von präventiven und therapeutischen Maßnahmen ist unumstritten (Müller et al. 1999a).

Übergewicht und Adipositas sind mit einer Fülle von Folge- und Begleiterkrankungen assoziiert. Diese äußern sich durch Veränderungen metabolischer, physiologischer und psychosozialer Parameter (vgl. Wirth 1997). Krankheiten, wie erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus, aber auch Schwächen des Stütz- und Bewegungsapparates treten immer häufiger bereits im Kindes- und Jugendalter auf (Ketelhut et al. 2005).

Zunächst ist die Akzeptanz des Problems als solches und die Schaffung eines Problembewusstseins in der Bevölkerung sowie der Ärzteschaft ein wesentlicher Schritt zur Lösung (Zwiauer 1998a). Denn dieses Problem wurde im deutschen Gesundheitssystem lange vernachlässigt bzw. völlig ignoriert (Hauner 2001). Auch um das Gesundheitssystem finanziell zu entlasten, ist eine frühzeitige Adipositasprävention dringend erforderlich (vgl. Böhler 2005).

Vereinfacht dargestellt, ist die Energiebilanz bei den Betroffenen aus dem Gleichgewicht gebracht. Es besteht demnach eine Diskrepanz zwischen der Energieaufnahme und dem Energieverbrauch (vgl. Wabitsch et al. 2005c). Deshalb wird grundsätzlich eine ausgeglichene bzw. negative Energiebilanz für Präventions- und Therapieprogramme angestrebt. Um diese zu erreichen, kommen vorrangig die Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensmodifikation zum Einsatz (vgl. Zwiauer 1998b). Ziel der Prävention soll also ein verbessertes Gesundheitsverhalten durch gesunde Ernährung und einen aktiven Lebensstil sein (Müller et al. 1999a).

2 Zielstellung der Arbeit

Die steigenden Prävalenzraten und die zahlreichen mit der Adipositas assoziierten Erkrankungen unterstreichen die Notwendigkeit der Ursachenforschung und der frühestmöglichen präventiven Einflussnahme. Die Kenntnis der Risikofaktoren und Ursachen, die zur Adipositas führen, ist Grundbedingung für eine sinnvolle Gestaltung von Präventionsprogrammen. Im Kapitel Grundlagen (3.1-3.6) wird eine Einführung in die Thematik gegeben. Daraus soll die Problematik von Übergewicht und Adipositas ersichtlich werden. Ziel dieser Arbeit ist es, eine komplexe Übersicht über die Ursachen für Übergewicht und Adipositas zu geben und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für effektive Präventionsmaßnahmen vorzustellen. Durch die Befragung von 8- bis 11-jährigen Grundschulkindern und deren Eltern, sollte eine Fülle von möglichen Einflussfaktoren auf den Gewichtsstatus gewonnen werden. Des Weiteren sollen die erfragten Parameter in Beziehung zum Gewichtsstatus der Kinder gesetzt werden. Im Fokus der Erhebung standen der Gesundheitszustand im Allgemeinen, persönliche Parameter (Alter, Geschlecht, Geschwisteranzahl, Gewicht und Größe), das Ernährungsverhalten, die Freizeitgestaltung, die sportliche Betätigung, Gesundheits- und Gewichtsstatus der Eltern und sozioökonomische Faktoren. Da nicht alle Einflussparameter erfragt werden konnten, werden Erkenntnisse aus anderen Studien zusätzlich dargestellt. Durch die Ermittlung des Gewichtsstatus der Probanden, konnte die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas in der Stichprobe bestimmt werden. Diese wird mit den Ergebnissen anderer Erhebungen verglichen, um festzustellen, ob die Werte repräsentativ für die deutsche Bevölkerung sind. Die Arbeit bezieht sich vorrangig auf das Kindes- und Jugendalter, da hier die Prävention beginnen muss. Wenn sich eine Adipositas bereits in diesem Alter entwickelt und sich bis in das Erwachsenenalter fortsetzt, ist die Morbidität und Mortalität im Vergleich zu einem späteren Entstehungszeitpunkt erhöht (Matthai 2002). Je früher Maßnahmen eingeleitet werden, desto erfolgsversprechender sind diese. Es werden einige bisher erfolgte Präventionsprogramme vorgestellt. Mittels der in der Literatur beschriebenen und der aus dieser Befragung gewonnenen möglichen Einflussfaktoren auf den Ernährungszustand von Kindern und auch Jugendlichen, werden die Konsequenzen für die erfolgten und zukünftig geplanten oder geforderten Präventionsmaßnahmen diskutiert.

3 Grundlagen von Übergewicht und Adipositas

3.1 Definition, Klassifikation und Diagnostik

Laut AGA liegt Übergewicht vor, wenn das körperhöhenbezogene Körpergewicht ein bestimmtes Maß übersteigt und eine Adipositas, wenn der Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse pathologisch erhöht ist (AGA Leitlinien 2004).

Bei Erwachsenen ist der Body Mass Index (BMI) die Berechnungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation und Abschätzung der Fettmasse (Hauner et al. 2004). Der BMI ist der Quotient aus Körpergewicht in Kilogramm und Körpergröße in Metern zum Quadrat. Bei Erwachsenen ist Übergewicht definiert als BMI ≥ 25 kg/m2 und Adipositas als BMI ≥ 30 kg/m2 (Tab. 1, Hauner et al. 2004).

Formel zur Berechnung des Body-Mass-Index: BMI= Körpergewicht [kg ]

(Körpergröße [m])2

Tab. 1: Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Beurteilung des BMI im Kindes- und Jugendalter muss berücksichtigt werden, dass der BMI von alters- und geschlechtsspezifischen Besonderheiten beeinflusst wird (vgl. AGA Leitlinien 2004). Mit Hilfe der Erstellung überregionaler BMI-Referenzwerte für deutsche Kinder und Jugendliche durch Kromeyer-Hausschild et al. (2001), können in Form von alters- und geschlechtsspezifischen BMI-Perzentilen individuelle Werte eingeschätzt werden. „Das jeweilige Perzentil gibt an, wie viel Prozent der gleichaltrigen Kinder gleichen Geschlechts einen niedrigeren BMI-Wert aufweisen“ (Kromeyer-Hauschild 2005, S.5). Für die Perzentilberechnung wurde die LMS-Methode verwendet. Diese ermöglicht die Berechnung von Standard Deviation Scores (SDSLMS). Diese „SDSLMS-Werte geben an, um ein wie viel Faches einer Standardabweichung ein individueller BMI bei gegebenem Alter und Geschlecht ober- oder unterhalb des BMI-Medianwertes liegt“ (AGA Leitlinien 2004, S.12). So kann die Einordnung eines individuellen Wertes in die Verteilung der Referenzgruppe erfolgen. Es gibt für Kinder und Jugendliche noch keine festgelegten Grenzwerte für das gesundheitsgefährdende Ausmaß der Körperfettmasse, im Gegensatz zur Situation bei Erwachsenen (AGA Leitlinien 2004). Deshalb empfiehlt die AGA die Verwendung des 90. bzw. 97. alters - und geschlechtsspezifischen Perzentils als Grenzwert zur Definition von Übergewicht bzw. Adipositas. Die extreme Adipositas wird durch einen BMI über dem 99,5 Perzentil definiert (AGA Leitlinien 2004).

Die Diagnostik der Adipositas im Kindes- und Jugendalter gliedert sich in eine klinische sowie labor-chemische Diagnostik und in eine psychologische, psychosoziale und Verhaltensdiagnostik (AGA Leitlinien 2004). Eine sinnvolle Diagnostik sollte eine ursächliche Grunderkrankung und die medizinischen Folgen möglichst vollständig erkennen (Wabitsch et al. 2005c). Die Bestimmung des Gesamtenergieverbrauchs und die Messung der körperlichen Aktivität und Leistungsfähigkeit sowie der Energiezufuhr, können zur Beurteilung des Ausmaßes der Erkrankung nützlich sein (Wabitsch et al. 2005c).

Mittels Messungen zur Zusammensetzung des Körpers kann eine differenzierte Beurteilung des Ernährungszustandes erfolgen (Müller et al. 2003). Es gibt verschiedene Modelle zur Körperzusammensetzung. Grundsätzlich unterscheidet man 2-, 3-, 4- bis Multikompartimentmodelle (vgl. Schröder 2001). Das 2-Kompartimentmodell unterscheidet zwischen Fettmasse und fettfreier Masse. Die fettfreie Masse kann weiter in die Körperzellmasse und die Extrazellulärmasse unterteilt werden (3-Kompartimentmodell). Zusätzlich kann die Extrazellulärmasse in extrazelluläre Flüssigkeit und feste Bestandteile im Extrazellulärraum differenziert werden (Müller et al. 2003). Andere Kompartimentmodelle differenzieren auf molekularer oder atomarer Ebene (Müller et al. 2003). Bei der Adipositas sind Methoden zur Erfassung der Fettmasse und der Fettverteilung bedeutsam (Müller et al. 2003).

Es gibt eine Vielzahl von Methoden, welche die Körperzusammensetzung in unterschiedlicher Art und Weise bestimmen (vgl. Fusch 2005). Einige gebräuchliche Methoden zur Bestimmung der Körperzusammensetzung bei Kindern und Jugendlichen sind: die Duale-Energie-Röntgen-Absorptiometrie (DEXA), die Bioelektrische Impendanzanalyse (BIA) und stabile Isotope (als ein Verfahren, welches auf einer Verdünnungsmethode basiert). Weitere Methoden, die eingesetzt werden, sind: Ermittlung der Hautfaltendicke, BMI-Bestimmung, Sonographie, Magnetresonanztomographie (MRT) und Gesamtkörper-Konduktivität (TOBEC). Die Ganzkörper-Kalium-Methode sowie die CT-Untersuchung (Computertomographie) mit ihrer hohen Strahlung werden bei Kindern nicht angewandt (vgl. Fusch 2005). Nähere Ausführungen zu den jeweiligen Methoden finden sich u.a. bei Matthai 2002, Schröder 2001, Schulz und Ratzmann 1985, Wabitsch et al. 2005c, Wechsler 1998, Wenzel 1998, Wirth 1997.

3.2 Epidemiologie der Adipositas

Die Prävalenzanstiege ziehen sich durch alle Bevölkerungs- und Altersschichten, wenn auch unterschiedlich stark in allen Industrienationen (vgl. Klör 1998, Wirth 1997). Aufgrund der unterschiedlichen Festlegungen der Grenzwerte und der verschiedenen Messmethoden, sind Aussagen über Verbreitung der kindlichen Adipositas kritisch zu bewerten (Klör 1998). In Deutschland gibt es für Kinder und Jugendliche nur wenige epidemiologische Untersuchungen (vgl. Wirth 1997).

Zwischen 10-20 % der Kinder und Jugendlichen sind, je nach Definition, in Deutschland übergewichtig und 4-8 % davon weisen eine Adipositas auf. Dabei zeigt sich der Trend, dass in älteren Altersgruppen der Anteil höher ist (Kromeyer-Hauschild 2005). Kromeyer-Hausschild und Jaeger (1998) fanden in ihrer Querschnittserhebung mit Jenaer Schulkindern im Alter zwischen 7-14 Jahren einen BMI-Anstieg bei beiden Geschlechtern in allen Altersklassen zwischen 1975-1995. Die größte Zunahme gab es in den Jahren zwischen 1985-1995.

Auch für Erwachsene gibt es keine einheitlichen Häufigkeitsangaben. Je nach Studie, Altersgruppe und Geschlecht schwanken die in Deutschland erhobenen Raten für Übergewicht zwischen 20-54 % und für Adipositas zwischen 12-18 %. Der durchschnittliche BMI liegt zwischen 26-27 kg/m2 (vgl. Wirth 1997). In Deutschland ist jede zweite Person übergewichtig und jede sechste adipös (Wirth 1997).

3.3 Assoziierte Krankheiten

Die Adipositas ist mit einer Reihe von Folgeerkrankungen assoziiert, welche im Wesentlichen die erhöhte Mortalität unter den Betroffenen erklären (Wirth 1997). Vor allem führen die vielfältigen metabolischen Veränderungen zu zahlreichen kardiovaskulären Erkrankungen (Wabitsch et al. 2005c). Bei Adipösen ist unter anderem das Krebsrisiko um ca. 20 % erhöht (Wirth 1997).

Das Fettverteilungsmuster bestimmt zusätzlich zum Ausmaß des Übergewichtes das gesundheitliche Risiko (Wirth 1997). Es wird anhand der unterschiedlichen subkutanen Fettverteilung, eine androide von einer gynoiden Form unterschieden. Bei der androiden (abdominalen, viszeralen) Adipositas lagert sich das Fett bevorzugt im Abdominalbereich ein. Diese Form der Fettvermehrung tritt häufiger bei Männern auf und ist durch eine Fülle an metabolischen Begleiterkrankungen gekennzeichnet. Bei der gynoiden (peripheren, glutealfemoralen) Adipositas besteht eine Fettvermehrung vorwiegend an der unteren Körperhälfte (Hüften und Oberschenkel), diese kommt häufiger bei Frauen vor (Wirth 1997).

Bereits im Kindesalter korreliert Bluthochdruck mit dem Körpergewicht (Wirth 1997). Veränderte Lipid- und Lipoprotein-Serumkonzentrationen sind häufig schon bei Kindern und Jugendlichen zu finden, diese erhöhen wiederum das kardiovaskuläre Risiko (Wabitsch 2005c). Außerdem sind im Kindesalter häufig anzutreffen: Striae distensae, die Beschleunigung der Skelettreife und des Längenwachstums, Pseudogynäkomastie und spätere Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale mit Hypogonadismus bei Jungen und frühe Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale bei Mädchen (Wabitsch 2005c). Auch endokrinologische Auffälligkeiten (u.a. erhöhter TSH-Spiegel, frühere Pubertät, polyzystisches Ovar-Syndrom bei weiblichen Jugendlichen, erhöhte Nebennierenandrogene), deren Ursachen noch nicht ausreichend geklärt sind, treten bei jungen Übergewichtigen verstärkt auf (Wabitsch et al. 2005c). Zusätzlich kann die psychosoziale Entwicklung der Heranwachsenden beeinträchtigt sein (vgl. Warschburger et al. 1999).

Anschließend folgt eine Zusammenfassung der möglichen adipositasassoziierten Erkrankungen nach Hauner et al. 2004; Schröder 2001; Wirth 1997,2003:

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Kardiomyophatie; arterielle Hypertonie; koronare, zerebrale und periphere Arteriosklerose (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit); endotheliale Dysfunktion

Stoffwechselkrankheiten

Fettstoffwechselstörungen (z.B. erhöhte Triglyzeride, erniedrigtes HDL-Cholesterin, veränderte Enzyme des Fettstoffwechsels); Metabolisches Syndrom; Insulinresistenz; Glukoseintoleranz; Diabetes mellitus Typ II; Störungen der Blutgerinnung; erhöhter Fibrinogenspiegel; andere metabolische Störungen (Dyslipidämie, Hyperurikämie, Störung der Hämostase)

Gastrointestinale Erkrankungen

Gallensteine; Pankreatitis; Fettleber und Fettleberhapatitis; Hernien; Obstipation; Refluxösophagitis

Respiratorische Störungen

Beeinträchtigung der Lungenfunktion; schlafbezogene Atmungsstörungen (z.B. Hypoventilation, Hyponoe, Apnoe, Obstruktives Schlafapnoesyndrom, Pickwick-Syndrom)

Erkrankungen des Bewegungsapparates

Arthrosen; Osteoporose; Wirbelsäulen-Syndrome; Knochenfrakturen

Neoplasien (Bösartige Erkrankungen)

Mammakarzinom; Endometriumkarzinom; Zervixkarzinom; Ovarialkarzinom; Prostatakarzinom; kolorektale Karzinome; Gallenblasenkarzinom; Ösophagus-, Leber- und Pankreaskarzinom

Sexualfunktionsstörungen

Reduzierte Fertilität; Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen; Menstruationsstörungen; früher Pubertätseintritt; Polyzystisches Ovar-Syndrom

Hauterkrankungen

Hirsutismus; Striae; Intertrigo; Pruritus

Verschiedenes

erhöhte Verletzungsgefahr; erhöhtes Operations- und Narkoserisiko; erschwerte Untersuchungsbedingungen; verminderte Beweglichkeit und Ausdauer; Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens; erhöhter psychosozialer Leidensdruck und psychosoziale Konsequenzen (z.B. erhöhte Depressivität, Ängstlichkeit, soziale Diskriminierung und Isolation, Selbstwertminderung)

3.4 Therapie

Die Behandlung der Adipositas sollte bereits im Kindes- und Jugendalter beginnen, da die Gefahr von Begleiterkrankungen mit dem Alter immer mehr zunimmt (vgl. Warschburger et al. 1999). Nach Empfehlung der AGA besteht bei adipösen Kindern und Jugendlichen die Indikation zur Gewichtsabnahme, wenn Begleiterkrankungen vorliegen. Existieren keine Begleiterkrankungen, ist es ausreichend, das Gewicht zu halten. Wenn das Längenwachstum noch nicht abgeschlossen ist, kann durch das Halten des aktuellen Gewichts eine Normalisierung des Ernährungszustandes erreicht werden (AGA Leitlinien 2004). Berücksichtigung im Hinblick auf Therapieprogramme sollten folgende Faktoren finden: Alter, Familiensituation, Art der Komorbidität, Problembewusstsein, physiologische Gegebenheiten, Motivation, mentale Fähigkeiten, Vorliegen einer extremen Adipositas und räumliche Entfernung zum Therapiezentrum/ Therapeuten des Patienten (AGA Leitlinien 2004). Die Therapieziele müssen in kleinen realisierbaren Schritten erfolgen. Diese Ziele sind: langfristige Gewichtsreduktion und Stabilisierung, Verbesserung der adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen, Veränderung der Lebensweise, sowie Erlernen und Stabilisieren von Problembewältigungsstrategien (AGA Leitlinien 2004). Therapieprogramme, welche die Komponenten Ernährungsumstellung, Verhaltensmodifikation, Förderung der körperlichen Aktivität und Einbindung der Eltern sowie des sozialen Umfeldes und deren langfristige Nachkontrolle gewährleisten, haben relativ gute Erfolge erbracht (AGA Leitlinien 2004). Epstein hat 1990 in seiner Untersuchung einen signifikanten Effekt der Unterstützung der Eltern auf den Therapieerfolg der Kinder festgestellt (vgl. AGA Leitlinien 2004). Langfristige Behandlungserfolge sind trotzdem gegenwärtig meist nicht zu erzielen (Wabitsch et al. 2005c).

In Deutschland gibt es eine große Anzahl an Therapieprogrammen. Die Qualität dieser verschiedenen Verfahren wird nach Struktur, Prozess und Ergebnis bewertet (Ellrott 2002). Die Strukturqualität beinhaltet eine angemessene Ausbildung und Profession der Therapeuten. Unter Prozessqualität versteht man eine standardisierte oder teilstandardisierte Durchführung der Programme mit definiertem Inhalt, sowie Zeitrahmen. Die Prozessqualität beschreibt also die Ablauforganisation der Institutionen. Mit Ergebnisqualität ist der Erfolg eines Programms gemeint (vgl. AGA Leitlinien 2004, Ellrott 2002). Das amerikanische Institut of Medicine hat 4 Ebenen der Ergebnisqualität der Adipositastherapie definiert, welche noch um eine 5. Ebene erweitert wurde (Ellrott 2002). Die Ebenen beinhalten einen langfristigen Gewichtsverlust; eine Verbesserung von übergewichtsassoziierten Erkrankungen; ein verbessertes Gesundheitsverhalten; das Monitoring von Nebenwirkungen, die durch die Therapie verursacht sein könnten und die erweiterte Ebene der Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität (Ellrott 2002). Diese Anforderungen werden allerdings noch von keinem der angebotenen Therapieprogramme vollständig erfüllt (AGA Leitlinien 2004). In Zukunft sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung unabdingbare Vorraussetzung für die Therapie. Das gleiche gilt für die Dokumentation der Ergebnisse von Diagnostik und Therapie der einzelnen Einrichtungen in einem Datensatz, um damit die Ergebnisse in einer Evaluation auswertbar und vergleichbar zu machen (AGA Leitlinien 2004).

In Bezug auf die Rahmenbedingungen von Therapien wird die kostengünstigere Gruppen– von der Individualtherapie unterschieden (Reinehr 2005). Durch die Interaktion der Gruppenmitglieder kann in der Gruppentherapie ein motivationsförderndes Gruppengefühl entstehen. Bei der Individualtherapie wird dagegen besser auf die individuellen Bedürfnisse und Umstände eingegangen (Reinehr 2005). Unterschieden wird außerdem zwischen ambulanter und der kostenintensiveren stationären Behandlung (Reinehr 2005). Der Vorteil einer stationären Behandlung liegt in der besseren Kontrolle der Patienten und, auf denselben Zeitraum bezogen, ist die Gewichtsreduktion größer als bei ambulanten Programmen. Die ambulante Therapie erweist sich langfristig gesehen als die Erfolgreichere. Denn diese ermöglicht die Einbindung der gesamten Familie und das Vorhandensein des gewohnten Umfeldes. Außerdem sind Verhaltensänderungen nicht innerhalb eines kurzen Zeitraumes möglich (Reinehr 2005).

Folgend werden die Therapieformen und -bausteine kurz vorgestellt:

3.4.1 Ernährungstherapie

Einer der Grundpfeiler einer erfolgreichen Therapie ist die Änderung des Ernährungsverhaltens, um eine Restriktion der Kalorienzufuhr zu erreichen und damit eine negative Energiebilanz zu erzielen (Warschburger et al 1999). Man kann grundsätzlich mit jeder Diät, welche eine Energiezufuhr unter dem Energieverbrauch gewährleistet, an Gewicht verlieren. Jedoch sind die Auswirkungen und Komplikationen auf Stoffwechsel, Energiehaushalt, Körperzusammensetzung und anderer Parameter beträchtlich unterschiedlich (Wirth 1997).

Nach Wirth (1997) werden Diäten folgendermaßen eingeteilt:

1. Nulldiät
2. extrem niedrig kalorische Diäten mit einem Energiegehalt von < 800 kcal/Tag („very low calory diet“ = VLCD)
3. deutlich niedrigkalorische Diäten mit einem Energiegehalt von 600-1000 kcal/Tag („low calory diet“ = LCD)
4. hypokalorische Mischkost, welche aus konventionellen Lebensmitteln hergestellt wird und einen Energiegehalt von 1000-1800 kcal/Tag besitzt
5. Außenseiterdiäten („Wunderdiäten“)

Übersichten über die verschiedenen Kostformen finden sich u.a. bei Wechsler (1998) und Wirth (1997).

Die Nulldiät ist obsolet und führt zu eingreifenden Umstellungen des Stoffwechsels (Wirth 1997). Jede unterkalorische Diät führt neben der Abnahme des Energieverbrauchs auch zum Proteinverlust, was gesundheitsgefährdend sein kann (Wirth 1997). Es finden beträchtliche metabolische und endokrine Adaptationen statt (Warschburger et al. 1999). Nur bei besonderer Indikation zur schnellen Gewichtsabnahme kann über einen kurzfristigen Zeitraum eine extrem oder deutlich niedrigkalorische Kostform, primär bei Erwachsenen, sinnvoll sein (Wirth 1997). Die Durchführung von Reduktionsdiäten wird von der AGA für Kinder und Jugendliche nicht empfohlen, da die altersgemäße Nährstoffzufuhr gefährdet wird (AGA Leitlinien 2004). Außenseiterdiäten erzielen durch extreme Nährstoffrelationen oder selektive Lebensmittelauswahl in aller Regel durch Fehl- und Mangelernährung eine Kalorienreduktion und kommen daher nicht ernsthaft in Frage (Wirth 1997). Reine Diätenkuren können den Gewichtsverlust meist nicht aufrechterhalten. Es kommt häufig zum so genannten Jo-Jo-Effekt, der den Sachverhalt umschreibt, dass kurz nach Beendigung einer Diät wieder das Ausgangsgewicht oder ein höheres Gewicht erreicht ist, als vorher. Als Ursache für diesen Effekt wird der reduzierte Energieverbrauch des Körpers bei Nahrungsentzug angeführt (Warschburger et al. 1999). Einigkeit besteht darüber, dass für alle Altersgruppen eine hypokalorische Mischkost als Standardernährung bei der Gewichtsreduktion eingesetzt werden sollte (vgl. AGA Leitlinien 2004, Hauner et al. 2004, Kersting 2005b, Wirth 1997). Im Kapitel 3.6 (Adipositasprävention) wird genauer auf die Umsetzung dieser Kost eingegangen, da sie gleichwohl in der Therapie und als präventive Kost eingesetzt werden kann. Das Konzept der „optimierten Mischkost“ (optimiX) eignet sich nach Empfehlung der AGA besonders gut für Kinder und Jugendliche, da durch den moderaten Gewichtsverlust keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung zu erwarten sind. Die Höhe der Energiezufuhr sollte sich allerdings am individuellen Therapieziel orientieren. Mit dieser Kost ist eine weitere Reduktion der täglichen Fett- und Zuckerzufuhr ohne Verlust von essentiellen Nährstoffen möglich (AGA Leitlinien 2004).

Das Essverhalten wird von Psychologen in ein ungezügeltes und ein gezügeltes Essverhalten gegliedert (Ellrott 2005). Unter Überflussbedingungen führt ein rein Innenreiz-abhängiges Essvervehalten ohne bewusste Steuerung häufig zu Gewichtsproblemen (ungezügeltes Essverhalten). Für viele Menschen besteht deshalb nur die Möglichkeit, das Essverhalten bewusst zu zügeln (Ellrott 2005). Diese so genannten gezügelten Esser („Restraint Eater“), steuern mit kognitiver Kontrolle ihr Essverhalten, um ihr Gewicht zu reduzieren oder zu halten. Als Folge des gezügelten Essens tritt eine gewisse Außenreizabhängigkeit zum Essen auf, wie z.B. ein leergegessener Teller oder das Richten nach bestimmten Uhrzeiten (Pudel 2003a). Bei diesem gezügelten Essverhalten wird zwischen rigider und flexibler Kontrolle unterschieden (Ellrott 2005). Rigide Esser versuchen, ihre Nahrungsaufnahme kognitiv zu kontrollieren. Meist nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ werden Vorsätze herausgebildet, um negative Einflüsse auszuschalten (z.B. „ich esse nie wieder Schokolade“). Ihr Essverhalten wird permanent gezügelt, um nicht an Gewicht zuzunehmen (Pudel 2003a). Die rigide Kontrolle kann sogar durch wiederholte Essanfälle zu einem höheren Gewicht führen oder zur Manifestation von Essstörungen, z.B. Bulimia nervosa oder Binge Eating Disorder (Ellrott 2005). Als Gegenregulation wird der Zusammenbruch der Selbstkontrolle bezeichnet, wenn durch geringste Überschreitungen der Vorsätze, diese außer Kraft gesetzt werden. Der Gedanke „jetzt ist es auch egal“, welcher der Person anschließend in den Kopf kommt, lässt sie dann meist ungezügelt essen (Pudel 2003c). Eine flexible Verhaltenskontrolle bietet die Möglichkeit zur Korrektur und vermeidet die Gegenregulation. Diese Art der Verhaltenskontrolle implementiert keinen Vorsatz, der lebenslange Gültigkeit besitzt. Über einen kalkulierbaren Zeitraum wird das Verhaltensziel definiert und es kommt nicht bei einer geringfügigen Überschreitung der Vorsätze zur Gegenregulation (z.B. „ich esse nur noch 4 Tafeln Schokolade, statt wie gewohnt 5“). Die Einplanung von Verhaltensspielräumen begünstigt ferner eine Steigerung der Stimmung und des Wohlbefindens (Pudel 2003a, 2003c). Eine wichtige Aufgabe in der Verhaltenstherapie und ein Aspekt bei Präventionsbemühungen muss nun das Erkennen von rigider Verhaltenskontrolle bei der Nahrungsaufnahme sein. Diese muss ausgeschaltet und durch ein selbstkontrolliertes Essverhalten nach dem Muster der flexiblen Kontrolle ersetzt werden (Pudel 1998).

3.4.2 Bewegungstherapie

Für die Erhöhung des Energieverbrauchs spielt körperliche Bewegung eine wesentliche Rolle in der Behandlung der Adipositas (Roth et al. 2002). Möglichkeiten für die Bewegungssteigerung sind die Verringerung der körperlichen Inaktivität, die Zunahme der Alltagsaktivität und Sport an sich (Lawrenz und Lawrenz 2005). Sport fördert den Aufbau von Muskelgewebe, steigert die Grundumsatzrate, erhöht Ausdauer und Kondition, steigert die Leistungsfähigkeit und verbessert die Körperwahrnehmung, das Selbstbewusstsein und das Wohlbefinden (Warschburger et al. 1999, Vögele 2005). Durch die sportliche Betätigung werden zusätzlich kardiovaskuläre Risikofaktoren positiv beeinflusst und die Verringerung der Inaktivität erzielt (vgl. Lawrenz und Lawrenz 2005). Die Bewegung ist auch ein wesentlicher Faktor für die Stabilisierung des Gewichtszustandes nach einer Gewichtsreduktion (vgl. Gutin und Manos 1993). Durch das regelmäßige Training wird überwiegend Körperfett ab- und Muskelmasse aufgebaut (Vögele 2005).

Es ist nicht jede Sportart für adipöse Kinder und Jugendliche geeignet. Generell werden Sportarten mit niedriger Intensität, die lang andauernd sind, empfohlen (Warschburger et al. 1999). Dabei sollte der Spaß am Sport im Vordergrund stehen und Rücksicht auf die individuellen Bedingungen genommen werden (vgl. Lawrenz und Lawrenz 2005). Die Kinder können nur motiviert werden, wenn sie sich Wohlfühlen und angenehme Erfahrungen mit der körperlichen Aktivität verbinden (vgl. Kosten-Reck 2005).

3.4.3 Verhaltenstherapie

Bei der Behandlung der Adipositas gehören verhaltenstherapeutische Maßnahmen inzwischen zum Standardrepertoire (Warschburger et al. 1999). Die Verhaltenstherapie basiert auf der Annahme, dass unser Ernährungs- und Bewegungsverhalten erlernt ist. Deshalb wird davon ausgegangen, dass diese Komponenten auch prinzipiell einer Veränderung zugänglich sind und damit das Körpergewicht beeinflussen können (Reinhehr 2005). Die Verhaltenstherapie strebt an, ungünstige Ess- und Bewegungsmuster zu verändern bzw. abzubauen und gesundheitsfördernde Verhaltensweisen aufzubauen (Warschburger 2005). Verhaltenstherapeutische Maßnahmen beinhalten die Steigerung der Eigenkontrolle, die Selbstbeobachtung des Ernährungsverhaltens, Strategien zur Bewältigung von Risikosituationen, Belohnungssysteme sowie Verstärkungsmaßnahmen für die erreichten Verhaltensänderungen (Hauner et al. 2004, Zwiauer 1998b). Diese Maßnahmen werden meist mit einer Ernährungs- und Bewegungsmodifikation verbunden und steigern somit die Lebensqualität der Betroffenen (Zwiauer 1998b). Voraussetzungen für solche Therapiemaßnahmen sind die Schaffung eines Problembewusstseins, die Einsicht der Patienten in ihre Situation und die eigene Motivation zur Gewichtsveränderung (Zwiauer 1998b). Für Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Verhaltensänderungen sind intellektuelle Fähigkeiten notwendig, welche dieser Therapieform auch die Grenzen setzen (Reinhehr 2005).

3.4.4 Medikamentöse Therapie

Grundsätzlich unterscheidet man Medikamente, die die Nahrungszufuhr einschränken, von solchen, die die Nährstoffabsorption hemmen (Wabitsch et al. 2005a). Diese Behandlungsmethode spielt bei der Therapie von Kindern und Jugendlichen, ebenso wie die chirurgische Therapie, eine untergeordnete Rolle und sollte zur Behandlung möglichst nicht eingesetzt werden (Warschburger et al. 1999). Liegt aber eine extreme Adipositas vor und die konventionellen Therapiemöglichkeiten haben keinen Erfolg, kommen Medikamente wie Sibutramin, Orlistat oder Quellstoffe zum Einsatz (Roth 2002).

3.4.5 Chirurgische Therapie

Die Effizienz chirurgischer Methoden (z.B. Gastroplastik, Magenband, Magenbybass) ist unumstritten (vgl. Wabitsch et al. 2005b). Diese können jedoch eine Vielzahl von Nebenwirkungen und Komplikationen haben (Wirth 1997). Ein operativer Eingriff wird nur als letzte Möglichkeit bei Jugendlichen in Betracht gezogen, die auf sämtliche konventionelle Therapieformen nicht ansprechen, bei denen aber eine zwingende Indikation zur Gewichtsreduktion besteht (Wabitsch et al. 2005b).

3.4.6 Multimodale Therapie

Durch die multifaktorielle Genese der Adipositas ist ein interdisziplinärer Behandlungsansatz notwendig (Warschburger et al. 1999). Die Behandlung besteht aus den 3 Säulen: Ernährung, Bewegung und Verhalten, welche unter dem Begriff Basistherapie subsumiert werden (vgl. Reinehr 2005). Mit dieser Kombination lassen sich die erfolgreichsten und stabilsten Erfolge erreichen (Warschburger et al. 1999). Es wird die langfristige Veränderung aller Adipositas aufrechterhaltenden Bedingungen angestrebt (Warschburger et al. 1999). Die erfolgreichsten Therapieansätze sind jene, die die gesamte Familie mit in die Therapie einschließen (Reinehr 2005). In Deutschland haben sich zahlreiche komplexe Schulungsprogramme etabliert. Ziel solcher Schulungen ist es, den Patienten in die Lage zu versetzen, selbständig und eigenverantwortlich mit der Erkrankung umzugehen (Warschburger 2005). Ein solches Programm ist das Adipositastraining von Warschburger et al. (1999). In 6 Sitzungen stehen im Rahmen von geschlechtshomogenen Kleingruppen die Aspekte Wissensvermittlung, Wahrnehmung des Essverhaltens, Selbstmanagement, soziale Kompetenz und Rückfallprophylaxe, im Vordergrund. Auch das ambulante Therapieprogramm FITOC zeigt, dass mit der Kombination aus Ernährungsumstellung, sportlicher Aktivität, Verhaltenstherapie und Einbeziehung der Eltern eine erfolgreiche Behandlung erzielt werden kann (vgl. Korsten-Reck et al. 1999).

3.5 Ursachen von Übergewicht und Adipositas

Die Adipositas ist eine komplexe Erkrankung, für deren Ausprägung neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse, wie das Ernährungs- und Bewegungsverhalten, soziale Faktoren und andere Umweltvariablen eine wesentliche Rolle spielen. Erst die Kombination mehrerer Einflussgrößen ist für die Entstehung der Adipositas verantwortlich (vgl. Roth et al. 2002).

Es besteht ein Missverhältnis zwischen der Energieaufnahme und dem Energieverbrauch (vgl. Koletzko 2005). Der Energiebedarf wird durch den Grundumsatz, die Thermogenese und die körperliche Aktivität bestimmt (Holub und Götz 2003). Der Grundumsatz dient der Erhaltung aller lebenswichtigen Körperfunktionen und macht ca. 55 % des Energiebedarfs aus. Die Thermogenese macht ca. 25 % aus und bezeichnet den Vorgang der Wärmebildung durch die Verbrennung der Nahrung. Die körperliche Aktivität umfasst alle Körperbewegungen, die von der Skelettmuskulatur produziert werden und den Grundumsatz erhöhen. Sie macht die verbleibenden 20 %, je nach Aktivitätsniveau, aus (Warschburger et al. 1999).

Beim Vorliegen bestimmter Risikofaktoren steigt die Wahrscheinlichkeit, adipös zu werden (von Kries 2005). Es werden nicht beeinflussbare Risikofaktoren, wie das Gewicht der Eltern, ein hohes Geburtsgewicht oder soziale Faktoren (z.B. die Bildungsklasse der Eltern) von beeinflussbaren Risikofaktoren, wie u.a. körperliche Inaktivität, Kalorienzufuhr oder frühkindliche Einflüsse, unterschieden (von Kries 2005).

3.5.1 Genetische Ursachen

Wir tragen ein evolutionäres Erbe, das nicht mit unserer modernen Lebensweise im Einklang steht. Durch den Selektionsdruck waren jene Personen im Vorteil, welche am besten dem Prinzip der maximalen Energiespeicherung entsprachen d.h. die besonders effektiv Energie im Fettgewebe speichern konnten. Somit legten sie große Fettdepots an, um damit in Zeiten der Nahrungskarenz besser zu überleben (Daniel 2002). Dennoch ist unser heutiges Genom das Produkt einer konstanten Auseinandersetzung mit der Umwelt. Dies wird nun in einer Zeit des Nahrungsüberangebots und der technischen Errungenschaften zum „genetischen Bumerang“ (Daniel 2002).

Zahlreiche Zwillings-, Adoptions- und Familienstudien belegen, dass genetische Komponenten in erheblichem Maße das Körpergewicht bestimmen und wesentlich wichtiger sind als Umweltfaktoren (Hebebrand et al. 2004). Genetische Faktoren wirken auf zahlreiche physiologische Prozesse, welche bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle spielen (Hebebrand et al. 2005). Die Veranlagung zur Adipositas ist polygenetisch (Hebebrand et al. 2004). Hebebrand et al. (2003) gehen davon aus, dass ca. 60-80 % der Varianz des BMI durch genetische Faktoren erklärt werden können.

Beim Vergleich von adoptierten Kindern mit ihren Adoptiveltern wurde kein Zusammenhang beim Körpergewicht gefunden, während aber eine deutliche Ähnlichkeit der Kinder zu ihren biologischen Eltern bestand. Dabei waren die Korrelationen zur leiblichen Mutter enger, als die zum leiblichen Vater (Wirth 1997). Auch Hebebrand et al. (2005) fanden heraus, dass übergewichtige Eltern häufiger übergewichtige Kinder hatten und eine Korrelation zwischen dem Ausprägungsgrad der Adipositas bestand. Schätzungen nach werden 40 % der Kinder, die einen adipösen Elternteil haben und 80 % der Kinder, deren beide Elternteile adipös sind, ebenfalls übergewichtig. Während nur 7 % der Kinder mit normalgewichtigen Eltern übergewichtig sind (Bruns-Philipps 2003).

In der Diagnostik unterscheidet man syndromale Formen von Ausprägungen der Adipositas, welche auf Genmutationen zurückzuführen sind (Pankau 2005). Es sind mehr als 75 verschiedene Syndrome bekannt, die mit einer Adipositas obligat oder fakultativ assoziiert sein können. Diese sind allerdings sehr selten (Pankau 2005). Syndromale Formen haben Veränderungen der Fettmasse, Fettverteilung und andere Anomalien zur Folge (Pankau 2005). Verglichen mit dem Auftreten anderer Syndrome, kommt das Prader-Willi-Syndrom am häufigsten vor. Es ist neben einer vorhandenen Adipositas durch geistige Behinderung, Hypogonadismus, Hypogenitalismus, Microchephalie oder andere auffällige Kopfformen, sowie Kleinwuchs und Muskelhypertonie, gekennzeichnet (Pankau 2005). Weitere mehrfach vorkommende Syndrome, welche sich erst im Verlauf der Entwicklung manifestieren, sind z.B. das Bardet-Biedl-Syndrom, das Cohen-Syndrom und das Alström-Syndrom (Pankau 2005). Durch eine Makrosomie, die schon bei der Geburt oder in den ersten Lebensmonaten vorhanden ist, charakterisierte Syndrome sind u.a. das Sotos-Syndrom, das Weaver-Syndrom, das Beckwith-Wiedemann-Syndrom und das Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom (Pankau 2005).

Momentan gibt es in der Adipositasforschung nur wenige molekulargenetische Befunde. Dazu gehören einige Genidentifikationen bei syndromalen Formen und wenige seltene monogene Formen. Dabei werden rezessive von dominanten monogenen Formen unterschieden (Hebebrand et al. 2003). Bislang sind 4 monogen autosomal rezessive Formen beim Menschen, welche durch Mutationen im Leptin-, Leptinrezeptor-, Prohormon-Convertase-I-(PC-I)- und Proopiomelanocortingen zu einer Adipositas führen, bekannt (Hebebrand et al. 2003). Historisch an erster Stelle stehen die Mutationen im Leptingen (Hebebrand et al. 2004). Das Hormon Leptin (ob-Protein) beeinflusst über die Bindung an Leptinrezeptoren Energieaufnahme und -verbrauch, Reproduktion und Hämatopoese. Es wird in Fettzellen synthetisiert und in die Blutbahn sezerniert (Hebebrand et al. 1998). Die Serumspiegel korrelieren mit der Körperfettmasse (Wirth 1997). Aus dem Fehlen des Hormons resultiert ein ständiger Hunger und Gewichtsanstieg (vgl. Holub und Götz 2003). 1998 wurden noch 2 dominante Formen der Adipositas, denen Mutationen im Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R) zugrunde liegen, entdeckt. Allerdings sind nur 2-4 % der adipösen Personen davon betroffen (Hebebrand et al. 2003).

3.5.2 Umweltfaktoren

3.5.2.1 Ernährungsgewohnheiten

Eine zu hohe Energieaufnahme und ein zu niedriger Energieverbrauch führen zwangsläufig zu einer positiven Energiebilanz, deren Resultat Übergewicht und Adipositas sind (Holub und Götz 2003).

Generell wurden keine auffälligen Unterschiede bei den Nahrungspräferenzen und im Ernährungswissen von Kindern und Jugendlichen in Abhängigkeit vom Gewichtsstatus gefunden (Kersting 2005a). Bei Erwachsenen fanden sich gegenteilige Resultate. Obwohl die Studien inkonsistente Ergebnisse aufweisen, kann man allgemein sagen, dass es Unterschiede in der Ernährungsweise und im Wissen um Ernährungsfragen zwischen adipösen und nichtadipösen Personen gibt (vgl. Wirth 1997). So zeigten sich Unterschiede in der Verteilung der Nahrungsaufnahme über den Tag und in der Wahl der zugeführten Nahrungsmittel. Demnach präferieren Übergewichtige bevorzugt energiedichte Nahrungsmittel (vgl. Wirth 1997).

Geschmackspräferenzen werden als gelernte Präferenzmuster aufgefasst (Westenhöfer 1999). Nur die Vorliebe für Süßes unterliegt einer genetischen Disposition (Westenhöfer 1999). Deswegen bevorzugen jüngere Kinder meist süße aber auch salzige Nahrungsmittel, lehnen dagegen Saueres, Bitteres und Unbekanntes ab (Hebebrand 2005). Die Ernährungsgewohnheiten und Aktivitätsmuster der Kinder werden schon in der frühen Kindheit geprägt. Später kommen Einflüsse durch den Gruppendruck oder das Lebensmittelmarketing hinzu (Kersting 2005a). Die Verzehrgewohnheiten und Geschmackspräferenzen der Eltern sowie deren Gewichtsstatus und Erziehungsstil beeinflussen bei Kindern hauptsächlich den Lebensmittelverzehr und damit auch das Adipositasrisiko (Kersting 2005a). Die Essensauswahl innerhalb der Familie ist wiederum von Traditionen und ökonomischen Möglichkeiten geprägt. Der zu beobachtende Trend hin zur Auflösung der traditionellen Mahlzeitenstrukturen, wie z.B. der Anstieg des Außer-Haus-Verzehrs, wirkt sich negativ auf die Ernährungsweise aus. Die Energieaufnahme ist dabei durch die meist energie- sowie fettreicheren Speisen und die größeren Portionen erhöht (Kersting 2005a).

In der DONALD-Studie wurde herausgefunden, dass es, gemessen an den Empfehlungen, ein Missverhältnis der Makronährstoffe bei der Nahrungsaufnahme gibt. Es werden wenig pflanzliche Lebensmittel, zu viel fettreiches Fleisch und energiereiche Süßigkeiten verzehrt (vgl. Chahda 1999, Kersting 2005a). Auch eine hohe Eiweißzufuhr in frühen Lebensjahren stellt ein Risiko für Übergewicht und Adipositas dar (vgl. Zwiauer 2005). Ebenso beeinflusst die Werbung die heutigen Ernährungsgewohnheiten. Denn es werden vorzugsweise fett- und zuckerhaltige Lebensmittel angepriesen. Da die Kinder einen erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidungen der Eltern haben, werden die verlockenden Angebote der Nahrungsmittelindustrie gekauft und konsumiert (vgl. Diehl 1999)

3.5.2.2 Körperliche Aktivität

Verantwortlich für die Abnahme des Energieverbrauchs ist vor allem der Bewegungsmangel. Dieser hat vermutlich auch den bedeutenderen Anteil an der epidemiologischen Ausbreitung der Adipositas (vgl. Hauner und Berg 2000). Ursachen, welche vor allem durch den modernen Lebensstil bedingt sind, sind u.a. die Zunahme des Medienkonsums und die Abnahme der zur Bewältigung des Alltages benötigten Aktivität (vgl. Hebebrand und Bös 2005). Dazu zählt z.B. anstatt Treppen zu steigen, Fahrstühle oder Rolltreppen zu benutzen. Überdies werden heute u.a. der Schulweg oder der Weg zum Besuch von Freunden zunehmend mittels öffentlicher oder privater Verkehrsmittel bewältigt etc (Warschburger et al. 1999).

Der Fernsehkonsum hat innerhalb der letzten 20 Jahre erheblich zugenommen. Man kann zu jeder Tageszeit aus einer vielfältigen Programmauswahl wählen. Serien sowie eigene Kindersender und -sendungen verleiten dazu, regelmäßig fern zu sehen (Hebebrand und Bös 2005). Für Kinder ist der Fernseh-, Video- und PC-Konsum eine einfache Freizeitgestaltung. Durch dieses veränderte Freizeitverhalten verlernen sie, sich selbst zu beschäftigen, ersetzen körperliche Aktivität durch sitzende Tätigkeiten und setzen somit ihren Energieverbrauch herab. Weiterhin bedingt das Fernsehen durch häufig vorkommendes Nebenbei-Essen eine erhöhte Energieaufnahme (Hebebrand und Bös 2005). In einer Untersuchung wurde ein dosisabhängiger Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Fernsehkonsums und der Inzidenz von Übergewicht festgestellt (Zwiauer 1998b). Ebenfalls bedingen die Auflösung der Großfamilien und die Zunahme Alleinerziehender, dass Kinder mehr fernsehen und sich überwiegend allein beschäftigen müssen (Hebebrand und Bös 2005). Durch die rückläufige Kinderzahl, die erhöhte Verkehrsdichte und die reißerischen Medienberichte sind Eltern heute besorgter und schränken damit zusätzlich den Bewegungsdrang ihrer Kinder aus Führsorge ein (vgl. Hebebrand und Bös 2005).

3.5.2.3 Soziodemographische und psychosoziale Faktoren

Soziale, kulturelle und ökonomische Faktoren haben einen Einfluss auf den Gewichtsstatus (vgl. Wirth 1997). Die Bedeutung der Lebensumstände und Kultur bei der Entstehung der Adipositas sind unverkennbar. Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und dem Körpergewicht wurde in zahlreichen Studien belegt und findet sich in nahezu allen westlichen Industrienationen (vgl. Wirth 1997).

Die Zahl der übergewichtigen und adipösen Personen steigt, je niedriger die soziale Schicht ist, aus der sie kommen (Wirth 1997). Das zur Verfügung stehende Einkommen sollte eine bedarfsgerechte und vollwertige Ernährungsweise gewährleisten. Doch dazu sind u.a. Gesundheitsbewusstsein, Ernährungswissen sowie Fähigkeiten zur Haushaltsführung erforderlich, es fehlt aber meist an mehreren dieser Aspekte (LGA Baden-Württemberg 2002). Der soziale Druck des vorherrschenden schlanken Schönheitsideals beeinflusst vorwiegend den Gewichtsstatus in der Ober- und Mittelschicht (Klör 1998). In Bezug auf den Familienstand fand man insbesondere bei getrennt lebenden oder geschiedenen Frauen nur halb so häufig eine Adipositas im Vergleich zu Frauen, die allein oder mit Partner lebten. Bei Männern dagegen waren jene mit einer Partnerin häufiger adipös (vgl. Klör 1998). Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas steigt mit dem Alter an (Müller et al. 2003).

Bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen wurden bei einer Untersuchung in den USA gravierende sozioökonomische Folgen im weiteren Lebensverlauf gefunden. Insbesondere junge Frauen waren davon betroffen. Diese hatten im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen seltener einen Collegeabschluss, ein um 40 % niedrigeres Einkommen und waren seltener verheiratet. Für Männer traf dies in abgeschwächter Form ebenfalls zu (Wirth 1997).

Fixe Essenszeiten, die vorgegeben sind und eingehalten werden müssen, können auch zu einer gesteigerten Nahrungsaufnahme führen, da häufig auch ohne Hunger gegessen wird. Dies trifft vor allem für die unteren sozialen Schichten zu (Wirth 1997). Das Einnehmen gemeinsamer familiärer Mahlzeiten, verbunden mit Tischsitten und regelmäßiger Zubereitung frischer Mahlzeiten verliert immer mehr an Bedeutung. Für ein gut entwickeltes Hunger- und Sättigungsgefühl ist aber gerade der Verlust der familiären Tischgemeinschaft kontraproduktiv (LGA Baden-Württemberg 2002). Ebenfalls erhöhen Gelegenheiten wie Feierlichkeiten, Urlaub, Wochenende usw. die Nahrungsaufnahme, da kennzeichnend für solche Ereignisse eine verminderte kognitive Kontrolle und hohe soziale Akzeptanz ist (Wirth 1997).

Ebenso hat die Geschwisterreihenfolge einen Einfluss auf das Adipositasrisiko (Bruns-Philipps 2003). So tendieren die Erstgeborenen aber auch Einzelkinder zu einem höheren Körpergewicht (Bruns-Philipps 2003, Klör 1998). Nach Klör (1998) neigen Kinder mit 2 Elternteilen und Kinder, deren Mütter berufstätig sind, zu einem höheren BMI. In anderen Erhebungen wurde dagegen das Aufwachsen mit nur einem allein erziehenden Elternteil als Risikofaktor für Übergewicht ausfindig gemacht (von Kries 2005). In einigen Studien konnte ein protektiver Effekt einer längeren Schlafdauer auf das Übergewicht festgestellt werden (von Kries 2005). Ebenfalls wurde in Stresssituationen ein verändertes, meist ungünstiges Essverhalten beobachtet (Wirth 1997).

3.5.2.4 Frühkindliche Prägung

Faktoren wie Frühgeburtlichkeit, mütterliches Gewicht bei der Geburt des Kindes, Geburtsgewicht, eine ausgeprägte Gewichtszunahme in den ersten Lebensjahren, Stillverhalten und intrauterine Einflüsse scheinen für den weiteren Gewichtsverlauf von Bedeutung zu sein (vgl. von Kries 2005, von Kries und Toschke 2004, Zwiauer 2003).

Neuere Studien lassen vermuten, dass Stillen einen mäßig protektiven Einfluss auf die Adipositas ausübt (LGA Baden-Württemberg 2002). Eine mit zunehmender Stilldauer abnehmende Wahrscheinlichkeit für Übergewicht konnte in einigen Untersuchungen bestätigt werden (von Kries 2005). Kinder kommen schon frühzeitig mit Geschmacksstoffen in Kontakt, pränatal über das Fruchtwasser und postnatal über die Muttermilch (Kersting 2005a). Durch industriell hergestellte Säuglingsnahrung fehlt es den Säuglingen schon früh an einer Geschmacksvariation (Kersting 2005a). Hinzu kommt, dass Flaschenkinder die Milch mit geringerem Energieaufwand zu sich nehmen und im Vergleich zu gestillten Säuglingen eine höhere Milchaufnahme haben und mehr Mahlzeiten am Tag einnehmen (Zwiauer 2005).

Es gibt kritische Lebensphasen, in denen sich die Adipositas besonders schnell manifestieren kann (Müller et al. 1998). Dazu zählen die pränatale Periode, die frühe Kindheit (4.-7. Lebensjahr), die Pubertät, eine Schwangerschaft und die Menopause (Körtzinger et al. 1996, Müller et al. 1998). Die frühen Entwicklungsphasen betreffen die Entwicklung hypothalamischer Regelkreise der Appetitregulation, die Manifestation des Essverhaltens und die Regulation von Adipozytenzahl und -funktion und der Fettverteilung (Müller et al. 1999b). Physiologisch kommt es nach dem 1. Lebensjahr zu einem deutlichen Absinken des BMI aufgrund der Gewichts- und Längenentwicklung. Normalerweise steigt der BMI erst wieder zwischen dem 6.-7. Lebensjahr an. Findet dieser erneute Anstieg bereits früher statt, kann sich eine Adipositas entwickeln (vgl. Zwiauer 1998a). Demnach haben Kinder mit einem frühen „adiposity rebound“ ein höheres Risiko, übergewichtig oder adipös zu werden (Kromeyer-Hauschild et al. 2001, Zwiauer 2005). „ Unter >> adiposity rebound<< versteht man den Zeitpunkt, ab dem es nach der Phase des Absinkens des Körperfettgewebes und des BMI im Kleinkindesalter wieder zu einer Zunahme des BMI kommt“ (Zwiauer 2005, S.106).

In mehreren Studien wurde auf die Beziehung zwischen dem Geburtsgewicht des Kindes und dem späteren BMI, sowie dem BMI der Eltern aufmerksam gemacht (vgl. von Kries und Toschke 2004). Auch das Rauchen der Mütter in der Schwangerschaft erhöht zusätzlich das Risiko für ein übergewichtiges Kind (von Kries 2005). Kinder, deren Mütter bei ihrer Geburt älter als ca. 35 Jahren waren, haben ebenso ein erhöhtes Risiko später adipös zu werden (Weber 2001).

Weitere erwogene Einflussfaktoren, die an dieser Stelle nur kurz aufgezählt werden, sind: eine frühe Menarche, welche das Risiko im Erwachsenenalter adipös zu werden verdoppelt; Essstörungen der Mütter, wobei die Töchter dann stärker betroffen sind; sexueller Missbrauch und die in letzter Zeit vermehrten Hinweise auf eine mögliche virale Genese (Holub und Götz 2003).

3.6 Adipositasprävention

Aufgrund der aufgezeigten langfristigen Konsequenzen von Übergewicht und Adipositas ist eine frühzeitige Intervention dringend erforderlich (Müller et al. 1999a). Aus gesundheitspolitischer und wirtschaftlicher Sicht besteht Übereinstimmung hinsichtlich der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Adipositasprävention (Müller et al. 1996). Der Prävention kommt laut AGA eine besondere Bedeutung zu, da Übergewicht und Adipositas epidemisch sind und eine frühmanifeste Adipositas ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt. Außerdem sind die Erfolge der therapeutischen Intervention begrenzt und die Folgekosten erheblich (AGA Leitlinien 2004). Jede effektive Präventionsstrategie muss an den Ursachen ansetzen, um die Bedingungen zu ändern, die zur Entstehung von Übergewicht führen (Pudel 2003b). Es bleibt nur die günstige Beeinflussung der Umweltfaktoren, da aus heutiger Sicht noch keine Möglichkeit besteht, durch gentechnische Verfahren die Adipositasepidemie aufzuhalten (Pudel 2003b). Eine Adipositas im Kindes- und Jugendalter birgt ein erhöhtes Risiko für Adipositas im Erwachsenenalter. 41 % der im Alter von 7 Jahren übergewichtigen Kinder und 80 % der 10- bis 13-jährigen Übergewichtigen bleiben dies bis ins Erwachsenenalter (Müller 1999a). Die Aufgabe von Präventionsbemühungen besteht nun darin, der weiteren Ausbreitung entgegen zu wirken (Zwiauer 1998b). Die primären Ziele der Adipositasprävention sind: die Verhinderung des Auftretens einer Adipositas, die Vermeidung einer erneuten Gewichtszunahme nach einer Gewichtsreduktion und eine weitere Gewichtszunahme bei bereits Adipösen abzuwehren (Müller et al. 1998). Die Maßnahmen zielen also letztlich darauf ab, durch ein verbessertes Gesundheitsverhalten, dauerhaft die Energiebilanz ausgeglichen, oder bei bestehendem Übergewicht negativ zu gestalten (Zwiauer 1998b). Ebenfalls beabsichtigte Effekte von Interventionen sind: die Senkung von Reduktionsdiäten, Verminderung von Essstörungen, Vermeidung von Risikofaktoren und eine geringere Inzidenz ernährungsabhängiger Erkrankungen im Erwachsenenalter (Müller et al. 1998). Einige Studienergebnisse zeigen, dass Präventionsmaßnahmen eher die sozial Bessergestellten erreichen (Müller et al. 2002).

Die verschiedenen Präventionskonzepte: Gesundheitsförderung, Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterscheiden sich im Zeitpunkt der Interventionen (AGA Leitlinien 2004). Diese traditionelle Unterteilung wurde allerdings durch eine alternative Klassifikation der WHO ersetzt. Die WHO unterteilt die Präventionsstrategien in eine allgemeine, selektive und gezielte Prävention (AGA Leitlinien 2004). Die allgemeine Prävention (universale Prävention) hat die Verhinderung von Übergewicht auf Bevölkerungsebene zum Ziel. Sie richtet sich an alle Individuen einer Population, um den mittleren BMI der Population zu senken oder zumindest zu stabilisieren. Sie umfasst vorwiegend Primärmaßnahmen, erreicht aber auch übergewichtige und adipöse Kinder im Sinne einer Sekundärprävention (AGA Leitlinien 2004). Primärprävention sollte sich vor allem auf das Kleinkind- und Schulalter konzentrieren, da dies kritische Altersbereiche für eine Manifestation sind (vgl. Zwiauer 1998b). Bei der selektiven Prävention, die auf potentielle Risikogruppen in der Bevölkerung abzielt, handelt es sich vorwiegend um eine Sekundärprävention (AGA Leitlinien 2004). Gezielte Präventionsstrategien richten sich an übergewichtige oder adipöse Personen, die einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Es handelt sich hierbei vorwiegend um Tertiärpräventionsmaßnahmen (AGA Leitlinien 2004). Ziel dieser Strategie ist eine Gewichtsabnahme oder zumindest, eine weitere Gewichtszunahme zu verhindern (Müller et al. 2005). Hinsichtlich der Zielgruppen gibt es grundsätzlich 2 Strategien, die Risiko- und die Gesamtpopulationsstrategie (Zwiauer 1998a). Bei Risikogruppenstrategien müssen klare Risikogruppen bekannt sein oder zuerst einmal identifiziert werden (z.B. Einzelkinder, Kinder aus Großfamilien und Kinder aus sozial schwachen Familien). Eine Gesamtpopulationsstrategie, welche sich an alle Bevölkerungsmitglieder richtet, erscheint aber aufgrund der hohen Prävalenzraten wesentlich effektiver und notwendiger. Bei solch einer Strategie können gleichzeitig auch andere Risikofaktoren, wie Bluthochdruck und Diabetes, positiv beeinflusst werden (Zwiauer 1998a). Bevölkerungsweite Strategien berücksichtigen neben Gesundheit und Ernährung auch Erziehung, Bildung, Sicherheit, Kultur, Verkehr, Medien, Arbeit und Soziales (Müller 1998).

Grundvorrausetzung für Präventionsmaßnahmen ist die Schaffung eines Problembewusstseins in der Bevölkerung und auch in der Ärzteschaft (Zwiauer 1998b). Die Aufklärung und Verbreitung von Informationen über die Konsequenzen von Übergewicht sind dazu dringend erforderlich. Das Adipositasproblem trifft auf eine Gesellschaft, welche dieses weitgehend ignoriert und dilettantisch handhabt, so Müller et al. (1998). Einen wichtigen Aspekt bilden hier die notwendigen finanziellen Investitionen. Langfristige Präventionsprogramme, die nicht innerhalb kurzer Zeit sichtbare Erfolge zeigen, sind schwer tragbar (Zwiauer 1998b). Der größte Kosten-Nutzen-Effekt ist allerdings von Interventionen der Primärprävention und Gesundheitsförderung zu erwarten (Böhler 2005). Notwendig dafür sind also der gesundheitspolitische Wille, gegen die epidemische Ausbreitung etwas tun zu wollen, und die Sicherstellung der langfristigen Finanzierung (Zwiauer 1998a). Da die Kosten-Nutzen-Rechnungen der bisher erfolgreich angewendeten Präventionsprogramme allesamt positiv sind, könnten sie als Weg bereitende Vorbilder dienen (Zwiauer 1998b). Präventionsmaßnahmen sollten so früh wie möglich eingeleitet werden, denn die Persistenz der Adipositas steigt, wie schon erwähnt, mit dem Alter immer weiter (Müller et al. 1996). Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit, bis ins Erwachsenenalter übergewichtig zu bleiben, umso höher, je größer das Ausmaß des Übergewichtes im Kindes- und Jugendalter ist (Müller et al. 1996).

Die Motivation der Bevölkerung, ist eine wesentliche Aufgabe von Präventionsbemühungen. Dass dies problematisch ist, beschreibt Pudel (2003b) in seinem so genannten Präventionsparadoxon. Dieses besagt, dass die Problematik von Präventionsmaßnahmen darin besteht, dass sie 2 entscheidende Lebensbereiche des Menschen tangieren. Diese sind das Ess- und das Bewegungsverhalten, welche durch das reichliche Angebot an Nahrung und die Abwendung schwerer körperlicher Belastung gekennzeichnet sind. Aber erst durch große gesellschaftliche Errungenschaften wurden diese in den letzten Jahrzehnten geschaffen, um die Lebensqualität zu optimieren. Deshalb befürchten, so Pudel (2003b), die Personen einen Teil ihrer Lebensqualität zu verlieren. In Überflussgesellschaften wird das Essverhalten von einer Fülle von sekundären Motiven reguliert, die sich vom primären ursprünglichen Zweck der Nahrungsaufnahme weit entfernt haben. Weiterhin verlangt die Veränderung der Ernährungsweise von den Menschen, zu einem immensen und zudem ungewissen Belohnungsaufschub fähig zu sein. Denn gegenwärtige negative Erlebnisse müssen erst hingenommen werden, um in ferner Zukunft einen Vorteil genießen zu können (Pudel 2003b).

In Kiel wurde im Jahre 1996 „die Kieler Adipositaspräventionsstudie“ (KOPS) ins Leben gerufen, ein Präventionsprojekt der Adipositas. Dazu wurden jährlich ca. 500-1000 5- bis 7-jährige Kinder, die bis zur Pubertät beobachtet werden, im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung erfasst (Müller et al. 1999a). Untersuchungsparameter sind: BMI, Hautfaltendicke, Körperfettmasse, Ernährungszustand der gesamten Familie, körperliche Aktivität, Blutparameter, Geburtsdaten, Stillverhalten, sowie verschiedene soziodemographische Kenngrößen. Dadurch soll eine umfangreiche Charakterisierung denkbarer Risikofaktoren und Einflussgrößen auf den Gewichtsstatus ermöglicht werden (Müller et al. 1999a). Parallel dazu werden jährlich an 3 Modellschulen schulorientierte Interventionsmaßnahmen, die sich an alle Schüler richten, durchgeführt. Ergänzt wird diese Intervention durch Schulungsseminare für Eltern und Lehrer. Für Kinder mit einem erhöhten Adipositasrisiko werden zusätzlich eine Verhaltenschulung und ein Sportprogramm angeboten (Müller et al. 1999a). Die Ergebnisse der KOPS lassen die folgende Schlussfolgerung zu: das Risiko für Übergewicht und Adipositas im Kindesalter wird im Wesentlichen durch den Ernährungszustand der Eltern und die Sozialschicht bestimmt. Da das Ernährungsverhalten sich nicht zwischen Kindern mit unterschiedlichem Ernährungszustand, bezogen auf BMI und Körperfettmasse, unterscheidet, hat dieses nur einen schwachen Einfluss auf den Gewichtsstatus (Danielzik et al. 2005).

Koletzko (2005) schlägt vorbeugend ein attraktives Angebot an kindgerechten Speisen und die Belebung der gemeinschaftlichen Esskultur vor. Die Aufklärung über gesunde Ernährung und Lebensmittel, vor allem in Schulen, ist dringend notwendig (Steinhart 2005). Eine präventiv wirksame Ernährung ist die „Optimierte Mischkost“ (OptimiX). Diese wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund erarbeitet und kann bei allen Altersgruppen ab dem 1. Lebensjahr angewendet werden (vgl. Chahda 1999, Kersting 1993a,b). Bei der optimierten Mischkost wird eine Ernährung nach den derzeitigen ernährungsphysiologischen Empfehlungen ermöglicht und es finden landestypische und altersspezifische Ernährungsgewohnheiten Berücksichtigung (Körtzinger 1996). Solange die Relationen der Lebensmittel eingehalten und die Verzehrmenge dem jeweiligen Energiebedarf angepasst wird, können alle (außer Senioren), von diesem Konzept präventiv profitieren und damit den „Zivilisationskrankheiten“ positiv entgegenwirken (Kersting 1993a). Es sollten täglich eine warme und zwei kalte Hauptmahlzeiten sowie zwei weitere kleine Zwischenmahlzeiten zu sich genommen werden (Chahda 1999, Kersting 1993a). Die spezifischen Essvorlieben und –abneigungen der Altersgruppen werden einbezogen und die Lebensmittel sind preiswürdig und allgemein verfügbar (Körtzinger 1996). Das Prinzip beruht auf den 3 einfachen Grundregeln: pflanzliche Lebensmittel reichlich, tierische, möglichst fettarme Lebensmittel mäßig und Speisefette sehr sparsam verwenden (Chahda 1999). Zur Realisierung in der Praxis wurden lebensmittelbezogene und mahlzeitenbezogene Anleitungen entwickelt (Chahda 1999). Die Mahlzeiten bestehen hauptsächlich aus Vollkornprodukten, Obst und Gemüse. 1-2 mal in der Woche sollte eine rein vegetarische Hauptmahlzeit auf dem Speiseplan stehen. Empfohlen werden Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte, diese sollten 80 % des täglichen Energiebedarfs decken. Geduldet werden Lebensmittel mit niedriger Nährstoffdichte (wie Süßigkeiten und Gebäck). Diese sollten aber nur in geringen Mengen verzehrt werden und nicht mehr als 20 % des Energiebedarfs decken. Nach Möglichkeit sollten reichlich energiefreie Getränke zu sich genommen werden, wie Wasser oder ungesüßter Tee (Chahda 1999, Kersting 1993a). Die Zufuhr von Proteinen, Fett, Kohlenhydraten, sowie der Anteil von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren entsprechen den Präventionsempfehlungen (Kersting 1993b). Die Zufuhr von Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen überschreitet mit solch einer Kost sogar die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (vgl. Kersting 1993b).

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Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Einflussfaktoren auf den Gewichtsstatus von Kindern und Jugendlichen - Präventionsansätze bei Übergewicht und Adipositas
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
132
Katalognummer
V72693
ISBN (eBook)
9783638628129
Dateigröße
985 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zitierung ohne Seitenzahlangabe
Schlagworte
Einflussfaktoren, Gewichtsstatus, Kindern, Jugendlichen, Präventionsansätze, Adipositas
Arbeit zitieren
Magistra Scientiarum Franziska Hauskeller (Autor:in), 2005, Einflussfaktoren auf den Gewichtsstatus von Kindern und Jugendlichen - Präventionsansätze bei Übergewicht und Adipositas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72693

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